« Zeige Beiträge 11 bis 20 von 36231 »
SWR3 Worte
„Mantras“ sind Sätze, die eine positive Energie haben. Sie helfen – besonders in stressigen Situationen. Aber wie kann ich Mantras in meinem Unterbewusstsein verankern? Die Wissenschaftsjournalistin Nicola Schmidt hat dazu folgende Idee:
Mach dein wichtigstes Mantra zum Passwort für deinen Rechner (…) oder etwas anderes, das du häufig nutzt. Das geht ganz einfach. Wenn dein wichtigstes Mantra zum Beispiel ist: „Diskutiere nicht mit einem müden Kind“, dann wird das entsprechende Passwort aus den Anfangsbuchstaben dieses Satzes gebildet (…) Und wenn du ganz gut sein willst, hängst du noch ein Zeichen und eine Zahl an, zum Beispiel ein Datum, das du nicht vergessen willst (…). Das ist ein vernünftiges Passwort – und (es ist) ein schöner Gruß an dein Unterbewusstsein.
Quelle: Nicola Schmidt, artgerecht – Der andere Familienplaner, Kösel-Verlag, München 2020, 108.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37342SWR4 Abendgedanken
Es gibt Zeiten, da möchte ich mir am liebsten die Decke über den Kopf ziehen und nichts mehr sehen und hören. Wenn Abend für Abend in den Nachrichten von immer neuen Konflikten und Katastrophen die Rede ist. Wenn die Krisen in der Welt gefühlt immer näher zu kommen scheinen. Und wenn dann zu all dem Übel auch noch Freunde und Kolleginnen in meinem Umfeld schwer erkranken und ich mir auch um sie noch ernste Sorgen mache. Dann erscheint die Decke, die ich mir so gern über den Kopf ziehen möchte, manchmal fast zu kurz zu sein.
Hin und wieder denke ich dann an ein Lied, das ich sehr mag. Manchmal summe ich es auch einfach leise vor mich hin: In der Mitte der Nacht liegt der Anfang eines neuen Tags, heißt es da im Refrain. Eigentlich ja eine Binsenwahrheit. Dass um Mitternacht, wenn die Nacht uns am dunkelsten und tiefsten erscheint, die Finsternis genau genommen schon wieder den Rückzug antritt. Ja, dass es von dieser Stunde an ganz langsam wieder aufwärts geht. Einem neuen Morgen und einem neuen Tag entgegen. Mit neuem Licht, mit Sonne und mit Wärme.
Das kleine Lied selbst ist noch gar nicht so alt. Der Satz aus dem Refrain dagegen schon. Er stammt aus einem uralten Hymnus. Wahrscheinlich ist er schon in den Anfangszeiten des Christentums entstanden. Die frühen Christinnen und Christen damals, die oft noch unter Anfeindungen und Verfolgungen zu leiden hatten, hat er wieder aufgebaut. Kein verniedlichendes „Das wird schon wieder“. In dem Wort steckt vielmehr eine Hoffnung, dass es selbst aus der tiefsten Finsternis einen guten Ausgang geben kann. Weil Gott auch im Finsteren zugegen ist. Und weil dieser Gott der Garant dafür ist, dass – was immer auch kommen mag - am Ende der Sieg über die Dunkelheit stehen wird. Das Licht. Der neue Tag.
Alles wird gut! Der Spruch wird mitunter so leicht dahingesagt. Doch genau genommen fasst er diesen uralten Gedanken gut zusammen, finde ich. Was immer auch kommt. Gott ist an deiner Seite. In diesem Sinne ein echtes Hoffnungswort.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37331Anstöße sonn- und feiertags
„All‘ Morgen ist ganz frisch und neu. Des Herren große Gnad du Treu, sie hat kein End‘ den langen Tag, drauf jeder sich verlassen mag.“ Das sind Zeilen eines alten Kirchenliedes. Es war ein früher Morgen, als sie mir eingefallen sind – unterwegs mit meinem Hund quer über die Felder. Und es war kein guter Morgen – irgendwas anstrengendes und stressiges hat an meiner Seele genagt – ich weiß nicht einmal mehr genau, was. Und trotzdem fiel mir plötzlich ein: „All Morgen ist ganz frisch und neu.“ Vielleicht weil ich bergauf etwas aus der Puste gekommen war und die frische Luft in den Lungen gespürt habe. Oder weil der Himmel immer heller wurde und der Tag allmählich zu leuchten anfing. Ein neuer, frischer Morgen. Zeit – mir von Gott geschenkt, und die unberührt vor mir lag wie mein Weg durch die Felder auf meinem Spaziergang mit meinem Hund.
