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SWR3 Gedanken
„Frau Schimmel, ich brauche mal ne Pause von Gott“, seufzt eine Schülerin aus der vierten Klasse in meinem Reli- Unterricht. Als ich sie fragend ansehe, fährt sie fort: „Nee, wirklich! Erstens schaut Gott mir die ganze Zeit zu - das nervt! Und zweitens will ich nicht immer lieb sein. Voll langweilig.“ Eine Pause von Gott – das regt mich sehr zum Nachdenken an.
In meinem Beruf als Pfarrerin geht es mir ja stets darum, Menschen zu ermöglichen, mehr Zeit mit Gott zu verbringen. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, dass jemand mal eine Pause von Gott bräuchte. Aber ich verstehe meine Schülerin.
Was würde Gott sagen, wenn ich ihn um eine Pause bitten würde? Plötzlich fällt mir auf: In der Bibel gibt es tatsächlich eine Geschichte, in der sich jemand eine Pause nimmt. Es ist die Geschichte von einem Sohn, der wegwill. Er möchte aus seinem Elternhaus raus. Er möchte von seinem Vater und Bruder weg. Er will frei sein. Das Leben genießen. Nicht immer das tun müssen, was ihm gesagt wird. Und dieser Sohn lässt sich also sein Erbe auszahlen und verschwindet. Leider läuft es alles nicht so, wie er sich das erträumt hatte. Sein Geld ist bald weg. Er hungert und landet schlussendlich als Schweinehirt im Dreck bei den Schweinen. Irgendwann nimmt er seinen ganzen Mut zusammen und kehrt zu seinem Vater zurück. Dieser schimpft nicht ein einziges Mal, sondern empfängt ihn mit offenen Armen und feiert ein großes Fest. Dieser Vater steht exemplarisch für Gott.
Sich von Gott begleitet zu wissen, ist nur ein Angebot. Wir sind frei, das anzunehmen oder es sein zu lassen. Es ist ok, wenn wir ne Pause von Gott brauchen, eigene Erfahrungen machen möchten und gucken, ob es nicht auch ohne Gott geht.
Aber Gott garantiert uns, dass er für uns da ist, wenn wir es uns doch anders überlegen. Dass er uns mit offenen Armen empfängt. Und das finde ich wirklich wunderbar.
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Falsche Erlöser und Messiasse hat es zu allen Zeiten gegeben. Figuren, die den Menschen das Blaue vom Himmel versprochen haben. Und eine große Gefolgschaft um sich versammeln konnten. Nur ihre Versprechungen haben meist nicht lange gehalten. Früher oder später haben sie in den Abgrund geführt. Gerade in der Geschichte der Religionen, im Judentum wie im Christentum und im Islam, ist das immer wieder zu sehen.
Jesus hatte übrigens ein sehr feines Gespür für den Unterschied zwischen Sein und Schein. In seiner Umgebung gab es Leute, gerade auch unter den Spitzen der Gesellschaft, die er wegen ihrer Scheinheiligkeit angegriffen hat. Er hat sie in einem drastischen Bild als weiß „getünchte Gräber“ bezeichnet. Von außen zwar schön anzusehen, inwendig aber - so wörtlich - „voller Totengebein und Unrat.“
Und noch ein anderer Vergleich ist geradezu sprichwörtlich geworden. Seine Warnung vor Wölfen im Schafpelz: „Nehmt euch in acht vor denen, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe“, sagt er einmal.
Wölfe im Schafspelz sind Menschen, deren gefährliche Absichten sich unter einer harmlosen Oberfläche verbergen. Sie lächeln dich an, aber hinter ihrem Lächeln wohnt Grausamkeit. Sie versprechen dir die Lösung deiner Probleme, aber sie bauen nur an ihrer eigenen Macht. Sie berufen sich auf heilige Schriften, aber sie benutzen sie zum eigenen Vorteil. Jesus weiß, dass Verführer und falsche Erlöser nicht so viel Einfluss und Macht hätten ohne die, die ihnen nachlaufen. Darum nennt er einen Maßstab, der zur Unterscheidung hilft. Er lautet: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“. Auf lange Sicht nämlich werden sich die falschen Erlöser selbst entlarven. Schließlich kann man von Dornen keine Trauben ernten, wie Jesus sagt, und von Disteln keine Feigen.
