Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR1

     

SWR2

    

SWR3

  

SWR4

      

Autor*in

 

Archiv

SWR2 Lied zum Sonntag

12MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Den Muttertag feiere ich immer auch als einen großen Dank an das Leben. Und ein Lied bringt diesen Dank für mich ganz besonders zum Ausdruck. Es ist für mich eng verknüpft mit der Geschichte von drei Frauen, die auch alle Mütter gewesen sind. Darüber hinaus aber auch Künstlerinnen, Kämpferinnen, Sängerinnen mit einer musikalischen und einer menschlichen Botschaft:  

Gracias a la vida que me ha dado tanto
Me dio dos luceros, que cuando los abro,
Perfecto distingo lo negro del blanco
Y en alto Cielo su fondo estrellado
Y en las multitudes la hombre que yo amo

Die unverwechselbare Stimme von Joan Baez hat zum Soundtrack meiner Jugend gehört. Ich konnte alle ihre Lieder auswendig, und obwohl ich kein Spanisch kann, habe ich auch dieses mitgesungen: Gracias a la vida: „Danke für das Leben, es hat mir so viel gegeben.“ Der Samba-Rhythmus ging direkt in die Beine: Das Leben, ein Tanz, ein Fest! Und so viel Leichtigkeit! Dasselbe Lied kann aber auch ganz anders klingen:

Gracias a la vida que me ha dado tanto
Me dio dos luceros, que cuando los abro,
Perfecto distingo lo negro del blanco
Y en alto Cielo su fondo estrellado
Y en las multitudes la hombre que yo amo

Wenn Mercedes Sosa das Lied anstimmt, spüre ich hinter den Worten auch eine tiefe Traurigkeit. Der Dank kommt nicht leichtfüßig und schwungvoll daher, sondern ist dem Leben abgerungen. Und klingt trotzdem kraftvoll und schön. Das passt zur Entstehungsgeschichte des Liedes: Denn die Chilenin Violeta Parra war mit ihren Lebenskräften am Ende, als sie es geschrieben hat. Es ist ihr letztes Lied. Noch keine 50 Jahre alt, hat sie es 1967 kurz vor ihrem Tod herausgebracht. So ist es zu ihrem musikalischen Vermächtnis geworden: Ein Lied voller Schmerz, der sich aber vom Leben in die Arme nehmen lässt:   

Ich danke dir, Leben, hast mir so viel gegeben,
durfte lachen und schweben trotz aller Stürme und Beben.
Auch einsame Stunden und schmerzvolle Wunden,
doch du wolltest mich führen, mich selbst zu erspüren,
unter funkelnden Sternen das Lieben zu lernen.

Wie ein Gebet hört sich das für mich an, dieser Dank an das Leben aus dem Mund von Konstantin Wecker. Und gerne gebe ich diesen Dank heute weiter an alle Mütter, die das zerbrechliche, kostbare Leben über die Generationen hinweg weitergeben. Danke für das Schöne, danke für das Schwere! Gracias a la vida!

----------------------------

Musikangaben:

Text und Melodie: Violeta Parra (1967)
Aufnahmen:
Joan Baez, Gracias a la vida
Mercdes Sosa, Gracias a la vida
Konstantin Wecker, Gracias a la vida 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39887
weiterlesen...

SWR3 Worte

12MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Wenn Besuch kommt, versuche ich, dass meine Wohnung aufgeräumt ist. Muss es bei mir innerlich genauso ordentlich sein, wenn ich Gott begegnen will? Die englische Nonne Mary Clare hat dazu diesen Gedanken:

Wenn du im Gebet vor Gott hintrittst, dann kannst du ihm nichts vorenthalten. Du begibst dich in diesem Augenblick mit jedem Menschen, Ereignis, Gedanken und Gefühl vor Gott, die dein Leben ausmachen, also auch mit deinem Chaos.
Mein Gebet besteht eigentlich nur aus einem Satz: Hier bin ich, ein vollkommenes Durcheinander.