Ich war wirklich belastet und niedergeschlagen an diesem Morgen – da hat der Gedanke gut getan: Des Herren große Gnad‘ und Treu, sie hat kein End‘ den langen Tag. Das hat mich ein Stück aufgerichtet. Den Kopf gehoben. Kopf hoch, und den Blick frei nach vorn richten. Und dann Schritt für Schritt.
Um ehrlich zu sein: Ich erinnere mich nicht mehr daran, wie lange dieses ermutigende Gefühl angehalten hat. Ich weiß nicht mehr, ob ich mich abends auch noch so frei gefühlt habe, oder ob ich das abarbeiten konnte, was mir da auf der Seele gelegen ist. Aber ich erinnere mich an das Gefühl - immer wieder einmal und – ganz besonders morgens, wenn es langsam hell wird und ein neuer Tag zu strahlen anfängt. Ein neuer, frischer Morgen. Zeit, die Gott mir schenkt und die noch ganz unberührt vor mir liegt. Und Gott ist treu, ist dabei, jedesmal, wenn ein neuer Tag anbricht. Und den ganzen langen Tag hat seine Gnade kein Ende. Seine Begleitung, seine Zugewandtheit zu mir und allem, was vielleicht gerade an der Seele nagt.
Immer wieder einmal gelingt es mir, frühmorgens diesen Moment nicht zu verpassen und dieses Gefühl. Nicht gleich loszurennen, sondern erst einmal tief ein- und auszuatmen. Aber wenn ich doch losrenne und belastet und niedergeschlagen in den Tag starte, dann habe ich vielleicht Glück, und mir kommt wieder das alte Kirchenlied in den Sinn, das übrigens Johannes Zwick geschrieben hat:
All‘ Morgen ist ganz frisch und neu. Des Herren große Gnad‘ und Treu‘, sie hat kein End‘ den langen Tag. Drauf jeder sich verlassen mag.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37370SWR3 Gedanken
Fünf-Euroscheine brennen ganz gut. So viel weiß ich noch von der Veranstaltung vor ein paar Jahren. Ich war auf einem Politik-Festival und da ging es an einem Abend ums Thema Geld. Aber nicht darum, wie man Geld gut anlegen kann oder so was. Sondern darum, wie man Geld vernichtet, und wann und warum das Leute schon im großen Stil gemacht haben.
Zu Beginn der Veranstaltung hat jede und jeder erstmal einen Fünf-Euro-Schein in die Hand gedrückt bekommen. Den konnte man dann behalten, oder nach dem Vortrag direkt vor Ort vernichten. Da gab es dann verschiedene Möglichkeiten: zum Beispiel in Säure auflösen oder durch einen Häcksler jagen. Ich habe mich für’s Verbrennen entschieden, obwohl ich zu der Zeit jeden Euro gut gebrauchen konnte. Mich hat das gereizt, da mitzumachen. So einen Fünfer in Flammen aufgehen zu lassen, das war ein Tabubruch. Geld investiert man doch in etwas oder man verschenkt mal was. Aber vielleicht hat es grade deshalb so viel Spaß gemacht. Und außerdem war es ein erhabenes Gefühl in diesem Moment mal aus dem großen Spiel ums Geld auszusteigen, weil sich im Alltag einfach so viel darum dreht.
