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SWR4 Abendgedanken
Vor einiger Zeit bin ich beschwingt aus der Praxis meines Hautarztes auf die Straße getreten. Und habe mich in diesem Moment verwundert gefragt: Warum habe ich denn plötzlich so gute Laune? Es gibt ja wirklich angenehmere Beschäftigungen, als zum Arzt zu gehen! Aber trotzdem: Ich fühlte mich leicht, durchaus beschwingt. Normalerweise nicht die Stimmung, die ein Arztbesuch bei mir verbreitet.
Im Bus nach Hause habe ich darüber nachgedacht. Und bin auf eine Idee gekommen: Mein Hautarzt ist total gut darin, zuzuhören. Wenn er ins Behandlungszimmer kommt, setzt er sich mir gegenüber, meist ohne Tisch dazwischen, begrüßt mich freundlich und, Achtung, beugt sich leicht vor und legt gefaltet und mit viel Ruhe die Hände in den Schoß. Und mit all dem strahlt er aus: Ich nehme mir jetzt für Sie Zeit. Reden Sie.
Und das tut gut. All das, was er macht, signalisiert: Da ist jemand, der sich tatsächlich für mich und mein Problem interessiert. Klar, er ist ja auch Arzt. Das ist sein Beruf. Aber trotzdem: Da ist keine Hetze, diesen einen, vielleicht auch nur kurzen Moment des Zuhörens, den bekomme ich geschenkt. Auch, wenn das Wartezimmer voll ist.
Zuhören kann befreiend und heilsam sein, wenn einer den anderen wirklich wahrnimmt und sieht. Das hat auch der südafrikanische Bischof Desmond Tutu erkannt. Nach den vielen, vielen Grausamkeiten, die die Rassentrennung und Unterdrückung der farbigen Bevölkerung dort verursacht haben, ist er mit einer Kommission durch das Land gezogen. Dort durften die Opfer der Gewalt erzählen. Und Tutu und seine Leute haben zugehört. Und das ganze Land mit: Die Sitzungen wurden im Radio und Fernsehen übertragen. Es ging nicht vor allem darum, die Täter zu verurteilen. Es ging darum, den Opfern eine Stimme zu geben und die Wahrheit ans Licht kommen zu lassen. In der Hoffnung, dass so Versöhnung möglich wird. Dass die Wunden aus der so schmerzhaften Zeit der Apartheid heilen können. Dass neues Leben, neues Miteinander möglich wird. Und der erste Schritt dahin war das Zuhören.
Wenn einer dem anderen zuhört, dann tut das gut. Wenn Menschen sich gesehen und beachtet fühlen. Im Bus, auf der Heimfahrt vom Hautarzt, wird mir klar, dass auch ich im besten Fall so zuhören kann: Meinen Kindern. Meinen Schülerinnen und Schülern. Freunden. Und vielleicht auch gerade denen, die nicht meine Meinung teilen. Denn ich habe wieder mal gelernt: Allein schon Zuhören kann heilsam sein!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39550SWR2 Wort zum Tag
Seit einigen Jahren habe ich es mir angewöhnt, den Tag mit einem kleinen Ritual zu beginnen. Ich spreche ein Gebet und bitte für Menschen, die mir am Herzen liegen. Manchmal kommt mir auch ein Lied in den Sinn und ich singe aus voller Kehle und vollem Herzen. Ein singender, klingender Tagesbeginn.
Der Liederdichter Michael Weiße war ganz sicher auch ein Freund des singenden und klingenden Tagesbeginns. Sein Gebet ist uns unter der Nummer 438 im Evangelischen Gesangbuch überliefert, es heißt: „Der Tag bricht an und zeiget sich“. Das Lied dankt zuerst für das Leben, kein selbstverständliches Ding, sondern ein großes Geschenk. Bei allem sollte der innere Schweinehund nicht das letzte Wort haben „das arge Fleisch so zwing und treib“ heißt das in der bildhaften Sprache des 16. Jahrhunderts. So, finde ich, kann ein guter Start in den Tag gelingen! Dankbar, vertrauensvoll, mutig und gesegnet. Außerdem füllen sich beim Singen die Lungen, das tut auch leiblich gut.
