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SWR Kultur Wort zum Tag
Vom Frühstückstisch aus sehe ich, wie Kinder zur Schule oder zum Kindergarten laufen. Allein oder mit ihren Eltern. Für manche sind es jetzt die ersten Tage und Wochen in Schule und Kindergarten. Ich sehe ihre Augen, ihre Blicke, ihr Staunen. Wie sie am Gartenzaun stehen bleiben:
Keine Uhr im Kopf. Fasziniert von Blüten und Schmetterlingen, von heruntergefallenen Birnen, von Katzen, die frei umherstreunen. Und wie sie am Nachmittag dann Feuerwanzen an der Friedhofsmauer sammeln. Und Schnecken - nicht als Schädlinge: sie hegen und pflegen sie – zu Hause in Kisten. Sie füttern sie mit frischen Blättern.
Eine wundervolle Welt ist da vor meinen Augen. Ohne Kommerz und Karriere. Ohne die Fragen: Was kann ich mir dafür kaufen? Was muss ich tun, damit ich weiter vorankomme?
Reine Freude am Leben, an dem, was hier und jetzt lebt und gedeiht.
Auch an dem, was hier und heute zu lernen ist. Erste Buchstaben, erste Zahlen.
Ich verstehe den Dichter Dante (1285-1321) gut, wenn er die Augen von Kindern zu den Dingen zählt, die uns unsere himmlische Herkunft spüren lassen. Direkt aus dem Paradies!
Dazu gehört auch, wie Kinder ihre ersten Lehrerinnen und Lehrer anschauen können. Noch nichts von wegen „Stress“ und „Schule ist blöd“. Die Welt des Lernens und Entdeckens ist noch nicht kaputt geredet.
Wie staunend und verehrend habe ich einst als Kind auf meine Klassenlehrerin geschaut. Und ich stelle mir vor: Genau so einen Erstklässler hat Jesus in die Mitte gestellt, als sich seine Jünger untereinander ihre Gedanken über´s Ranking gemacht haben. Laut Bibel haben sie Jesus gefragt. „Wer ist der Größte im Himmelreich?“ Und Jesus hat schlicht ein Kind zu sich gerufen - und es in ihre Mitte gestellt.
Und ihre Frage so beantwortet: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, dann werdet ihr niemals ins Himmelreich kommen.“(Matthäus 18,2+3) Wenn ihr euch – wörtlich übersetzt – nicht umdreht – innerlich !! – vielleicht sogar um 180 Grad – dann könnt ihr eine himmlische Welt, wie Gott sie für euch im Sinn hat, nicht erleben.
Das ist ein Wort an die Erwachsenenwelt – heute zum Weltkindertag:
Staunt wie die Kinder, seid neugierig! - ohne auf Gewinn und Konkurrenz aus zu sein, ohne Gier und ohne Gewalt. Erhaltet den Kindern ihre Kindheit, haltet sie vor Grauen und Schrecken fern, tretet für ihre Rechte ein! Und: Das Kind in sich selber neu entdecken! Werden so wie sie. Dann können sie und wir etwas spüren vom himmlischen Leben. Hier und heute.
SWR4 Abendgedanken
Ich stehe ziemlich weit im Osten der Nordseeinsel Spiekeroog. Hier habe ich in diesem Jahr Sommerurlaub gemacht. Und ich stehe dort und gucke und gucke und sehe nur Weite. Das flache Land, Gräser im Sand, vom Wind sacht hin und her bewegt. Dahinter das Meer. Der Horizont. Und dann nur noch Himmel. Nichts, an dem das Auge hängen bleiben könnte. Weite.
Es ist ein wahnsinniges Gefühl. Hier könnte man sich selbst verlieren. Das ist fast etwas beängstigend. Aber mir geht gleichzeitig das Herz auf. Es ist so wunderschön hier. Und es tut so gut. Nichts. Nur Weite. Kein Anspruch, kein: Tu dies, tu das! Die Zeit scheint stehen zu bleiben. Es ist einfach gut. So wie es ist.