Gute Früchte hervorzubringen, erfordert Fantasie und Anstrengung. Zum Beispiel: Nicht abfällig über andere reden. Dem Schwächeren beistehen. Gesprächsfäden knüpfen, wo sie zerrissen sind. Und so Bausteine liefern zum Frieden.
Und egal ob kleine oder große Frucht: es kommt auf jede einzelne an!
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Was möchtest du mal werden? Der Klassiker unter den Kinderfragen. Der Historiker Rutger Bregman sieht, dass sich die Prioritäten in den letzten Jahren verändert haben. Für ihn ist das ein Grund, neu darüber nachzudenken, wofür es sich zu leben lohnt:
„In den 1960er- und 1970er-Jahren gab es in den USA regelmäßig Erhebungen unter Studierenden, die gefragt wurden, was ihre größten Ziele im Leben seien. Damals hat eine Mehrheit von 80 bis 90 Prozent geantwortet: etwas Sinnvolles aus dem Leben zu machen. Nur 50 Prozent wollten hingegen viel Geld verdienen. Heute hat sich dieses Verhältnis umgekehrt. Aber das ist kein Naturgesetz. […] Wir müssen Erfolg neu definieren. Es sollte nicht darum gehen, sich einen Platz auf der Forbes-Liste zu sichern, sondern in den Geschichtsbüchern.“
Quelle: Rutger Bregman im Gespräch mit Patrick Wildermann, „Wir müssen Erfolg neu definieren“, in: Galore Interviews 69, 2/2025, Dialog GmbH 2025, S. 26
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Was hat ein kleiner Laden in der Mainzer Innenstadt mit norwegischer Küstenlandschaft zu tun? Für mich ganz viel. Ich war schon in Norwegen und fand die Landschaft dort wahnsinnig beeindruckend. Unberührte Natur - dachte ich. Dann hab ich vor ein paar Wochen einen Film gesehen. „Northdrift“ heißt der. Wunderschöne norwegische Landschaft wurde dort gezeigt – aber eben auch, was sie bedroht: Plastikabfälle und Getränkedosen. Sie vermüllen dort ganze Küstenstreifen. Aus der ganzen Welt, aber eben auch von uns, aus Deutschland wird der Müll durch Meeresströmungen dorthin getrieben. Die Filmemacher haben zeigen können: Eine leere Bierdose kann von Dresden bis zur Inselgruppe der Lofoten gelangen. Fast 3000 Kilometer sind das.
Mich hat der Film sehr berührt. Und ich hab mich gefragt: Was kann ich dagegen tun, dass unser Plastikmüll in Norwegen die Natur zerstört? Und da kommt eben der kleine Laden in der Mainzer Innenstadt ins Spiel. Es ist ein so genannter „Unverpackt“-Laden. Haferflocken, Nudeln, Linsen, Klopapier und vieles mehr, was ich ständig brauche, kann ich dort ganz ohne Verpackung kaufen. Ich bringe Gläser und Taschen mit, ein paar haben sie dort auch immer vorrätig, und dann fülle ich alles darin ab. Das wird dann gewogen – und der Inhalt gezahlt. Ich hab beschlossen: Ich will dort möglichst viel einkaufen. Plastik wird zwar bei uns in Deutschland auch gesammelt und recycelt. Aber einiges gelangt eben doch noch in die Umwelt. Am allerbesten ist es, erst gar keinen Verpackungsmüll zu produzieren.
Mir macht das mittlerweile richtig Spaß: Meine Küchen- und Bad-Vorräte dort im Unverpackt-Laden zu kaufen. Viel teurer als anderswo sind die Sachen übrigens nicht: Mein großes Glas Bio-Haferflocken bekomm ich für 1,80 Euro. Ich hab dabei das gute Gefühl: Ich unterstütze einen kleinen, regionalen Laden in Mainz. Und ich tue etwas dafür, dass die norwegische Landschaft, die ich so wunderbar finde, sauberer bleibt. Weniger Plastik bei mir in Mainz – und weniger Plastik in den Meeren und an den Küsten weltweit.
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Jeden Morgen dasselbe. Der Wecker klingelt. Jetzt hab ich die Wahl: Ausschalten und einfach weiterschlafen? Liegenbleiben und die Schlummertaste drücken? Oder doch gleich aufstehen?
