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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

11FEB2025
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Der Tag beginnt gewöhnlich. Ich wecke unseren 6-jährigen Sohn. Anziehen. Rucksack auf und los geht's zur Schule. Ein alltäglicher Weg – und doch ist heute alles anders. Schon von der Haustür aus sehen wir Krankenwagen und Polizei. Was ist da los in meiner Straße? Besorgt gehen wir unseren Weg.

Meine Gedanken kommen nicht zur Ruhe. Ich kenne die Familie vom Sehen. Man begegnet und grüßt sich. Mehr weiß ich nicht. Es ist wie bei den meisten Nachbarn. Wir haben oberflächlichen Kontakt. Ein freundlicher Gruß. Das war's. Was hinter den Haustüren geschieht? Keine Ahnung. Das geht mich auch nicht alles etwas an. Trotzdem ist es etwas ernüchternd, wie wenig ich über die Menschen in meiner Straße weiß.

Meine Gedanken wandern weiter zu anderen Menschen in meinem Umfeld:
In meiner eigenen Familie bekomme ich natürlich eine Menge mit. Aber weiß ich wirklich, wie es meiner Frau und meinen Kindern geht? Interessiert mich das überhaupt? Oder bin ich zu beschäftigt?

Wie sieht es bei meinen Freunden, Verwandten, Laufpartnerinnen und -partnern aus? Ich muss nicht von allen alles wissen. Dennoch bewegt mich die Frage: Hat mein Gegenüber jemanden zum Reden?

In der Bibel schreibt der Apostel Paulus: „Helft einander eure Lasten zu tragen.“

Das heißt im Umkehrschluss für mich: Alleine ist das Leben zu schwer. Wir sind nicht als Einzelkämpfer gemacht. Sondern für eine Gemeinschaft, die füreinander da ist. Besonders dann, wenn die Last zu schwer wird. Ich kenne das selber gut. Leider neige ich dazu, die Dinge dann doch mit mir selbst ausmachen zu wollen.

Am Nachmittag gehe ich den gleichen Weg wie am Morgen. Unmittelbar vor mir kommt eine Frau aus einer Seitenstraße. Eine Nachbarin. Ich kenne sie - wie sollte es anders sein - vom Sehen. Wir haben noch nie ein Wort gewechselt. Irgendwie spüre ich aber, dass sie reden will. Also wage ich mich: „Hallo, ich bin Manuel.“ „Hallo, ich bin Christiane.“ „Wie geht's Dir heute?“ Und schon reden wir. Über das, was heute in der Straße passiert ist. Ein bisschen zusammen Lasten tragen.

Später stehe ich sehr nervös und unsicher vor der Haustür des betroffenen Haushalts. Ich nehme allen Mut zusammen und drücke auf die Klingel. Der Vater öffnet die Tür. Zuerst schaut er mich etwas verwundert an. „Hallo, ich bin Manuel. Ich wohne ein paar Häuser weiter. Wie geht es Euch?“ In seine Verwunderung mischt sich Erleichterung.

Seitdem sprechen wir immer mal wieder miteinander. Und die Straße, in der ich wohne, fühlt sich schon etwas mehr nach „unserer Straße“ an. Weil wir nun etwas mehr miteinander teilen als den gleichen Straßennamen in der Anschrift.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

10FEB2025
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Ich sitze im Bus. Automatisch zücke ich mein Smartphone und scrolle durch die neusten Beiträge bei Instagram. Alex feiert seinen sensationellen Burger. Tina sitzt am Schreibtisch und sucht Montags-Motivation. Russland greift erneut die Infrastruktur der Ukraine an. Mein Vater hat aus Versehen ein lustiges Katzenbild gepostet. Danach die neueste Prognose für die Bundestagswahl. Und ein erschöpfter Feuerwehrmann vor einem völlig zerstörten Gebäude.

Immer wieder diese Einschläge zwischen Lustigem und Alltäglichem. An manchen Tagen fühlt es sich so an, als würde ich die Last der ganzen Welt in meiner Hosentasche tragen.

Da sind so viele negative Nachrichten. Alles andere trübt sich ein. Vor allem die Zukunft. Wie wird es nach der Bundestagswahl? Geht es mit den Kriegen und Konflikten einfach immer so weiter? Und was ist mit mir und meinen Freunden? Was kommt auf uns zu?