Wer war eigentlich Michael Weiße? Auf jeden Fall jemand, dem das Singen am Herzen lag. 1531 hat er das erste deutsche Gesangbuch der Böhmischen Brüder herausgegeben. Mit 157 Liedern war es das umfangreichste Gesangbuch der Reformation. Die Texte sind gesättigt mit reicher Lebenserfahrung, der Widerstände und Kämpfe, die dieser Mann auch um seines Glaubens willen durchgestanden hat. Ich stelle mir vor: Singend hat er sein Leben gemeistert, die Höhe- und die Tiefpunkte. Er fand für alles einen passenden Ton.
Auf dem Tag heute vor 490 Jahren lag dann leider kein Glück. Michael Weiße war zu einem Festmahl eingeladen. Aber der schöne Anlass endete tragisch. Die servierte Delikatesse war verdorben. Alle Gäste und auch der Gastgeber sind daran gestorben. Michael Weiße war noch keine 50 Jahre alt.
Die Menschen seiner Zeit haben der Endlichkeit des Lebens bewusster ins Auge geblickt als wir heute. Wenn sie um Segen für den Tag gebetet haben, dann war ihnen klar, dass sie nicht unbedingt den Abend erleben würden. „Was wir hier verweslich sä'n, wird einst unverweslich auferstehn“ hatte Michael Weiße einmal gedichtet. Ich hoffe, dass er in dieser Gewissheit auch sterben konnte. Dankbar, vertrauensvoll, mutig und mit dem Gefühl, dass er ein zwar kurzes, aber doch gesegnetes Leben leben durfte.
Überlebt haben Michael Weiße, ganz sicher, seine Lieder, seine Unterstützung für einen guten Start in den Morgen! Und: ist nicht jeder Morgen eine kleine Auferstehung?
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39546SWR3 Gedanken
Body neutrality – der Begriff begegnet mir immer wieder. Body neutrality beschreibt eine neutrale Haltung zum menschlichen Körper, egal wie dünn, dick, eckig oder muskulös dieser Körper ist. Egal ob es um meinen Körper geht, oder um den anderer. Mal wegkommen vom ständigen Beurteilen nach dem Äußeren – eine gute Entwicklung, finde ich.
Ich habe so viele Szenen erlebt, bei denen Leute wegen ihres Körpers verspottet oder ausgegrenzt wurden – klassisches Body shaming eben. Und ich weiß, wie tief sich Kritik am Körper in die Selbstwahrnehmung fräst. Mit welchem Horror oder Ekel viele ihren Körper im Spiegel betrachten. Weil sich da eine neue Rundung zeigt, eine Falte oder Delle.
Als Theologin habe ich überlegt: Gibt es in der Bibel eigentlich auch so was wie Body shaming? Mir ist nichts eingefallen. Gar nichts! Nirgendwo wird geschildert, ob die Leute dick, dünn, klein, hässlich oder schön waren. Nicht einmal von Jesus wissen wir, wie er ausgesehen hat.
Die Bibel ist also body neutral. Sie hat dafür aber einen anderen Blick auf den Menschen. Die Bibel schaut mit Gottes Augen auf die ganze Person. Und dieser Blick ist positiv.
„Du hast meine Nieren bereitet, Gott“, heißt es in einem alten Gebet, „du hast mich gebildet im Mutterleib. Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“
Wunderbar gemacht – mit einer Seele, die Wunderbares erkennt! Das ist der Mensch! Die Körpermaße spielen dafür keine Rolle.
Mir gefällt das: Body neutrality bei gleichzeitiger person positivity. Wunderbar!
SWR3 Worte
Er liebt Autos und Gangster-Rap. Nicolai ist Pfarrer und teilt viele Momente seiner Alltags auf Instagram. Auch wenn seine Liebe zu Autos und Rap etwas anderes vermuten lassen: Nicolai entspricht in manchen Dingen nicht traditionellen Vorstellungen von Männlichkeit. Für ihn ist das inzwischen in Ordnung. Das war nicht immer so. Er erzählt:
„Mittlerweile habe ich gelernt, dass ich sehr gut Mann sein kann, ohne zwei handwerklich geschickte Hände zu haben, die im Nu Reifen wechseln und nebenbei noch ein Haus selbst bauen können. Ich habe gelernt, dass es als Mann ok ist, Menschen um Hilfe zu fragen, wenn der eigene Körper bei manchen praktischen Fähigkeiten einem einfach nen Strich durch die scheinbar idiotensichere Anleitung macht. Ich kann mittlerweile andere die steilen Berghänge hochrennen lassen und selbst unten bleiben, ohne gleich an meiner Männlichkeit zu zweifeln und dafür bin ich dankbar.“
Quelle: Nicolai Opifanti auf dem Instagramkanal von @faithpwr am 26.7.2023
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https://www.kirche-im-swr.de/?m=39533Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Meine Lieblingsstadt ist Lissabon, die Hauptstadt von Portugal. Neben verwinkelten Gässchen gibt es dort einen Stadtteil mit geraden Straßen und gleichmäßig aussehenden Häusern. Er passt nicht ganz ins Bild der Stadt.
