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SWR4 Abendgedanken
Blechdosen, verrostete Autotüren, kaputte Möbel: Man kann Schrott recyceln oder wunderbare Kunstwerke daraus erschaffen. Ja, es gibt Künstler, die sammeln Metall und Plastik, das andere Menschen wegwerfen und gestalten daraus etwas wunderschönes Neues. Kleine Figuren oder große Statuen. Manche dieser Kunstwerke schaffen es sogar in Ausstellungen, und Kunstsammler zahlen dafür viele Tausend Euro.
Für mich ist das eine Art Gleichnis. In meinem Leben gibt es auch eine Menge Schrott. Ich meine damit nicht Altmetall für den Sperrmüll. Ich meine damit, dass ich Fehler mache, versage, Menschen, die mir lieb sind, verletzte, oder falsche Entscheidungen treffe. Oder ich leide an dem, was andere an Mist gebaut haben, und ich muss es jetzt ertragen. Das ist alles nicht gut. Das ist Schrott. Wenn ich mich so umsehe, dann denke ich, dass ich nicht der Einzige bin, dem es so ergeht und dass es wohl zum Leben dazugehört, dass wir nicht ständig Erfolge feiern, sondern dass auch Schrott zum Leben gehört. Manches machen wir selbst. Aber sehr oft leiden wir auch an dem, was andere getan haben.
Was mache ich damit? Ich glaube, dass es auch für diesen Schrott einen Künstler gibt, der daraus etwas Schönes machen kann, nämlich Gott. In der Bibel findet sich dazu eine Geschichte, die erzählt von Joseph. Joseph hat als junger Mann auch eine Menge Schrott gebaut und war so unerträglich arrogant, dass ihn seine Brüder in die Sklaverei nach Ägypten verkauft haben. Dort in Ägypten ist Joseph dann zu Unrecht im Gefängnis gelandet. Doch an seinem absoluten Tiefpunkt hat sich das Blatt für ihn gewendet. Joseph ist frei gekommen und hat am Hof des Königs eine große Karriere gemacht. Am Ende hat er sich sogar mit seinen Brüdern versöhnt und zu ihnen gesagt: „Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott hat es gut gemacht“ (1. Mos 50,20)
Menschen machen es böse. Sie machen Schrott. Aber Gott macht daraus Gutes. Davon wird in der Bibel immer wieder erzählt. Menschen machen Fehler. Es passieren schlimme Dinge. Menschen versagen und verletzen andere. Aber Gott kann aus Schrott ein Kunstwerk entstehen lassen. Aus Mist macht er Dünger. Aus Dreck Segen. Also will ich Gott getrost allen Schrott meines Lebens überlassen. Vielleicht entsteht so auch für mich etwas Gutes daraus.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41143SWR Kultur Wort zum Tag
Ich freue mich an Kerzen. Das ganze Jahr über zünde ich welche an. Morgens und Abends. Bin fast ein wenig kerzensüchtig. Wie freue ich mich jetzt am Lichterschmuck auf Fensterbänken oder vor der Haustür!
Aber gibt es auch so etwas wie eine Überdosis? Es kommt mir beinahe so vor. Manchmal sehe ich in den Vorgärten hunderte von LEDs, die die Nacht zum Tag machen. Lichterketten in allen Formen und Farben.
Ich habe gehört: Im New Yorker Stadtteil Manhattan ist der Weihnachtsbaum mit 50.000 LEDs geschmückt. Ist das noch Baumschmuck? Da sehe ich ja den Baum vor lauter Lichtern nicht.
Ich habe den Eindruck: In manchen Städten wird der Lichterschmuck spürbar reduziert. Ich vermute: Nicht nur, weil man Strom sparen will. Und ich hoffe: So kann die Weihnachtsstimmung mehr Raum bekommen. Die wurzelt ja im Kontrast von Licht und Finsternis: Das Licht der Heiligen Nacht scheint in der Dunkelheit. Und gerade das ist der Trost.
In der Bibel wird erzählt: Christus wurde bei Nacht geboren. Also hineingeboren in die Finsternisse und Nöte dieser Welt. Da hinein bringt sein Lebenslicht ein Licht, das die Welt mit einem neuen Glanz versieht.
Darum bedeutet mir ein einzelnes Kerzenlicht so viel. Mehr als jede Lichterflut.