In diesem Moment habe ich an den Propheten Elia denken müssen. Elia hat auch einmal im Sand gestanden und auf Gott gewartet. Ein Sturm zieht an ihm vorbei, dann ein Erdbeben, dann ein Feuer. Aber, so mächtig und stark diese Erscheinungen auch sein mögen, Gott ist für Elia darin nicht zu finden. Doch dann hört er ein „stilles, sanftes Sausen“ (1.Könige 19, 12). Und da weiß er: Jetzt ist Gott da. Erst als Ruhe einkehrt, kann Elia Gottes Stimme wahrnehmen.
Ich kann das nachvollziehen. Dort, in der Weite dieser Insel, in der Ruhe, wo schlicht nichts war, da war auch für mich ein Moment, in dem ich mich Gott ganz nahe gefühlt habe. Es war einfach gut, so wie es war. Ein kleiner Moment aus der Ewigkeit, vielleicht. Und gleichzeitig denke ich: Wie oft ist Gott doch auch im Sturm. Wenn mein Leben wild wird, gefährlich vielleicht, wenn ich mich um das Richtige bemühen muss, mit aller Kraft versuche, Kurs zu halten. Dann ist Gott doch auch da. Dann ist er auch an meiner Seite. Oder wenn ich mich um jemanden sorge, für ihn oder sie da bin. Und auch wenn das an meinen Kräften zehrt und ich trotzdem weiß: Es ist richtig, dass ich mich hier abmühe, denn es geschieht aus Liebe. Auch dann ist Gott da. Gerade im Sturm, gerade in brenzligen Situationen, gerade da weiß ich Gott an meiner Seite.
Ich glaube, dass beide Erfahrungen möglich sind. Ich muss die Ruhe, die Weite nicht gegen den Sturm ausspielen. Der eine fühlt sich Gott womöglich beim Spaziergang im Wald nahe, die andere beim Engagement für den Tafelladen und der dritte beim Singen im Kirchenchor und hoffentlich auch während einer tiefen Lebenskrise. Menschen sind verschieden, Erfahrungen mit Gott sind vielfältig. Wertvoll sind sie immer. Und sie tun gut. Einfach so, wie sie sind.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40690SWR3 Worte
Sich für die Rechte von Kindern einsetzen. Das ist der US-amerikanischen Schauspielerin Angelina Jolie nicht nur am heutigen Weltkindertag wichtig. Sie wendet sich direkt an Kinder und Jugendliche und sagt:
„Ich möchte Dir etwas sagen, was Du vielleicht nicht weißt: Deine Rechte als junger Mensch sind genauso wichtig wie die Rechte von Erwachsenen.
Nicht erst, wenn Du erwachsen bist, von zu Hause ausziehst oder deinen ersten Job hast, sondern jetzt.
Egal, wer du bist und wo du wohnst, unabhängig von deiner Hautfarbe, deiner ethnischen Zugehörigkeit, deiner Religion oder deinem Gender; Egal, ob du arm oder reich bist – dein Leben ist genauso viel wert wie das Leben eines Erwachsenen.“
Angelina Jolie. https://www.loewe-verlag.de/titel-0-0/du_hast_rechte-10274/
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40684Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Nach vielen Jahren hat mir meine Arbeitgeberin einen neuen Laptop zur Verfügung gestellt. Echt super. Der alte war wirklich alt, der Lautsprecher knarzte, die Programme stürzten immer wieder ab. Allerdings hat es Zeit gekostet, sich an das neue Gerät zu gewöhnen. Mit dem alten kannte ich mich aus.
