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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

08JUN2024
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Abends gehe ich gerne noch ein paar Schritte um den Block. Auf dem Weg durch die Nachbarschaft sehe ich einen Mann am Gartentor stehen. Wir kennen uns flüchtig. Kurz grüßen wir uns und ich wünsche ihm noch einen schönen Tag.

Im Weitergehen höre ich seine Frau durch die Hecke. Sie fragt ihren Mann erstaunt: „Sowas gibt´s noch? Wer hat dir denn da so freundlich einen schönen Tag gewünscht?“ Jetzt bin ICH überrascht. Kurz freue ich mich, dass ich offensichtlich positiv aufgefallen bin. Im nächsten Moment frage ich mich, wie so eine kleine Geste zu so großem Erstaunen führen kann. Das ist doch selbstverständlich. Oder doch nicht?

Vielleicht haben wir ja ein kleines Freundlichkeitsproblem?

Ich gebe zu. Ich grüße auch nicht jedes Mal und jeden am Gartentor. Je nachdem wer mir vorher begegnet ist und was ich schon mit Menschen erlebt habe, geht es auch bei mir mal freundlich zugewandt und mal weniger freundlich zugeknöpft zu. Wenn ich selber eine freundliche Begegnung erlebt habe, fällt es mir leichter, das an einen anderen Menschen weiterzugeben.

Freundlichkeit spielt auch in der Bibel eine große Rolle. Der Gott der Bibel wird als freundlicher Gott beschrieben: „Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich.“ So schreiben es die Psalmbeter immer wieder. Sie erleben einen Gott, der ihnen freundlich zugewandt ist und der sie mit Freundlichkeiten beschenkt. Im Neuen Testament wird die Freundlichkeit neben Dingen wie Liebe, Freude und Frieden als etwas benannt, das Gott im Leben von Menschen stärken möchte. Dieser freundliche Gott schenkt auch Menschen ein freundliches Herz.

Eigentlich ist es gar nicht so schwer, mit Freundlichkeit einen Unterschied zu machen. Drei Möglichkeiten will ich hier nennen:

Lächeln – ich lächle gerne Menschen an, an denen ich vorbeigehe. Besonders solche Menschen, die ein bisschen grimmig gucken. Weil ich glaube, dass sie so grimmig gucken, weil sie noch nicht genügend angelächelt worden sind.

Danke und Bitte sagen – auch bei Leuten, wo man denkt: Das ich doch deren Job. Die Kassiererin im Supermarkt, der Busfahrer und ja, auch der Mann an der Tankstellen-Kasse, der mir eine horrende Summe abknöpft, freuen sich über ein Dankeschön. Und auch ein freundliches „Bitte“ öffnet so manche Tür.

Komplimente machen – wenn ich bei Menschen, etwas Positives entdecke, versuche ich nicht nur darüber nachzudenken, sondern es auch auszusprechen. Letztens habe ich eine Ticket-Kontrolleurin im Zug beobachtet, die mehreren Kindern nacheinander seelenruhig erklärt hat, wie sie ihr Schüler-Ticket aktualisieren können. Das fand ich wirklich stark und das habe ich dieser Frau dann auch gesagt.

Die Gesichter, in die ich nach einem Lächeln, einem Danke, einem Bitte oder einem Kompliment schaue, gucken zwar manchmal etwas verdutzt. Ganz oft kommt aber ein Lächeln zurück. Mit Freundlichkeit die Welt ein kleines bisschen schöner machen, ist eigentlich ganz leicht. Einfach mal machen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

07JUN2024
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Manchmal werde ich fatalerweise gefragt, für welchen Fußballverein mein Herz schlägt. Wahrheitsgemäß antworte ich dann: „Ich bin Bayern-Fan.“ In einer schwäbischen Gemeinde im Großraum Stuttgart erntet man nach dieser Aussage so manches Kopfschütteln. Für viele scheint vor allem mein pastorales Amt und dieser Verein nicht zusammenzupassen. „Du bist Pastor und Bayern-Fan!?“

So oder ähnlich klingt das meistens mit leichtem Entsetzen in der Stimme.