Das eine Kerzenlicht verweist auf das Lebenslicht von Jesus. Ich denke dabei immer wieder an eine Beerdigung. Es war im Dezember und bitterkalt. Wir standen am Grab. Die Tochter hat auf das Grab ihrer Mutter eine Kerze gestellt – und gesungen: „Im Dunkel unsrer Nacht – entzünde ein Feuer, das nie mehr vergeht, das niemals mehr vergeht.“ Genau das ist der Trost, den mir ein Kerzenlicht schenkt.
An Weihnachten leuchtet das Licht von Bethlehem – das Licht vom Kind in der Krippe. An Ostern das Licht von Christus, den Gott nicht im Tod gelassen hat.
Sein Licht leuchtet jetzt – hinein in alle Finsternisse – hinein in Jammer und Nöte des Lebens. Auch wenn ich die Kerze auspuste –ich vertraue fest darauf: Sein Licht vergeht niemals. Wahrscheinlich bin ich auch darum so kerzensüchtig.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41198SWR3 Gedanken
„Christenhoroskop“, so nennt es meine Freundin Anke. Damit meint sie die sogenannten Tageslosungen. Viele Menschen haben diese Losungen als kleines Büchlein bei sich zu Hause liegen. Am Morgen oder auch am Abend lesen viele Menschen dann daraus die Tageslosung – Bibelverse, die einen durch den Tag begleiten sollen. Losung heißt es, weil der Bibelvers für jeden Tag ausgelost wurde. Der Blick in das kleine Büchlein prägt den Tag von vielen Menschen. Auch ich lese das jeden Morgen, noch vor der Tasse Kaffee. Oft freue ich mich über einen ermutigenden Bibelvers. Und dann gehe ich beschwingt in den Tag. Manchmal klingt es eher wie eine Mahnung. Dann achte ich besonders darauf, wie ich mit anderen umgehe.
Christenhoroskop – die eher spöttische Bezeichnung von Anke finde ich eigentlich passend: Die Tageslosung lese ich, weil ich überzeugt bin, dass biblische Worte auch für heute eine Rolle spielen. Zumindest dann, wenn ich mich davon leiten lasse. Und ich glaube, es verändert sich etwas, wenn Menschen sich von solchen Worten leiten lassen.
Für heute lautet die Losung übrigens: „Gott erhöht die Niedrigen und hilft den Betrübten empor.“ Dabei kann Gott bestimmt noch Hilfe gebrauchen. Ich bin dabei!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41183Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Die Stadt Mainz hat sich dieses Jahr im Advent etwas Neues ausgedacht: Zusätzlich zur üblichen Weihnachtsbeleuchtung hat sie in der Innenstadt Sterne aufgehängt. So genannte Herrnhuter Sterne sind das, dreidimensional mit 25 Zacken, in Mainz leuchten sie in wunderbarem Goldgelb. In der Augustinerstraße oder der Ludwigsstraße zum Beispiel.
Ich merke: Gerade in diesen dunklen Zeiten kann ich die warm leuchtenden Sterne gut gebrauchen. In Zeiten, in denen die Nachrichten voller Krisen und Kriege sind. Sterne geben mir Hoffnung. Und sie passen auch wunderbar in den Advent. Einer der bekanntesten Sterne der Geschichte ist ja der Stern von Bethlehem. Er soll über der Krippe geleuchtet haben, in der Jesus geboren wurde. Und er hat den drei Weisen aus dem Morgenland, den so genannten drei Königen, den Weg zur Krippe geleuchtet. Der Stern von Bethlehem steht für eine ganz und gar gute Nachricht: Hier, wo der Stern leuchtet, gibt es Rettung, hier kommt einer zur Welt, der Frieden und Leben bringen will für alle Menschen. Eine große Hoffnung für die ganze Welt, bis heute!
Auf diese gute Nachricht von Weihnachten bereiten sich viele Menschen jetzt im Advent vor. Und damals, vor über 2000 Jahren haben sich die drei Weisen aus dem Morgenland auf ihre Weise vorbereitet: Sie haben sich auf den langen Weg nach Betlehem gemacht und sind dem Stern gefolgt. An Weihnachten schließlich haben sie in der Krippe das Jesuskind bestaunt und die ersten Geschenke gebracht.
