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Einfach traumhaft schön. Nach Weihnachten fahre ich oft in die Berge. Und besonders genieße ich da immer wieder den abendlichen Blick in den Himmel. Die Sterne glitzern und funkeln. Es scheinen unendlich viele zu sein.
Der Theologe Friedrich Schleiermacher entdeckte beim Blick in die Weiten des Universums sogar sein religiöses Gefühl. Für Schleiermacher, der um 1800 gelebt und gewirkt hat, war Religion nicht mit Vernunft zu fassen oder durch moralisches Handeln begründbar. Er hat Religion als ein Gefühl verstanden, das sich einstellt, wenn einem bewusst wird, wie abhängig wir von dem sind, was uns umgibt. Und der Blick in die Weiten des Universums hat ihm das verdeutlicht. Religion war für Schleiermacher „Sinn und Geschmack fürs Unendliche“.
Wenn ich den nächtlichen Sternenhimmel betrachte, kann ich das gut nachvollziehen. Da steht mir vor Augen, dass es etwas Größeres, Unendliches geben muss, das ich mit meinem begrenzten Verstand und meinen menschlichen Worten nie ganz erfassen kann. Aber es ist da, ich kann es fühlen.
So in etwa muss es auch den sogenannten heiligen drei Königen ergangen sein. Über ihre Reise zu dem neugeborenen Jesus wird heute in viele Kirchen gepredigt. Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war, (Mt 2,9).
Die Könige reisen um die halbe Welt, folgen dem Stern und der führt sie direkt zu Jesus. Sie haben beim Betrachten des Sterns offensichtlich gefühlt: Da ist etwas Besonderes passiert. Und der Stern führt sie direkt zu Gott. Allerdings nicht in die Weiten des Universums, sondern in den Stall zu einem neugeborenen Kind.
Denn in Jesus ist Gott, der Unendliche, Mensch geworden und auf die Erde gekommen. Er bringt so etwas von seiner Göttlichkeit zu uns. Das Göttliche hat sich mit dem Menschlichen in Jesus verbunden.
Deshalb fühle ich mich nachts unter dem Sternenhimmel, zwar manchmal klein und unbedeutend, aber nicht einsam und verlassen. Denn Gott ist in seiner Unendlichkeit nicht unerreichbar. Er ist uns durch Jesus ganz nahegekommen. Er hat sich in Jesus gezeigt. Und beim Blick in die Sterne kann ich etwas von seiner unendlich guten Macht fühlen. Einfach ein göttlicher Anblick.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41203Johanna ist mein Patenkind und acht Jahre alt. Neulich waren wir zusammen in der Kirche und im Gottesdienst wurden wir aufgefordert, uns gegenseitig zu segnen. Ich habe ihr ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet und dann umgekehrt sie mir. Für mich ein besonderer Moment. Der Segen ging hin und her und Johanna und ich: wir beide mittendrin.
Gesegnet zu werden ist für mich etwas Besonderes. Vor allem, wenn mir eine Person direkt gegenübersteht, in die Augen schaut und mir mit den Fingerspitzen ein Kreuzzeichen auf die Stirn macht. In diesen Momenten wird mir bewusst: Ich bin gemeint. Mir wird gerade Gutes gesagt. Und in dieser Nähe eines anderen Menschen erahne ich, dass auch Gott mir nahe ist.
Gott segnet die Menschen – das kenne ich. Und bislang war für mich klar: der Segen geht quasi von oben nach unten, von Gott zum Menschen. Doch dass der Segen auch in die andere Richtung, also vom Menschen zu Gott gehen kann – das ist für mich ein eher ungewöhnlicher Gedanke.
Nicht für die Bibel. Da geht der Segen hin und her. Ganz bildlich wird das bei der Geschichte von Jakob, im ersten Buch der Bibel beschrieben. Jakob träumt, dass die Boten Gottes auf einer Himmelsleiter von Gott zu Jakob und von Jakob zu Gott steigen. Auf und ab. Himmel und Erde sind miteinander verbunden und Gott verspricht Jakob: „Ich bin bei dir. Ich behüte dich, wohin auch immer du gehst.“ (Gen 28,12ff.)