Wenn ich heute nen Fünfer in die Hand bekomme, denk ich manchmal noch an die Aktion. Und wie verrückt das ist, dass ich nen Fünfer verbrenne und jemand anderes auf der Welt davon eine Woche lang leben könnte. Ich habe das bisher nicht wieder gemacht, Geld verbrannt. Aber ich finde es super wichtig, dass klar ist: Geld ist nicht alles. Und wenn ich einen Fünfer überhabe, muss ich Ihn nicht verbrennen. Ein tolles Gefühl habe ich auch, wenn ich etwas an einen guten Zweck spende. Und andere profitieren davon.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37349SWR4 Sonntagsgedanken
Heute, an diesem Sonntag, begeht die katholische Kirche in Deutschland den sogenannten Misereorsonntag. In allen Gottesdiensten wird dabei Geld für das kirchliche Hilfswerk Misereor gesammelt. Diese Aktion gibt es seit 65 Jahren. Mit den Spenden werden Projekte in Asien, Afrika, Ozeanien und Lateinamerika unterstützt, aber auch aktuelle Notsituationen bedacht wie im türkisch-syrischen Erdbebengebiet. Der Name dieses Hilfswerkes Misereor kommt von der lateinischen Übersetzung eines Jesuswortes. Er sieht die vielen notleidenden Menschen und sagt zu seinen Jüngerinnen und Jüngern: „Ich hab Erbarmen“ – auf lateinisch „Misereor“.
Jesus hatte ein Herz für Menschen, die in Not waren. Darum lädt dieser Sonntag ganz besonders ein, an andere zu denken, die auf irgendeine Weise Unterstützung brauchen können.
Mir persönlich ist eine gemeinsame Monatsaktion von Misereor und dem evangelischen Hilfswerk „Brot für die Welt“ wichtig. Jeden Monat stelle ich im Gottesdienst ein Projekt vor und wir sammeln dafür. Von zwei Beispielen möchte ich heute erzählen:
Da ist zum Beispiel Erlinda in Ecuador. Die Kleinbäuerin ist eine der Pionierinnen für ökologische Landwirtschaft. Auf ihrer Finca wachsen unzählige Obst- und Gemüsesorten, im Stall fiepen Meerschweinchen und Kaninchen, auf dem Hof laufen Hühner und Enten herum. Eine Stiftung für alternative Entwicklung hat Erlinda unterstützt; sie fördert vor allem Frauen und gibt ihnen das nötige Selbstbewusstsein.
Oder da sind behinderte Kinder in Kambodscha. Wird ein solches Kind geboren, sehen die Eltern das oft als schlechtes Vorzeichen. Sie verstecken lieber ihr Kind, statt dass sie es fördern. Misereor tritt mit der dortigen Partnerorganisation Karuna Battambang für die Rechte solcher Kinder ein. In fünf Betreuungszentren organisieren Teams häusliche Unterstützung für die Familien, bilden Selbsthilfegruppen und arbeiten mit den Behörden zusammen.
Manche Menschen misstrauen Hilfswerken und möchten lieber einzelne Menschen direkt unterstützen. Als ich in meiner ersten argentinischen Buschgemeinde Pfarrer wurde, haben mir hier gern Leute einen Geldschein mitgegeben und gesagt: „Gib das einer armen Familie!“ Zuerst hab ich das so gemacht, bis ich dann gemerkt habe: Geb ich einer Familie heute etwas, stehen morgen fünf vor meiner Tür und betteln. Ich musste einen anderen Weg suchen. Mit 20 Arbeitern, unterstützt vom Bischof und vom Schulministerium, haben wir eine weiterführende Landwirtschaftsschule gebaut. So konnte ich das Geld, das ich hier bekommen habe, sinnvoll einsetzen und alle Familien im Dorf hatten etwas davon. Geleitet hat mich dabei das Motto von Misereor: „Hilfe zur Selbsthilfe.“
Dieser Sonntag, zwei Wochen vor Ostern, hat noch einen anderen Aspekt. Heute beginnt die Passionszeit. Sie erinnert an den Leidensweg Jesu. Deswegen werden in den katholischen Kirchen ab heute die Kreuze mit violettem Tuch verhüllt und erst am Karfreitag zur Todesstunde Jesu wieder enthüllt. Jesus musste leiden wegen seiner bedingungslosen Liebe zu allen Menschen. Das störte die Frommen seiner Zeit. Sie wollten entscheiden, wer die Liebe Gottes verdient und wer nicht. Jesus dagegen hatte ein Herz für alle. Er lädt uns heute ein, ebenfalls ein Herz für alle zu haben, besonders für Notleidende.