Die Sterne in Mainz und in anderen Städten, sie stehen auch für diesen Stern von Bethlehem. Sie leuchten warm in die winterdunklen Straßen und bringen damit Licht und Hoffnung. Hoffnung, dass es eben nicht nur die schlechten Nachrichten gibt, sondern auch eine wichtige gute. Die Nachricht von dem Kind, in dem Gott geboren wird. Und von der Welt, die noch zu retten ist.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41176Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Württemberg hat einen neuen katholischen Bischof. Er heißt Klaus Krämer, ist sechzig Jahre alt und hat sein Amt am 1. Dezember angetreten. Ich hoffe, dass sich der neue Bischof für alle interessiert, auch für die, die von der Kirche enttäuscht sind, sich über einen Pfarrer geärgert haben oder denken, dass die Kirchensteuer hinausgeschmissenes Geld ist.
Bei der Weihe zum Bischof von Klaus Krämer sind einige Sätze gefallen, die mich haben aufhorchen lassen. Sie gehören zum alten Ritus der Bischofsweihe, aber ihr Sinn ist stark und wichtig – bis heute. Unmittelbar vor seiner Weihe wird der künftige Bischof gefragt, ob er für das Volk Gottes wie ein guter Vater sorgen will. Wer zu Gott gehört, das definiert sich nicht in erster Linie über eine Mitgliedschaft in der Kirche oder darüber, ob man sonntags am Gottesdienst teilnimmt. Gott hat Interesse an allen, an jedem Menschen – und für sie alle soll der neue Bischof da sein. Väterlich, also fürsorglich, wenn jemand unterstützt werden muss; liebevoll, wenn einer bedrückt ist; barmherzig, wenn jemand von bösen Menschen übel mitgespielt wurde. Klaus Krämer hat geantwortet: Ich bin bereit. Daran schließt sich die folgende Frage an: Bist du bereit, um des Herrn willen, den Armen und den Heimatlosen und allen Notleidenden gütig zu begegnen und zu ihnen barmherzig zu sein? Auch das hat er bejaht. Und ich betone nochmals: Es ist hier nicht von armen Katholiken die Rede, sondern gemeint sind alle, die in seiner Diözese arm sind, in Not oder gar heimatlos. Die Politik streitet erbittert darüber, wie mit den Menschen zu verfahren ist, die in unser Land flüchten. Für einen Bischof darf sich diese Frage erst in zweiter Hinsicht stellen. Weil er eben nicht Politiker ist, sondern einer, der zu Jesus gehört, der wie einst die Jünger unterwegs ist, um den Menschen zu sagen: Gott will, dass keiner verloren geht. Keiner! Im Gegenteil: Wenn von hundert Schafen eines verloren geht, dann lässt der Hirte die neunundneunzig zurück und sucht das eine[1] - solange, bis er es findet. So spricht Jesus von Gott als dem guten Hirten. Auch danach ist Bischof Klaus bei seiner Weihe gefragt worden: ein guter Hirte zu sein. Und auch darauf hat er geantwortet: Ich bin bereit. Daran wird er gemessen werden. Und gerade für die überzeugend sein, die weit weg sind.
[1] Lukas 15,5
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41169SWR3 Worte
Dem Künstler Jonathan Meese sind, auch aus eigener Erfahrung, kreative Freiräume gerade auch an Schulen wichtig. Wie Lehrerinnen und Lehrer das ein Stück weit ermöglichen können? Er schlägt einen ersten Schritt vor:
„Man muss als Lehrer immer auf die Einzigartigkeit der Schüler und Schülerinnen eingehen und immer sagen: Es ist geil, dass du träumst. Es ist geil, dass du sehnsüchtig bist. Es ist geil, dass du Fehler machst. Es ist geil, dass du Dinge ausprobierst. Es ist geil, dass du gegen die Regeln verstößt. Nicht zu sehr, aber ein bisschen zumindest.“
Jonathan Meese, auf dem Instagram-Kanal, ttt_titel_thesen_temperamente, Post vom 6. November 2024, https://www.instagram.com/p/DCCDN_Dxg0u/?utm_source=ig_web_copy_link&igsh=MzRlODBiNWFlZA==
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41148SWR4 Abendgedanken
In dieser Zeit schreiben wieder viele Kinder einen Brief an den Weihnachtsmann oder an das Christkind. Sie schreiben ihnen all ihre Wünsche für Weihnachten auf. Die Barbiepuppe, das Legoraumschiff, das Kinderfahrrad oder sogar das erste Handy. All diese Wünsche stehen in den Kinderbriefen, und dann warten diese Kinder gespannt darauf, was am Heiligabend unter dem Baum liegen wird.