Ein bisschen ist das so, wie ich unsere Gesellschaft im Moment erlebe. Beim einem Teil laufen die alten Programme, und zwar gut, ein anderer Teil aber ist immer auf dem neuesten Stand. Das Gespräch miteinander wird da schwierig. Für die einen sind althergebrachte Denkmuster oder Begriffe rassistisch oder diskriminierend. Die anderen können mit dieser Sprachkritik nichts anfangen. Die einen sorgen sich um die Menschen, die Leib und Leben riskieren, um irgendwie in Sicherheit zu kommen. Andere sehen vor allem die Probleme, die durch Flucht und Migration entstehen. Manche freuen sich an einer bunten Gesellschaft, mit unterschiedlichen Menschen, Kulturen und Bräuchen. Und andere fürchten, ihre gewohnte Heimat zu verlieren.
Ganz ähnlich war die Situation der ersten Christinnen und Christen. Die kamen in griechische und römische Städte, die gut funktionierten, und brachten ihren Glauben mit. Das sorgte für Konflikte. Mit denen, die was anderes glaubten. Mit denen, die es am liebsten gehabt hätten, wenn alles beim Alten bliebe. Aber auch die Christen waren unsicher. Wie leben wir unseren Glauben an unbekannten Orten? Was nehmen wir von den sogenannten Heiden an? Wie geht man mit anderen Überzeugungen um? In diese Fragen hinein schreibt Paulus, der erste christliche Missionar, in einem Brief: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ (1 Thess 5,21) Ich finde, das ist ein klasse Ratschlag. Der lässt ganz schön Luft aus den Konflikten. Der sagt: Guckt doch mal ohne Berührungsängste, was die anderen so machen, denken und tun. Probiert aus, ob euch das auch gut tut. Und wenn nicht, seht zu, wie ihr trotzdem gut mit anderen leben könnt. Das ist anstrengend und kostet Zeit. Wie bei einem neuen Laptop. Aber lohnt sich. Macht das Leben reicher.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40673Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Der Dalai Lama ist ein weiser Mann. Wie ich es von jedem Religionsführer erwarte. Ich wünsche mir, viele die im Christentum, im Islam, im Judentum aufgrund ihrer Stellung etwas zu sagen haben, würden so kluge Sätze sagen wie diesen, der eben vom Dalai Lama stammt:
Menschen wurden erschaffen, um geliebt zu werden.
Dinge wurden geschaffen, um benutzt zu werden.
Der Grund, warum sich die Welt im Chaos befindet, ist,
weil Dinge geliebt und Menschen benutzt werde.
Lieben oder benutzen. Das ist eine harte Alternative. Da gibt es keine Kompromisse, ein bisschen von dem und ein bisschen vom anderen. Wer benutzt, liebt nicht. Wer liebt, darf nicht benutzen. Und wenn es dabei um Menschen geht, liegt besonders viel daran, diese Grenze zu respektieren. „Der hat mich bloß benutzt“, sagen Partner, wenn sie in ihrer Beziehung abgrundtief enttäuscht worden sind, oder Mitarbeiter, die für ihren Chef alles gemacht haben und nachher nicht mal ein Dankeschön kriegen.
Der Dalai Lama sieht das Ganze aber noch viel grundsätzlicher. Er weitet die Unterscheidung aus auf die ganze Erde und die gesamte Menschheit. Für ihn ist der Zustand unserer Welt chaotisch. Er denkt dabei wohl an die Kriege, die so sinnlos sind, die so viele Menschen das Leben kosten. Einen Krieg wie den gegen die Ukraine kann man nur führen, wenn einem die Menschen egal sind, sie nicht als Geschöpfe betrachtet werden. In so einem Krieg werden Menschen wie eine Ware benutzt – die im feindlichen Land und die eigenen. Genauso chaotisch wird unsere Welt, wenn Menschen, die viel besitzen, zu sehr an ihrem Besitz hängen, wenn sie ständig in der Angst leben, etwas zu verlieren, dabei aber die Menschen um sie herum vergessen. Das erleben wir leider zunehmend auch in unserem Land.
Der Dalai Lama ist ein gottesfürchtiger Mann. Und weil er das ist, denkt er groß vom Menschen, achtet er jedes Menschenleben. Denn Gott hat den Menschen groß werden lassen, größer als alles auf unserem Planeten. So sieht das auch der christliche Glaube und folgert daraus: Nur wenn er geliebt ist und das weiß, kann der Mensch sein, wie er soll: gut, rücksichtsvoll, barmherzig.