An solchen Tagen kämpfe ich um Hoffnung. Warum weitermachen? Warum noch ein Apfelbäumchen pflanzen, wie Luther gesagt haben soll?

Mal mehr, mal weniger zweifelnd halte ich an meinem Glauben fest. An meinem Glauben, dass damals mit Jesus etwas großes Gutes begonnen hat.

Was mich an Jesus immer wieder fasziniert: Er umgibt sich nicht mit den Reichen und Mächtigen. Ganz im Gegenteil: Jesus zieht es gerade zu denen, die es schwer haben in dieser Welt.

Wie schön wäre es, wenn das gar nicht nötig wäre. Wenn Menschen nicht leiden müssten. Hej, Gott, geht das nicht irgendwie anders!?

Und doch tröstet es mich zu wissen: Gott ist das Schicksal unserer Welt nicht egal. Ihn lässt das nicht kalt. Er leidet mit und solidarisiert sich mit denen, die diskriminiert werden.

Mich motiviert das, diejenigen anzusehen, die nicht so stark im Blick sind. Ich wende mich Kindern zu und gehe dabei bewusst in die Knie, um ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Ich spreche mit Jugendlichen und will wissen, was sie bewegt. Und ich feiere eine Frau aus unserer Gemeinde, die in ihrem Stadtteil Menschen besucht, die durchs Raster gefallen sind. Manchmal begleite ich sie dabei.

Ich scrolle weiter durch die Beiträge bei Instagram und lande bei einem Bibelvers:
„Gott wird jede Träne abwischen von ihren Augen. Es wird keinen Tod und keine Trauer mehr geben, kein Klagegeschrei und keinen Schmerz. Denn was früher war, ist vergangen. […] Ich mache alles neu.“

Zu schön, um wahr zu sein? Nein, das ist die Hoffnung, die mich am Leben hält. Und meine Motivation, schon jetzt an die Seite derer zu treten, die es schwer haben im Leben.

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

09FEB2025
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Ich hab mich mit meiner Frau gestritten. Der Kopf raucht und ich brauch frische Luft. Und nen Schokoriegel. Der Supermarkt ist gleich um die Ecke. An der Kasse sehe ich den alten Mann das erste Mal. Es fällt ihm schwer, seinen Einkauf zu verstauen. Die Kassiererin hilft ihm.

Ich gehe eine Runde um den Supermarkt. Mein Blick wandert ziellos umher. Bis er wieder an dem alten Mann von der Kasse hängen bleibt. Er steht auf dem Parkplatz. Irgendwie wirkt er, als wäre er auf der Suche. Genau wie ich. Den Faden verloren, orientierungslos, einsam.

Ich spreche den alten Mann an. Er weiß, dass er im Pflegeheim wohnt. Aber er weiß den Namen des Pflegeheims nicht mehr. „Ziegelhof?“, mutmaße ich. „Ja, Ziegelhof.“ Die Erleichterung ist deutlich zu spüren.

Es ist sehr kalt und windig. Trotz meiner Winterjacke friere ich. Der alte Mann hat nur Hausschuhe an. Nicht mal eine Jacke trägt er. Ich begleite den Mann auf seinem Weg nach Hause. Mehrmals biete ich ihm meine Jacke an. Er will sie nicht. Das akzeptiere ich schließlich.

Zu Hause angekommen fragt der Mann mich nach meiner Motivation. „Jesus“, sage ich. „Da ist ein Gott, der uns liebt. Und ich glaube, dass wir deshalb auch füreinander da sein sollten.“ Das ist für mich keine Floskel, sondern tiefer Inhalt meines Glaubens.

Jesus wird einmal gefragt, worauf es im Leben wirklich ankommt. Und er lässt sein Gegenüber selbst die Antwort finden. »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben.«
Und: »Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.«
„Ja“, sagt Jesus, „lebe so und du wirst ewig leben.“

Doch das Gegenüber von Jesus ist nicht zufrieden. Er will wissen: „Wer ist denn mein Mitmensch?“ Daraufhin erzählt Jesus die Geschichte vom barmherzigen Samariter. Da ist ein Mensch, der von Räubern überfallen wird. Die Räuber schlagen ihn zusammen, rauben ihn aus und lassen ihn dann halbtot liegen.