Aber man kann nicht nur dem Weihnachtsmann schreiben. Man kann auch Briefe an Gott schreiben. Auch das haben viele Kinder getan und daraus ist ein kleines Buch entstanden: „Kinderbriefe an den lieben Gott“. Als ich es zum ersten Mal gelesen habe, war ich tief berührt. Da schreiben Kinder an Gott, wofür sie dankbar sind: Für Papa und Mama. Für das kleine Geschwisterkind, das geboren worden ist. Für das leckere Essen, das Oma immer kocht. Aber sie schreiben auch ihre Bitten und Sorgen an Gott. Und die sind gar nicht so anders als die von uns Erwachsenen. Sie schreiben, dass sie Angst haben vor dem Krieg und bitten Gott, er solle doch Frieden machen. Sie schreiben, dass Mama schwer krank ist, und Gott solle sie bitte nicht sterben lassen, sondern wieder gesund machen. Oder sie schreiben, dass sie Angst haben vor dem Diktat in der Schule und dass Papa wieder schimpft, wenn sie eine schlechte Note nach Hause bringen. In diesen Briefen geht es um viel mehr als um Weihnachtsgeschenke. In den Briefen an den lieben Gott schreiben Kinder von dem, was in ihrem Herzen ist.
Mich rühren diese Briefe an. Dieses große Vertrauen, das die Kinder zu Gott haben. Sie glauben fest daran, dass Gott ihre Sorgen versteht und helfen kann. Ich merke, dass ich oft nicht so kindlich vertrauen kann, weil ich als Erwachsener längst gelernt habe, dass Gott meine Sorgen nicht so einfach verschwinden lässt, wenn ich ihm davon erzähle. Manchmal bin ich auch einfach nur misstrauisch und denke: Ob Gott meine Gebete wirklich hört? Ob er wirklich darauf reagiert? Bin ich Gott mit meinen Sorgen und Bitten überhaupt wichtig? Diese Kinder sind für mich ein Vorbild. So wie sie will ich immer wieder neu lernen, Gott zu vertrauen, dass er mich liebt, meine Gebet hört und sich um mich kümmert. Und so will ich weiter meine Bitten zu Gott schicken und ihm alles erzählen, was in meinem Herzen ist. Gut, dass ich diese Adresse habe.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41142SWR Kultur Wort zum Tag
„Die Nacht ist vorgedrungen – der Tag ist nicht mehr fern – So sei nun Lob gesungen – dem hellen Morgenstern“ – so beginnt eines meiner liebsten Adventslieder. Noch ist es ganz dunkel, morgens, wenn ich zur Arbeit gehe. Doch ich sehe aus manchen Fenstern einen Weihnachtsstern leuchten. Oder eine angestrahlte Krippe. Zeit, den Morgenstern zu loben – Jesus Christus, der alle Finsternis erhellt.
„Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern“: Jochen Klepper hat diese Zeilen gedichtet, 1938. In einer Zeit, die er selbst wie eine tiefe Nacht erlebt hat. 1903 wurde er als Pfarrersohn geboren und hat dann selbst Theologie studiert. Schon damals ist er ein Außenseiter, nicht nur, weil er unter Asthma leidet. Eine schwere Nervenkrise zwingt ihn, das Studium abzubrechen. Er wird Journalist und Rundfunkassistent.
Dann kommen die Nazis an die Macht, und Jochen Klepper verliert seine Anstellung. Denn er ist seit 1931 mit Johanna Stein verheiratet, einer Jüdin, die zwei Töchter mit in die Ehe bringt.