Am 1. November 1755 zerstörte ein Erdbeben fast die komplette Innenstadt von Lissabon. Zwischen 30.000 und 100.000 Menschen starben damals. Der modern wirkende Stadtteil von Lissabon ist das wiedererrichtete Lissabon nach dem Beben.
Anfang Februar des letzten Jahres erschütterte ein schweres Erdbeben Nordsyrien und den Südosten der Türkei. Zehntausende Menschen kamen ums Leben. Die tägliche Nachrichtenflut hat dieses Ereignis schon fast wieder vergessen gemacht. Das Leid der Menschen ist aber immer noch sehr groß. Es fehlt an allem: Strom, Wasser, Nahrung und warmen Unterkünften.
Damals in Lissabon, vor fast 270 Jahren, löste das Erdbeben heftige Debatten unter den Gelehrten aus: wie konnte Gott so etwas zulassen? Die Frage bleibt aktuell – bis heute. Für mich als Christen ist diese Frage eine der wichtigsten überhaupt. Auch wenn es keine zufriedenstellende Antwort darauf gibt.
Der Theologe Romano Guardini hat einmal gesagt: Wenn ich tot bin, dann möchte ich mich nicht nur von Gott befragen lassen. Dann möchte auch ich ihn fragen, warum es so viel Leid in seiner Schöpfung gibt. Und dann erwarte ich eine Antwort.
Ich finde diesen Gedanken entlastend. In der Bibel ist die Anklage Gottes sogar eine Form des Gebets, zum Beispiel in den Psalmen. Die Empörung über Gott macht das Leid zwar nicht kleiner.
Sie hilft mir aber, nicht mehr ganz so ohnmächtig zu sein, auch wenn es letztlich keine Antwort gibt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39528Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Er steht meist im Schatten, abseits des Geschehens. Die Bibel erzählt nicht viel vom heiligen Josef, dessen Gedenktag die katholischen Kirche heute feiert. Und doch: Wenn wir die biblischen Geschichten um die Geburt Jesu herum betrachten, dann hatte er eine – wenn nicht sogar die entscheidende Rolle. Leben oder Tod für die schwangere Maria, das lag nach damals geltendem Recht in seiner Hand. Denn als seine Verlobte war sie rechtlich gesehen schon seine Ehefrau. Dass sie von einem Anderen schwanger war, bedeutete somit Ehebruch und der wurde mit Steinigung bestraft. Doch Josef ist nicht rachsüchtig. Er will nicht, dass Maria bestraft wird und stirbt. Deshalb will er sich in aller Stille von ihr trennen. Das zeugt von Größe. Die Bibel nennt Josef deshalb einen Gerechten. Wir würden ihn heute vielleicht als einen „rechten Mann“ bezeichnen. Einer, der sich selbst treu bleibt und das tut, wovon er überzeugt ist. Josef vertraut nicht nur dieser inneren Stimme seines Gewissens, er hört auch auf seine Träume. Und das ist entscheidend für den Fortgang der Geschichte: Ein Bote Gottes erkärt ihm was geschehen ist, was es mit diesem Kind auf sich hat und was er zu tun hat, um Maria und das Kind zu schützen.
Viel mehr erfahren wir nicht über ihn. Kein einziges gesprochenes Wort ist von Josef überliefert. Aber dass er für Jesus eine wesentliche Rolle gespielt hat, davon bin ich überzeugt. Nicht nur, dass der von ihm das schreinern und zimmern gelernt hat. Vermutlich war es Josef, der ihm die Heilige Schrift erklärt und ihm die religiösen Traditionen beigebracht hat. Seine Sicht auf Gott, Mensch und Natur.
Es mag reine Spekulation sein und doch liegt für mich auf der Hand, dass hinter dem wunderbaren Gleichnis Jesu vom barmherzigen Vater, seine eigene Vatererfahrung mit Josef steht. Zu ihm konnte er kommen, ganz gleich was passiert ist. Er hat ihn geprägt. Ihm vorgelebt, was es bedeutet ein „Gerechter“ zu sein. Ein Mensch mit weitem und großen Herzen, der nicht primär dem Gesetz, sondern Gott und den Menschen gerecht werden will.
