SWR1 3vor8

12MAI2024
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Als junger Teenager – ich war ungefähr 13 Jahre alt – da war ich einmal allein zu Hause. Und da hat das Telefon geklingelt. Ich bin ran gegangen, am anderen Ende habe ich eine ältere Frau gehört, und die hat nach meinem Vater gefragt. Ich weiß nicht mehr warum, aber obwohl mein Vater gar nicht da war, haben wir beide nicht gleich aufgelegt. Ich weiß nicht einmal mehr genau, worüber wir uns dann eine geschlagene halbe Stunde unterhalten haben – mindestens so lange haben wir telefoniert, obwohl wir uns nie zuvor getroffen hatten. Aber wir haben geredet, und es war interessant. Ich meine, sie hat mir etwas über ihre Arbeit als Sprachforscherin erzählt. Ich weiß noch, dass sie sich für meine Meinung interessiert hat. Und nach besagter halber Stunde hat sich die fremde Frau bei mir bedankt für das anregende Gespräch.

Und ich? Ich war ein bisschen stolz, dass sich eine kluge und interessante Frau für meine Meinung interessiert hat – einfach so. Eine halbe Stunde am Telefon – haben wir beide einander zugehört. Die eine hat der anderen ihr Ohr geliehen.

Der heutige Sonntag trägt den lateinischen Namen „Exaudi“. Auf Deutsch: Gott, höre mich! Höre meine Stimme!“ Es ist der sehnsüchtige Ruf aus einem biblischen Gebet, aus Psalm 27. Ein Schrei nach Aufmerksamkeit: „Herr, höre doch meine Stimme. Höre mir zu und leih mir Dein Ohr!

Mir fällt das Telefongespräch mit der fremden Frau von damals wieder ein. Das tolle Gefühl, das ich damals hatte: Wirklich beachtet zu werden – obwohl ich doch eigentlich ganz unbedeutend für meine Gesprächspartnerin gewesen bin. Ich merke, wie sehr ich mich immer wieder aufs Neue nach solcher Aufmerksamkeit sehne. Denn oft genug fühle ich mich nicht gehört oder nicht verstanden von meiner Umgebung. Da geht es mir wahrscheinlich wie den meisten Menschen. Ich glaube, jeder Mensch bracht das Gefühl, beachtet zu werden.

Hört Gott mir zu? Ist da überhaupt ein Gott? Eine Kraft, die sich für mich interessiert? Ich hoffe, vertraue und bete es:  Exaudi! Gott, höre mir doch zu. Schenke mir Dein Ohr. Ich bin einer von Milliarden von Menschen – aber ich bin auch Dein Kind. Meine Sorgen und Probleme sind nicht wichtiger als die von anderen Menschen – aber Dir sind sie wichtig.

Meine Sehnsucht nach Aufmerksamkeit lege ich heute in die Worte von Psalm 27: Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe. Sei mir gnädig und antworte mir.“ Schenke mir Dein Ohr.

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