Ich bin mir ziemlich sicher, dass die ersten Christen die Erzählung von Jakob und dem Segen, der hin- und hergeht, gekannt haben. Und auf diesem Hintergrund schreibt Paulus in einem Brief an die Menschen in Ephesus: „Gesegnet sei Gott (…).“ Und kurz darauf schreibt er weiter: „Gott hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel.“ (Eph 1,3)
Ich finde das einen schönen Gedanken am Beginn dieses neuen Jahres: Gott segnet mich und diesen Segen kann ich weitergeben. An andere Menschen und eben auch an Gott. Und so teile ich mit Gott nicht nur das, was mir gerade schwer auf der Seele liegt und wo ich ihn vermisse und seinen Segen brauche. Sondern ich segne ihn auch. Also ich suche die Nähe zu ihm, danke ihm und teile mit ihm das Schöne, das es in meinem Leben gibt.
Der Segen – er geht hin und her. Eine Verbindung, die mich trägt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41349Kaum geboren, schon auf der Flucht. Das ist keine schöne Geschichte, aber sie gehört zu Weihnachten dazu. Sie passt so gar nicht zur Festtagsstimmung, zur ruhigen Zeit „zwischen den Jahren.“ Aber so geht die Weihnachtsgeschichte nun mal weiter: Gerade erst ist Jesus geboren und wurde begrüßt als ein ganz besonderes Kind. Sogar Könige aus fernen Landen machten sich auf und beteten dieses Kind an. Doch kaum ist der hohe Besuch aus dem Morgenland wieder gegangen, da muss der Säugling mit seinen Eltern vor König Herodes fliehen. Denn der sieht in ihm einen gefährlichen Konkurrenten und will ihn ausschalten. Herodes setzt all seine Macht ein und befiehlt, alle neugeborenen Kinder rund um Bethlehem zu töten. Da packt Josef seine kleine Familie auf einen Esel und flieht mit Frau und Kind nach Ägypten.
Ist die Geschichte genau so passiert? Ich weiß es nicht. Aber das ist auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass sie so typisch ist für Jesus und sein Leben. Denn genauso wie am Anfang ist es ihm auch am Ende des Lebens ergangen: Erst wird er groß gefeiert und danach wird es lebensgefährlich. Am Anfang seines Lebens: Seine Geburt, zwar in einem armen Stall, aber, ein großer Engelschor und ein heller Komet, der den Königen den Weg gezeigt hat und auch noch kostbare Geschenke: Gold, Weihrauch, Myrrhe. Und dann: die Todesdrohung, die Flucht, Hals über Kopf in die Fremde. Und am Ende seines Lebens wieder das Gleiche: Der glorreiche Einzug in Jerusalem, zwar auf einem Esel, aber gefeiert vom Volk als Star, mit rotem Teppich und Hosianna-Rufen. Und kurz darauf: Verhaftung und Verurteilung durch Pontius Pilatus und der Tod am Kreuz.