Patrizia Collard, Sei achtsam

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39872
weiterlesen...

SWR1 Begegnungen

12MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in
Marion Bohner copyright: Manuela Pfann

Manuela Pfann trifft die Mutter und Landwirtin Marion Bohner aus Bad Waldsee

Am Muttertag heute spreche ich mit der Landwirtin Marion Bohner aus Bad Waldsee. Es ist gar nicht so leicht, mit ihr einen Termin zu finden. Weil sie viel unterwegs ist. Zwischen Kuhstall, Kindern und Küche, zwischen Zweit-Job und ehrenamtlichem Engagement. Wie das alles gut funktionieren kann, das erzählt sie mir bei einem Kaffee vor dem Haus. Im Hintergrund: Vogelgezwitscher, Traktoren und ab und zu muht eine ihrer 45 Milchkühe.

Also der Alltag erfordert ein gewisses Maß an Organisation und Flexibilität. … Wir haben einen Familienkalender, wo jeder einfach eintragen kann, was für Termine sind, so dass wir das gemanagt kriegen.

Für mich sieht es hier nach Idylle aus: grüne Wiesen und blühende Obstbäume, Marion hat die Hofkatze auf dem Schoß – und erklärt mir, wie das hier so läuft:

Das ist ein Familienbetrieb und da müssen einfach alle ran. Anders geht's nicht. Das bringt Vor- und Nachteile mit sich. Insgesamt finde ich es super, dass wir eigentlich jeden Tag drei Mahlzeiten zusammen einnehmen.

Zur Tischgemeinschaft gehören Marion und ihr Mann Klaus und die beiden Kinder im Teenageralter. Die andere Seite ist: Auf dem Hof gibt es keine Pause, die Arbeitswoche hat sieben Tage. Und wenn’s eng wird, hilft der über 80-jährige Schwiegervater noch mit. Marion sagt es ganz ehrlich:

Das sind schon auch Sachen, mit denen wir manchmal hadern, wenn wir hören, dass andere eben spontan übers Wochenende wegfahren.

Und trotzdem: Sie liebt die Arbeit auf dem Hof. Aber die Bedingungen für kleine Familienbetriebe sind schwierig. Marion Bohner will, dass sich was ändert: Weniger Bürokratie, mehr Planungssicherheit, und dass Bio-Betriebe wie ihrer mehr gefördert werden. Deshalb sitzt sie seit drei Jahren im Präsidium eines großen internationalen Bioland-Verbands. Das bedeutet aber für die Familie: Sie ist regelmäßig unterwegs. Und dann ist ihr Mann zuhause gefragt.

Das ist ein ganz wichtiger Faktor für mich, dass ich mich da einfach auch darauf verlassen kann, dass das daheim dann auch läuft, dass er mir da den Rücken freihält und ich schätze das sehr.

Bei Bohners ist es normal, dass der Papa auch mal kocht oder mit den Kindern zum Zahnarzt geht. Am Ende muss einfach alles passen.

Ich bin ein großer Fan von Gleichberechtigung, egal was jetzt auch eben Hausarbeit oder was auch immer betrifft. Allerdings finde ich es auch manchmal so ein bisschen schräg, wenn man dann die Männer so in den Himmel lobt, weil die jetzt einen Elternabend besuchen oder so.

Ebenso pragmatisch ist Marions Blick auf den heutigen Muttertag und ihre Antwort auf meine Frage, ob ihr der Tag wichtig ist.

Also im Zweifelsfall wäre mir eine ordentliche Absicherung im Alter usw. wichtiger für die Mütter als der Blumenstrauß, wenn ich jetzt wählen könnte. Also ich denke, da gibt es viel Nachholbedarf, auch in der Landwirtschaft.

Marion arbeitet deshalb zwei Tage in der Woche zusätzlich in einer medizinischen Einrichtung. Das tut auch der Familienkasse gut. Denn bei ihnen ist es wie bei vielen kleinen Familienbetrieben: Finanziell ist es immer eng.

