Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Abends gehe ich gerne noch ein paar Schritte um den Block. Auf dem Weg durch die Nachbarschaft sehe ich einen Mann am Gartentor stehen. Wir kennen uns flüchtig. Kurz grüßen wir uns und ich wünsche ihm noch einen schönen Tag.
Im Weitergehen höre ich seine Frau durch die Hecke. Sie fragt ihren Mann erstaunt: „Sowas gibt´s noch? Wer hat dir denn da so freundlich einen schönen Tag gewünscht?“ Jetzt bin ICH überrascht. Kurz freue ich mich, dass ich offensichtlich positiv aufgefallen bin. Im nächsten Moment frage ich mich, wie so eine kleine Geste zu so großem Erstaunen führen kann. Das ist doch selbstverständlich. Oder doch nicht?
Vielleicht haben wir ja ein kleines Freundlichkeitsproblem?
Ich gebe zu. Ich grüße auch nicht jedes Mal und jeden am Gartentor. Je nachdem wer mir vorher begegnet ist und was ich schon mit Menschen erlebt habe, geht es auch bei mir mal freundlich zugewandt und mal weniger freundlich zugeknöpft zu. Wenn ich selber eine freundliche Begegnung erlebt habe, fällt es mir leichter, das an einen anderen Menschen weiterzugeben.
Freundlichkeit spielt auch in der Bibel eine große Rolle. Der Gott der Bibel wird als freundlicher Gott beschrieben: „Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich.“ So schreiben es die Psalmbeter immer wieder. Sie erleben einen Gott, der ihnen freundlich zugewandt ist und der sie mit Freundlichkeiten beschenkt. Im Neuen Testament wird die Freundlichkeit neben Dingen wie Liebe, Freude und Frieden als etwas benannt, das Gott im Leben von Menschen stärken möchte. Dieser freundliche Gott schenkt auch Menschen ein freundliches Herz.
Eigentlich ist es gar nicht so schwer, mit Freundlichkeit einen Unterschied zu machen. Drei Möglichkeiten will ich hier nennen:
Lächeln – ich lächle gerne Menschen an, an denen ich vorbeigehe. Besonders solche Menschen, die ein bisschen grimmig gucken. Weil ich glaube, dass sie so grimmig gucken, weil sie noch nicht genügend angelächelt worden sind.
Danke und Bitte sagen – auch bei Leuten, wo man denkt: Das ich doch deren Job. Die Kassiererin im Supermarkt, der Busfahrer und ja, auch der Mann an der Tankstellen-Kasse, der mir eine horrende Summe abknöpft, freuen sich über ein Dankeschön. Und auch ein freundliches „Bitte“ öffnet so manche Tür.
Komplimente machen – wenn ich bei Menschen, etwas Positives entdecke, versuche ich nicht nur darüber nachzudenken, sondern es auch auszusprechen. Letztens habe ich eine Ticket-Kontrolleurin im Zug beobachtet, die mehreren Kindern nacheinander seelenruhig erklärt hat, wie sie ihr Schüler-Ticket aktualisieren können. Das fand ich wirklich stark und das habe ich dieser Frau dann auch gesagt.
Die Gesichter, in die ich nach einem Lächeln, einem Danke, einem Bitte oder einem Kompliment schaue, gucken zwar manchmal etwas verdutzt. Ganz oft kommt aber ein Lächeln zurück. Mit Freundlichkeit die Welt ein kleines bisschen schöner machen, ist eigentlich ganz leicht. Einfach mal machen.
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