Lieben oder benutzen – das ist eine feine, aber wichtige Unterscheidung. Sie zu respektieren, vertreibt eine Menge Chaos aus unserer Welt und macht sie besser.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40668SWR3 Gedanken
In der Schule, auf der Arbeit, alle schwärmen sie: So blau der Himmel in Italien, so türkis das Wasser rund um Kreta, die Berge so hoch, die Luft so frisch - in den Augen ein schwärmerischer Glanz. Die fremde Umgebung und die Zeit zum Genießen haben sich eingezeichnet in Augen und Haut. Urlaub tut der Seele und dem Körper gut. Auch ich kann ein Lied davon singen.
In der Schule treffe ich Gabriel. Er war mal wieder nicht in Urlaub. Seine Familie geht ins Schwimmbad, wenn es sehr heiß ist. Vielleicht mal Freunde besuchen, die wohnen auch alle hier um die Ecke. Sonst machen sie nicht viel. Gabriel war noch nie in Urlaub. Als er kleiner war, hat er sich Urlaube erfunden an fantastischen Orten. Er hatte genug davon gehört, was die anderen so erleben. Da konnte er sich etwas zusammenreimen und ist im Kopf verreist. Eine Superstrategie finde ich, besser jedenfalls als die Zeit, in der er traurig verstummt ist, wenn die anderen ins Schwärmen kamen.
Gabriel gehört zu den über 25% der Familien mit Kindern, die nicht genug Geld haben für Urlaub. Zu schlechtes Einkommen, Bürgergeld, eben fast nichts für Schönes und zum Genießen. Gabriel ist einer, der sich bedankt für den Ausflug in den Park mit der Kindergruppe. Für Kinder wie Gabriel wünsche ich mir, dass manchmal jemand auch nachfragt: „Was gab es denn in der Stadt Schönes zu erleben in den Ferien?“ Oder dass jemand sagt: „Was wäre euer wundervollster Urlaub? Wovon träumt ihr schon immer, Phantasiereisen erwünscht!“ Für Gabriel wünsche ich mir, dass er irgendwann einen Urlaub erlebt, in dem seine Träume sich erfüllen: So blau der Himmel, so türkis das Meer und die Luft so frisch und das allertollste Eis!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40657SWR Kultur Wort zum Tag
Bald ist es ein Jahr her – jener 7. Oktober und das Verbrechen der Hamas-Terroristen. Wie viele Menschen wurden ermordet, verschleppt, gefangen gehalten!
Bis heute habe ich mich geweigert, mir irgendein Bild oder irgendein Video davon anzuschauen. Selbst wenn ich von diesen bestialischen Verbrechen höre, versuche ich, sie mir möglichst nicht vorzustellen. Überhören, Weghören, so gut es nur geht. Warum bloß?
Die israelische Schriftstellerin Maya Arad Yasur hat unmittelbar danach den Monolog einer Frau verfasst. Der Titel: „Wie man nach einem Massaker humanistisch bleibt - in 17 Schritten.“*
Ihre erste Regel lautet: Fernsehprogramme und andere Medien abschalten, die mit Gefühlen Geld verdienen wollen! Sie warnt vor den Schreckensbildern – denn daran kann man innerlich zerbrechen.
Stattdessen rät sie, sich daran zu erinnern: „Auch auf der anderen Seite der Grenze gibt es Mütter wie dich“. Sechzehnmal wiederholt und variiert sie diesen Satz in ihrem Monolog. Um sich gegen Gewalt- und Rachephantasien zu immunisieren. Und damit das Mitleiden wach bleibt für alle unschuldigen Opfer auf beiden Seiten dieses Gewaltausbruches.