Mehrere potenzielle Helfer kommen vorbei. Die Unwahrscheinlichste aller Figuren der Geschichte hilft ihm. Und Obacht: Es ist nicht einer der Frommen. Der damals unbeliebte Samariter hilft - umfassend und ohne Hintergedanken. Einfach, weil dieser Mensch ein Mitmensch ist.

So definiert Jesus Nächstenliebe. Spontan. Umfassend. Über Grenzen hinweg. Für alle, die es gerade brauchen. Margot Friedländer sagt es so: „Seid Menschen.“ Jesus gefällt das.

Auf meinem Heimweg vom Pflegeheim denke ich:
War das gerade nicht ziemlich viel Leben? Zwei unvollkommene Menschen gehen stolpernd ein paar Schritte des Weges gemeinsam und geben sich gegenseitig Halt. Mein Ärger ist verraucht und der alte Mann ist wieder zu Hause. Das reicht.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

08JUN2024
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Abends gehe ich gerne noch ein paar Schritte um den Block. Auf dem Weg durch die Nachbarschaft sehe ich einen Mann am Gartentor stehen. Wir kennen uns flüchtig. Kurz grüßen wir uns und ich wünsche ihm noch einen schönen Tag.

Im Weitergehen höre ich seine Frau durch die Hecke. Sie fragt ihren Mann erstaunt: „Sowas gibt´s noch? Wer hat dir denn da so freundlich einen schönen Tag gewünscht?“ Jetzt bin ICH überrascht. Kurz freue ich mich, dass ich offensichtlich positiv aufgefallen bin. Im nächsten Moment frage ich mich, wie so eine kleine Geste zu so großem Erstaunen führen kann. Das ist doch selbstverständlich. Oder doch nicht?

Vielleicht haben wir ja ein kleines Freundlichkeitsproblem?

Ich gebe zu. Ich grüße auch nicht jedes Mal und jeden am Gartentor. Je nachdem wer mir vorher begegnet ist und was ich schon mit Menschen erlebt habe, geht es auch bei mir mal freundlich zugewandt und mal weniger freundlich zugeknöpft zu. Wenn ich selber eine freundliche Begegnung erlebt habe, fällt es mir leichter, das an einen anderen Menschen weiterzugeben.

Freundlichkeit spielt auch in der Bibel eine große Rolle. Der Gott der Bibel wird als freundlicher Gott beschrieben: „Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich.“ So schreiben es die Psalmbeter immer wieder. Sie erleben einen Gott, der ihnen freundlich zugewandt ist und der sie mit Freundlichkeiten beschenkt. Im Neuen Testament wird die Freundlichkeit neben Dingen wie Liebe, Freude und Frieden als etwas benannt, das Gott im Leben von Menschen stärken möchte. Dieser freundliche Gott schenkt auch Menschen ein freundliches Herz.

Eigentlich ist es gar nicht so schwer, mit Freundlichkeit einen Unterschied zu machen. Drei Möglichkeiten will ich hier nennen:

Lächeln – ich lächle gerne Menschen an, an denen ich vorbeigehe. Besonders solche Menschen, die ein bisschen grimmig gucken. Weil ich glaube, dass sie so grimmig gucken, weil sie noch nicht genügend angelächelt worden sind.

Danke und Bitte sagen – auch bei Leuten, wo man denkt: Das ich doch deren Job. Die Kassiererin im Supermarkt, der Busfahrer und ja, auch der Mann an der Tankstellen-Kasse, der mir eine horrende Summe abknöpft, freuen sich über ein Dankeschön. Und auch ein freundliches „Bitte“ öffnet so manche Tür.

Komplimente machen – wenn ich bei Menschen, etwas Positives entdecke, versuche ich nicht nur darüber nachzudenken, sondern es auch auszusprechen. Letztens habe ich eine Ticket-Kontrolleurin im Zug beobachtet, die mehreren Kindern nacheinander seelenruhig erklärt hat, wie sie ihr Schüler-Ticket aktualisieren können. Das fand ich wirklich stark und das habe ich dieser Frau dann auch gesagt.