Das ist nicht nur eine Aufgabe für kirchliche Hilfswerke wie Misereor. Wir alle können gegenseitig Leid lindern. Manchmal genügt es schon, wenn wir mit einem andern mitfühlen und seinen Schmerz mit aushalten. Ich denke da z.B. an einen Mann, dessen Frau ich vor kurzem beerdigt habe. Beim Trauergespräch hab ich gemerkt: Er möchte einfach von mir verstanden sein in seinem Leid, indem ich ihm aufmerksam zuhöre, nicht werte und ihn nicht zudecke mit frommen Sprüchen, sondern ihn bei mir ankommen lasse.
Er hat dann auch gemerkt: Das, was er mit seiner Frau erleben durfte, was ihn selber wachsen und reifen ließ, dafür kann er dankbar werden. Diese Dankbarkeit kann er nun für sein Leben fruchtbar machen: Er wird aufmerksamer für Menschen, die seine Nähe brauchen.
Die Passion Jesu lädt uns ein, empfindsamer zu werden für das Leid anderer. Wir sehen zum Beispiel die ungerechte Verteilung der Güter in unserer Welt: manche haben zu viel, viele haben viel zu wenig! Hier engagiert sich Misereor, und wir alle können mithelfen, durch unser „Miteinander teilen“ ein wenig mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Jesus lädt uns aber auch ein, das persönliche Leid eines Mitmenschen zu sehen. Wenn wir ein Herz für ihn haben und es ihn spüren lassen, tut es ihm einfach gut.
Das sind nur kleine Schritte, aber sie sind wichtig, denn es sind Schritte der Hoffnung. Ich wünsche uns allen den nötigen Mut dazu.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37348SWR3 Worte
Jan Josef Liefers glaubt zwar selbst nicht an Gott, pflegt aber eine eigene Spiritualität. Er sagt:
Wir kommen immer wieder an Punkte im Leben, wo wir spüren, dass etwas größer ist als alles, was wir begreifen können. (…) Ich glaube zwar nicht an Gott, aber an die Kraft von Aufklärung, (…) Menschlichkeit, Vergebung und Liebe. Und bämm, schon zapfe ich selbst aus dem Netz meines Glaubens.
Quelle: https://www.katholisch.de/artikel/33577-liefers-bedauert-sinkende-bedeutung-der-kirche-fuers-miteinander (letzter Zugriff: 21.3.2022
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37341SWR1 Begegnungen
Die Kraft der Zeuginnen
Wir sprechen über Ihr Buch: Trotzkraft heißt es. Die Texte und Gebete darin sprechen mir oft aus der Seele und berühren mich. Trotzkraft, frage ich sie, was bedeutet diese Wort?
Also mein Mann, der wissenschaftlicher denkt, würde es Resilienz nennen. … Und ich habe gesagt eine Lyrikerin nennt das Trotzkraft, also alles in uns, was zum Widerstand fähig ist oder was „Ja!“ sagt, obwohl alles um uns herum vielleicht nach „Nein!“ schreit. Und ich glaube, in dieser Pandemie haben wir das alle erlebt, dass wir so eine Kraft brauchen. Aber auch in Alltagssituationen oder in den großen Krisen, die wir alle irgendwie erleben.
Christina Brudereck kennt das aus eigener Erfahrung, wie das ist, wenn das Leben ganz anders läuft, als man es sich gewünscht hätte: Ihre erste Ehe wurde geschieden, sie wäre gerne Mutter geworden… Aber trotz schmerzvoller Erfahrungen: Sie hält trotzig Kontakt zu Gott - als Suchende:
Ich gucke, was mir hilft, eine Liebende zu sein und mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Ich gucke auch nach dieser Trotzkraft, also ich suche diese Wirkmacht wirklich, die meinem Herzen diesen Schubs gibt, sagt: „Komm, versuch es noch mal! Vertrau noch mal! Du schaffst das, und du kannst das Gute im anderen sehn. Und du kannst Vertrauen!“ Und es geht weiter.
