Zeige Beiträge 1 bis 10 von 40183 »
Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

Rashid ist Krankenpfleger und hat einen Pflegedienst. Er betreut auch „Oma Lotti“. Rashid folgen auf Instagram fast 700tausend Leute. Und sie alle kennen auch Oma Lotti, eine über 90-jährige weißhaarige Dame. Sie wohnt in einer Wohnung mit hellen Küchenmöbeln. Dort sitzen sie und Rashid in den Videos meistens und trinken Tee. Manchmal bringt er Essen vom Abholservice eines Restaurants mit, manchmal sieht man sie einen Apfel schälen. Einmal hat er Baklava dabei, das Gebäck ist Oma Lotti zu süß – und sie kann es nicht verbergen, dass es ihr nicht schmeckt. Sie ist herrlich ehrlich. Er sagt ihr, dass ihre Haare heute besonders gut aussehen und sie lernt von ihm das Wort „Bad-Hair-Day“ für einen der anderen Tage, wenn ihre Haare vom Liegen hinten ganz platt gedrückt sind. Sie sagt ihm, dass sie seinen Vollbart mag, obwohl sie Männer mit Bärten eigentlich nie mochte.
Sie sind Gefährten auf Zeit, haben einander nicht ausgesucht. Und es hat sich gefügt, dass die beiden füreinander gut sind.
Erstaunlich selten reden sie über das, was Lotti nicht mehr kann, über Krankheiten oder Gebrechlichkeit. Rashid wirkt nie gestresst und sicherlich wird das, nach allem, was wir über die Realität von Pflege wissen, nicht ganz richtig sein. Trotzdem sind die Videos nicht geschönt. Sie sind: fünf Minuten Augenhöhe.
Häufig haben wir im Leben mit Menschen zu tun, die wir uns nicht ausgesucht haben, auf die wir aber irgendwie angewiesen sind. Das ist in der Pflege oder medizinischen Versorgung so, aber auch in Behörden oder in der Schule.
Immer wenn die Augenhöhe verlassen wird, wenn einer von oben herab schaut oder handelt, dann gibt’s diese Schieflage. Das passiert übrigens auch, wenn man’s gut meint.
„Frag mich bloß nicht, wie’s mir geht“, ruft Oma Lotti in einem der Videos Rashid schon an der Tür zu. „Erzähl mir lieber was Schönes!“
„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, stellt die Bibel ganz am Anfang fest. Vielleicht weil wir manchmal die Augen eines anderen in gleicher Höhe brauchen, um das Leben zu meistern.
SWR4 Abendgedanken
Jérôme. Der Name hat sich tief in mein Herz eingeprägt. Dabei bin ich ihm nie persönlich begegnet. Ich habe keine Ahnung, wer er war, kenne weder sein Gesicht noch seinen Nachnamen. Trotzdem denke ich oft an ihn. Immer dann, wenn ich an dem kleinen Holzkreuz am Straßenrand vorbeifahre. Es ist blau und auf dem Querbalken steht in schwarzen Buchstaben sein Name: Jérôme.
Das Kreuz steht an der Stelle, an der er vermutlich gestorben ist. Auf der Straße, die ich fast täglich zur Arbeit entlangfahre. Wenn ich das Kreuz sehe, bin ich mit meinen Gedanken sofort bei ihm: Wer bist du gewesen, Jérôme? Was ist mit dir passiert? Wie hast du gelebt? Wen musstest du zurücklassen? Es muss Menschen geben, die ihn sehr vermissen, denn es stehen immer frische Blumen vor dem Holzkreuz. Seit Jahren schon.
Jérômes Kreuz macht mich traurig. Es ist eines von vielen an deutschen Straßenrändern. Allein 2024 sind fast 3000 Menschen im Straßenverkehr verunglückt. Das sind viele Kreuze. Das sind viele traurige Menschen. Viele Erinnerungen.
Ich finde diese Tradition gut und wichtig, Kreuze am Straßenrand aufzustellen. Sie erinnern nicht nur daran, dass hier ein Mensch sein Leben verloren hat, sondern sind auch eine optische Mahnung an alle, die daran vorbeifahren: Fahrt vorsichtig. Das Leben kann schnell vorbei sein. Runter vom Gas.
Auf mich wirkt so ein Holzkreuz viel eindringlicher als jedes Warnbanner. Auch mein Leben ist endlich. Und dann?
Ich hoffe, dass ich eines Tages alle wiedersehen werde, die mir auf dieser Welt so wichtig geworden sind. Dass wir uns alle wieder in den Armen liegen und glücklich sein dürfen. Gemeinsam bei Gott. Bis dahin wird mein Name auf der Erde zurückbleiben und an mich erinnern. Auf einem Holzkreuz oder auf einem Grabstein.