 

Ich spreche heute mit Marion Bohner aus Bad Waldsee. Sie ist Landwirtin, Mutter, engagiert bei den katholischen Landfrauen - und vertritt klare Positionen, nicht nur bei den Sitzungen in ihrem Bioverband.

Also ich bin dieses Jahr schon auf die Straße gegangen gegen die neue Gentechnik zum Beispiel. Und dann eben jetzt auch gegen Rechtsradikalismus. Einfach, wo ich sage, okay, das sind die Werte, die mir wichtig sind.

Beim Thema „Proteste“ kommen wir beide dann schnell ins Gespräch über Subventionen. Sind die denn wirklich notwendig, frage ich sie?

Um die kleineren, die familiengeführten Betriebe halten zu können, müssen wir entweder sagen: Okay, diese Subventionen, die brauchen wir weiter, dass die Lebensmittel einigermaßen günstig bleiben können. Oder wir müssen uns überlegen, ob diese hochwertigen Lebensmittel uns einfach nicht ein bisschen mehr wert sind.

Ich möchte es konkret wissen: Wieviel Cent müssten bei ihr auf dem Hof für den Liter Milch ankommen, damit das wirtschaftlich ist? Da gibt es einen Orientierungspreis sagt sie mir; der liegt gerade bei 69 Cent.

Und unser Milchpreis in Deutschland schwankt da gerade so zwischen, ich sage mal, zwischen 52 und 62 Cent.

Und da sind die Subventionen schon miteingerechnet. Ich kann gut verstehen, dass Marion Bohner auch deshalb viel Energie in ihr Ehrenamt beim Verband steckt und sich für Veränderungen einsetzt.

Deutschland ist ein Land, in dem Lebensmittel sehr billig sind und sehr billig sein sollen, dass wir einfach alle noch genug Geld übrig haben für sonstigen Konsum. Da würde ich mir einfach mehr Wertschätzung für diese Lebensmittel, für die wir wirklich jeden Tag früh aufstehen, wünschen.

Vor gut 100 Jahren hat der Uropa von Marions Mann das Land in Bad Waldsee in Oberschwaben gekauft. Seither bewirtschaftet es die Familie. Ich finde es bemerkenswert, wie die beiden mit diesem Erbe umgehen.

Diese Fläche, die wir da von den Vorgenerationen übernommen haben, das ist für uns nicht nur Besitz und Wert, sondern eben auch Verantwortung. Wir wollen da auch was zurückgeben. Also wir holen da jetzt nicht nur runter, sondern wir wollen eben für diesen Grund und Boden gut sorgen; in der Zeit, in der wir dafür verantwortlich sind.

Auch deshalb haben die Bohners den Hof vor über zehn Jahren auf ökologische Landwirtschaft umgestellt. Die Kühe sind mit viel Platz im Kompost-Stall und die Wiesen werden ohne chemischen Dünger bewirtschaftet. Das ist ihr Weg, die Schöpfung zu achten und zu bewahren.

Diese Haltung spüre ich auch, als wir in den Stall gehen. Marion nennt die Kühe liebevoll „meine Mädels“. Und dann erzählt sie mir zum Abschluss vom schönsten Tag im Jahr für sie auf dem Hof:

Wenn wir da das erste Mal die Kühe rauslassen, dass ist echt ein Highlight vom Jahr. Das sind zum Teil Tiere mit 800 bis 1000 Kilo. Ja und wenn man dann da so eine riesen Fleckvieh-Kuh wie einen Gummiball über die Wiese hüpfen sieht und sieht, was die für Riesenfreude haben, dass die da jetzt rauskommen und die dann im Stall schon schier durchdrehn, weil die genau wissen: okay, jetzt ist es dann bald so weit. Das ist einfach schön!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39871
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

12MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Die Menschen hatten keine Wahl - vor acht Wochen in Russland. Das Ergebnis der sogenannten Präsidentschaftswahlen stand schon vorher fest. Dass diese Pseudowahl trotzdem ernsthaft inszeniert wurde, hab ich vor allem als großes Kompliment verstanden. Als Kompliment für jede echte Demokratie, die in einer freien Entscheidung einfach die beste aller Möglichkeiten sieht, wichtige Posten neu zu besetzen. So attraktiv offenbar, dass sich auch Diktatoren – nicht nur in Russland – durch Fake-Wahlen legitimieren wollen.