Ich spüre: sie meint was sie sagt. Mich beeindruckt die Natürlichkeit mit der sie von ihrem Glauben spricht – ungekünstelt und echt. Und mit Tiefe. Woher nimmt sie Ihr Vertrauen?
Wurzel ist ein sehr gutes Wort finde ich. Also weil ich bin damit aufgewachsen, wirklich. Und weil es so eine große Erzählgemeinschaft gibt. Also ich hab mir das ja nicht alleine ausgedacht. Ich habe nicht angefangen, irgendwann in der Pandemie mit 51 zu sagen. Jetzt gucke ich mal, wo ich Trotzkraft finde, sondern die gibt es in den Ritualen, die wir einüben, seit vielen, vielen Jahrhunderten einüben. Wenn ich selber sprachlos werde vor Wut oder vor Ohnmacht, dann rette ich mich in diese alten Worte und mache sie mir zu Eigen. Oder ich leihe sie mir. Oder es ist manchmal ein bisschen wie ein unterschlüpfen in einer viele ältere Tradition, als ich selber alt bin.
Besonders Ihre Großmütter haben Ihr vorgelebt, welche Stärke aus Gottvertrauen wachsen kann. Aber sie findet: wenn wir in die Geschichte unseres Glaubens schauen, dann können wir auch lernen von denen, die vor uns da waren.
Ich finde die besten Resilienz-Geschichten sind jüdische Geschichten. Das kann ich, glaube ich, nur sagen. Unsere Wurzeln trägt uns wirklich. Also ohne die hebräische Bibel könnte ich mir das nicht vorstellen, als Christin zu leben. Das Judentum ist wirklich unsere Mutterreligion. Und darin zu wurzeln heißt, wirklich auch etwas von dieser Kraft aufzunehmen.
Trotz allem – Zuversicht
Christina Brudereck ist Theologin und Künstlerin. Ich bewundere, wie sie als Autorin und Poetin versucht sie zur Sprache zu bringen wie das ist mit Gott. Zur Zeit würde sie Gott so beschreiben:
Gott ist das Größte was wir sagen können. Alle Bilder sind immer nur hilflose menschliche Versuche dieses geheimnis oder diese Wirkmacht irgendwie zu umschreiben, aber mir gefällt Freundin der Menschen schon sehr gut… Vielleicht eine mütterliche Freundin oder eine Welten Mutter, das mag ich auch sehr gern, dieses Bild. Eine die durchaus nicht nur lieb ist im Sinne von harmlos, sondern die durchaus sehr wütend werden kann und ordentlich Kraft hat, eben diese trotzige Kraft und sie uns auch verleiht.
Trotzkraft – Resilienz, die braucht es im privaten Leben. Eine innere Widerstandsfähigkeit, um es mit dem Leben aufzunehmen. Aber als Christin, davon ist Christina Brudereck überzeugt – geht es immer auch über das Private hinaus.
Ich finde, man kann als Mensch nicht unpolitisch sein, weil es uns hier angeht, wie die Welt ist. Und die Frage, in welcher Welt wir leben wollen oder in was für einer Gesellschaft wir leben wollen, uns alle angeht als Menschen und als Christin bin ich Mensch, daher kann ich nicht unpolitisch Christin sein.
Ich muss nicht bei jedem Problem selbst aktiv werden – das überfordert einen. Aber Anteilnehmen und Mitfühlen das schon.
Wir halten nicht alles aus. Das versteh ich verstehe, dass man nicht jedes Problem zu seinem eigenen machen kann. Aber wir können nicht in dieser Welt leben und sagen, das ist mir egal, weil es uns angeht und Empathie, finde ich, ist ein sehr, sehr guter Anfang, sich einmal zu überlegen wie wäre es denn, wenn ich das wäre?
Christina Brudereck bezeichnet sich selbst als Feministin. Wenn ich mich feministisch äußere erlebe ich oft: Für manche ist das immer noch ein rotes Tuch. Manche meinen: Feminismus braucht es nicht mehr! Christina Brudereck meint: doch!