Bei dem Kreuz von Jérôme muss ich auch an all die Menschen denken, die ich verloren habe. Ich stelle nicht immer frische Blumen an ihr Grab, aber ich vermisse sie. Jeden Tag. Es tut weh, wenn ein Mensch geht und der Schmerz bleibt.
Ich hoffe, es stimmt, was man sagt, dass Liebe alle Grenzen überwindet. Auch die des Todes. Mein christlicher Glaube lässt mich darauf vertrauen, dass auch meine Seele den irdischen Tod überdauert, genauso, wie die Liebe. Auch daran erinnert mich das Kreuz am Straßenrand.
Es verspricht mir, dass geliebte Menschen nicht „einfach so“ aus dem Leben verschwinden. Solange ein Name auf einem Kreuz, einem Grabstein oder auch nur im Herzen eines Menschen geschrieben steht, bleibt er in Erinnerung. Das finde ich tröstlich und schön.
Jérôme, wer auch immer du warst, du stehst in meinem Herzen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41569Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Begegnungen können einen verändern. Und ich denke, Jesus ging es auch so. Ich habe dazu eine Geschichte im Markusevangelium gelesen: Jesus ist gerade in einem Haus in Tyrus. Ganz wohl fühlt er sich im Nachbarland seiner Heimat nicht, mit der so ganz anderen Religion und Kultur.
Eine Einheimische hat mitbekommen, dass Jesus da ist. Sie hofft auf Hilfe für ihre kranke Tochter. Sie kommt ins Haus, fällt vor Jesus auf die Füße und fleht ihn an: „Bitte mach meine Tochter gesund.“
Wie er ihr jetzt antwortet, muss der Frau weh getan haben, und es schockt mich auch:
„Lasst zuerst die Kinder satt werden; denn es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den kleinen Hunden vorzuwerfen.“
Die Frau gibt nicht klein bei, sie hat nichts zu verlieren und antwortet: „Meister! Aber auch die kleinen Hunde unter dem Tisch essen von den Brotkrumen der Kinder.“
Jesus kommt ins Nachdenken und antwortet: Weil du das gesagt hast, sage ich dir: „Geh nach Hause, deiner Tochter geht’s gut“. Und so war es wirklich. Als sie heimkam, lag die Tochter gesund in ihrem Bett.
Die Begegnung hat Jesus verändert. Gekommen war er mit dem Entschluss: „Ich kümmere mich nur um meine eigenen Leute“. Die Leute aus diesem Land beuten uns aus. Sie machen einen Reibach mit unserem Getreide. Warum soll ich auch nur den Finger für sie krumm machen.
Aber diese fremde Frau ist mutig. Sie lässt nicht locker, selbst als Jesus sie übel beleidigt und sie mit Hunden vergleicht.
Und ihre Haltung verändert Jesus. Sie knackt seinen Panzer und er findet wieder zu seinen göttlichen heilenden Kräften.
Durch die Begegnung ist sein Herz weicher geworden und sein Horizont weiter. Was für ein Segen, wenn Menschen einander zuhören. Wie gut, wenn Menschen nicht nur übereinander sprechen, sondern miteinander; wenn Vertrauen entsteht und Leute ihre Deckung fallen lassen.
Wie gut, dass die Frau drangeblieben ist. Wie gut, dass Jesus sie nicht unterbrochen und sie nicht weggeschickt hat. Er hat sich von ihr in Frage stellen lassen. Das braucht es, damit Gesellschaften nicht auseinanderdriften. Wir brauchen keine Ewiggestrigen, für die Vielfalt ein Graus ist, sondern Menschen, die sich auf echte Begegnungen einlassen und dazulernen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41560SWR Kultur Wort zum Tag
Heute machen sich tausende von Menschen auf. Schließen sich in Dresden zu einer Menschenkette zusammen. Bilden rings um die Innenstadt einen Erinnerungswall: Die Menschenkette erinnert an die Bombardierung der wunderbaren Stadt an der Elbe vor genau 80 Jahren.
Dresden ist überall. Auch in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wird in den nächsten Tagen und Wochen an die Bombardierungen gedacht. Im Februar und März 1945 verloren in Mainz und Worms, in Ludwigshafen oder Stuttgart Tausende von Menschen ihr Leben.