Je nach Gegenüber habe ich für solche Fälle zwei Antworten parat. Entweder berufe ich mich augenzwinkernd darauf, dass mir auch als Pastor ein gewisses Maß an Makel zustehen würde. Oder ich verweise darauf, dass ich von Berufswegen ausreichend in Berührung mit den Katastrophen und Unsicherheiten des Lebens komme. Das gleiche muss ich nicht auch noch als Fan mit meinem Lieblingsverein durchleiden. Und da ist der FC Bayern nun mal die sicherste Bank.

Die Sehnsucht nach einer sicheren Bank im Leben kennt wohl jeder Mensch. Wir suchen nach etwas, auf das wir uns verlassen können. Vor allem in den kleinen und großen Katastrophen und Unsicherheiten, vor denen niemand verschont bleibt. Dass Fußball-Vereine sich dazu nur mittelmäßig eignen, ist selbst mir als Bayern-Fan klar.

Für Jesus war seine sichere Bank die Beziehung zu seinem Vater im Himmel. In der Bibel lesen wir immer wieder davon, dass Jesus sich zurückgezogen hat, um sich Zeit zum Beten zu nehmen. Beten war für Jesus wie auf dieser sicheren Bank Platz zu nehmen.

Jesus betete in Zeiten, in denen er auf der Welle des Erfolgs schwamm. Genauso betete er auch in der tiefsten Tiefe. Selbst als Jesus am Kreuz hing, rief er noch: „Mein Gott, mein Gott.“ Jesus lässt den Gesprächsfaden zu seinem Vater im Himmel nie abreißen.

Für die Menschen um Jesus herum, war nicht zu übersehen, was das Gebet mit Jesus machte. Die Art wie Jesus betete, faszinierte seine Jünger. So sehr, dass sie unbedingt von ihm lernen wollten, so zu beten wie er. Im Gebet fand Jesus Ruhe, Fokus, Klarheit, Geborgenheit, Motivation, Kraft und Liebe. Das Gebet war seine sichere Bank.

In der vergangenen Saison war der FC Bayern nicht immer die gewohnt sichere Bank. Dafür setzte der VfB Stuttgart zu ungeahnten Höhenflügen an. Das Fußballgeschäft ist genau wie das Leben und die Menschen manchmal ziemlich unberechenbar.

So finde auch ich in unsicheren Zeiten meine sichere Bank im Gebet. Wenn meine Kinder mich zur Weißglut treiben, hilft mir das Gebet, einmal tief durchzuatmen. Oder ich bekomme den Mut, meine Kinder um Entschuldigung zu bitten, wenn meine Reaktion zu heftig ausgefallen ist. Auch wenn ich mal wieder völlig davon überzeugt bin, dass alle anderen schuld sind, nur ich sicher nicht – dann lenkt Gott meinen Blick im Gebet liebevoll und zielgenau auf meine eigenen Anteile. Wenn ich bete, fühle ich mich in einer Welt voller Fragen geborgen in etwas, das größer ist als ich.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

06JUN2024
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Als ich von der Arbeit nach Hause komme, werde ich schon sehnsüchtig erwartet. Unser 5-jähriger Sohn rennt mir erwartungsvoll in die Arme: „Papa, Papa, du musst mir helfen. Mein Fahrrad ist kaputt. Du musst das reparieren.“ Für meinen Sohn ist es keine Frage, dass der Papa sein Fahrrad reparieren kann. Zum einen hat Papa das schon oft gemacht. Zum anderen kann Papa sowieso alles. Davon ist unser Sohn überzeugt.

Draußen schaue ich mir das Fahrrad an. Leider muss ich diesmal feststellen, dass ich den Schaden nicht reparieren kann. Mein Sohn ist fassungslos. Papa bekommt das nicht hin?! Die Enttäuschung steht ihm ins Gesicht geschrieben.

Mit dem Gott der Bibel, dem Vater im Himmel, wie Jesus ihn nennt, geht es mir manchmal ganz ähnlich. Ich erwarte, dass dieser Vater im Himmel das Leben von mir oder anderen reparieren kann.

Eine Person, die mir wichtig ist, kommt in eine schwierige Situation – gesundheitlich, auf der Arbeit, in der Familie, in der Partnerschaft. Ich bete. Weil ich das eigentlich immer schon so mache. Und weil ich gelernt habe, dass dieser Gott alles kann. Er ist doch ein allmächtiger Gott.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich allerdings in meinem Leben noch nicht besonders häufig erlebt, dass Gott tatsächlich etwas an den äußeren Umständen geändert hat. Irgendwie komisch. Ich bete für etwas. Gott könnte etwas tun, so glaube ich zumindest. Aber er tut es nicht. Was ist das für ein Vater, der helfen könnte, aber das aus irgendwelchen unverständlichen Gründen nicht will?

