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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Erster Schultag! Nach kurzer Zeit wollte mein Sohn seinen Schulweg schon allein gehen. „Nein, das ist doch noch zu früh!“ sag ich. „Lass uns dich doch noch eine Weile begleiten. Bald ist es dann so weit, und du kannst allein gehen.“
Doch mein sechsjähriger Sohn zeigt bereits echte Verhandlungshärte. Zwei Tage nur, dann will er allein gehen! Na gut, mit einem mulmigen Gefühl gebe ich nach. Und so kommt dann viel schneller als vorhergesehen der Tag, an dem er von der Haustür weg in Richtung Schule loszieht.
Schon länger versuche ich mich gedanklich auf diesen Tag einzustellen, um meinen Sohn dann ganz souverän gehenlassen zu können. Doch an diesem ersten Morgen fühlt sich das so gar nicht souverän an. Meine Magengegend bleibt taub und schmerzt. Es ist eben doch nicht alles Kopfsache im Leben. Als mein Sohn schließlich um die Ecke biegt und nicht mehr zu sehen ist, hilft auch mein Winken nichts mehr. Jetzt muss ich also wirklich lernen loszulassen.
Loslassen. Eigentlich klingt das ziemlich einfach. Einen Ball kann man leicht loslassen, er springt auf den Boden und wieder zurück in die Hand. Bei einer Glasflasche ist das schon komplizierter. Wenn ich loslasse, zerbricht die Flasche. Aber einen Menschen loszulassen – für mich eine echte Kunst. Denn ich überlasse ihn sich selbst und kann ihn nicht mehr beschützen. Andererseits: lasse ich nicht los, bleibt er abhängig von mir und das heißt unfrei. Das will ich auf keinen Fall!
Was sich in diesen ersten Tagen in mir abspielt, ist schwer in Worte zu fassen. Da ist meine Vernunft, die klar sagt: loslassen ist lebenswichtig! Da ist aber auch meine Gefühlswelt, die meinen Sohn am liebsten festhalten und beschützen möchte. – Ich weiß, dass es anderen Eltern genau so geht. –
Mir hilft da der Glaube ein bisschen weiter. Er verbindet beide Ebenen in mir: die Vernunft und die Gefühle. Und dieser Glaube sagt mir: übe loszulassen – jeden Tag -, weil du sicher sein darfst, dass Gott da ist, der dich und deinem Sohn begleitet. Das ist keine Garantie. Für mich aber ein echter Anker.
SWR3 Worte
Sarah Bernstein ist Direktorin des 2006 gegründeten „Rossing Center for Education and Dialogue“, einer interreligiösen, friedensfördernden Organisation mit Sitz in Jerusalem. Sie findet: Menschen müssen lernen mitzufühlen, damit der Frieden eine Chance hat:
In Kriegszeiten ist Mitgefühl gegenüber den Kindern und unschuldigen Zivilisten auf der Seite des „Feindes“ kein Zugeständnis; es ist ein Beweis für unsere gemeinsame Menschlichkeit. Und es ist diese gemeinsame Menschlichkeit, die uns dazu drängen sollte, einen anderen Weg zu suchen.
Sicherlich können wir erkennen, dass wir alle wollen, dass unsere Kinder erwachsen werden und ein erfülltes und lohnendes Leben führen. Können wir nicht zusammenarbeiten, um dies zu ermöglichen?
https://blogs.timesofisrael.com/compassion-amidst-conflict/
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40845SWR Kultur Wort zum Tag
„Martin Luther King ist tot!“ Ich kann mich noch gut an das Entsetzen meiner Mutter erinnern, als die Nachricht damals um die Welt ging. Dabei ist es lange her, 1968, ich war gerade in die erste Klasse gekommen. „Erschossen!“, hat sie ergänzt, und ich weiß noch, wie betroffen sie gewesen ist. Meine Eltern haben dann versucht, mir kindgerecht zu erklären, wer Martin Luther King gewesen ist und warum sie sein Tod so erschüttert hat. Ich glaube, ich habe an diesem Tag das Wort „Rassismus“ zum ersten Mal gehört. Was ich damals begriffen habe: Es ist ein großes Unrecht, Menschen wegen ihrer Hautfarbe zu benachteiligen. Und dass dieser Pfarrer, den sie erschossen hatten, gewaltfrei und mutig für die Gleichberechtigung aller Menschen eingetreten ist.