Warum aber überhaupt erinnern? Ich versuche eine Antwort aus dem christlichen Glauben heraus. Ein Mensch, Jesus, stirbt, und bis heute erinnere ich mich daran – wie viele andere Menschen auch. Die Erinnerung hält wach, was für ein Mensch dieser Jesus war. Was er gesagt und getan hat, wie er gelebt hat und wofür er gestorben ist. Die Erinnerung an Jesu grausamen Tod am Kreuz ist für viele Menschen ein Ansporn: Sie engagieren sich gegen Gewalt und Leid. Christinnen und Christen setzen sich auf der ganzen Welt dafür ein, dass Menschen leben können. Aus der Erinnerung an geschehenes Unrecht arbeiten sie für Gerechtigkeit.
Auch die Bombardierung Dresdens war mit unendlichem Leid verbunden. Sie ist nicht zu trennen vom Zweiten Weltkrieg und seinen Ursachen: Faschismus und Rassenwahn. Wenn sich heute Menschen zu einer Kette zusammenschließen, dann erinnern sie an beides: An Bombennächte und die Gräueltaten der Nazis. Die Menschenkette steht symbolisch für die Bedeutung jedes Menschen und seiner Würde. Und sie kann inspirieren. Sich dafür einzusetzen, dass alle Menschen in Frieden leben dürfen: Unabhängig davon, wo sie herkommen, wie sie aussehen, welchen Glauben sie haben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41563SWR3 Gedanken
Das Einzige was von meinem alten Kinderzimmer noch übriggeblieben ist, ist die rote Wandfarbe, ein Kleiderschrank mit blauen Knöpfen und mein Nachttisch, in dem noch ein paar alte Sachen aus meiner Jugend schlummern.
Ich wohne schon seit über 10 Jahren nicht mehr Zuhause. Passt also wunderbar, dass meine Mutter im Lauf der Zeit dafür gesorgt hat, dass mein altes Zimmer zu einem Multifunktionsraum mutiert ist. Mit Bügeltisch und Nähmaschine.
Wäre ja auch wirklich schräg, wenn meine Eltern das Zimmer immer noch freihalten würden. Nur für den Fall, dass ich einmal im Schaltjahr dort übernachte.
So wie mit meinem alten Kinderzimmer könnte man auch mit den ganzen Kirchen umgehen. Viele werden schon jetzt nicht mehr oder nur noch am Wochenende gebraucht. Die meiste Zeit stehen sie leer, weil viele Menschen eben aus den Kirchen ausgezogen sind. Sie deswegen direkt abzureißen muss nicht sein. Viel schöner wäre es, sie zu multifunktionalen Alltagsräumen umzubauen. Zum Beispiel zur Bibliothek, zum Restaurant oder einer Boulderhalle. Dann würde immerhin wieder mehr Leben in die Bude einziehen.
Vielleicht liest dann jemand in der Bibliothek ein theologisches Buch, im Restaurant verliebt sich ein Paar und in der Boulderhalle erfahren junge Menschen, dass sie Herausforderungen meistern können.
Alles Dinge, die wunderbar zu Gott passen und zu dem, was die Kirchen ja - im besten Fall – erlebbar machen wollen. Nämlich über Gott nachdenken, Liebe erfahren und dabei Mut tanken.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41547SWR3 Worte
Was ist wohl Gottes Idee für meinen heutigen Tag? Der Internetauftritt des Franziskanerordens „barfuß und wild“ schlägt folgendes vor:
Der Morgen ist Gottes Art, einmal mehr zu sagen: Geh, mach einen Unterschied, berühre ein Herz, ermutige einen Geist, inspiriere eine Seele und genieße den Tag.
Quelle:
https://www.barfuss-und-wild.de/seelenfutter-415-morgen-gottes-art-unterschied-machen (28.01.2025)
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41537Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP
Ich liebe Waldorf und Statler. Die beiden, die bei der Muppets Show in der Loge an der Seite sitzen und an keinem, der auf dieser Muppet-Show-Bühne auftritt, ein gutes Haar lassen. Mal fallen Sie Kermit, dem Frosch ins Wort, mal Miss Piggy. Und am Ende der Show sagt der eine zum andern: „Tja, dann will ich mal zum Zahnarzt gehen.“ Und Waldorf fragt nach: „Was, jetzt?“ „Klar! Nach der Show kann nichts mehr weh tun.“
Noch zig Beispiele gibt’s für solche Paare, die vor allem im Dialog und in ihrer Unterschiedlichkeit witzig sind: Ernie und Bert, Tom und Jerry, Dick und Doof, Bud Spencer und Terence Hill. Und Piggeldy und Frederik beim Sandmännchen. Die beiden sind echte Philosophen. Sie sind Schweine-Geschwister und immer geht die Geschichte damit los, dass Piggeldy eine Frage hat. Er will zum Beispiel wissen, was eine Badewanne ist oder ein Gewitter. Oder auch, was Angst ist. Oder Liebe. Und Frederick antwortet immer als Erstes: „Nichts leichter als das, komm mal mit.“ Und am Ende ist nicht nur die Frage beantwortet, sondern das Leben erklärt.