Ja, typisch Jesus: Er hat sich nie beeindrucken lassen vom Jubel der Menschen. Er hat sich aber auch nicht beeindrucken lassen von denen, die meinen, die Welt zu beherrschen. Er ist Machtspielen aus dem Weg gegangen, denn er wollte sie ja gar nicht haben, diese Macht. Er ist einfach seinen Weg gegangen auf dieser Welt. Weil er genau wusste, wer wirklich Macht hat am Ende. Und er nimmt uns gerne mit auf diesen Weg, der an Weihnachten beginnt. Er hat uns nicht versprochen, dass es ein einfacher Weg ist. Aber es ist auf jeden Fall einer der sich lohnt, denn es ist ein guter Weg: Gottes Weg mit uns Menschen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41202Allen, die heute nochmals sanfte weihnachtliche Gedanken erwarten, macht die katholische Liturgie einen Strich durch die Rechnung. Der Zweite Weihnachtsfeiertag ist ein Heiligengedenktag, der des Stephanus. Und der Hl. Stephanus gilt als erster Märtyrer der Kirchengeschichte. In der Apostelgeschichte wird berichtet, dass er zur ersten Christengemeinde in Jerusalem gehört hat und besonders eifrig dabei war, den neuen Glauben zu verkünden. Und zwar nicht nur mit Worten, sondern es heißt von ihm: Stéphanus aber tat, voll Gnade und Kraft, Wunder und große Zeichen unter dem Volk[1]. Das hat Aufsehen erregt und die traditionellen jüdischen Gläubigen gegen ihn aufgebracht. Bis sie ihn schließlich zu Tode steinigten.
Weshalb aber wird diese grausame Geschichte an Weihnachten erzählt? Klar, es gehört zum Anfang des Christentums und damit auch zu Weihnachten, dass seine Anhänger verfolgt wurden. Für mich liegt der tiefere Grund aber woanders. Es gibt nämlich eine Parallele zwischen dem, was Lukas in seinem Evangelium als Weihnachtsgeschichte erzählt und dem, was er in seinem zweiten Buch, der Apostelgeschichte, von der Steinigung des Stephanus berichtet. In beiden Texten ist davon die Rede, dass der Himmel offen ist und Gottes Herrlichkeit dabei zeigt. Wörtlich heißt es heute im Bibeltext: Stephanus aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen und rief: Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen[2]. Das erleben so auch die Hirten, die auf dem Feld bei Betlehem ihre Schafe hüten. Die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie[3]und sie verstehen: Das Kind im Stall ist Gottes Weg, um ihnen eine neue Perspektive zu geben, um die Welt zu retten.
Der offene Himmel, bei der Geburt und beim Tod. Und hoffentlich immer wieder dazwischen. Solange wir leben und besonders an den wichtigen Stellen. Das ist Gottes Angebot an uns. Ich erinnere mich, dass es mir an wenigen Stellen in meinem Leben so ging. Zum Beispiel als ich vor einer großen Operation noch wach dalag und auf die Narkose gewartet habe und ich mir die Menschen vor Augen geführt habe, für die ich mich verantwortlich fühle und die ich liebe. Da war ich sehr traurig und habe mich gefürchtet. Aber mittendrin war auch etwas von Gott, ein kleiner Funke seines Glanzes, ein offener Himmel - den ich seither in mir bewahre und nie mehr hergebe.
[1] Apostelgeschichte 6,8
[2] Apostelgeschichte 7,55f.
[3] Lukas 2,9
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41259Ich würde heute Morgen so gerne sagen: „Fröhliche Weihnachten!“ Aber, liebe Hörerinnen und Hörer, natürlich weiß ich ja gar nicht, ob Sie heute Morgen überhaupt fröhlich sind. Und nach dem Anschlag in Magdeburg gehen mir die Worte auch nur schwer über die Lippen.
Ich hätte mir eben gerne einen fröhlichen Weihnachtsmorgen vorgestellt. Wie in manchen Wohnungen der eine oder die andere ein bisschen früher aufsteht als alle anderen und sich erst mal eine Tasse Kaffee oder Tee machen. Vielleicht liegt noch etwa Geschenkpapier auf dem Boden herum? Eine gute Zeit, um ein bisschen aufzuräumen …
So stelle ich es mir gerne vor – und weiß trotzdem genau, dass viele Menschen heute allein aufstehen – und auch an Heilig Abend allein gewesen sind. Dass die Nachrichten aus Magdeburg ein leiser Schatten über allem sind. Oder dass in manchen Familien gerade das Chaos ausbricht – weil man los muss um die Großeltern besuchen oder die Schwiegereltern. Oder weil bei einem selbst der Besuch im Anmarsch ist.