Meine Eltern und meine Großmutter haben sich aktiv mit dem Problem des Rassismus auseinandergesetzt. Das war in den 1960er Jahren alles andere als selbstverständlich, denn im Dritten Reich, als meine Großmutter eine junge Frau und Mutter war, gab es noch den Straftatbestand der Rassenschande. Wenn man einmal in diesem furchtbaren Gedankengut erzogen wurde, dann sitzt das tief. Man kann sich dann nur noch sehr bewusst davon distanzieren. Umso mehr erkenne ich an, dass meine Großmutter sich aktiv darum bemüht hat, dass ich Menschen aller Hautfarbe einmal offen gegenübertreten kann.
Martin Luther King hat für seinen Einsatz heute vor genau 60 Jahren den Friedensnobelpreis bekommen. Zwei Jahre später wurde er erschossen. Von Rassisten. Sein Traum von einer Welt ohne Rassismus, den mit ihm auch weiße Menschen wie meine Familie geträumt haben, der hat sich bis heute nicht erfüllt. Im Reich Gottes, in dem es keine Unterschiede gibt, sind wir noch nicht angelangt. Doch es hat sich immerhin einiges bewegt. In den USA hat es einen schwarzen Präsidenten gegeben. Und rassistische Regimes wie das Apartheidsystem in Südafrika sind Gott sei Dank Geschichte.
Meine kleine Enkelin liest in einer Kinderbibel, in der die Menschen nicht alle weiß sind, sondern unterschiedliche Hautfarben haben. Wenn alles gut geht, wird sie einmal Menschen nicht nach ihrer Hautfarbe unterscheiden, sondern danach, ob sie sich für Nächstenliebe und eine gerechte und friedvolle Welt einsetzen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40841SWR4 Abendgedanken
Langsam tritt mein Fuß das Pedal durch und ich höre das beständige Geknatter und Surren meiner Nähmaschine. Ich liebe es zu nähen und es fasziniert mich zu sehen, wie Schritt für Schritt ein neues Kleidungsstück entsteht.
„Kleider machen Leute“, sagt der Volksmund. Vermutlich kannten weder der Apostel Paulus noch seine Schüler diesen Spruch – trotzdem verwenden sie das Bild eines Kleides in einem ihrer Briefe. Für Paulus steht fest: nicht nur Kleider machen Leute, sondern als Menschen kleiden wir uns im übertragenen Sinne mit verschiedenen Eigenschaften. Das imaginäre Kleid besteht für ihn aus Erbarmen, Güte, Demut, Freundlichkeit und Geduld. Diese Eigenschaften sind sozusagen die verschiedenen Stofflagen des Kleides.
Ich finde das einen schönen Gedanken, Freundlichkeit oder Geduld anzuziehen. Mich damit zu bekleiden. Mich ganz von diesen „Stofflagen“ umhüllen zu lassen. Es verändert mich. Genau wie echte Kleidung Menschen verändern kann. Läuft eine zum Beispiel immer in Jeans und T-Shirt herum, sieht sie ganz anders aus, wenn sie auf einmal ein Abendkleid mit High Heels trägt.
Paulus kennt sowas auch. Deshalb ist es ihm so wichtig, sich mit guten Eigenschaften zu bekleiden. Er ist überzeugt: so verändere ich mein Umfeld. Ich wirke positiv auf meine Mitmenschen ein. Und vielleicht ermutige ich sie sogar dazu, sich selber mit guten Eigenschaften zu kleiden. Deshalb sagt er: Kol 3,13-14 Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorwirft. Vor allem aber bekleidet Euch mit der Liebe.