Vielleicht habe ich das mit Gottes Allmacht aber auch noch nicht richtig verstanden.

Was wäre, wenn Gottes Allmacht etwas anderes bedeuten würde?

Jesus, der Sohn Gottes, wandelt jedenfalls nicht mit Superkräften ausgestattet in einem einzigen triumphalen Siegeszug der Alleinherrschaft entgegen. Der Sohn Gottes leidet wie wir. Und er stirbt wie wir. Der Unterschied ist: Es ist nicht sein Ende. Der Sohn Gottes besiegt den Tod.

Auch wenn mir diese Vorstellung vom leidenden und sterbenden Gott nicht immer gefällt. Sie befreit mich von falschen Vorstellungen und dem Frust, der damit verbunden ist. Ich erlebe Gottes Allmacht in seiner Macht, immer da zu sein. Und uns in allem, wie schlimm es auch gerade ist, seine Liebe zu schenken. Gott hat uns nie versprochen, dass er alle Hindernisse aus dem Weg räumt. Oder uns alle Schicksalsschläge erspart bleiben.

Im Gegenteil: Er hat das Alles selber durchlebt. Was Gott versprochen hat: Ich bin da. Ich lasse dich nicht im Stich. Es ist nicht dein Ende!

Und das habe ich tatsächlich schon oft erlebt. Da waren Situationen in meinem Leben, die mich in die Knie gezwungen habe. Aber Gott war da. Er hat mir die Kraft gegeben, wieder aufzustehen und weiterzugehen. Herausforderungen kommen und gehen. Aber, so sagt es die Bibel: Nichts und niemand kann uns trennen von seiner Liebe.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

05JUN2024
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Schon ziemlich gestresst biege ich auf den Parkplatz des Supermarkts ein. Entsetzt betrachte ich das rege Treiben. Leider habe ich zuvor beim Einkaufen die Erdbeeren für den Kuchen vergessen. Ein Blick meiner Frau genügte und ich war schon wieder unterwegs. Verflixt, wir sind eingeladen. Jetzt muss es schnell gehen. Aber alle Parkplätze sind belegt. Und ich bin nicht der Einzige, der sich auf Parkplatzsuche befindet. Einige andere Autos kreisen schon wie Habichte um ihre Parkplatz-Beute.

Alle Sinne laufen auf Hochtouren. In der nächsten Reihe leuchten die Rücklichter eines roten Golfs auf. Das bemerke nicht nur ich, sondern auch der Fahrer eines grauen BMWs. Den anderen fest im Blick positionieren wir uns – beide gewillt, diesen Parkplatz für sich zu ergattern. Der rote Golf setzt zurück. Nun bin ich taktisch im Vorteil, denn der Golf parkt in Richtung meines Gegners aus. Ich gebe Gas und schieße in die freigewordene Parklücke. Meins. Mit einem Gefühl des Triumphs steige ich aus und marschiere betont lässig am BMW vorbei Richtung Supermarkt.

 „Hier ist kein Platz für uns beide.“ Auf dem Parkplatz, in der Mannschaft, im Freundeskreis, im Auswahlverfahren der Firma oder bei der Partnerwahl. In der Regel schalten wir in solchen Situationen in den Kampfmodus. Ich will nicht zu kurz kommen. Im Gegenteil: Ich will das Beste für mich rausholen.

Im Alten Testament kommen Abraham und sein Neffe Lot in eine ähnliche Situation. Auf dem Land, wo sie sich als Nomaden niedergelassen haben, ist kein Platz für sie beide. Zwischen ihren Viehhirten kommt es immer wieder zu Streit.

Abraham schlägt vor, sich zu trennen. Als Onkel hätte er nun das Recht zu bestimmen, wer von ihnen wohin geht. Und natürlich auch, sich das bessere Stück Land zu sichern. Doch Abraham lässt völlig entspannt seinen Neffen entscheiden. Ich schüttele innerlich den Kopf und frage mich: Was denkt Abraham sich? Warum gönnt er seinem Neffen die erste Wahl?