Trotzdem. Ganz vorsichtig wünsche ich Ihnen und mir heute Morgen: Fröhliche Weihnachten. Trotz allem, was gerade schwer ist.
Trotzig zu sein ist nämlich nicht das schlechteste, finde ich. Auch wenn wir die Schatten von Krieg und sinnloser Gewalt nicht aus unserem Leben verbannen können. Und auch, wenn ich an Sorgen und Problemen in meinem Leben vielleicht zum tausendsten Male scheitere - was hilft es, aufzugeben? Dann doch lieber trotzig an der Hoffnung festhalten - das Zutrauen nicht verlieren und neuen Anlauf nehmen!
Gerade an Weihnachten kommt mir Gott ganz ähnlich trotzig vor: Er gibt einfach nicht auf, uns Menschen auf den Weg des Friedens zu bringen. In einer Bibelstelle, die heute in vielen Gottesdiensten zu hören ist, heißt es: „Im Anfang war das Wort“ (Joh 1,1) Gemeint ist damit: Von Anfang an ist Gott da, mit seinem Wort, und sein Wort von Frieden und Gerechtigkeit bleibt gültig – egal, ob wir Menschen es nun hören wollen oder nicht. Und wenn wir es vielleicht kaum noch hören können – vor lauter Nöten, Krisen du Sorgen des Lebens - dann nimmt er eben noch einmal einen neuen Anlauf und schickt seinen eigenen Sohn in die Welt – und mit ich all die Liebe, die er zu uns Menschen hat.
Jesus wird es nicht leicht haben mit uns. Er wird uns von unseren schlechtesten Seiten kennen lernen. Unsere Fähigkeit zu hassen und zu zerstören. Aber aufgeben wird er nicht. Und lässt sich nicht aufhalten, immer wieder neu Anlauf zu nehmen, um unsere Herzen zu erreichen. Immer wieder neu, jedes Jahr an Weihnachten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41306Jetzt am Freitag war der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Am selben Tag hatte ich mich nachmittags noch gefreut, dass ich es selbst noch auf den Weihnachtsmarkt in Stuttgart geschafft habe. Mir ist dort nichts geschehen. In Magdeburg aber ist nichts mehr, wie es war. Wie furchtbar: nur noch die Trauer der Angehörigen, die Angst um die Verletzten, überhaupt: die Angst.
Heute, rückblickend, wird mir klar, warum ich so gerne noch auf den Stuttgarter Weihnachtsmarkt gewollt hatte: Ich denke, ich wollte mir von dort ein Stück inneren Frieden mitnehmen. Mir ist das jetzt erst so richtig klar: Ich wollte ein bisschen nostalgisch sein – an die Zeit denken, als ich noch in der praktischen Ausbildung war und mit meinen Vikarskollegen über den Markt gezogen bin. Oder an das letzte Mal, als mein alter Vater noch dabei sein konnte…
Ich habe mir am Freitag auch eine Kleinigkeit gekauft, aber das war gar nicht so wichtig. Eigentlich – das verstehe ich jetzt – war ich auf der Suche nach der weihnachtlichen Atmosphäre, nach Entspannung – eben nach einem Stück inneren Frieden. Wahrscheinlich wie viele andere auch, in Zeiten, in denen wir ständig von Krieg und Gewalt hören.
Was singen die Engel in der Weihnachtsgeschichte der Bibel? Die Menge der himmlischen Heerscharen, als Jesus auf die Welt gekommen ist? Sie singen: „Ehre sei Gott in der Höhe. – Und Friede auf Erden – bei den Menschen seines Wohlgefallens…“
Ach Herr: Frieden auf Erden… Wird das je sein, für die, die trauern um ihre Angehörigen? Ihre Freunde? Ihre Kinder? Ich hoffe - und ich bitte Dich: Sei bei ihnen. Damit sie vielleicht, eines Tages, wieder ein bisschen inneren Frieden finden werden? Oder wenigstens irgendwann wieder ein wenig das Leben spüren können?