In der Psychologie geht man davon aus, dass wir jeden Tag sage und schreibe 20 000 Entscheidungen treffen. Die allermeisten sind uns gar nicht bewusst. Denn zum Glück kann unser Gehirn bei alltäglichen Dingen quasi auf Autopilot schalten. Beim Aufstehen sind die Möglichkeiten ja noch übersichtlich. Später beim Einkaufen muss ich erstmal 5 Quadratmeter abscannen, wenn ich nur mal eine Tube mittelscharfen Senf kaufen will.
Eigentlich ist es ja schön, die Wahl zu haben. Aber: Immer mehr Wahlmöglichkeit macht mich eben nicht immer zufriedener, denn immer könnte es ja etwas noch Besseres geben. Manchmal habe ich schon gedacht: Wenn ich ein Teufel wäre, dann würde ich den Menschen so viele Möglichkeiten vorsetzen, dass ihnen der Kopf schwirrt und dass sie vor lauter Vergleichen und Auswählen zu gar nichts anderem mehr kämen – schon gar nicht mehr zum Leben. Denn das Leben verlangt ja, dass ich mich entscheide, und dass ich zu dem, was ich gewählt habe, dann auch stehe. Wenn ich mich für einen Beruf entscheide, werde ich andere interessante Berufe eben nicht kennenlernen. Und wenn ich ein Kind habe, kann ich im Job eben nicht rund um die Uhr und rund um die Welt verfügbar sein.
So ist das eben. Denn ich bin ein Mensch, ein endliches, begrenztes Geschöpf, und deshalb kann ich nicht unendlich viele Lebensläufe ausprobieren. Nur meinen eigenen. Aber was heißt da „nur“? Meinen eigenen, meinen unverwechselbaren Lebenslauf. Mit Momenten von prallem Leben und Zeiten von öder Leere. Von Glück und Schmerz. Von Einsamkeit und Aufgehobensein.
Ich bin nicht mehr jung, und die Gelegenheiten werden weniger, in denen ich ganz Neues erleben kann. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, etwas Wesentliches verpasst zu haben. Etwas, das ich unbedingt hätte erleben, erfahren, ausprobieren sollen. Ich übe mich jeden Tag darin, mein Leben anzunehmen. Es ist meines, und es passt zu mir. Und als Christin rechne ich damit, dass mein begrenztes Leben auf dieser Welt nicht alles ist, was Gott mit mir vorhat. Natürlich weiß ich es nicht, und ich kann‘s mir auch nicht wirklich vorstellen. Aber gerade deshalb bin ich gespannt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41809SWR3 Gedanken
Ich liebe Selfies. Von anderen und von mir selbst. Beim Selfie kann ich mich im Bildschirm des Handys sehen. Ich kann mir in die Augen schauen. Ich kann mein Gesicht so drehen, wie ich es möchte, und dafür sorgen, dass meine Schokoladenseite besser zur Geltung kommt. Ich zeige mich auf dem Selfie so, wie ich gesehen werden möchte und so, wie ich mich selbst sehe.
Wer bin ich? Die Frage taucht immer wieder in meinem Leben auf. Wie sehen mich andere? Was bin ich wert? Mich treiben solche Fragen oft um und rauben mir den Schlaf. Als ich mal einem befreundeten Pfarrer im Ruhestand davon erzählte, hat er nicht lang überlegt und sagte: „Anna, schau doch mal in deine Bibel. Was steht da ganz am Anfang? „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde - zum Ebenbild Gottes schuf er ihn. Wenn du also in deinen Spiegel schaust oder deine lustigen Selfies machst, dann siehst du nicht nur dich selbst, sondern immer auch Gott. Wir alle sind berufen, Gott zu spiegeln. Du bist ein Selfie Gottes!“
Du bist ein Selfie Gottes – ein Satz, den ich seitdem immer mit mir rumtrage. Er hilft mir, weniger nachzugrübeln, was andere von mir denken und was für ein Bild sie von mir haben. Dass ich berufen bin, Gott zu spiegeln, macht etwas mit meiner inneren Haltung. Ich stehe zu meinen Überzeugungen und kann sie selbstbewusst nach außen tragen.