Die Gesichter, in die ich nach einem Lächeln, einem Danke, einem Bitte oder einem Kompliment schaue, gucken zwar manchmal etwas verdutzt. Ganz oft kommt aber ein Lächeln zurück. Mit Freundlichkeit die Welt ein kleines bisschen schöner machen, ist eigentlich ganz leicht. Einfach mal machen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

07JUN2024
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Manchmal werde ich fatalerweise gefragt, für welchen Fußballverein mein Herz schlägt. Wahrheitsgemäß antworte ich dann: „Ich bin Bayern-Fan.“ In einer schwäbischen Gemeinde im Großraum Stuttgart erntet man nach dieser Aussage so manches Kopfschütteln. Für viele scheint vor allem mein pastorales Amt und dieser Verein nicht zusammenzupassen. „Du bist Pastor und Bayern-Fan!?“

So oder ähnlich klingt das meistens mit leichtem Entsetzen in der Stimme.

Je nach Gegenüber habe ich für solche Fälle zwei Antworten parat. Entweder berufe ich mich augenzwinkernd darauf, dass mir auch als Pastor ein gewisses Maß an Makel zustehen würde. Oder ich verweise darauf, dass ich von Berufswegen ausreichend in Berührung mit den Katastrophen und Unsicherheiten des Lebens komme. Das gleiche muss ich nicht auch noch als Fan mit meinem Lieblingsverein durchleiden. Und da ist der FC Bayern nun mal die sicherste Bank.

Die Sehnsucht nach einer sicheren Bank im Leben kennt wohl jeder Mensch. Wir suchen nach etwas, auf das wir uns verlassen können. Vor allem in den kleinen und großen Katastrophen und Unsicherheiten, vor denen niemand verschont bleibt. Dass Fußball-Vereine sich dazu nur mittelmäßig eignen, ist selbst mir als Bayern-Fan klar.

Für Jesus war seine sichere Bank die Beziehung zu seinem Vater im Himmel. In der Bibel lesen wir immer wieder davon, dass Jesus sich zurückgezogen hat, um sich Zeit zum Beten zu nehmen. Beten war für Jesus wie auf dieser sicheren Bank Platz zu nehmen.

Jesus betete in Zeiten, in denen er auf der Welle des Erfolgs schwamm. Genauso betete er auch in der tiefsten Tiefe. Selbst als Jesus am Kreuz hing, rief er noch: „Mein Gott, mein Gott.“ Jesus lässt den Gesprächsfaden zu seinem Vater im Himmel nie abreißen.

Für die Menschen um Jesus herum, war nicht zu übersehen, was das Gebet mit Jesus machte. Die Art wie Jesus betete, faszinierte seine Jünger. So sehr, dass sie unbedingt von ihm lernen wollten, so zu beten wie er. Im Gebet fand Jesus Ruhe, Fokus, Klarheit, Geborgenheit, Motivation, Kraft und Liebe. Das Gebet war seine sichere Bank.

In der vergangenen Saison war der FC Bayern nicht immer die gewohnt sichere Bank. Dafür setzte der VfB Stuttgart zu ungeahnten Höhenflügen an. Das Fußballgeschäft ist genau wie das Leben und die Menschen manchmal ziemlich unberechenbar.

So finde auch ich in unsicheren Zeiten meine sichere Bank im Gebet. Wenn meine Kinder mich zur Weißglut treiben, hilft mir das Gebet, einmal tief durchzuatmen. Oder ich bekomme den Mut, meine Kinder um Entschuldigung zu bitten, wenn meine Reaktion zu heftig ausgefallen ist. Auch wenn ich mal wieder völlig davon überzeugt bin, dass alle anderen schuld sind, nur ich sicher nicht – dann lenkt Gott meinen Blick im Gebet liebevoll und zielgenau auf meine eigenen Anteile. Wenn ich bete, fühle ich mich in einer Welt voller Fragen geborgen in etwas, das größer ist als ich.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

06JUN2024
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Als ich von der Arbeit nach Hause komme, werde ich schon sehnsüchtig erwartet. Unser 5-jähriger Sohn rennt mir erwartungsvoll in die Arme: „Papa, Papa, du musst mir helfen. Mein Fahrrad ist kaputt. Du musst das reparieren.“ Für meinen Sohn ist es keine Frage, dass der Papa sein Fahrrad reparieren kann. Zum einen hat Papa das schon oft gemacht. Zum anderen kann Papa sowieso alles. Davon ist unser Sohn überzeugt.