Denn auf die Liebe kommt es an: Als Paulus diesen Brief schreibt, gab es keine Maßanfertigungen. Kleider waren weite Gewänder aus verschiedenen Stofflagen. Passend gemacht wurden sie durch einen Gürtel, der über alle Schichten zuletzt angelegt wurde. Erst dadurch bekam das Gewand eine Form. Die Liebe ist dieser Gürtel. Erst mit der Liebe wird es möglich sich zu verbinden, sich gegenseitig anzunehmen – und manchmal eben auch sich zu ertragen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40835Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Ich bin zurück. Meine Elternzeit ist vorbei und ich arbeite wieder. Es war eine gute Zeit mit den Kindern. Und ich liebe meine Kinder auch. Trotzdem war die Zeit sehr intensiv und anstrengend, weshalb ich mich jetzt auf eine Pause vom Windeln wechseln und den vielen Kinderthemen freue. Endlich mal wieder intensiv mit anderen Inhalten beschäftigen und wieder lange Gespräche am Stück mit Erwachsenen führen.
Zu meinem Glück darf ich meine Arbeit mit einem großen Netzwerktreffen beginnen. Ich kann also gleich zu Beginn ganz viele Leute auf einmal treffen. Kollegen und Kooperationspartner, die ich jetzt lange nicht mehr gesehen habe. Das hat mir sehr gefehlt.
Auf der Fahrt zum Arbeitstreffen frage ich mich dann aber doch: Ist das nicht zu viel auf einmal? Bin ich schon wieder sozial verträglich beziehungsweise vertrage ich schon wieder so viel Kontakte? Was, wenn ich eine Pause brauche? Die kann ich mir doch nicht zugestehen, wenn ganz viele Menschen um mich herum sind, mit denen ich unbedingt reden möchte. Schließlich will ich die Zeit gut nutzen. Wie kann ich also gut nach mir selbst schauen, damit meine soziale Batterie nicht leerläuft?
Als ich mir das Programm des Treffens genau anschaue, entdecke ich, dass es dort einen Ruheraum gibt. Die Veranstalter haben extra einen Raum reserviert, in den man sich zurückziehen kann. Als hätten sie meine Gedanken gelesen. Das finde ich richtig gut!
Wenn mir im Alltag alles zu viel wird, dann ziehe ich mich gerne für eine halbe Stunde in eine Kirche oder Kapelle zurück. Da kann ich dann von dem Geschehen, das draußen vor den Türen stattfindet, richtig Abstand nehmen. Nicht umsonst sind die Kirchentüren groß und schwer, damit wirklich eine Schwelle spürbar ist. Dahinter stört nichts und niemand mehr. Ich kann da als ganzer Mensch eine Pause machen, mich im Kopf, aber auch emotional sortieren. Nicht damit ich nachher wieder funktioniere, sondern damit einfach mal sacken kann, was mich grad so beschäftigt. Kirchen sind da wunderbare Ruheorte.
Bei meinem Arbeitstreffen gibt es keine Kirche. Umso dankbarer bin ich, dass es einen Ruheraum gibt. Damit setzten die Veranstalter ein wichtiges Zeichen. Sie signalisieren, dass es okay ist, vielleicht sogar auch, dass es wichtig ist, wenn man sich für ein paar Minuten zurückziehen möchte. Pausen bei der Arbeit sind wichtig. Und eine gute Pause ist auch für mein Innerstes da. Einfach um kurz reinzuhören, was da los ist.