Ich denke, das hat mit einem Versprechen zu tun. Abraham trägt es in seinem Herzen. Gott hatte zu ihm gesagt: „Ich will dich segnen und deinen Namen groß machen, so dass du ein Segen sein wirst.“. Und Abraham hatte tatsächlich schon etwas davon erlebt. Dadurch ist der Druck weg, sich selber auf Kosten anderer groß zu machen.

Bis heute ist Gott ein Gott, der segnet. Ein Gott, der versorgt. Ein Gott, der Menschen groß macht. Und der dafür sorgt, dass Menschen ein Segen für andere werden.

Ein Herz, das diese Versprechen Gottes kennt, kann entspannt gönnen. Nicht, weil ich nicht für mich eintreten könnte oder dürfte. Sondern weil ich weiß: Für mich ist gesorgt und wird es immer sein.

Ehrlich gesagt würde es auf dem Supermarktparkplatz auch deutlich weniger Nerven kosten, demnächst statt einer Kampfansage ein Lächeln zum BMW-Fahrer zu schicken: „Bitteschön, nimm du den Parkplatz.“ Denn eigentlich ist der Parkplatz groß genug für uns beide.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

04JUN2024
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Alles ist auf diesen einen Tag ausgerichtet. Die vergangenen 8 Wochen waren harte Arbeit. Kein Alkohol, wenig Kohlenhydrate, viel Gemüse und wenig Zucker. Jede Woche standen mehrere Trainingsläufe auf dem Plan. Keine Ausreden. Wetter egal, Stress egal, viele Termine egal – das Training war gesetzt. Heute will ich liefern. Das Adrenalin strömt durch meinen Körper. Der Startschuss ertönt, und losgeht die wilde Fahrt. Es läuft bestens. Nach 10 km freue ich mich über eine neue persönliche Bestzeit. Leistung abgerufen.

Wenn das nur immer so gut funktionieren würde. Es gibt so viele Lebensbereiche, in denen ich einen gewissen Performance-Druck spüre. Im Geschäft möchte ich die gesteckten Ziele erreichen. Für meine Kinder möchte ich der bestmögliche Vater sein. Für meine Frau ein richtig guter Ehemann. In meinem Hobby will ich meinen Freunden zeigen, dass ich es draufhabe. Vor allem will ich nicht negativ auffallen. Bloß nichts Falsches sagen, bei der Klamottenwahl daneben liegen, irgendeinen dummen Fehler machen, mich blamieren. Sowas kann ich mir einfach nicht leisten. Alle anderen bekommen das doch auch hin, oder?

Wie ist das eigentlich in der Kirche? Ist das auch nur was für Menschen, die ihr Leben im Griff haben? Irgendwie denke ich bei der Kirche tendenziell an eine Ausstellung von Heiligen.

Die Bibel bringt dieses Bild schnell zum Wanken. Dort begegnet man keinen High-Performern und Überfliegern, sondern ganz normalen Menschen. Noah war betrunken, Abraham war steinalt, Isaak war ein Träumer, Jakob war ein Lügner, Josef wurde missbraucht, Mose war ein Mörder, Gideon hatte Angst, David hatte eine Affäre und so weiter.

Ziemlich witzig finde ich auch, dass die Jünger von Jesus jedes Mal schläfrig werden, wenn Jesus sie mit zum Beten nimmt. In der Regel betet Jesus allein. Zweimal sind die Jünger dabei. Zweimal werden sie müde. In der ersten Situation äußert Petrus im Halbschlaf noch eine seiner halbgaren Ideen. Aber er wusste nicht, was er da sagte - steht dann da, in der Bibel. Verpeilter Typ, dieser Petrus.

Ich liebe diese unverblümte Ehrlichkeit der Bibel. Sie macht das Ganze für mich umso glaubwürdiger. Da begegnen mir keine Helden. Die Menschen der Bibel sind ganz normal. Mir kommen die Jünger damit sehr nah. Genau wie ich performen sie nicht immer. Im Gegenteil: sie stellen komische Fragen, kriegen´s oft nicht auf die Reihe und scheitern an ihren eigenen Ansprüchen.

