Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Schon ziemlich gestresst biege ich auf den Parkplatz des Supermarkts ein. Entsetzt betrachte ich das rege Treiben. Leider habe ich zuvor beim Einkaufen die Erdbeeren für den Kuchen vergessen. Ein Blick meiner Frau genügte und ich war schon wieder unterwegs. Verflixt, wir sind eingeladen. Jetzt muss es schnell gehen. Aber alle Parkplätze sind belegt. Und ich bin nicht der Einzige, der sich auf Parkplatzsuche befindet. Einige andere Autos kreisen schon wie Habichte um ihre Parkplatz-Beute.
Alle Sinne laufen auf Hochtouren. In der nächsten Reihe leuchten die Rücklichter eines roten Golfs auf. Das bemerke nicht nur ich, sondern auch der Fahrer eines grauen BMWs. Den anderen fest im Blick positionieren wir uns – beide gewillt, diesen Parkplatz für sich zu ergattern. Der rote Golf setzt zurück. Nun bin ich taktisch im Vorteil, denn der Golf parkt in Richtung meines Gegners aus. Ich gebe Gas und schieße in die freigewordene Parklücke. Meins. Mit einem Gefühl des Triumphs steige ich aus und marschiere betont lässig am BMW vorbei Richtung Supermarkt.
„Hier ist kein Platz für uns beide.“ Auf dem Parkplatz, in der Mannschaft, im Freundeskreis, im Auswahlverfahren der Firma oder bei der Partnerwahl. In der Regel schalten wir in solchen Situationen in den Kampfmodus. Ich will nicht zu kurz kommen. Im Gegenteil: Ich will das Beste für mich rausholen.
Im Alten Testament kommen Abraham und sein Neffe Lot in eine ähnliche Situation. Auf dem Land, wo sie sich als Nomaden niedergelassen haben, ist kein Platz für sie beide. Zwischen ihren Viehhirten kommt es immer wieder zu Streit.
Abraham schlägt vor, sich zu trennen. Als Onkel hätte er nun das Recht zu bestimmen, wer von ihnen wohin geht. Und natürlich auch, sich das bessere Stück Land zu sichern. Doch Abraham lässt völlig entspannt seinen Neffen entscheiden. Ich schüttele innerlich den Kopf und frage mich: Was denkt Abraham sich? Warum gönnt er seinem Neffen die erste Wahl?
Ich denke, das hat mit einem Versprechen zu tun. Abraham trägt es in seinem Herzen. Gott hatte zu ihm gesagt: „Ich will dich segnen und deinen Namen groß machen, so dass du ein Segen sein wirst.“. Und Abraham hatte tatsächlich schon etwas davon erlebt. Dadurch ist der Druck weg, sich selber auf Kosten anderer groß zu machen.
Bis heute ist Gott ein Gott, der segnet. Ein Gott, der versorgt. Ein Gott, der Menschen groß macht. Und der dafür sorgt, dass Menschen ein Segen für andere werden.
Ein Herz, das diese Versprechen Gottes kennt, kann entspannt gönnen. Nicht, weil ich nicht für mich eintreten könnte oder dürfte. Sondern weil ich weiß: Für mich ist gesorgt und wird es immer sein.
Ehrlich gesagt würde es auf dem Supermarktparkplatz auch deutlich weniger Nerven kosten, demnächst statt einer Kampfansage ein Lächeln zum BMW-Fahrer zu schicken: „Bitteschön, nimm du den Parkplatz.“ Denn eigentlich ist der Parkplatz groß genug für uns beide.
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