Mich macht Sexismus sehr wütend, und wir erleben auch wie er immer wieder zurückkommt und doch immer wieder sich seinen Weg sucht. Und manchmal bin ich fassungslos und schüttel nur den Kopf, was Menschen denken und wie sie Frauen behandeln und Mädchen erziehen furchtbar. … Aber ich habe alle Freiheit und auch die Aufgabe, für Gleichwürdigkeit einzustehen. Und das Thema ist für Männer und Frauen nicht erledigt, für jede Orientierung, die wir leben, was auch immer unser Leben uns mitbringt. Das Thema Gleichwürdigkeit bleibt unsere Aufgabe.
Um Kraft für diese Aufgabe zu sammeln sucht Christina Brudereck nach Worten, die stärken. Und auch für uns hat Christina Brudereck etwas zur Stärkung. Vielleicht auch für Ihren Tag – damit sie voller Trotzkraft und Vertrauen leben können.
Das ist ein Gebet, das heißt: Hilf uns bei der heiligen Aufgabe der Zuversicht! Das ist vielleicht mein Lieblingsgebiet gerade. Hilf uns bei der heiligen Aufgabe der Zuversicht. Und ich mag daran die Zuversicht, weil sie ein Ergebnis der Trotzkraft ist, ein anderer Blick auf die Welt, der nicht immer nur das Schlimmste annimmt, aber auch nicht naiv ist. Es ist nicht einfach optimistisch oder Frohnatur, sondern es ist eine heilige Aufgabe. Aber die Zuversicht ist auch da.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37339SWR2 Lied zum Sonntag
Musik 1 festliches Bläser-Vorspiel (Gloria Brass)
Das Lied zum Sonntag führt uns heute zu einem Geburtstagsfest. Wir sind im sächsischen Städtchen Herrnhut, das in der Nähe von Zittau liegt. Gefeiert wurde dort, vor etwa 250 Jahren, der 36. Geburtstag einer Lehrerin. Sie heißt Christine Petersen. Und sie ahnt nicht, dass eines der Geschenke, die sie erhält, die Zeiten überdauern wird. Ihre Freundin Henriette Louise von Heyn hat nämlich eigens für diesen Tag ein Lied verfasst. Es heißt „Weil ich Jesu Schäflein bin“. Bestimmt haben sie es auch gleich gesungen, als das Geschenk überreicht wurde.
Musik 2 Strophe 1 und 2 – Schola Cantorum Neustadt und Johannes Götz (Orgel)
Weil ich Jesu Schäflein bin,
freu ich mich nur immerhin
über meinen guten Hirten,
der mich wohl weiß zu bewirten,
der mich liebet, der mich kennt
und bei meinem Namen nennt.
Unter seinem sanften Stab
geh ich ein und aus und hab
unaussprechlich süße Weide,
dass ich keinen Mangel leide;
und so oft ich durstig bin,
führt er mich zum Brunnquell hin.
Diese Musik spricht mich emotional sehr an und sie weckt Erinnerungen in mir. Ich meine mich zu erinnern, dass im Schlafzimmer meiner Tante ein großes, in Gold gerahmtes Bild vom Guten Hirten hing. Auf dem Gemälde trägt er ein Schaf, das sich verirrt hat, auf den Schultern wieder nach Hause. Aber ich ringe und hadere auch mit diesem Hirten-Bild. Ein willenloses Schaf will ich eigentlich nicht sein. Deshalb brauche ich auch andere, jazzige Klänge zu diesem idyllischen Lied von „Jesu Schäflein“, zum Beispiel mit Saxophon.