Ich mache ein Selfie, sehe mich und sehe Gott. Außerdem flüstert er mir etwas zu: „Du bist mein liebes Kind, an dir habe ich Wohlgefallen.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41802SWR Kultur Wort zum Tag
Heute ist sein Gedenktag. Benedikt von Nursia, Begründer des abendländischen Mönchtums. Geboren um das Jahr 480, ist er am 21. März 547 in der von ihm gegründete Abtei auf dem Monte Cassino südöstlich von Rom gestorben.
Trotz der eineinhalb Jahrtausende, die uns trennen, fühle ich mich ihm verbunden. Wohl auch darum, weil ich den größten Teil meines Berufslebens an einem Ort verbracht habe, der durch ihn geprägt ist: Bad Herrenalb im nördlichen Schwarzwald. Vor fast 900 Jahren sind Zisterziensermönche in die damals unwegsame Gegend gezogen, um dort in benediktinischer Tradition ein Kloster zu errichten. Ora et labora, bete und arbeite, darum ist es den Mönchen gegangen.
Von ihrem Kloster steht heute nur noch eine Ruine. Aber im Rundbogen über dem Eingangsportal kann man noch einen Spruch in lateinischer Sprache entziffern: „porta patet, cor magis”: Die Tür ist offen, das Herz noch mehr.
Viele Male bin ich durch dieses Portal gegangen, und immer habe ich dabei gedacht: Was für eine großartige Einladung! Den biblischen Gedanken der Gastfreundschaft auf diese Weise zum Motto zu erheben. Noch etwas anderes beeindruckt mich. Klöster waren ja bald über den ganzen europäischen Kontinent verbreitet – von Spanien bis ins Baltikum, von Schottland bis nach Italien.
Lange bevor es ein vereinigtes Europa gab, standen die Klöster in lebendigem Kontakt zueinander, tauschten Kenntnisse und Fertigkeiten aus. In der Baukunst wie in der Landwirtschaft, im Weinbau wie in der Schreib- und Buchkunst. So ist ein Netz gemeinsamer Ideale und Interessen entstanden; über Ländergrenzen hinweg. Auch das eine wichtige Erinnerung, finde ich, in Zeiten eines weltweit anwachsenden Nationalismus: dass Gemeinschaft und friedlicher Austausch besser sind als Abschottung und Alleingänge. Ich finde, man muss kein Mönch sein, um zu begreifen, dass das Motto „Die Tür ist offen, das Herz noch mehr“ befreiend wirkt und aus manchen Sackgassen, in die wir geraten sind, herausführen könnte.
Gerne denke ich darum heute als evangelischer Christ an Benedikt von Nursia, den Urvater des europäischen Mönchtums.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41795SWR3 Worte
Sich nicht von Rechtspopulisten treiben zu lassen. Das ist Bischof Christian Stäblein wichtig, gerade wenn es um Themen wie Flucht und Migration geht. Er fordert von Politikerinnen und Politikern:
„Kehren Sie zurück zu jenem Diskurs und jener Verantwortung, die in diesen Tagen für unser Land geboten ist. Kehren Sie zurück zu einer Sprache und einer demokratischen Mitte, die als erstes die Humanität im Blick hat – und die angemessen ist für dieses Land und für die Menschen, die in ihren unterschiedlichen Nöten auf diese Gesellschaft hoffen. Es geht um die Würde der Menschen und um die Würde dieses Landes.“
Quelle: „Migrationspolitik: Stäblein ruft zu Humanität auf“, Newsmeldung auf ekd.de: https://www.ekd.de/migrationspolitik-staeblein-ruft-zu-humanitaet-auf-88249.htm, zuletzt abgerufen: 5. März 2025
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Keine Panik! Tief durchatmen! Das sag ich mir manchmal selbst, wenn ich merke, dass mich Unruhe und Angst packen. Zum Beispiel, wenn die Dinge, die ich dringend zu erledigen hab, einfach zu viel werden und wie ein Berg vor mir stehen. In letzter Zeit hat mich auch die politische Lage in unserem Land und auf der Welt in größere Unruhe versetzt. Wie soll das weitergehn mit diesem US-Präsidenten, der so unberechenbar und ohne Mitleid handelt? Und wie soll das weitergehn in unserem Land, in dem die rechtsextremen Kräfte immer stärker werden? Ich spür manchmal, dass ich bei all den angstvollen Gedanken flacher und schneller atme und mein Herz rascher klopft. Es hilft dann wirklich, mir zu sagen: Keine Panik! Tief durchatmen!