Und Jesus? Der kommt mit solchen Frauen und Männern gut zurecht. Bei ihm zählen andere Werte als die richtige Performance. Bei Jesus darf ich müde und verpeilt sein. Scheitern und Fehler machen ist erlaubt. Das zu wissen, entspannt mich dann auch etwas mit meinem Performance-Druck.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

03JUN2024
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In diesen Tagen kommen viele Reisende zurück aus dem Urlaub. Wenn sie erzählen, schwärmen sie: von gutem Essen, das dem Gaumen bisher unbekannte Freuden bereitete, vom besten Wein, den sie jemals gekostet haben, von wunderschönen Landschaften, die ihre Postkarten zierten. Die meisten sind gut erholt. Nur mancher hatte auch im Urlaub mit den Widrigkeiten des Lebens zu kämpfen.

Einer dieser Urlauber ist Thomas. Auf seinem Smartphone zeigt er mir ein Bild, dessen Stimmung mich sofort in seinen Bann zieht. Unweit von Genua verbrachte Thomas mit seiner Familie ein paar Tage an der Küste Liguriens. Als passionierter Taucher hat Thomas den Ort sehr bewusst ausgewählt. Denn vor dem malerischen Küstenstädtchen Portofino befindet sich am Grund des Meeres eine geheimnisvolle Statue des Künstlers Guido Galetti: der Christus des Abgrunds.

Natürlich ist der Tauchgang das absolute Urlaubs-Highlight für Thomas. Er schildert mir in schillernden Details, wie er sich in den Abgrund hinabgleiten lässt. Es ist ein Spiel von Dunkelheit und Licht. Zunächst zeichnet sich ein Schatten am Meeresgrund ab. Dann werden die Konturen klarer. Die Sonne strahlt gerade hell genug, dass die Statue auch in 15 m Tiefe auf dem Foto gut zu erkennen ist. Da steht er, der Christus, mit erhobenen Armen und dem Gesicht zur Wasseroberfläche gerichtet. Ein Kunstwerk im Gedenken an einen dort vor einigen Jahrzehnten verunglückten Taucher.

Doch irgendwie ist diese Statue mehr als eine Erinnerung an ein vergangenes Unglück. Sie ist auch ein treffendes Bild dafür, wo dieser Jesus Christus ganz unerwartet zu finden ist. Nicht nur in den unvergesslich schönen Urlaubsmomenten, sondern gerade in den Abgründen des Lebens.

Vor allem in seinen letzten Tagen erlebte Jesus massiv das, was wir so gerne aus unserem Leben ausblenden würden. Er spürt Hass, wird Opfer einer Intrige, einer seiner engsten Vertrauten verrät ihn, ein anderer verleumdet ihn, er wird verspottet, zu Unrecht verurteilt, erlebt körperliches und seelisches Leid, geht durch tiefe Einsamkeit und weint bittere Tränen. Jesus durchlebt die Abgründe des Lebens, bis zum tiefsten Grund, dem Tod.

Paradoxerweise kommt Jesus uns damit gerade da unfassbar nah, wo wir ihn zunächst am meisten vermissen. Manchmal fühlen wir uns von Gott und Menschen verlassen.  Aber wie diese Statue am Meeresgrund ist Jesus da - in der Tiefe – unerwartet, ungebeten, ziemlich überraschend und gänzlich unaufdringlich. Und er bringt Hoffnung mit. Gebrochen wie die Sonnenstrahlen an der Wasseroberfläche. Dennoch unübersehbar. Die Abgründe des Lebens, ja sogar der Tod hat nicht mehr das letzte Wort. Das Leben hat bereits gewonnen.

Thomas wird diesen Tauchgang zum Christus des Abgrunds nie mehr vergessen. Ich hoffe genauso wenig zu vergessen, dass dieser Jesus Christus gerade in den Abgründen meines Lebens für mich da ist.

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

02JUN2024
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Was für eine Saison für den VfB Stuttgart. Vor einem guten Jahr noch sicherer Abstiegskandidat. Nun geht es in der kommenden Saison in der Champions League gegen die Besten Europas. Großartig, was den Fans dort am Neckar geboten wurde.

Doch wie wird aus einem verunsicherten Abstiegskandidaten eine Mannschaft, die die Bundesliga rockt?