Draußen schaue ich mir das Fahrrad an. Leider muss ich diesmal feststellen, dass ich den Schaden nicht reparieren kann. Mein Sohn ist fassungslos. Papa bekommt das nicht hin?! Die Enttäuschung steht ihm ins Gesicht geschrieben.

Mit dem Gott der Bibel, dem Vater im Himmel, wie Jesus ihn nennt, geht es mir manchmal ganz ähnlich. Ich erwarte, dass dieser Vater im Himmel das Leben von mir oder anderen reparieren kann.

Eine Person, die mir wichtig ist, kommt in eine schwierige Situation – gesundheitlich, auf der Arbeit, in der Familie, in der Partnerschaft. Ich bete. Weil ich das eigentlich immer schon so mache. Und weil ich gelernt habe, dass dieser Gott alles kann. Er ist doch ein allmächtiger Gott.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich allerdings in meinem Leben noch nicht besonders häufig erlebt, dass Gott tatsächlich etwas an den äußeren Umständen geändert hat. Irgendwie komisch. Ich bete für etwas. Gott könnte etwas tun, so glaube ich zumindest. Aber er tut es nicht. Was ist das für ein Vater, der helfen könnte, aber das aus irgendwelchen unverständlichen Gründen nicht will?

Vielleicht habe ich das mit Gottes Allmacht aber auch noch nicht richtig verstanden.

Was wäre, wenn Gottes Allmacht etwas anderes bedeuten würde?

Jesus, der Sohn Gottes, wandelt jedenfalls nicht mit Superkräften ausgestattet in einem einzigen triumphalen Siegeszug der Alleinherrschaft entgegen. Der Sohn Gottes leidet wie wir. Und er stirbt wie wir. Der Unterschied ist: Es ist nicht sein Ende. Der Sohn Gottes besiegt den Tod.

Auch wenn mir diese Vorstellung vom leidenden und sterbenden Gott nicht immer gefällt. Sie befreit mich von falschen Vorstellungen und dem Frust, der damit verbunden ist. Ich erlebe Gottes Allmacht in seiner Macht, immer da zu sein. Und uns in allem, wie schlimm es auch gerade ist, seine Liebe zu schenken. Gott hat uns nie versprochen, dass er alle Hindernisse aus dem Weg räumt. Oder uns alle Schicksalsschläge erspart bleiben.

Im Gegenteil: Er hat das Alles selber durchlebt. Was Gott versprochen hat: Ich bin da. Ich lasse dich nicht im Stich. Es ist nicht dein Ende!

Und das habe ich tatsächlich schon oft erlebt. Da waren Situationen in meinem Leben, die mich in die Knie gezwungen habe. Aber Gott war da. Er hat mir die Kraft gegeben, wieder aufzustehen und weiterzugehen. Herausforderungen kommen und gehen. Aber, so sagt es die Bibel: Nichts und niemand kann uns trennen von seiner Liebe.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

05JUN2024
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Schon ziemlich gestresst biege ich auf den Parkplatz des Supermarkts ein. Entsetzt betrachte ich das rege Treiben. Leider habe ich zuvor beim Einkaufen die Erdbeeren für den Kuchen vergessen. Ein Blick meiner Frau genügte und ich war schon wieder unterwegs. Verflixt, wir sind eingeladen. Jetzt muss es schnell gehen. Aber alle Parkplätze sind belegt. Und ich bin nicht der Einzige, der sich auf Parkplatzsuche befindet. Einige andere Autos kreisen schon wie Habichte um ihre Parkplatz-Beute.

Alle Sinne laufen auf Hochtouren. In der nächsten Reihe leuchten die Rücklichter eines roten Golfs auf. Das bemerke nicht nur ich, sondern auch der Fahrer eines grauen BMWs. Den anderen fest im Blick positionieren wir uns – beide gewillt, diesen Parkplatz für sich zu ergattern. Der rote Golf setzt zurück. Nun bin ich taktisch im Vorteil, denn der Golf parkt in Richtung meines Gegners aus. Ich gebe Gas und schieße in die freigewordene Parklücke. Meins. Mit einem Gefühl des Triumphs steige ich aus und marschiere betont lässig am BMW vorbei Richtung Supermarkt.