Für mich ist dieser Ruheraum ein guter Impuls. Und ich denke, es würde sich lohnen, darüber nachzudenken an Arbeitsplätzen kleine symbolische Ruhe-Kapellen einzurichten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40826SWR3 Gedanken
Vielen Menschen ist es wichtig, dass sie etwas hinterlassen, damit man sich an sie erinnert. Böse Zungen unterstellen ja auch manchen Bürgermeisterinnen, Kanzlern oder Rektoren, dass sie bestimmte Dinge nur gemacht haben, damit ihr Name damit in Verbindung gebracht wird, wenn sie mal nicht mehr sind. Irgendwie scheint es ein Urbedürfnis der Menschen zu sein, dass sie nicht vergessen werden. Oder wenigstens ihr Name nicht. Tatsächlich ist das aber anders: In 100 Jahren werden sich die Menschen wohl nur noch an ein paar wenige Namen erinnern.
Das beschäftigt Menschen schon seit Jahrtausenden. Das kommt auch in der Bibel vor. Ein Lied besingt, wie wunderbar Gott ist. Gleichzeitig kommt dort aber auch zur Sprache, wie wir Menschen sind. Da heißt es: „Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr.“
So ist das. Wir leben unser Leben, das eine gewisse Zeit dauert. In dieser Zeit blühen wir. Und wenn die Zeit des Blühens vorbei ist, dann ist das, wie wenn der Wind kommt und alles vom Feld weg weht. Wir sterben. Sind nicht mehr da. Und irgendwann weiß tatsächlich keiner mehr, dass wir einmal gelebt haben. Zuerst vielleicht noch die Kinder und Enkel. Aber irgendwann sind wir vergessen. Damit umzugehen, ist gar nicht so leicht.
Das Lied endet aber nicht damit. Es erzählt von einer Hoffnung. Dort steht, dass wir bei Gott nie vergessen werden. Er weiß, wie wir sind. Und bei ihm werden wir in Ewigkeit sein. Da verblühen wir nicht und werden davon geweht. Bei ihm leben wir ewig.
Mir hilft diese Vorstellung. Gott vergisst uns nicht. Nie. Bei ihm blühen wir ewig.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40747SWR1 Anstöße sonn- und feiertags
In diesen Tagen kommen in Rom viele Frauen und Männer aus aller Welt zusammen. Papst Franziskus hat dazu aufgerufen, sich zu treffen, um gemeinsam zu beraten, wie die katholische Kirche in Zukunft aussehen kann. Angesichts der Krise, in der die Kirche steckt, ist das auch dringend notwendig. Worum es Franziskus geht: die Kirche muss wieder lernen, auf die vielen verschiedenen Stimmen, die es in der Kirche gibt, zu hören.
Es gibt nämlich Gegenden auf dieser Welt, in der die Kirche wächst, zum Beispiel in Indien. Für einige Menschen dort bedeutet das sehr viel. Jungen Frauen zum Beispiel hilft die Kirche, selbstständiger zu werden. Besonders Menschen, die in unteren sozialen Schichten leben, machen engagierte Frauen und Männer der Kirche klar: ihr habt eine unantastbare Würde, die euch von Gott gegeben wurde. Das hat sozialen Sprengstoff. Denn überall auf der Welt profitieren einige Menschen davon, andere Menschen kleinzuhalten. Wo es der Kirche nun gelingt, Menschen klar zu machen, dass sie frei sind und bedingungslos von Gott geliebt, da kann wirklich etwas Gutes entstehen.
Natürlich heißt das nicht, dass damit alles gut ist. Wie oft schon hat sich die Kirche auf die Seite der Mächtigen geschlagen und alle anderen aus dem Blick verloren. Wie oft war sie selbst daran beteiligt, andere zu unterdrücken? Viel zu oft!
Was Franziskus in Rom versucht, ist gerade deshalb so wichtig. Zum ersten Mal sitzen Bischöfe aus aller Welt gemeinsam mit Frauen und Männern an runden Tischen und sprechen ganz offen miteinander. Das hat es so noch nie gegeben. Franziskus hofft, dass daraus etwas Neues entsteht: er nennt das eine synodale Kirche. Das heißt, dass alle in der Kirche dauerhaft und auf Augenhöhe aufeinander hören und voneinander lernen. Nicht nur jetzt in Rom. Sondern immer.