Musik 3 Improvisation zum Lied mit Götz Ertle (Saxophon) und Johannes Götz (Orgel)
Das biblische Bild vom Hirten mit seinen Schäflein kommt mir vor wie ein Thema in zwei „Tonarten“. Die eine Tonart ist idyllisch und pastoral, mit der „süßen Weide“ und der frischen Quelle. Die andere „Tonart“ aber ist schrill und dissonant, weil es leider nicht nur gute Hirten gibt. Schon der biblische Prophet Ezechiel kritisiert scharf die Hirten, die nur noch sich selber weiden. Er kündigt ihnen das Vertrauen auf, wenn er im Namen Gottes ausruft: „Nun gehe ich gegen die Hirten vor und fordere meine Schafe von ihnen zurück. Ich setze sie ab, sie sollen nicht mehr die Hirten meiner Herde sein.“ Das kommt mir in den Sinn, wenn ich höre, wie manche „Hirten“ zu Straftätern an ihren Schutzbefohlenen geworden sind. Auch mich macht das fassungslos und ohnmächtig.
Aber all das Finstere bringt mich nicht von diesem alten Lied weg, sondern eigentlich noch viel näher zu ihm hin! Mit seinen überschwänglichen, ganz harmonischen Bildern sagt das Lied, worauf es ankommt: Auf Jesus, den Guten Hirten. Bei der letzten Strophe hat die Dichterin Henriette Louise von Heyn vielleicht daran gedacht, wie sie Schulkinder im Lesen und Schreiben unterrichtet. Deshalb wählt sie ganz einfache Worte. Auch ich habe diese Strophe vor einiger Zeit mit Kindern bei der Erstkommunion gesungen. Da heißt es: „Denn nach diesen schönen Tagen werd ich endlich heimgetragen in des Hirten Arm und Schoß“ – ein starkes Bild für die Hoffnung, die mich trägt und die ich mir nicht nehmen lassen will, auch nicht von schlechten menschlichen Hirten.
Musik 4 Strophe 3 – Schola Cantorum Neustadt und Johannes Götz (Orgel)
Sollt ich denn nicht fröhlich sein,
ich beglücktes Schäfelein?
Denn nach diesen schönen Tagen
werd ich endlich heimgetragen
in des Hirten Arm und Schoß.
Amen, ja, mein Glück ist groß!
Quellen:
Autoren
Text: Henriette Louise von Heyn (1778), Melodie: Christian Gregor (1755)
Musikquellen
Musik 1: ARD-Archiv [BR]MR043770109; „Weil ich Jesu Schäflein bin“ (Arrangement von Walther Haffner) mit „Gloria Brass“ (Leitung: Dieter Wendel);
Musik 2–4: „Weil ich Jesu Schäflein bin“ mit Johannes Götz (Orgel und Leitung), Götz Ertle (Saxophon) und Schola Cantorum Neustadt/Schwarzwald, aus der CD „Der Herr ist mein Hirte. Der 23. Psalm in Wort und Ton“, Label Edition Benziger, Zürich und Düsseldorf 1999, LC 01393
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37340SWR1 3vor8
Hat sich das wirklich so zugetragen? Kann das überhaupt stimmen? Diese Fragen kenne ich gut, denn ich habe sie selbst. Sie tauchen fast unweigerlich auf, wenn es um Geschichten aus der Bibel geht. Ganz besonders, wenn es sich um Wundergeschichten handelt. Eine der stärksten aber auch der unwahrscheinlichsten ist die Geschichte von Lazarus. (Joh 11,1-45) Sie steht heute im Mittelpunkt der Katholischen Gottesdienste. Da wird nämlich erzählt, wie ein Mensch, der bereits seit vier Tagen tot ist und bei dem der Zerfall des Körpers schon eingesetzt hat, von Jesus wieder zum Leben erweckt wird. Kann das stimmen? Biologisch, so viel scheint klar, erscheint das völlig widersinnig. Doch wenn die Geschichte keine historischen Fakten erzählt, was erzählt sie mir dann?
Wer je einen geliebten Menschen verloren hat, der wird sich vielleicht genau das insgeheim gewünscht haben. Dass jemand kommt, der ihn mir zurückbringt, ihn aufstehen lässt vom Totenbett. Weil dieser Tod einfach nicht wahr sein darf. Bloß, dieser Jemand kommt nicht. Die bittere Wahrheit des Todes lässt sich nicht einfach aus der Welt schaffen. Und deshalb ist diese so unwahrscheinlich klingende Geschichte aus der Bibel für mich vor allem eine Geschichte über die Kraft, die der Glaube verleihen kann. Und auch eine über die Hoffnung.