Wie schwer ist das! Aber genau darum geht es: Wache Anteilnahme, ohne sich von Schreckensbildern gefangen nehmen zu lassen. Denn was in mein Auge hineingeht – hinterlässt Spuren in meiner Seele. Hass und Schrecken verfinstern meinen Blick, verblenden die Augen, heißt es in der Bibel. (1. Joh 2,11).
Maya Arad Yasurs Theaterstück hat mich tief berührt. Es hat in den vergangenen Monaten große Resonanz erfahren.
Ich denke, weil viele sich fragen: Wie kann ich in den Abgründen und Krisen dieser Welt Menschlichkeit bewahren?
Christen sagen: Jesus sei der wahre Mensch. Auch darum ich will festhalten am Bild vom Menschen als einem von Liebe und nicht von Hass erfüllten Wesen.
Maya Arad Yasurs 10. Rat lautet: „Such kleine menschliche Geschichten!“ Sie erzählt in ihrem Stück die Geschichte von einem arabischen Fahrradhändler in Israel.
Der verschenkt an jüdische Kinder, die überlebt haben, Fahrräder mit Helmen und bunten Klingeln. Solch eine Geschichte ruft Hoffnungen wach: Es kann Frieden geben!
Damit wird kein Verbrechen geleugnet. Das ist kein Augenverschließen aus Prinzip.
Das ist ein Versuch zu überleben – als Mensch – um für Andere ein Mensch bleiben zu können. Denn - wie schreibt sie: „Auch auf der anderen Seite der Grenze gibt es Mütter wie dich.“
* uraufgeführt am 19. November 2023 am LTT-Tübingen – Regie: Sapir Heller
SWR4 Abendgedanken
Ich sitze im Gottesdienst eines Kollegen. Es ist Sommer. Draußen wird es so langsam richtig warm. Und, natürlich, singen wir das Lied: „Geh aus, mein Herz, und suche Freud, in dieser schönen Sommerszeit, an Deines Gottes Gaben. Sieh an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir, sich ausgeschmücket haben…“
Und ich denke: Och ne, nicht schon wieder. Fällt denn dem Pfarrer nicht mal was anderes ein? Immer die gleiche Leier. Muss das denn sein?
Und dann gehe ich nach Hause. Leicht frustriert. Auf dem Weg steht ein älterer Herr. Und starrt in die Luft. Ich verstehe erst gar nicht, was er da tut. Er guckt… total fasziniert… in die Luft vor sich. So etwa auf Augenhöhe. Als ich näherkomme, grinst er mich an. Und zeigt auf etwas Kleines, Braunes, das da vor ihm schwebt. Eine kleine Raupe. Es sieht aus, als würde sie schweben. Übt sie schon mal für ihr Leben als Schmetterling? Ich muss grinsen. Bei genauerem Hinsehen wird mir klar: Sie hat sich wohl an einem Faden abgeseilt. Von dem ziemlich hohen Baum über uns. Verrücktes Tierchen. Wir unterhalten uns noch kurz über die halsbrecherische Aktion dieser Raupe. Lachen miteinander. Wünschen uns einen schönen Sonntag. Und gehen beschwingt und gut gelaunt weiter.
Am Wegrand sehe ich kleine, zarte, weiße Blümchen. Sie sprießen nach dem vielen Regen der letzten Wochen aus den Ritzen im Beton. Ein weißer Schmetterling tanzt vorbei. Im Garten pflücke ich saftig-süße Mirabellen von unserem Baum. Er hängt übervoll mit leckeren Früchten. Wunderbar! Und die Brombeeren, sehe ich, sind auch schon reif. Brr, sauer! Aber sehr aromatisch.
Nachmittags besuche ich eine Freundin, der nach der Chemotherapie endlich wieder die ersten Haare wachsen. Ihre Perücke hat sie abgelegt. Und sie sieht so fröhlich aus, so chic.
Und abends sitze ich in der lauen Sommerluft im Tübinger Sommernachtskino. Der Film gefällt mir. Aber noch viel mehr genieße ich den warmen Wind, der meine Haut umspielt und die ausgelassene Fröhlichkeit der Menschen um mich herum. Kann so ein Wind alle Sorgen einfach fortblasen? Für einen Moment scheint es tatsächlich möglich.