Das Leben ist offenbar darauf aus, mit anderen geteilt zu werden. Und dass uns andere Menschen mitunter herausfordern, das bestätigt das eher. Das Leben zu teilen, liegt in unserer Natur.
Martin Buber, jüdischer Philosoph, beschreibt eindrücklich: Ein Mensch nimmt sich selbst überhaupt erst wahr, wenn er oder sie mit anderen Menschen zu tun hat. Mehr noch: Jeder Mensch entwickelt seine oder ihre Identität erst in der Begegnung mit anderen. Und ist das nicht ein schöner Gedanke: Ich erfahre mich selbst zuerst darin, dass ich geliebt werde, nicht dass ich selbst liebe.
Am Freitag ist Valentinstag und ich werde an die Menschen vielleicht mal ein paar Rosen verteilen, die mir wie Frederick auf jede Frage antworten: Nichts leichter als das. Und auch für diejenigen, denen ich dieses Gegenüber sein darf.
Und Rosen für die Waldorfs und Statlers im Leben, die alles besser wissen und es aber so sagen, dass ich lachen kann. Denn es mag ja stimmen: Ohne sie alle wäre ich nicht, die ich bin.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41583SWR4 Abendgedanken
„Wenn der Keks redet, hat der Krümel Pause!“ Das sagt meine Freundin ihrem Sohn Leo. Weil er uns mitten im Gespräch unterbricht. Ich muss lachen. Als ich Leo dann anschaue, bleibt mir das Lachen im Hals stecken. Der Kleine findet den Satz gar nicht lustig.
Das war doch nicht böse gemeint. Trotzdem beißt sich Leo auf die Lippen und scheint kurz davor, loszuweinen.
Für ihn hat der Satz noch eine andere Botschaft. Er versteht: „Was du sagen willst, kann niemals so wichtig sein, wie das Gespräch zwischen Erwachsenen.“ „Deine Meinung und deine Bedürfnisse sind unwichtig, denn du bist klein und unwichtig.“ Puh, wie schlimm muss es sein, sowas zu hören. Vielleicht wäre es besser gewesen zu sagen: „Lass uns kurz ausreden, dann bist du dran und wir hören dir dann aufmerksam zu.“
Leo tut mir leid. Dabei werden Kinder öfter mal zum Schweigen gebracht. Egal mit welchen Sätzen. Sofort bin ich froh, dass sich meine Mama in meiner Kindheit an einem gegensätzlichen Vorbild orientiert hat. An dem eines Mannes, der gesagt hat: „Lasset die Kinder zu mir kommen.“ Dieser Mann heißt Jesus. Jesus hat das vor über zweitausend Jahren gesagt. Vor zweitausend Jahren!! Schon damals haben Erwachsene Kinder zurückgehalten. Auch sie haben gedacht, dass Jesus nicht von „bedeutungslosen“ Ansichten “kleiner Krümel“ belästigt werden sollte. Offenbar ganz überzeugt davon, dass es Menschen gibt, die nichts zu melden haben, Menschen, die man kleinhalten muss. Puh, was für ein toxischer Gedanke!
Mir gefällt es, dass Jesus keinen Unterschied macht zwischen Groß und Klein, sondern jedem gleichermaßen zuhören will.
Dass Menschen zum Schweigen gebracht und kleingehalten werden, gibt es in allen Generationen und Ländern. Besonders hart trifft das wohl Kinder und schwächere Menschen; Denen kann man leicht sagen: „Darüber spricht man nicht.“ „Für deine Gefühle und Meinungen ist jetzt keine Zeit.“ Man kann sie und ihre Probleme kleinreden. Ja und dann?
Niemand bleibt ewig ein Kind, aber geschwiegen wird weiter. Denn wenn man Regeln einmal gelernt und verinnerlicht hat, orientiert man sich oft sein Leben lang daran. Auch als Erwachsener. Viele verhalten sich dann so, wie es ihnen beigebracht wurde: schweigen, und geben es an die nächste Generation weiter.
Ich möchte meinen Kindern vermitteln, dass es wichtig ist, was Menschen sagen. Egal, wie klein sie sind oder wie klein sie sich fühlen. Deshalb achte ich darauf, sie wertschätzend zu behandeln, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen genau zuzuhören.