 „Hier ist kein Platz für uns beide.“ Auf dem Parkplatz, in der Mannschaft, im Freundeskreis, im Auswahlverfahren der Firma oder bei der Partnerwahl. In der Regel schalten wir in solchen Situationen in den Kampfmodus. Ich will nicht zu kurz kommen. Im Gegenteil: Ich will das Beste für mich rausholen.

Im Alten Testament kommen Abraham und sein Neffe Lot in eine ähnliche Situation. Auf dem Land, wo sie sich als Nomaden niedergelassen haben, ist kein Platz für sie beide. Zwischen ihren Viehhirten kommt es immer wieder zu Streit.

Abraham schlägt vor, sich zu trennen. Als Onkel hätte er nun das Recht zu bestimmen, wer von ihnen wohin geht. Und natürlich auch, sich das bessere Stück Land zu sichern. Doch Abraham lässt völlig entspannt seinen Neffen entscheiden. Ich schüttele innerlich den Kopf und frage mich: Was denkt Abraham sich? Warum gönnt er seinem Neffen die erste Wahl?

Ich denke, das hat mit einem Versprechen zu tun. Abraham trägt es in seinem Herzen. Gott hatte zu ihm gesagt: „Ich will dich segnen und deinen Namen groß machen, so dass du ein Segen sein wirst.“. Und Abraham hatte tatsächlich schon etwas davon erlebt. Dadurch ist der Druck weg, sich selber auf Kosten anderer groß zu machen.

Bis heute ist Gott ein Gott, der segnet. Ein Gott, der versorgt. Ein Gott, der Menschen groß macht. Und der dafür sorgt, dass Menschen ein Segen für andere werden.

Ein Herz, das diese Versprechen Gottes kennt, kann entspannt gönnen. Nicht, weil ich nicht für mich eintreten könnte oder dürfte. Sondern weil ich weiß: Für mich ist gesorgt und wird es immer sein.

Ehrlich gesagt würde es auf dem Supermarktparkplatz auch deutlich weniger Nerven kosten, demnächst statt einer Kampfansage ein Lächeln zum BMW-Fahrer zu schicken: „Bitteschön, nimm du den Parkplatz.“ Denn eigentlich ist der Parkplatz groß genug für uns beide.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

04JUN2024
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Alles ist auf diesen einen Tag ausgerichtet. Die vergangenen 8 Wochen waren harte Arbeit. Kein Alkohol, wenig Kohlenhydrate, viel Gemüse und wenig Zucker. Jede Woche standen mehrere Trainingsläufe auf dem Plan. Keine Ausreden. Wetter egal, Stress egal, viele Termine egal – das Training war gesetzt. Heute will ich liefern. Das Adrenalin strömt durch meinen Körper. Der Startschuss ertönt, und losgeht die wilde Fahrt. Es läuft bestens. Nach 10 km freue ich mich über eine neue persönliche Bestzeit. Leistung abgerufen.

Wenn das nur immer so gut funktionieren würde. Es gibt so viele Lebensbereiche, in denen ich einen gewissen Performance-Druck spüre. Im Geschäft möchte ich die gesteckten Ziele erreichen. Für meine Kinder möchte ich der bestmögliche Vater sein. Für meine Frau ein richtig guter Ehemann. In meinem Hobby will ich meinen Freunden zeigen, dass ich es draufhabe. Vor allem will ich nicht negativ auffallen. Bloß nichts Falsches sagen, bei der Klamottenwahl daneben liegen, irgendeinen dummen Fehler machen, mich blamieren. Sowas kann ich mir einfach nicht leisten. Alle anderen bekommen das doch auch hin, oder?

Wie ist das eigentlich in der Kirche? Ist das auch nur was für Menschen, die ihr Leben im Griff haben? Irgendwie denke ich bei der Kirche tendenziell an eine Ausstellung von Heiligen.

Die Bibel bringt dieses Bild schnell zum Wanken. Dort begegnet man keinen High-Performern und Überfliegern, sondern ganz normalen Menschen. Noah war betrunken, Abraham war steinalt, Isaak war ein Träumer, Jakob war ein Lügner, Josef wurde missbraucht, Mose war ein Mörder, Gideon hatte Angst, David hatte eine Affäre und so weiter.