Nun sind auch die Kirchen, besonders die katholische, keine wirklichen Demokratien. Aber Wahlen kennen sie doch. Und deren Ergebnis steht, anders als in Russland, keineswegs schon vorher fest. Ob es um die Wahl eines neuen Papstes geht, einer neuen Kirchenpräsidentin oder von Gemeinderäten vor Ort. Es sind echte Wahlen. Und die gab es sogar schon am Anfang der Kirche. Davon erzählt eine Geschichte, die heute in den Katholischen Gottesdiensten zu hören ist. Einer der zwölf Apostel, Judas Iskariot, hatte seinen Freund und Meister Jesus an die jüdischen Behörden verraten. In der Runde der Zwölf hatte er nichts mehr verloren. Ersatz musste her. Und so haben die verbliebenen Elf dann zwei Kandidaten aufgestellt, die sie beide für geeignet hielten, die Runde wieder zu ergänzen. Der eine hieß Josef, der andere Matthias. Bloß, zu einer Wahl, wie wir sie heute kennen, ist es dann doch nicht gekommen. Stattdessen haben sie inständig gebetet und Gott gebeten, das doch bitte für sie zu entscheiden. Schließlich kenne Gott ja jeden Menschen in- und auswendig. Wie das gehen kann? In der Bibel heißt es nur: Sie warfen das Los über sie; das Los fiel auf Matthias. (Apg 1,26) Eine zugegeben etwas fragwürdige Art zu wählen. Und auch eine, die heute wohl kaum noch akzeptabel wäre. Nicht nur bei Menschen, die eh nicht an Gott glauben. Ich kenne das ja aus meinem Job. Wenn etwa in kirchlichen Gremien Posten neu zu besetzen sind, dann gibt es Personalvorschläge, Personalbefragungen und –beratungen. Von wegen „Los werfen“. Ein möglichst genaues Bild möchte man sich machen. Wer wählt, will wissen, wie der Andere tickt. Was sie oder er so draufhat. Und doch gaukelt man sich nicht selten auch eine Objektivität vor, die es schlicht nicht gibt. Denn meine Wahlentscheidung hat viel damit zu tun, wie sympathisch mir jemand ist. Das ist nicht verkehrt. Aber oft ist das das entscheidende Kriterium. Viel mehr, als wir uns eingestehen. Ob Beten da hilft? Wäre es also doch besser, die Entscheidung öfter mal Gott zu überlassen?

 

Vor einer Abstimmung beten. Das gibt’s auch heute noch. Bevor ein neuer Papst gewählt wird erscheint das irgendwie selbstverständlich. Aber auch eine neue Legislaturperiode im Bundestag beginnt traditionell noch immer mit einem Gottesdienst. Als sich das Parlament, in dem über entscheidende Fragen für unser Land abgestimmt wird, vor drei Jahren neu konstituiert hat, fand vor der ersten Sitzung ein ökumenischer Gottesdienst statt. Rund 150 Abgeordnete haben daran teilgenommen. 150 von 734. Immerhin also fast jeder fünfte. Ob sie da auch um gute Entscheidungen gebetet haben? Ich weiß es nicht. Aber vor wichtigen Abstimmungen nochmal zu beten finde ich prinzipiell gut. Wer betet, gesteht sich ja ein, dass er nicht nur Menschen, sondern auch Gott gegenüber verantwortlich ist. So steht es auch in der Präambel unseres Grundgesetzes: In Verantwortung vor Gott und den Menschen, heißt es da. Wenn ich bete, mache ich mir klar, dass ich nicht der allmächtige Macher bin. Dass da eine Macht ist, die unendlich viel größer ist als ich. Wer betet, wird auch demütig. Vielleicht nicht die schlechteste Voraussetzung für Leute, deren Entscheidungen das Leben vieler Menschen tangieren. Und wenn ich bete, trete ich mein Votum ja auch nicht an Gott ab. Sage nicht: „Mach du mal, du kannst das besser.“ Nicht Gott ist es, der abstimmt und entscheidet, sondern immer noch ich. Ich kann meine Verantwortung nicht an Gott delegieren, mich nicht hinter Gott verstecken. Ich allein bin verantwortlich für das, was ich entschieden habe – vor meinen Mitmenschen und vor Gott.