Ganz viel hat das sicherlich mit Trainer Sebastian Hoeneß zu tun. Zunächst rettete sich die Mannschaft unter seiner Führung in die Relegation, um dann in der neuen Saison zu einem völlig unerwarteten Höhenflug anzusetzen. Die Mannschaft ist im Kern noch immer dieselbe. Aber sie versprüht einen ganz anderen Spirit. Da ist Teamgeist und Überzeugung zu spüren. Die Mannschaft geht furchtlos auf den Platz. Sie weiß, was zu tun ist und macht ihr Ding.

Mich erinnert das an die Mannschaft von Jesus, kurz nachdem auch sie eine scheinbar vernichtende Niederlage erlebt hat. Ihr Mannschaftskapitän Jesus stirbt am Kreuz. Jeder sieht die Jüngerinnen und Jünger in diesem Moment als klare Abstiegskandidaten.

Und so fühlen sie sich auch. Keiner setzt mehr einen Cent auf sie. Völlig verunsichert und verängstigt, ziehen sie sich vom Spielfeld zurück. Die Euphorie vergangener Tage ist verflogen. Alle Zukunftspläne sind mit einem Mal gestorben.

Doch dann die unglaubliche Nachricht: Jesus lebt. Was wie der finale Abpfiff ausgesehen hatte, wird zu einem neuen Anfang. Etwas ganz Neues startet. Leise kommt Hoffnung auf, gemischt allerdings mit vielen Fragen und Zweifeln.

In diesen Fragen und Zweifeln begegnet Jesus seinen Jüngern und spricht mit ihnen. Er baut sie auf und richtet ihren Blick wieder nach vorne. So spricht er davon, dass seine bis vor kurzem noch völlig verunsicherte Mannschaft eine Bewegung in Gang setzen wird, die die Enden der Welt erreichen wird.

Doch bevor sie wieder aufs Spielfeld gehen, sollen sie eines abwarten. Jesus sagt zu ihnen: „Ich aber werde die Kraft aus der Höhe auf euch herabsenden, wie mein Vater es versprochen hat. Bleibt hier in der Stadt, bis ihr damit ausgerüstet seid.“ Gemeint ist der Heilige Geist.

Kurze Zeit später wird das Realität. Und dieser neue Spirit verändert die Jüngerinnen und Jünger. Nehmen wir nur einen von ihnen. Petrus, ein einfacher Mann, der eben noch an seinem eigenen Anspruch kläglich gescheitert war. Plötzlich stellt er sich furchtlos auf den Marktplatz und predigt vor 1000en Menschen. Er und die anderen Jünger brennen auf dem Spielfeld und stecken viele mit ihrer Begeisterung an – was sie berichten, geht Menschen zu Herzen.

Auch der VfB Stuttgart hat in der abgelaufenen Saison Herzen gewonnen. Möge eine weitere erfolgreiche Saison folgen. Mit dem richtigen Spirit geht was. Der Spirit jedenfalls, der von Gott kommt, gibt uns die Power, mutig und furchtlos aufs Spielfeld des Lebens zu gehen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

05AUG2023
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Ein Samstagnachmittag, eine schnuckelige Kirche, eine fröhliche Festgesellschaft – es ist Hochzeit. Ich sitze in der hintersten Bank der Kirche und lausche dem Brautpaar. Nach der Traurede kommt der Moment, in dem sich Paare in der Regel die dollsten Dinge versprechen. Doch diesmal ist das anders. Die beiden sagen sich gegenseitig, was sie aneinander schätzen. Wow, denke ich. Das ist stark. Was für ein liebevoller Blick aufeinander.

Fast gleichzeitig frage ich mich aber: Wann geht das eigentlich verloren? Wenn ich mich mit Freunden unterhalte, dann können wir einander auch viel über den Partner erzählen. Allerdings ist das oft nicht mehr ganz so positiv.

Nicht nur in Ehen, auch im Job, unter Freunden und in Kirchengemeinden verfliegt der Zauber des Anfangs mit der Zeit. Der Blick aufeinander ändert sich. Die Freude aneinander weicht dem Ärger übereinander. Eigentlich schade, oder?! Überall da, wo wir länger mit Menschen zu tun haben, passiert es schnell, dass wir uns eher auf das Negative fokussieren, als das Positive zu sehen.

Kürzlich bat mich mein Freund Simon, ob ich ein paar Dinge aufschreiben könnte, die ich an ihm schätze. An einem freien Abend setze ich mich hin und fange an, über meinen Simon nachzudenken. Ein paar positive Eigenschaften fallen mir schnell ein: zuverlässig, humorvoll, klar, loyal.

