Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

03AUG2023
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Ich sitze am Spielplatz und scrolle, tippe und wische mich von App zu App. Zwischendrin die Stimme meines fünfjährigen Sohnes. Er möchte, mir etwas zeigen. Ich grummle Zustimmung. Ich soll wirklich hinsehen und nicht aufs Handy schauen, bittet mein Sohn mich. Ich blicke kurz auf und nicke ihm zu. Kurz darauf schaue ich wieder auf mein Handy. „Papa, Handyverbot!“ schallt es auf einmal über den Spielplatz. Mein Sohn ist entrüstet, dass ich wieder nicht richtig hingesehen habe. Kleinlaut stecke ich mein Handy in die Hosentasche. Wie recht dieser kleine Mann doch hat.

Mein Sohn hält mir den Spiegel vor und sagt mir frei heraus, was er braucht: er will gesehen werden. Für Kinder ist das ganz besonders wichtig. Aber auch erwachsene Menschen brauchen das. Jeder von uns will gesehen werden.

Im Alten Testament sagt eine Frau namens Hagar über Gott: „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ Hagar war in große Not geraten und mit ihrem kleinen Sohn in die Wüste geflohen. Alles scheint aussichtslos und vergeblich. Hagar steckt in der Sackgasse. Doch als alles vorbei scheint, begegnet sie einem Boten Gottes. Er ermutigt Hagar zurückzukehren und verspricht ihr, für sie und ihren Sohn zu sorgen. Für diesen Gott ist Hagar nicht nur Luft. Dieser Gott ist ein Gott, der Hagar und ihren Sohn sieht. Hagar schöpft neuen Mut und geht im Vertrauen auf Gott weiter.

Aber auch wenn Hagar das hier so eindrücklich erlebt, ich bin mir manchmal gar nicht so sicher, dass Gott mich sieht. Wie meinen Sohn bewegt mich die Frage: Sieht er wirklich hin? Oder schaut er gerade zu allen anderen, aber zu mir nicht? Ich bete und frage Gott: Siehst du mich?

Auf der Suche nach einer Antwort auf diese Frage, lande ich bei einem Gespräch zwischen Jesus und seinen Jüngern über das Beten. Jesus sagt ihnen: „Wenn du betest, geh in dein Zimmer und schließ die Tür. Bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird dich dafür belohnen.“ Gebet ist bei Jesus keine Show für andere. Beim Beten geht es um mich und um Gott. Und Jesus sagt hier klipp und klar: Wenn du ganz allein in deinem Zimmer betest, dann sieht Gott dich. Beten bedeutet: Ich bin gesehen von Gott.

Dieser Gedanke macht etwas mit mir. Selbst wenn Gott mich nicht mit dem belohnt, was ich mir wünsche. Selbst wenn Gott nicht dafür sorgt, dass das Übel vorbei ist, was mir gerade so zusetzt. Es macht etwas mit mir, zu wissen, dass ich gesehen bin mit all dem, was gerade los ist in meinem Leben.

Kürzlich hatte ich eine Situation auf der Arbeit, die mir sehr zugesetzt hat. Als ich Gott das einfach so frei raus erzählt habe, habe ich gespürt, wie mein Herz schon bald ruhiger geworden ist. Ich konnte wieder klarer denken und nicht nur Sackgassen, sondern Möglichkeiten entdecken. Gott sieht mich und das setzt neue Kräfte in mir frei.

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