Von daher ist er auch für mich ein Vorbild, dieser Josef, der unaufgeregt handelt - mit einem feinen Gespür für das, was jetzt gerade dran ist
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39520SWR4 Abendgedanken
„Was mein Leben reicher macht“, so heißt eine Rubrik in der Zeitung „Die Zeit“. Leser und Leserinnen schicken eigene Texte ein und erzählen dort, was ihr Leben lebenswert macht. Und da habe ich vor ein paar Wochen Folgendes gelesen:
"Es ist nach Mitternacht, ich liege schon im Bett, als dieses mit einem Schlag in sich zusammenbricht. Nach dem ersten Schreck inspiziere ich den Schaden: Das Holz auf der rechten Seite ist gebrochen. Ich stabilisiere es mit Büchern. Eines fehlt noch, um das Bett wieder in die Waage zu bekommen. Ich lasse meinen Blick schweifen, er fällt auf die Bibel. Nach einigem Zögern lege ich sie auf den Stapel. Heißt es darin nicht: „Einer trage des anderen Last?“ Gestützt von Gottes Wort schlafe ich ein."[1]
Ist das nicht eine schöne Geschichte? Das kurze Zögern des Mannes verstehe ich: Darf man ein doch irgendwie „heiliges Buch“ so zweckentfremden? Ich finde: Ja, klar. Für uns Christen ist ja nicht das Buch an sich heilig. Es ist ein Buch. Ich arbeite tagtäglich damit. Streiche mir Sachen an. Knicke an wichtigen Stellen Eselsohren in meine Arbeitsbibel. In der Bibel erzählen Menschen, was sie mit Gott erlebt haben. Das ist eine wunderbare Quelle, um Gott nahezukommen. Aber: Heilig ist nur Gott selbst, nicht das Buch, das von ihm erzählt. Da kann es zur Not auch als Bettstütze dienen.
Und wie schön ist das Bild, das diese Geschichte in sich trägt. Der gute Mann schläft jetzt gestützt von Gottes Wort – zumindest im übertragenen Sinne. Auf die Idee ist er gekommen, weil in der Bibel steht: „Einer trage des anderen Last“ (Gal 6,2), ein Zitat aus einem der Briefe, die der Apostel Paulus an die Gemeinde in Galatien geschrieben hat. Ja, wenn wir einander beistehen, uns gegenseitig helfen, dann werden wir gestützt, ganz praktisch. Ein Stütz-Wort! Und davon finden sich noch mehr in der Bibel. Für mich ist so ein Stütz-Wort zum Beispiel folgender Vers aus einem Gebet. Darin heißt es „Du, Gott, stellst meine Füße auf weiten Raum“ (Ps 31,9). Dieses Wort erinnert mich daran, dass Gott mir viel zutraut, mir einen Freiraum schenkt, in dem ich gestalten darf. Und mir tut es gut, von diesem Zutrauen Gottes zu mir zu wissen. Noch ein Stütz-Wort.
„Dein Wort ist meines Fußes Leuchte“, heißt es in einem anderen Psalm (Ps 119,105). Nach dieser Geschichte könnte man das ja fast abwandeln in „Dein Wort ist meines Bettes Stütze!“ Auch wahr, irgendwie. Und in diesem Sinne: Schlafen Sie gut heute Nacht! Gestützt von Gottes Wort.
[1] Aus: Die Zeit. Entdecken, „Was mein Leben reicher macht“, 4.1.2024, S.56.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39549SWR2 Wort zum Tag
Jesus ist ein sehr treuer Freund gewesen. Er hat sich – so lese ich die Bibel – noch nicht einmal von Judas distanziert. Einen solch treuen Freund wie Jesus wünscht sich wohl jeder Mensch. Doch manchmal kommt es für uns Sterbliche darauf an, sich auch von einer Freundschaft verabschieden zu können.