Er arbeitet als freier Schriftsteller und schreibt vor allem Texte für geistliche Lieder. Texte, die sich der Dunkelheit entgegenstellen, die seine Zeit prägen. „Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein – der Morgenstern bescheinet – auch deine Angst und Pein.“ Während die eine Tochter nach England ausreisen kann, wird der entsprechende Antrag für seine Frau und die andere Tochter abgelehnt. Ein letztes Mal macht sich Jochen Klepper auf und geht persönlich zu Adolf Eichmann, um die Ausreise zu erwirken. Doch er kehrt unverrichteter Dinge zurück. Da beschließt Jochen Klepper, mit seiner Frau und der Tochter gemeinsam aus dem Leben zu scheiden, am 11. Dezember 1942. Er schreibt in sein Tagebuch: „Wir sterben nun – ach, auch das steht bei Gott. Wir gehen in der Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.“
Ich hoffe, dass für Klepper gilt, was er selbst im dritten Vers seines Adventslieds geschrieben hat: „Beglänzt von seinem Lichte – hält Euch kein Dunkel mehr. Von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.“ Mich lassen diese Zeilen getrost in den Tag starten. Egal, ob mich am Morgen eine äußere oder eine innere Dunkelheit bedroht – Gott wird mit seinem Licht mein Leben erhellen. Es ist Advent.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41187SWR3 Gedanken
„Stronger than bombs“ – stärker als Bomben, so heißt die Ausstellung, die bis vor kurzem in der Dresdner Frauenkirche zu sehen war. Rund 20 großformatige Fotos aus verschiedenen ukrainischen Städten waren da zu sehen. Ein Projekt eines grenzüberschreitenden Netzwerks von Foto-Journalistinnen und Journalisten. Die Bilder zeigen zerstörte Kirchen und Kulturbauten. Und sie zeigen die Gesichter von Menschen, die dort in und mit dem Krieg leben. Und die um Normalität kämpfen. Um zu überleben. Physisch und seelisch.
Mein Lieblingsfoto: Eine Aufnahme in einer U-Bahnstation, die auch als Schutzbunker dient. Jemand hat Musik und Boxen mitgebracht. Und viele Leute sind hierher zum Tanzen gekommen. Sie bilden Paare und tanzen. Und haben ein Lächeln im Gesicht. Diese kurze Zeit voller Lebensfreude ist auf dem Foto spürbar.
Die Dresdner Frauenkirche ist aus dem Schutt und den Trümmern ihrer Zerstörung durch den letzten Krieg in Deutschland erbaut worden. Seither ist sie ein Hoffnungszeichen: Frieden ist möglich. Auf besondere Weise hat die Ausstellung das Kriegsgeschehen in der Ukraine mit dem Wiederaufbau der Frauenkirche verknüpft. Und die für viele auch heute noch ein Wunder. Auf dass es auch für die Menschen in der Ukraine ein Wunder geben wird. Und sie auf den Straßen tanzen. Ohne Gefahr.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41182Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Die Fernsehmoderatorin Sandra Maischberger hat vor kurzem erzählt, dass sie einen Aschenbecher aufbewahrt, in dem ein paar alte Zigarettenkippen liegen. Es sind die Reste der Zigaretten, die der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt bei seinem letzten Fernsehinterview mit ihr geraucht hat. Schmidt starb vor neun Jahren.
Für Manchen mag sowas vielleicht seltsam klingen. Ich kann das aber ganz gut verstehen. In einer Schublade verwahre ich nämlich in einer kleinen Schachtel auch einen Schatz. Die Armbanduhr meines Vaters. Vor ein paar Jahren ist er gestorben. Es ist keine wertvolle Uhr. Kein teures Sammlerstück. Sowas besaß mein Vater nicht. Nichts also, was für Andere sonderlich interessant wäre. Aber für mich. Weil diese unscheinbare Armbanduhr verbunden ist mit ganz vielen Erinnerungen. Mein Vater hat sie getragen, als meine Tochter ihren Schulabschluss mit uns gefeiert hat. Er hat sie getragen, als er zum letzten Mal bei uns war. Ein paar Monate vor seinem Tod. Er hatte sie auch am Handgelenk, als man ihn ins Krankenhaus brachte. Auf dem Nachttisch neben seinem Krankenhausbett hat sie gelegen bis zum Schluss. Wenn ich die Uhr heute in die Hand nehme, dann sehe ich meinen Vater wieder vor mir. Erinnere mich an ihn. An so Vieles, das wir zusammen erlebt haben. Die unscheinbare Uhr lässt Momente lebendig werden, die längst vergangen sind. Holt sie für kurze Zeit zurück in meine Gegenwart.
Der brasilianische Theologe Leonardo Boff hat solche Dinge mal Sakramente genannt. Dinge also, die Menschen heilig sind. Weil sie eine Brücke bauen zu etwas, das für ihr Leben wichtig war und ist. Von außen betrachtet vielleicht nur wertloses Zeug, so wie die Zigarettenkippen. Für Eingeweihte hingegen ein Schatz, den sie sorgsam hüten. Ich bin überzeugt: Die Welt dürfte voll sein von solchen Sakramenten des Alltags. Wahrscheinlich so vielen, wie es Menschen gibt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41175