Natürlich heißt das nicht, dass alle, die nicht glauben, nicht beten, die keinen Gottesdienst besuchen, schlechtere Entscheidungen fällen. Dass sie nicht genauso ernsthaft und überlegt abstimmen würden. Gläubige sind weder bessere Menschen, noch bessere Politiker. Aber sie wissen sich eben in ein größeres Ganzes eingebunden. Als Glaubender weiß ich, dass es nie nur von mir abhängt. Dass ich allein vieles nicht in der Hand habe. Ganz gleich, ob es um große, weltbewegende Entscheidungen geht, oder um die kleinen, privaten Fragen. Ich kann alles tun, dass eine Freundschaft ein Leben lang hält. Ich kann meine Kinder unterstützen, so gut es geht, damit aus ihnen starke, soziale Persönlichkeiten werden. In der Hand habe ich allein es am Ende nicht. Und letztlich kann mich das sogar gelassener machen. Denn wenn ich alles Menschenmögliche versucht und alles getan habe und am Ende dennoch damit scheitere, kann ich alles Weitere in Gottes Hand legen. Kann ihm sagen: Ich bin mit meinem Latein am Ende, komme nicht mehr weiter. Nun liegt es bei dir. Mach das Beste daraus.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39833
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

11MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

"Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“ So sagte der Fuchs zum kleinen Prinzen. Haben Sie diesen Satz auch schon so oft gehört? Und natürlich „sieht man nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“. Immer wieder müssen die weisen Sätze von Antoine de Saint Exupéry herhalten, wenn Menschen keine eigenen Weisheiten einfallen. Vor allem bei standesamtlichen Hochzeiten höre ich sie immer wieder. Ich denke manchmal, die ansonsten eher nüchterne Zeremonie soll dadurch etwas Feierliches bekommen und vor allem soll der Ehe damit ein Sinn zugesprochen werden. Aber funktioniert das mit immer gleichen Geschichten ohne Bezug auf einen Schöpfer, einen göttlichen Grund?

Die klassische „Sinn-Agentur“ war bei Eheschließungen und an anderen Schlüsselmomenten des Lebens die Kirche. Und in solchen Momenten wird mir auch wieder deutlich, warum das so ist. Der Glaube an Gott gibt unserem Leben einen Sinn, die Lehre Jesu und die Geschichten der Bibel geben mir Deutungsmuster für das, was im Leben passiert. Wir Menschen suchen zeitlebens nach Sinn und finden ihn darin, dass wir kein Zufall und keine Laune der Natur sind, sondern von Gott geschaffen und gewollt. Sein Sohn Jesus hat uns gelehrt, unser Leben für andere einzusetzen und ihm so einen Sinn zu verleihen.

Es ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen, dass sich die Einwohner wohlhabender Länder schwerer tun mit der Frage, was ihrem Leben einen Sinn gibt als etwa Menschen aus ärmeren Teilen der Welt. Denn ein Gefühl von Sinn spendet hauptsächlich der Glaube. Je reicher und gebildeter die Bevölkerung, desto mehr mache man den Sinn des Lebens an der Selbstverwirklichung des Einzelnen fest, so die Forscher. An die sinnstiftende Kraft des Glaubens reichten Individualität und Bildung aber nicht heran.