Wenn ich in dieser Passionszeit darüber nachdenke, was ich in meinem Leben bewahren und was lassen sollte, dann darf ich auch meine Freundschaften in diese Überlegungen mit einbeziehen. Womöglich letztlich zu der Entscheidung kommen, dass manche dieser Freundschaften ihre Zeit gehabt haben. Freundschaften waren mir alle einmal wichtig. Aber das ist keine Garantie auf lebenslange Dauer. Manchmal ist es so, dass wir Freunde das gemeinsame Gespräch vernachlässigt haben. Wir sind uns fremd geworden, die Freundschaft hat ihre Zeit gehabt. Das schmälert keineswegs den Wert der Zeit, die wir gemeinsam verbracht haben. Die kann wunderbar gewesen sein, und das möchte ich auch bewahren, das darf und kann in meiner Erinnerung bleiben. Doch zur Ehrlichkeit gehört, dass ich zugebe: Heute stimmt das Wort „Freundschaft“ nicht mehr.
Klar, man kann auch so tun, als ob sich nichts verändert hätte. Ich merke, dass mir das nicht guttut. Entweder offen kommuniziert oder als Entscheidung meines Herzens: Ich brauche Klarheit. Es fühlt sich falsch an, so zu tun als ob.
Leicht fällt eine solche Entscheidung meistens nicht. Sie will wohlüberlegt sein. Dabei kann mir dann Jesus - vielleicht überraschenderweise für einen so treuen Freund – durchaus helfen. Denn er empfiehlt seinen Jüngern, den Staub von den Füßen zu schütteln, wenn sie als seine Botschafter von Menschen abgelehnt werden. Staub abschütteln ist eine Zeichenhandlung. Es soll im neuen Lebensabschnitt nichts zurückbleiben, was verletzt, nicht einmal ein Staubkorn. Das finde ich hilfreich. Ich möchte friedlich Abschied nehmen von Freundschaften, die sich überlebt haben. Da soll kein Groll übrigbleiben, keine enttäuschten Erwartungen, keine Anrufe, die nur aus Pflichtgefühl geschehen und nicht aus Zuneigung und ehrlichem Interesse.
Für mich ist das eine wichtige Anregung in dieser Passionszeit – und eine große Herausforderung. Zu überlegen, welche Freundschaften ihre Zeit hatten. Wie auch immer ich das mit dem Staub abschütteln konkret gestalten mag.
Ich könnte anfangen, einen neuen Geburtstagskalender zu gestalten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39545SWR3 Gedanken
„Bloß keine Politik in der Kirche!“ Immer wieder erlebe ich, wie sich manche aufregen, wenn Kirchenleute sich gegen Rechtsextreme positionieren oder sich zur Flüchtlingskrise äußern.
Kirche solle sich auf das Seelsorgliche beschränken, sagen sie und ärgern sich.
Ich halte dagegen: Kirche kann gar nicht unpolitisch sein!
Schon was Jesus damals vor 2000 Jahren gesagt und getan hat, war politisch.
Deswegen ist er auch zum Tod verurteilt worden. Weil er klar benannt hat, wo es ungerecht zu geht. Weil er gesellschaftliche Schranken gesprengt hat, um Menschen wieder in die Mitte zu holen. Weil er das Wohl anderer immer über das eigene Wohlergehen gestellt hat.
Genau das bleibt die Aufgabe der Kirche: Verhältnisse benennen, wo Menschen ungerecht behandelt werden. Diskriminierungen erkennen und überwinden. Alle Kräfte zum Wohl der Menschen aufwenden. Überall. Weil unsere Welt oft nach anderen Maßstäben funktioniert, wirken sich diese Aufgaben politisch aus. Solange die Welt so ist, wie sie ist, so lange wird Kirche auch politisch sein.
Und Gott? Gott hat Jesus, der so politisch gepredigt und gehandelt hat, vom Tod auferweckt. Ein klares Ja zu all dem, was Jesus gesagt und getan hat.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39539SWR3 Worte
Die Kinder- und Jugendbuchautorin Cornelia Funke bezeichnet sich als spirituell, wenn auch nicht als christlich. Bei allem, was uns unterscheidet, entdecke ich aber auch Gemeinsamkeiten mit meinem christlichen Glauben, wenn ich von ihrer Vorstellung des Göttlichen lese, Sie beschreibt das so:
„Ich glaube, das Grundprinzip der Welt ist das Erschaffen, das Kreative und dass uns deshalb die Kunst auch so anspricht. Weil alles um uns herum ständig wächst, erschaffen wiederkommt und [auch zerstört wird. Und] daraus wieder etwas wächst.“
Quelle:
Podcast „Hotel Matze“, Folge 225 „Cornelia Funke - Warum ist unsere Welt fantastisch“, 1:48:43 - 1:58:23
https://mitvergnuegen.com/hotelmatze/cornelia-funke/
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