Herr Jesus, wir sehnen uns doch nach Frieden. Versuchen, etwas zu tun, damit die Gewalt aufhört – und hoffen auf ein bisschen inneren Frieden und Kraft für uns selbst.
Schenke uns doch ein wenig Frieden und Kraft. Lass es Weihnachten werden – es ist doch das Fest des Friedens. Wir brauchen Weihnachten gerade so sehr.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41228Anfang Dezember spanne ich immer eine Schnur quer durchs Wohnzimmer. Daran wird dann peu à peu die Weihnachtspost aufgehängt. Eigentlich ist das ein englischer Brauch. In keinem anderen Land werden traditionell so viele Weihnachtskarten verschickt wie in Großbritannien. 150 Millionen sollen es sein jedes Jahr. Vielleicht klappt das auch nur, weil man sich auf Englisch so schön kurzfassen kann. „Season’s greetings“ heißt der Weihnachtswunsch. Kurz und knapp. Wörtlich übersetzt etwa: „Jahresendzeitliche Grüße!“ Das spart lange Aufzählungen. Auf Deutsch muss man ja mindestens schreiben: „Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr!“ Außerdem kann man ein und dieselbe Karte auch an Leute schicken, die im Dezember nicht Weihnachten feiern, sondern Chanukka, das jüdische Lichterfest. Season‘s greetings meint dann auch: „Was immer Du feierst: Glückwunsch dazu!“
Ich hab’s dann doch auch mal gern ausführlicher. Und ein Meister des Briefeschreibens unterstützt mich dabei. Im Neuen Testament sind etliche Briefe erhalten, die Paulus an Gemeinden oder an einzelne Personen geschrieben hat. Und heute wird in vielen evangelischen Gottesdiensten über eine Stelle aus seinem Römerbrief gepredigt. Da schreibt er: „Der Gott, der Hoffnung schenkt, erfülle euch in eurem Glauben mit lauter Freude und Frieden. So soll eure Hoffnung über alles Maß hinaus wachsen durch die Kraft des Heiligen Geistes.“ Kurz und knackig ist dieser Wunsch nicht. Ganz im Gegenteil klingt er richtig vollmundig. Und ich finde ihn passend als jahresendzeitlichen Wunsch. Denn Hoffnung ist vielleicht das Beste, was wir einander in diesem zu Ende gehenden Jahr wünschen können. Und glauben, dass Gott genug davon hat, dass die Hoffnung über alles Maß und gegen alle Vernunft auch noch wachsen kann. Und dass uns das am Ende mit Frieden und Freude erfüllt. Lauter große Wörter. Ich schreibe sie auf. In großen Buchstaben. Jedes auf eine Karte. Und hänge sie an die Schnur im Wohnzimmer. Wann, wenn nicht jetzt, haben große Wörter Saison?
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41201Orte, an die man sich manchmal hinwünscht, heißen „Sehnsuchtsorte“. Das kann ein Sandstrand am Meer, eine Berghütte oder die gemütliche Bar in der Nachbarschaft sein. Zu einem Sehnsuchtsort gehört für mich, dass ich dort dem entfliehen kann, was mich belastet. Dort fühle ich mich aufgehoben und leicht.