Naja, und dann, abends, im Bett, da denke ich nochmal an den Gottesdienst vom Morgen. So viele Sommerwunder habe ich heute erlebt. Gottes Gaben. Geschenke, die mir einfach so zugeflogen sind. Und in Gedanken entschuldige ich mich bei meinem Kollegen. Er hat ja recht: Der Sommer bringt eine Zier und eine Freude. Genau, wie wir es gesungen haben. Danke, guter Gott, für all deine Sommerwunder!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40689SWR3 Worte
Das Leben feiern – auch und gerade angesichts des Todes. Was das bedeuten kann, beschreiben Mitarbeitende im Hospiz so:
Alle unsere Bewohner wissen, dass sie bald sterben werden. Doch wer glaubt, das Leben bei uns im Hospiz sei voller Trauer und schwer, der irrt. […]
Durch unsere Bewohner fühlen wir uns immer wieder neu zum Leben eingeladen.
Haben Sie beispielsweise schon einmal […] sechs Monate nach Ihrem eigentlichen Geburtstag einen „halben“ Geburtstag gefeiert?
Wir hatten eine Bewohnerin, die ließ sich im September ihr Zimmer weihnachtlich schmücken. Ein strahlender Weihnachtsbaum erhellte ihren Raum. Jedem überraschten Besucher sagte sie: „Weihnachten erlebe ich nicht mehr, deshalb ist für mich jetzt Weihnachten!"
Matthias Peterek, Christiane Schmidt und Anita Fürst, Titel: Leben
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40683Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Jahr für Jahr das gleiche Spiel. Kaum ist die Ferienzeit vorbei, fängt in den Supermärkten die Adventszeit an. Die Regale füllen sich mit Spekulatius und Dominosteinen, Zimtsternen, Marzipankartoffeln und Lebkuchen Und das sorgt, ebenfalls Jahr für Jahr, für Diskussionen. „Was soll das? Es ist doch noch Spätsommer.“ Oder: „Die Festtage sind noch weit weg. Warum das alles jetzt schon?“ Manchmal werden die Debatten hitziger. Ich lese, dass sich im Internet Kunden gegenseitig beleidigen und die Supermärkte angehen. Nur wegen des richtigen Termins fürs Weihnachtsgebäck.
Da kann ich nur sagen: Un-Selige Weihnachtszeit. Andere beleidigen, das ist weit weg vom Kern der weihnachtlichen Botschaft. Da kommt ein Kind. Setzt einen Anfang. Steht für das Wunder, das Leben heißt. Weihnachten sagt: Mensch-Sein, das bedeutet, immer wieder mit dem Leben anzufangen. Mensch-Sein beruht also darauf, dass Menschen zueinander Ja sagen. Neubeginn, Dankbarkeit, Ja-Sagen, das verträgt sich kaum mit Pöbeleien.
Der Streit um den richtigen Termin fürs Weihnachtsgebäck, der steht, so meine ich, für viele andere Konflikte in der Gesellschaft. Sich aufregen, sich empören, das geht furchtbar schnell. Ich wünsche mir da mehr Gelassenheit. Und hab die Bibel auf meiner Seite. Dort heißt es: „Wenn ihr gelassen abwartet und vertraut, dann seid ihr stark.“ (Jesaja 30,15) Der Satz macht deutlich: Auch schon in biblischen Zeiten gibt’s Konflikte. Aber das Heilmittel sind eben keine lauten Posts und keine Dauerempörung. Bleib cool, sagt der Prophet Jesaja. Bleib gelassen. Das zeichnet echte Stärke aus.
Ich finde, ein guter Tipp für viele Aufreger heute. Und auch für den Umgang mit Weihnachtsgebäck im September. Was ist denn so schlimm daran? Ich brauch‘s ja nicht kaufen. Und geht die Welt unter, wenn jemand jetzt schon Spekulatius isst? Wohl kaum.
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