Ziemlich witzig finde ich auch, dass die Jünger von Jesus jedes Mal schläfrig werden, wenn Jesus sie mit zum Beten nimmt. In der Regel betet Jesus allein. Zweimal sind die Jünger dabei. Zweimal werden sie müde. In der ersten Situation äußert Petrus im Halbschlaf noch eine seiner halbgaren Ideen. Aber er wusste nicht, was er da sagte - steht dann da, in der Bibel. Verpeilter Typ, dieser Petrus.

Ich liebe diese unverblümte Ehrlichkeit der Bibel. Sie macht das Ganze für mich umso glaubwürdiger. Da begegnen mir keine Helden. Die Menschen der Bibel sind ganz normal. Mir kommen die Jünger damit sehr nah. Genau wie ich performen sie nicht immer. Im Gegenteil: sie stellen komische Fragen, kriegen´s oft nicht auf die Reihe und scheitern an ihren eigenen Ansprüchen.

Und Jesus? Der kommt mit solchen Frauen und Männern gut zurecht. Bei ihm zählen andere Werte als die richtige Performance. Bei Jesus darf ich müde und verpeilt sein. Scheitern und Fehler machen ist erlaubt. Das zu wissen, entspannt mich dann auch etwas mit meinem Performance-Druck.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

03JUN2024
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In diesen Tagen kommen viele Reisende zurück aus dem Urlaub. Wenn sie erzählen, schwärmen sie: von gutem Essen, das dem Gaumen bisher unbekannte Freuden bereitete, vom besten Wein, den sie jemals gekostet haben, von wunderschönen Landschaften, die ihre Postkarten zierten. Die meisten sind gut erholt. Nur mancher hatte auch im Urlaub mit den Widrigkeiten des Lebens zu kämpfen.

Einer dieser Urlauber ist Thomas. Auf seinem Smartphone zeigt er mir ein Bild, dessen Stimmung mich sofort in seinen Bann zieht. Unweit von Genua verbrachte Thomas mit seiner Familie ein paar Tage an der Küste Liguriens. Als passionierter Taucher hat Thomas den Ort sehr bewusst ausgewählt. Denn vor dem malerischen Küstenstädtchen Portofino befindet sich am Grund des Meeres eine geheimnisvolle Statue des Künstlers Guido Galetti: der Christus des Abgrunds.

Natürlich ist der Tauchgang das absolute Urlaubs-Highlight für Thomas. Er schildert mir in schillernden Details, wie er sich in den Abgrund hinabgleiten lässt. Es ist ein Spiel von Dunkelheit und Licht. Zunächst zeichnet sich ein Schatten am Meeresgrund ab. Dann werden die Konturen klarer. Die Sonne strahlt gerade hell genug, dass die Statue auch in 15 m Tiefe auf dem Foto gut zu erkennen ist. Da steht er, der Christus, mit erhobenen Armen und dem Gesicht zur Wasseroberfläche gerichtet. Ein Kunstwerk im Gedenken an einen dort vor einigen Jahrzehnten verunglückten Taucher.

Doch irgendwie ist diese Statue mehr als eine Erinnerung an ein vergangenes Unglück. Sie ist auch ein treffendes Bild dafür, wo dieser Jesus Christus ganz unerwartet zu finden ist. Nicht nur in den unvergesslich schönen Urlaubsmomenten, sondern gerade in den Abgründen des Lebens.

Vor allem in seinen letzten Tagen erlebte Jesus massiv das, was wir so gerne aus unserem Leben ausblenden würden. Er spürt Hass, wird Opfer einer Intrige, einer seiner engsten Vertrauten verrät ihn, ein anderer verleumdet ihn, er wird verspottet, zu Unrecht verurteilt, erlebt körperliches und seelisches Leid, geht durch tiefe Einsamkeit und weint bittere Tränen. Jesus durchlebt die Abgründe des Lebens, bis zum tiefsten Grund, dem Tod.