Wenn ich ehrlich bin, klingt das für mich zwar etwas zu schön um wahr zu sein. Aber dass dieser Weg in die richtige Richtung geht. Davon bin ich überzeugt.
SWR3 Worte
Wer ausruht, der ist faul – finden immer noch viele. Aber dann ist Gott auch faul. Denn nach sechs Tagen Schwerstarbeit in Sachen Schöpfung ruht der sich aus. Und das findet Florian Eichel vorbildlich:
Gott ruht nicht, weil er es muss, sondern weil er es will. Er möchte genießen, was er vollbracht hat, (…) Gott geht nicht nur voran, er schläft auch voran (…) Hier, am Anfang aller Dinge, tritt er ganz menschlich und nahbar auf und stellt sich schlafend wie ein Elternteil, damit auch seine Kinder schlummern können.
Ein heiterer, ja genießerischer Glaube leitet sich aus diesem Vers ab: Gerade in jenen Momenten, in denen wir nichts tun, keine Pflichten erfüllen, keine Verantwortung schultern, sind wir Gott am nächsten.
https://www.zeit.de/2024/33/ausruhen-bibel-entspannung-arbeit-schoepfung
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40844SWR Kultur Lied zum Sonntag
„Gott! Höre mein Gebet! Entzieh dich meinem Flehen nicht! Angstvoll schlägt das Herz in mir!“
Worte aus einem uralten Gebet. Als 55. Psalm steht es in der Bibel, hier übersetzt vom großen jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn. Bei seinem Enkel, dem Komponisten Felix Mendelssohn, klang das vor 180 Jahren so:
Musik:
Ich irre ohne Pfad in dunkler Nacht!
Hör mein Bitten, Herr, neige dich zu mir,
auf deines Kindes Stimme habe Acht!
Als Felix Mendelssohn sieben Jahre alt war, wurde er evangelisch getauft. Er wurde ein überzeugter Christ. Aber das schützte ihn zeitlebens nicht vor Antisemitismus. Vor dem Zehnjährigen spuckte ein Mitglied der königlichen Familie auf der Straße aus und beleidigte ihn antisemitisch. Richard Wagner, der von Mendelssohn gefördert worden war, fiel ihm in den Rücken mit einer anonymen Hetzschrift über das „Judentum in der Musik“. Wagners abfällige Urteile über Mendelssohns Musik wirkten lange nach, auch noch lange nach dem Dritten Reich.
Musik:
Die Feinde, sie droh'n, sie stellen uns nach
und halten die Frommen in Knechtschaft und Schmach.
Sie stellen uns nach: Das hat Felix Mendelssohn am eigenen Leib erfahren. Und nach ihm Millionen jüdische Menschen, die vertrieben und ermordet wurden. Bis heute ist dieser Hass eine reale Bedrohung. Wie sehr, das wurde vor einem Jahr bei dem Pogrom der Hamas deutlich. Es ist beschämend und furchtbar, dass Juden und Jüdinnen auch in Deutschland wieder in Angst leben. Dem Land von Felix und Moses Mendelssohn.
So spotten die Verfolger: Wo ist jetzt euer Gott?
Und die Verfolgten schreien zum Himmel: Gott, hör unser Flehn! Kämpfe für uns!
Musik:
Mich fasst des Todes Furcht bei ihrem Dräu'n!
Sie sind unzählige, ich bin allein.
Mit meiner Kraft kann ich nicht widerstehn.
Herr, kämpfe du für mich, Gott, hör mein Flehn!
Das Gebet des Bedrängten geht in einen sehnsüchtigen Wunsch über: Hätte ich doch Flügel und könnte fliehen! Fände Ruhe an einem schattigen Ort! Ein sicherer Ort. Wo ich auf Gottes Nähe vertrauen kann. Möge das Wirklichkeit werden! Für alle, die jetzt wieder ausgegrenzt werden. Für die Menschen, die seit einem Jahr in Tunneln oder anderswo gefangen gehalten werden. Bring them home!