Und dann geschieht Erstaunliches: Je länger ich über Simon nachdenke, desto mehr positive Eigenschaften und Charakterzüge fallen mir ein. Auf einmal nehme ich auch Feinheiten wahr, die ich vorher so nicht hätte artikulieren können. Simon hat einen Sinn für Schönes und ihm gelingt es, das künstlerisch auszudrücken. Die Liste wird immer länger. Am Ende bin ich ehrlich überrascht darüber, was ich alles aufgeschrieben hatte. Grundsätzlich war mir natürlich vorher schon klar, dass Simon ein super Typ ist.

Ich glaube, es braucht immer wieder die bewusste Entscheidung, das Gute am Anderen zu suchen und auszusprechen. Der Apostel Paulus legt der Gemeinde in Thessalonich ans Herz: „Darum macht euch gegenseitig Mut und baut einander auf, wie ihr es ja schon tut.“ Ein bisschen Anerkennung und Wertschätzung ist schon da bei den Christen in Thessalonich. Paulus feuert sie an: „Macht weiter so! Überschüttet Euch mit Komplimenten und Ermutigung. Sucht das Gute am Anderen und sprecht es aus.“

Ermutigen und aufbauen anstatt zu kritisieren und niederzumachen. Mit ein bisschen Training fällt das gar nicht so schwer. Wie bei meinem Brief an Simon. Je länger ich über ihn nachgedacht habe, desto mehr gute Dinge sind mir eingefallen, die ich ihm sagen konnte. Und es muss ja auch nicht immer gleich ein ganzer Brief sein.

Auch mit kleinen Sätzen wie „Das hast du richtig gut gemacht.“ oder „Dein Essen hat mir total gut geschmeckt!“ zaubern wir ganz nebenbei ein großes Lächeln in das Gesicht des Anderen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

04AUG2023
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Ich stehe mitten in Frankfurt, zwischen Wolkenkratzern, tausende Menschen um mich. Es ist der Tag meines ersten Marathons. An meiner Seite steht mein Freund Alex. Ich weiß, er könnte viel schneller laufen als ich. Macht er aber nicht, weil er mir zu einem erfolgreichen Marathon verhelfen möchte. Cooler Typ, der Alex!

Ich warte ungeduldig auf den Startschuss, bald darauf rollt die Masse los. Wir halten uns an unseren Pacemaker, der dafür sorgt, dass wir das richtige Tempo treffen. Auf den ersten Kilometern klappt das noch ganz gut. Doch schon bald spüre ich, dass mein Ziel zu ambitioniert ist. Zuerst verlangsame ich ein wenig, dann etwas mehr. Alex schicke ich weg, weil ich ihm nicht den Spaß verderben möchte.

So kämpfe ich mich weiter. Mal läuft es ganz gut, mal habe ich richtig zu beißen. Irgendwann motiviert mich hauptsächlich, dass ich meinen Kindern eine Medaille mit nach Hause bringen möchte. Doch bei km 32 fährt mir urplötzlich ein Krampf in den linken Oberschenkel. Ich kralle mich an einem Fahrrad am Streckenrand fest. Gequält versuche ich den Besitzer des Fahrrads anzulächeln. Er nickt nur freundlich. Ich hänge fest am Fahrrad eines Fremden irgendwo kurz vor Frankfurt.

Doch dann traue ich meinen Augen nicht. Ist das Alex? Eigentlich dachte ich, der ist schon längst im Ziel. Egal. Wie auch immer er dort hinkommt, er ist meine Rettung in der Not.

Ich rufe laut nach ihm. Als erfahrener Läufer weiß er, was zu tun ist. Er hilft mir den Krampf aus dem Muskel zu arbeiten. Und tatsächlich geht es weiter. Für mich ist das wie ein kleines Wunder. Innerlich war ich schon dabei, den Marathon abzubrechen. Doch gerade dann kommt Alex um die Ecke und hilft mir, dass es weitergeht. Letztlich bis ins Ziel. Zwar deutlich über der Zeit, die ich mir vorgenommen hatte. Aber das ist mir völlig egal. Ich bin meinen ersten Marathon gelaufen.

Das Leben ist oft genau wie so ein Marathon. Mal geht es gut voran, mal muss man sich durchbeißen. Und gerade in den Herausforderungen und wirklich kritischen Phasen, tut es so gut zu erleben, dass ich nicht alleine bin.