In biblischen Texten ist die Stadt Jerusalem so ein Ort. Heute ist davon in katholischen Gottesdiensten zu hören. Der Abschnitt aus dem Buch des Propheten Baruch beschreibt Jerusalem als eine Frau, die ihre alten Kleider ablegen und neue anlegen soll. Ganz poetisch heißt es: „Leg ab, Jerusalem, das Kleid deiner Trauer und deines Elends, und bekleide dich mit dem Schmuck der Herrlichkeit, die Gott dir für immer verleiht! Leg den Mantel der göttlichen Gerechtigkeit an; setz dir die Krone der Herrlichkeit des Ewigen aufs Haupt! Denn Gott will deinen Glanz dem ganzen Erdkreis unter dem Himmel zeigen.“ (Bar 5,1-3)
Jerusalem als ein Sehnsuchtsort, wo einmal alles gut sein wird. Und das, obwohl die Stadt nicht nur heute, sondern auch zu biblischen Zeiten oft heftig umkämpft und sogar mehrmals zerstört wurde. Das haben auch die Menschen zur Zeit des Propheten Baruch am eigenen Leib erfahren. Und die schwere Zeit steckt ihnen noch in den Knochen. Aber – und davon spricht der Prophet Baruch – es wird anders werden. Weil Gott sie nicht vergessen hat. Er sorgt dafür, dass Jerusalem irgendwann wieder strahlen wird.
Ich glaube, wir Menschen brauchen solche Hoffnungsbilder. Nicht weil ich davon ausgehe, dass Gott alles Unglück mit einem Wisch beseitigt. Aber mir tut es gut, wenn ich von solchen Hoffnungsbildern höre – gerade jetzt im Advent. Sie erinnern mich daran, dass es unter dem, was schwer auf mir lastet, immer auch glänzt. Ein Glanz, den Gott in jeden Menschen gelegt hat. Und diesen gilt es zu suchen und freizulegen. Dann wird das Leben nicht nur an irgendeinem Sehnsuchtsort heller und schöner, sondern auch da, wo ich gerade bin.
Äußerlichkeiten, wie ein schickes Oberteil oder glänzender Schmuck, können dabei helfen. Doch noch besser gelingt das, wenn mich jemand ermutigt, mich nicht unterkriegen zu lassen, weil wir das gemeinsam schon hinbekommen. Oder wenn jemand wirklich versucht zu verstehen, wie es mir geht und mir dadurch zeigt, dass ich ihm wichtig bin. In solchen Momenten, kann ich den Glanz erahnen, mit dem Gott mich und die Menschen um mich herum ausgestattet hat.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41159Wenn ich als Pfarrerin sonntags einen Gottesdienst halte, dann gehört dazu natürlich auch „meine“ Predigt. Für die habe ich zuvor am Schreibtisch gebrütet, habe mir die Bibelstelle angesehen, die dran ist und habe mir überlegt, was ich sagen soll, damit die Gottesdienstbesucher auch etwas davon haben. Und ich habe oft wirklich gebrütet – und gebrütet und gebrütet – bis mir endlich etwas Brauchbares eingefallen ist.
Da hatte es Petrus, einer der engsten Freunde von Jesus, anscheinend leichter. Petrus war kein großer Redner - er war eigentlich Fischer von Beruf, da redet man nicht viel. Aber als er seine allererste Predigt halten muss, da erzählt die Bibel, wie Gottes Heiliger Geist ihm die richtigen Worte ins Herz legt. Aus dem Stand und ohne Vorbereitung hält er eine mitreißende Predigt vor einer großen Menschenmenge mitten in Jerusalem.
Und ich an meinem Schreibtisch? Ich bin neidisch: Petrus, der musste nix vorbereiten - der musste nur den Mund aufmachen - und der Heilige Geist übernahm den Rest. Das wär‘ mal praktisch…
Eine kleine Anekdote aus Pfarrerskreisen bringt mich zum Glück aber auch wieder zurück auf den Boden der Tatsachen. Und die geht so: Drei Pfarrer treffen sich. Der erste klagt, wie lang er für seine Predigtvorbereitungen braucht. Da meint der zweite: „Lieber Amtsbruder! Uns ist doch der Heilige Geist geschenkt! Also ICH gehe einfach auf die Kanzel. Ich fange an zu reden und was ich sage, das bewirkt allein der Geist Gottes!“ „Wie recht du hast!“ schaltet sich darauf der dritte ein. „Auch ich habe schon die Stimme des Geistes vernommen, wenn ich nicht vorbereitet war! „Hans!“ hat sie gesagt „Hans, du bist faul gewesen! Hans, du hast dich nicht vorbereitet!““
Ich finde, die Geschichte ist nicht nur tröstlich, sondern sogar beruhigend. Denn man stelle sich vor, ich als Pfarrerin würde wirklich behaupten, meine Predigt käme direkt von Gott! Als wäre ich so etwas wie ferngesteuert vom Heiligen Geist. Genauso bei allem, was ich sonst tue oder sage als Christin.