Die Fastenaktion der evangelischen Kirche in diesem Jahr gefällt mir deswegen besonders gut. Das Motto lautet: Luft holen! 7 Wochen ohne Panik. Ja, das will ich auch in den nächsten Wochen bis Ostern ganz bewusst und immer wieder tun: Tief Luft holen, mich aufrichten, durchatmen, wieder Ruhe zurückgewinnen. Ich glaube, dass mir auch mein Glaube dabei helfen kann. Gott ist an meiner Seite, auch wenn ich Angst habe, wenn sich meine Kehle zuschnürt. „Fürchte dich nicht!“ sagt Gott und sagt auch Jesus immer wieder. Schon in der Schöpfungsgeschichte der Bibel heißt es: Gott formte den Menschen und blies in seine Nase den Lebensatem (vgl. Genesis / 1 Mose 2,7). Und von Jesus wird erzählt: Er haucht seine Jünger an und sagt zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! (vgl. Johannes-Evangelium 20,22)
Bibellesen, beten und meditieren: Auch das hilft mir, weniger Panik zu haben. Und wenn ich dann Ruhe zurückgewonnen habe, kann ich auch wieder besser denken und handeln. Auch gegen die Angst: Schritt für Schritt kann ich dann dringende Dinge erledigen. Oder mich engagieren gegen Hassrede und Rechtsextremismus. Ohne Panik und mit neuem Lebensatem.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41772SWR4 Abendgedanken
Jeder kennt sie, aber keiner will sie. Ich spreche von der Angst. Schon kleine Kinder kennen Angst. Ich hatte zum Beispiel als Kind Angst vor Gewitter, Dunkelheit und den Gespenstern unter meinem Bett. Jeden Abend bin ich unters Bett gekrochen und habe geschaut ob da Gespenster liegen. Ich habe nie welche gefunden. Heute habe ich eher Angst vor den Monstern, von denen mir morgens die Tageszeitung berichtet. Ich habe Angst vor Krieg und vor der fortschreitenden Zerstörung der Umwelt. Und wenn ich in die Spiegel schaue und merke, dass ich älter werde, dann habe ich manchmal Angst vor dem, was mich vielleicht noch an Krankheiten im Alter erwarten. Die Angst hat sich geändert, aber sie ist geblieben.
Auch Jesus hatte Angst. Die Bibel erzählt, dass Jesus am Abend vor seinem Tod in einem kleinen Garten in Jerusalem war und vor Angst geschwitzt und gezittert hat. Er hat gewusst, was noch in dieser Nacht auf ihn zukommen würde: Die Gefangennahme, die Verhöre durch den römischen Statthalter, die Folter und der Tod, aufgehängt an einem Kreuzbalken. Wer hätte davor keine Angst? In seiner großen Angst hat Jesus gebetet. Ich mache das auch manchmal in meiner Angst. Aber ich krieche auch unter das Bett und versuche, meine Ängste zu vertreiben. Andere gehen zu einem Therapeuten. Wieder andere greifen zu Tabletten. Jeder hat seine ganz persönliche Art, gegen die Angst anzukämpfen.
Jesus hat gebetet. Er hat seine Angst zu Gott gebracht und erlebt, dass ein Engel gekommen ist und ihn gestärkt hat. Wohlgemerkt: Die Angst ging nicht weg. Aber im Gebet konnte Jesus über die Angst hinaussehen und er konnte glauben, dass Gottes Macht größer ist als alles, was uns Angst macht. Die Angst war noch da, aber sie wurde erträglich.
Bei einer anderen Gelegenheit hat Jesus einmal gesagt: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Joh 16,33). Jesus sagt nicht: „Ich habe die Angst überwunden“, sondern: „die Welt“. Jesus weiß, dass wir immer Angst haben werden, solange wir leben. Vor Monstern unterm Bett, vor dem, was in der Welt geschieht oder vor persönlichen Schicksalsschlägen. Aber es gibt einen Gott, der größer ist als alles, was mich bedroht. Und ihm kann ich meine Angst sagen und erleben, wie ich gestärkt werde.
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