Als Josua, einer der großen Namen im Alten Testament, vor einer riesigen Herausforderung steht, sagt Gott zu ihm: „Ich lasse dich nicht fallen und lasse dich nicht im Stich.“ (Josua 1,5). Gott verspricht Josua nicht, dass alles glatt laufen wird und keine Probleme kommen. Josua wird an seine Grenzen kommen – wie ich bei meinem Marathon. Aber dieser Gott, mit dem er unterwegs ist, wird mit ihm sein und ihn nicht alleine lassen.

Ich durfte das durch meinen Freund Alex erleben. Als ich dachte, jetzt ist es vorbei, war er da. Freunde wie Alex sind für mich ein Geschenk Gottes, weil Gott mir durch sie zeigt: Ich bin für dich da, gerade wenn´s eng wird.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

03AUG2023
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Ich sitze am Spielplatz und scrolle, tippe und wische mich von App zu App. Zwischendrin die Stimme meines fünfjährigen Sohnes. Er möchte, mir etwas zeigen. Ich grummle Zustimmung. Ich soll wirklich hinsehen und nicht aufs Handy schauen, bittet mein Sohn mich. Ich blicke kurz auf und nicke ihm zu. Kurz darauf schaue ich wieder auf mein Handy. „Papa, Handyverbot!“ schallt es auf einmal über den Spielplatz. Mein Sohn ist entrüstet, dass ich wieder nicht richtig hingesehen habe. Kleinlaut stecke ich mein Handy in die Hosentasche. Wie recht dieser kleine Mann doch hat.

Mein Sohn hält mir den Spiegel vor und sagt mir frei heraus, was er braucht: er will gesehen werden. Für Kinder ist das ganz besonders wichtig. Aber auch erwachsene Menschen brauchen das. Jeder von uns will gesehen werden.

Im Alten Testament sagt eine Frau namens Hagar über Gott: „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ Hagar war in große Not geraten und mit ihrem kleinen Sohn in die Wüste geflohen. Alles scheint aussichtslos und vergeblich. Hagar steckt in der Sackgasse. Doch als alles vorbei scheint, begegnet sie einem Boten Gottes. Er ermutigt Hagar zurückzukehren und verspricht ihr, für sie und ihren Sohn zu sorgen. Für diesen Gott ist Hagar nicht nur Luft. Dieser Gott ist ein Gott, der Hagar und ihren Sohn sieht. Hagar schöpft neuen Mut und geht im Vertrauen auf Gott weiter.

Aber auch wenn Hagar das hier so eindrücklich erlebt, ich bin mir manchmal gar nicht so sicher, dass Gott mich sieht. Wie meinen Sohn bewegt mich die Frage: Sieht er wirklich hin? Oder schaut er gerade zu allen anderen, aber zu mir nicht? Ich bete und frage Gott: Siehst du mich?

Auf der Suche nach einer Antwort auf diese Frage, lande ich bei einem Gespräch zwischen Jesus und seinen Jüngern über das Beten. Jesus sagt ihnen: „Wenn du betest, geh in dein Zimmer und schließ die Tür. Bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird dich dafür belohnen.“ Gebet ist bei Jesus keine Show für andere. Beim Beten geht es um mich und um Gott. Und Jesus sagt hier klipp und klar: Wenn du ganz allein in deinem Zimmer betest, dann sieht Gott dich. Beten bedeutet: Ich bin gesehen von Gott.

Dieser Gedanke macht etwas mit mir. Selbst wenn Gott mich nicht mit dem belohnt, was ich mir wünsche. Selbst wenn Gott nicht dafür sorgt, dass das Übel vorbei ist, was mir gerade so zusetzt. Es macht etwas mit mir, zu wissen, dass ich gesehen bin mit all dem, was gerade los ist in meinem Leben.

Kürzlich hatte ich eine Situation auf der Arbeit, die mir sehr zugesetzt hat. Als ich Gott das einfach so frei raus erzählt habe, habe ich gespürt, wie mein Herz schon bald ruhiger geworden ist. Ich konnte wieder klarer denken und nicht nur Sackgassen, sondern Möglichkeiten entdecken. Gott sieht mich und das setzt neue Kräfte in mir frei.

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