Nein - so anmaßend dürfen wir Pfarrerinnen und Pfarrer auf keinen Fall sein. Es sind schon noch meine eigenen Worte und Gedanken, wenn ich im Gottesdienst eine Predigt halte. Der Heilige Geist spielt dabei trotzdem DIE zentrale Rolle. Denn der treibt mich an! Für seine Sache setzten sie mich ein! Und da bleibe ich auch dran - selbst, wenn es viel Zeit und Hirnschmalz braucht, bis die richtigen Worte auf dem Papier stehen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41152Einige der schönsten Bibelstellen von Jesus sind mit einem seltsamen Wort verbunden: der Menschensohn. Jesus verwendet dieses Wort gern und häufig, wenn er von sich selbst spricht. Zum Beispiel, wenn er sagt: Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen[1]. Oder: Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester, aber der Menschensohn hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen könnte[2]. Offenbar findet er besonders passend, was mit diesem Wort verbunden ist, und er benutzt es deshalb gern, um sich selbst zu charakterisieren.
Der Menschen-Sohn, der Sohn des Menschen. Wer soll das sein? Wer sich an der männlichen Form „Sohn“ stört, kann auch Menschenkind sagen. Vielleicht kommen wir damit der Sache sogar näher, weil das ein Wort ist, das es in unserem geläufigen Sprachschatz noch gibt. Wenn wir nicht Mensch, sondern Menschenkind sagen, denken wir eher an die zarte und verletzliche Seite. Wir verbinden damit, dass ein Kind beschützt werden muss und nur überleben kann, wenn es von anderen akzeptiert, am besten geliebt wird. Sonst braucht ein Kind wenig von dem, was für uns Erwachsene oft so unverzichtbar zu sein scheint: Vermögen, Anerkennung, Status. Kinder haben sich noch keinen Panzer zugelegt, um sich gegen alle Seiten abzusichern. Wer so arglos ist wie ein Kind, so angewiesen auf Wärme und Schutz, der steht ganz oben in dem Reich, von dem Jesus immer wieder spricht, der ist noch am ehesten so, wie Gott sich den Menschen ursprünglich gedacht hat. Und er, Jesus, verkörpert das. Er, der Menschensohn.
Jesus hat das Wort nicht erfunden, sondern kennt es aus den heiligen Schriften seiner jüdischen Überlieferung. Besonders markant findet es sich an einer Stelle im Buch des Propheten Daniel, die heute in den katholischen Gottesdiensten vorgetragen wird. Dort heißt es: Da kam mit den Wolken des Himmels einer wie ein Menschensohn. (…) Ihm wurden Herrschaft, Würde und Königtum gegeben. Alle Völker, Nationen und Sprachen dienten ihm. (…) Sein Reich geht niemals unter[3]. Damit wird eines unüberhörbar: Der Menschensohn ist der, den Gott sendet, um die Welt von Übel zu befreien und vor dem Untergang zu retten. Der Menschensohn ist der Messias. Aber er kommt nicht mit Gewalt, sondern er wirkt durch spürbare Menschlichkeit. Gott macht sich die besten Eigenschaften des Menschen zunutze, um zu überzeugen. Gerade so habe ich immer verstanden, was Menschwerdung bedeutet: Gott schickt uns seinen Sohn. Und indem er ganz Mensch ist, Kind eben auch von Menschen, überzeugt er mich, dass dies der einzige Weg ist, um unsere Welt zu retten.
[1] Markus 10,45
[2] Matthäus 8,20
[3] Daniel 7,13f.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41011