Ich denke jetzt an den Juden Jesus, der ebenso verzweifelt zu Gott gebetet hat. Auch er wurde verhöhnt: Wo ist jetzt dein Gott? Jesus wusste wie der Psalmbeter: Gott ist da. Ich bete und finde Ruhe in Gottes Nähe. Auch wenn ich nicht fliehen kann. Ich bin bei Gott geborgen.
Musik:
… fände Ruhe am schattigen Ort.
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Musik:
"Hör mein Bitten“ (Felix Mendelssohn)
Komponist
M: Mendelssohn Bartholdy, Felix
T: Bartholomew, William (nach Ps 55,2-8)
Musik: M0013465(AMS); Hör mein Bitten Hymnus für Sopran, gemischten Chor und Orgel; Chormusik; 01-007; Bojack-Weber, Regina; Collegium Iuvenum Stuttgart; Keck, Friedemann
SWR1 3vor8
Das Ergebnis zählt, würde ich sagen. Ja! Das Ergebnis zählt– wie ich da hinkomme, ist doch eigentlich egal. Na ja, besser gesagt: Wie ich da hinkomme ist nicht egal, sondern es sollte der beste Weg dahin sein. Und das ist eben auch mal ein ganz neuer Weg. Einer, der mit alten Gewohnheiten bricht.
Und da fangen manchmal die Probleme an. „So haben wir das immer gemacht!“, höre ich dann. Schon möglich – aber was, wenn die alten Wege ihre Schwächen haben, wenn sie überholt sind, weil es etwas Neues gibt – dann sollte man sie doch verlassen, oder etwa nicht? Das Ergebnis zählt doch, da nehme ich doch den besten Weg.
Der Apostel Paulus in der Bibel war so einer, der nach dem besten Weg zu Gott gesucht hat. Ihn hatte die Überzeugung gepackt, dass Jesus Christus den Menschen Gott ganz nahe bringt. Auf eine ganz neue Art. Nach dieser Gottesnähe hatte Paulus sich selbst schon immer gesehnt, hatte sie aber nie wirklich gefunden. Hier, in der Nachfolge Jesu schon. Paulus hat deshalb angefangen zu predigen. Er hat Gemeinden gegründet und war ganz beseelt von der Aufgabe, die unterschiedlichsten Menschen zu einer Gemeinschaft zusammenzubringen, in der die Liebe Gottes, Gerechtigkeit, Vergebung, Vertrauen ins Leben und in die Zukunft spürbar werden.
Paulus hat also etwas völlig Neues gepredigt – und das mit Erfolg! Für Paulus war es deshalb aber auch ein Schock, als er feststellen musste, dass andere Prediger ihm vorgeworfen haben. „So, wie Du von Jesus predigst, so macht man das nicht. Da fehlt was, die alte Tradition und die alten Gesetze der Bibel. Hier – wir haben ein Empfehlungsschreiben aus anderen Gemeinden. Da steht drin, dass wir es richtig machen.“
„Eure Empfehlungsschreiben brauche ich nicht“, antwortet Paulus im zweiten Brief an die Gemeinde in der Stadt Korinther. Um diese Bibelstelle geht es heute in vielen evangelischen Gottesdiensten. Paulus sagt: „Es kommt doch aufs Ergebnis an. Ich habe die Herzen der Menschen erreicht. Der lebendige Beweis: all die Leute, die jetzt zur Gemeinde Gottes dazugehören. Was braucht es mehr für den Neuanfang, den Gott mit uns Menschen machen will?“
Aufs Ergebnis kommt es an. Und auch, wenn die alten Gebote und Traditionen der Bibel für Paulus heilig und gültig bleiben, so schickt Gott ihn eben auf neue Wege. Es kommt aufs Ergebnis an. Es kommt darauf an, dass Gottes Liebe die Herzen der Menschen erreicht.
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