Paradoxerweise kommt Jesus uns damit gerade da unfassbar nah, wo wir ihn zunächst am meisten vermissen. Manchmal fühlen wir uns von Gott und Menschen verlassen.  Aber wie diese Statue am Meeresgrund ist Jesus da - in der Tiefe – unerwartet, ungebeten, ziemlich überraschend und gänzlich unaufdringlich. Und er bringt Hoffnung mit. Gebrochen wie die Sonnenstrahlen an der Wasseroberfläche. Dennoch unübersehbar. Die Abgründe des Lebens, ja sogar der Tod hat nicht mehr das letzte Wort. Das Leben hat bereits gewonnen.

Thomas wird diesen Tauchgang zum Christus des Abgrunds nie mehr vergessen. Ich hoffe genauso wenig zu vergessen, dass dieser Jesus Christus gerade in den Abgründen meines Lebens für mich da ist.

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

02JUN2024
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Was für eine Saison für den VfB Stuttgart. Vor einem guten Jahr noch sicherer Abstiegskandidat. Nun geht es in der kommenden Saison in der Champions League gegen die Besten Europas. Großartig, was den Fans dort am Neckar geboten wurde.

Doch wie wird aus einem verunsicherten Abstiegskandidaten eine Mannschaft, die die Bundesliga rockt?

Ganz viel hat das sicherlich mit Trainer Sebastian Hoeneß zu tun. Zunächst rettete sich die Mannschaft unter seiner Führung in die Relegation, um dann in der neuen Saison zu einem völlig unerwarteten Höhenflug anzusetzen. Die Mannschaft ist im Kern noch immer dieselbe. Aber sie versprüht einen ganz anderen Spirit. Da ist Teamgeist und Überzeugung zu spüren. Die Mannschaft geht furchtlos auf den Platz. Sie weiß, was zu tun ist und macht ihr Ding.

Mich erinnert das an die Mannschaft von Jesus, kurz nachdem auch sie eine scheinbar vernichtende Niederlage erlebt hat. Ihr Mannschaftskapitän Jesus stirbt am Kreuz. Jeder sieht die Jüngerinnen und Jünger in diesem Moment als klare Abstiegskandidaten.

Und so fühlen sie sich auch. Keiner setzt mehr einen Cent auf sie. Völlig verunsichert und verängstigt, ziehen sie sich vom Spielfeld zurück. Die Euphorie vergangener Tage ist verflogen. Alle Zukunftspläne sind mit einem Mal gestorben.

Doch dann die unglaubliche Nachricht: Jesus lebt. Was wie der finale Abpfiff ausgesehen hatte, wird zu einem neuen Anfang. Etwas ganz Neues startet. Leise kommt Hoffnung auf, gemischt allerdings mit vielen Fragen und Zweifeln.

In diesen Fragen und Zweifeln begegnet Jesus seinen Jüngern und spricht mit ihnen. Er baut sie auf und richtet ihren Blick wieder nach vorne. So spricht er davon, dass seine bis vor kurzem noch völlig verunsicherte Mannschaft eine Bewegung in Gang setzen wird, die die Enden der Welt erreichen wird.

Doch bevor sie wieder aufs Spielfeld gehen, sollen sie eines abwarten. Jesus sagt zu ihnen: „Ich aber werde die Kraft aus der Höhe auf euch herabsenden, wie mein Vater es versprochen hat. Bleibt hier in der Stadt, bis ihr damit ausgerüstet seid.“ Gemeint ist der Heilige Geist.

Kurze Zeit später wird das Realität. Und dieser neue Spirit verändert die Jüngerinnen und Jünger. Nehmen wir nur einen von ihnen. Petrus, ein einfacher Mann, der eben noch an seinem eigenen Anspruch kläglich gescheitert war. Plötzlich stellt er sich furchtlos auf den Marktplatz und predigt vor 1000en Menschen. Er und die anderen Jünger brennen auf dem Spielfeld und stecken viele mit ihrer Begeisterung an – was sie berichten, geht Menschen zu Herzen.

Auch der VfB Stuttgart hat in der abgelaufenen Saison Herzen gewonnen. Möge eine weitere erfolgreiche Saison folgen. Mit dem richtigen Spirit geht was. Der Spirit jedenfalls, der von Gott kommt, gibt uns die Power, mutig und furchtlos aufs Spielfeld des Lebens zu gehen.

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