Gerade in Anbetracht der anstehenden Wahlen wird deutlich, wie wichtig es ist, dass Menschen lernen, sich nicht klein zu machen. Eine Meinung zu haben und für das einzustehen, was sie als gut und richtig empfinden.
Demokratie lebt vom Sprechen miteinander. Nicht vom Schweigen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41568Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Ich lausche einem Vertragstext. Ein Notar liest ihn in rasender Geschwindigkeit vor. Auf einmal stoppt er: „Bei der Bankverbindung fehlt eine Zahl“. Tatsächlich: auf meinem Briefkopf hat die IBAN eine Stelle zu wenig. Wahnsinn, dass er das mit einem Blick gesehen hat. Zum Glück hat er genau hingeschaut.
Es braucht Menschen, die genau hinsehen und den Dingen auf den Grund gehen. Bei Verträgen braucht es einen guten Notar. Und im Leben ist es auch gut, genau hinzuschauen und die Dinge zu prüfen. Prüfen klingt nach Prüfung und weckt manchmal unangenehme Gefühle. Doch eigentlich ist es eine sinnvolle und gute Sache. Schon der Apostel Paulus sah es positiv. Er schreibt an eine junge, griechische Gemeinde: Prüft alles und behaltet das Gute.
Dabei hat er sicher keine Schriftstücke gemeint, sondern unterschiedliche Lebensarten, und Traditionen.
Für Paulus beginnt Prüfen erst mal mit Augen offenhalten und sich inspirieren lassen. Er denkt an bekannte Redner und Autoren, an die Waren der Kaufleute, an Musik und Kultur in dieser wachsenden bunten Hafenstadt Thessaloniki. Und er weiß um die Einflüsse, von denen sich seine Mitchristen fernhalten sollen, wie zum Beispiel dem Kaiserkult.
„Schaut euch alles an. Was gut ist und euch im Miteinander hilft, das behaltet.“ schreibt Paulus der Gemeinde.
Mir gefällt, dass er keine Angst schürt, so nach dem Motto: „seid vorsichtig, schottet euch ab, macht alles wie immer“. Ich finde, bei allem, was so los ist, brauche es immer wieder eine Pausentaste zum Prüfen:
Bin ich noch auf der richtigen Spur? Wie laufen meine Lebensprojekte? Ist eine Idee noch gut, oder hat sich mit der Zeit ein Fehler eingeschlichen? Es ist keine Schande nachzubessern oder auch mal etwas zu stoppen.
Für Paulus ging es bei all dem um das Gute. Er empfiehlt die Frage: „Wofür bin ich dankbar?" Aus so einer, Haltung herausfällt es leichter, auch einmal einzugestehen, was nicht gut ist.
Heute ist ein guter Tag zum Prüfen, um dann das Gute und Richtige zu behalten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41559SWR3 Gedanken
Urlaub könnte so schön sein. Wäre da nur nicht diese lästige Urlaubsplanung. Seit Wochen sitze ich abends vor dem Laptop und suche nach Campingplätzen, Ferienwohnungen und Hotels. Dabei habe ich noch nicht mal klar, wie lange und wohin es eigentlich gehen soll. Atlantik, Mittelmeer oder doch lieber Lago Maggiore?
Ich sag‘s wie es ist: Ich bin überfordert.
Eigentlich könnte ich dankbar sein. Ich habe das Privileg mir frei aussuchen zu können, wo ich Urlaub machen möchte. Aber dieses Meer der Möglichkeiten und die tausend Optionen auf Booking Seiten, sind für mich ein einziger Kraftakt. Ich war schon mehrfach an dem Punkt einfach zu sagen: „Wir bleiben Zuhause.“
Ja, Freiheit ist manchmal anstrengend, überfordernd und nervig. Aber deshalb einfach aufgeben, sich das Leben leicht machen und zuhause bleiben? Das kann es auch nicht sein. Denn immerhin ist Freiheit eines der größten Geschenke. Und wenn ich mich so in der Welt umschaue, auf keinen Fall selbstverständlich. Manche Entscheidungen kosten einfach Kraft. Aber gerade deshalb ist Freiheit so kostbar und wertvoll, weil es oft um so große und wichtige Dinge geht, wie unsere Zukunft.
Wir sind vor die Wahl gestellt. Beim Sommerurlaub und auch bei der Bundestagswahl. Wir haben es in der Hand, mit zu entscheiden, wo die Reise hingehen soll. Wollen wir uns Zuhause abschotten, nur auf uns schauen und in Sicherheit wägen? Oder wollen wir mit Menschlichkeit und Nächstenliebe in der Welt unterwegs sein und auch in Zukunft - in Freiheit leben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41546Zeige Beiträge 1 bis 10 von 40183 »