Auch die Juden damals hofften darauf, dass der Tod nicht das endgültige Aus ist. Vielmehr, dass es da noch ein anderes Leben gibt, nach dem Tod. Darauf vertrauen in dieser Geschichte auch die beiden Schwestern des Verstorbenen. Sie hoffen dabei ganz auf Jesus und auf Gott, und das bekennen sie auch. Auf ihre Hoffnung hin weckt Jesus ihren toten Bruder auf. Für mich erzählt die Geschichte damit: Es ist diese Kraft des Glaubens, die den Tod überwinden kann. Der Glaube an einen Gott, der größer ist als der Tod und der jene, die auf ihn bauen, nicht fallen lässt. Das ist auch mein Glaube. Er lässt mich hoffen, dass alle, die ich geliebt habe und loslassen musste nicht im Nichts enden.
Und da ist noch etwas in der Geschichte: Als Lazarus die Grabhöhle verlässt, da sagt Jesus zu den Umstehenden: Lasst ihn gehen. Das ist wichtig. Einen geliebten Menschen, der tot ist, gehen zu lassen. Ihn im Herz zu bewahren, und dennoch loszulassen – im Vertrauen darauf, dass er lebt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37330SWR2 Wort zum Tag
Für einen Freund ist es der Barhocker. Eine Musikerin, nennt ohne Zögern ihr selbstgebautes Cembalo. Ein Kollege hat mir unlängst stolz seinen höhenverstellbaren Schreibtisch vorgeführt. Jeder bezeichnet ein anderes Stück als sein Lieblingsmöbel. Haben Sie auch eins? 37 Prozent der Deutschen nennen das Sofa, immerhin 20 Prozent das Bett.
Meines ist ein Sessel, den eine Polsterin vor einem Jahr in einem alten Holzgestell wieder aufgepolstert hat. Wunderbar, um abends zu entspannen. Und staunend zu genießen, wie in ein schon ausrangiertes Möbel neues Leben eingehaucht werden kann. Ich hoffe schon, dass ich diesem Möbel immer wieder genügend Zeit widmen kann.
Auch Jesus hatte ein Lieblingsmöbel. Sein Lieblingsmöbel ist der runde Tisch. Zumindest symbolisch. Tische, wie wir sie heute kennen, gabs damals ja noch nicht. Meist saß man gemeinsam im Kreis auf dem Boden. Was man miteinander essen und genießen wollte, stand in der Mitte. Die Pflege solcher Tischgemeinschaft wurde zu einem Markenzeichen von Jesus. So oft ist er mit ganz unterschiedlichen Menschen auf diese Weise zusammengesessen, dass er in manchen Kreisen als „Fresser und Weinsäufer“ verschrien war. Dabei ging es ihm um etwas ganz anderes. Er hat auf diese Weise nämlich Menschen in seinen Kreis, an seinen Tisch geholt, für die an anderen „Tischen“ kaum Platz war. Zolleinnehmer, die mit der verhassten römischen Besatzungsmacht zusammengearbeitet haben. Prostituierte, mit denen man den öffentlichen Kontakt lieber vermieden hat.
Wenn Jesus den Menschen ein positives Bild von der Zukunft vor Augen stellen wollte, dann sah das genau so aus: Alle Menschen versammeln sich gemeinsam um einen Tisch. Ohne Unterschied. Ohne oben und unten. „Hört, wie ich mir Gottes neue Welt vorstelle, sagt er einmal: Sie werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und Süden, die zu Tische sitzen werden im Reich Gottes.“ (Lukas 13,29)
Gemeinsam entspannt am Tisch Gottes sitzen. Das ist eine schöne Vorstellung. Und vielleicht liege ich am Ende mit meinem neuen Sessel da gar nicht so schlecht. Er lädt nicht nur ein zum Entspannen. Er passt auch wunderbar an jeden runden Tisch. Und lässt mich so jedes Mal schon im Voraus etwas vom Reich Gottes kosten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37338