Unsere Zeit braucht Widerstand gegen die Sinnlosigkeit mehr denn je. Sie ist so verbreitet wie nie zuvor. Menschen, die an ihr erkrankt sind, finden Heilung darin, dass diese nicht das letzte Wort hat und darin, dass sie gebraucht werden. Sinn ist heilsam wie eine Medizin und nichts möchte Gott mehr als Menschen, die heil sind und auch anderen helfen können, heil zu werden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39896
weiterlesen...

SWR3 Worte

11MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Der Fernseharzt und Moderator Dr. Johannes Wimmer hat das Schlimmste erlebt, was Eltern passieren kann: Seine Tochter Maximilia starb mit nur neun Monaten an einem unheilbaren Hirntumor. Für ihn war es enorm wichtig mit Menschen über seine Trauer zu sprechen. Johannes Wimmer sagt:

Es gibt genug Menschen, weil sie auch niemand zum Reden haben, niemand zum Verarbeiten, die schieben das immer vor sich her und sind nach zwei Jahren […] als wäre die Person gestern gestorben. Weil sie verharren in diesem Zustand. […] und wenn wir nicht miteinander reden, das passiert immer mehr, dann rutschen wir in eine Einsamkeit, und Einsamkeit ist sogar medizinisch nachweislich nicht gut – wir brauchen uns. […] Dafür sind Menschen da. Es hilft dem Gegenüber und es hilft auch oft mir. […] Menschen brauchen Menschen.“

Quelle: https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=38708, Ausdruck vom 30.04.2024 um 9:45 Uhr

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39863
weiterlesen...

SWR3 Gedanken

11MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Melanie hat entschieden, dass sie die Sache mit den Geburtstagsgeschenken mal ein Jahr lang grundsätzlich anders macht.

Also steht Melanie vor meinem Mann und gratuliert ihm. Sie übergibt ihm eine selbstgebastelte Karte. Vorne ist eine Foto-Collage drauf und hinten hat sie buntes Tonpapier aufgeklebt. Dazu sagt Melanie: „Lies mal. Ich hoffe du freust dich!“

Mein Mann liest vor: „In einer Zeit, in der wir alles haben und kaufen können, viel Zeug und wenig Zeit haben, ist das Schenken schwierig geworden. Womit kann ich noch Freude bereiten? Nichts zu schenken ist keine Alternative für mich, denn geteilte Freude ist doppelte Freude. In deinem Namen spende ich für ein soziales Projekt in Tansania. Betrag: 15 Euro.“

Mein Mann findet das gut, er freut sich. Und dann kommen wir natürlich ins Gespräch. Melanie erzählt, dass sie bei einem 50. Geburtstag eingeladen war und so ein typisches Sammelgeschenk mitfinanziert hat. Am Ende hat sie das große Geschenk fürs Geburtstagskind einfach nur Panne gefunden. So was will sie jetzt nicht mehr unterstützen. Zumindest mal ein Jahr lang nicht. So lang will sie nicht mehr rumüberlegen müssen, was sie wem schenkt, sie verschenkt einfach immer ihre persönliche Spende.

Von Melanie erfahre ich: man kann sich ganz bewusst entscheiden, und sich selbst dabei sogar noch schonen. Man kann einen guten Zweck unterstützen und gleichzeitig Freude schenken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39850
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

11MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Von Alkohol abhängig sein – das ist ein Tabu-Thema. Als wäre es eine Schande, alkoholkrank zu sein. Umso bemerkenswerter, mit welcher Offenheit Uli Borowka über seine Krankheit spricht. Ich bin Fußball-Fan und erinnere mich an ihn aus seiner Zeit als aktiver Sportler. So Ende der 80’er, Anfang der 90’er bei Werder Bremen: da war er ein ganz Großer. Die „Axt“ hat man ihn genannt: ein zarter Hinweis darauf, wie kompromisslos der Mann als Abwehrspieler war. Als Fußball-Fan habe ich sein Leben nur von außen mitbekommen: erfolgreich, deutscher Meister, sogar Nationalspieler. Hinter den Kulissen hat es ganz anders ausgeschaut: seine Familie hat darunter gelitten, wenn er ausgerastet ist, weil er wieder zu viel getrunken hatte. Aber dass er ein ernsthaftes Problem hat und für andere zum Problem geworden ist – das hätte er sich nie eingestanden. Erst nach Jahren haben es alte Freunde irgendwie geschafft, ihn zum Entzug in einer Klinik einzuliefern. Wie gut, wenn einer solche Freunde hat! Er musste monatelang in der Klinik bleiben. Viel Zeit, um sich zu besinnen und alte Verhaltensmuster mühsam abzutrainieren.

Ich finde es beeindruckend, wenn sich jemand traut, einzugestehen: „Ich schaff das nicht allein. Ich brauche Hilfe.“ Das ist schwer – gerade wenn man lange versucht hat, nach außen so rüberzukommen, als hätte man alles im Griff. Oft erzählen das ja auch die Angehörigen von Alkoholkranken: wie das unendliche Kraft gekostet hat, über Jahre nach außen die heile Welt vorzuspielen. Auch die Familien brauchen Hilfe.

Das finde ich eine Aufgabe für unsere Gesellschaft, für Nachbarschaften, Vereine und Kirchengemeinde: dass Betroffene andere Menschen erleben können, die aufmerksam hinhören und hinschauen. Die nicht von oben herab urteilen, aber schon Klartext reden. Die bereit sind, das zu unterstützen, wenn sich einer traut, sein Leben umzukrempeln. Und nicht noch einen dummen Spruch bringen, wenn der beim Feiern keinen Alkohol mehr trinkt. Borowka ist inzwischen über 20 Jahre trocken. Er hält Vorträge und geht in Schulen, um seine Geschichte zu erzählen. Er will Leute ermutigen: Traut euch, euch Hilfe zu holen. Das ist keine Schande, sondern die einzige Chance auf ein neues Leben. Für euch und für eure Familien.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39825
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

11MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Muss ich eigentlich immer Leistung bringen, um anerkannt zu werden?“ hat neulich einer meiner Schüler gefragt. Ich unterrichte in einer achten Klasse evangelische Religion. Die Jugendlichen habe ich gefragt: Welche Fragen treiben euch um – womit sollen wir uns im Religionsunterricht mal beschäftigen?

„Muss ich eigentlich immer Leistung bringen, um anerkannt zu werden?“ Schnell hat einer der Schüler diese Frage formuliert. Sie hat mich gefreut – und bestürzt. Denn vor mir sind doch Jugendliche – die noch nicht den vollen Leistungsdruck unserer Gesellschaft spüren sollten. Ihr Schulalltag aber ist bestimmt von Klassenarbeiten und Hausaufgaben, von Rangeleien untereinander und der Suche nach einem Praktikumsplatz im Sommer. Und immer wieder werden sie gefragt, was sie später werden wollen und ob ihre Leistungen dafür ausreichen. Da liegt es eigentlich auf der Hand zu fragen: „Muss ich eigentlich immer Leistung bringen, um anerkannt zu werden?“

Ich freue mich darauf, mit den Jugendlichen dieser Frage nachzugehen. Denn sie passt perfekt in den Religionsunterricht. Da geht es schließlich um die großen Fragen des Lebens: Wer bin ich und von wem lasse ich mir sagen, wer ich bin? Was gibt meinem Leben Sinn? Worauf hoffe ich? Und was trägt mich, selbst wenn ich mal scheitere? Gemeinsam nach Antworten zu suchen und dabei noch mehr Fragen zu finden, das begeistert mich. Und ich bin überzeugt, auch für die Jugendlichen lohnt es sich, diesen Fragen nachzugehen. Meine Erfahrung ist: Bekomme ich Anerkennung oder Respekt dafür, dass ich etwas Bestimmtes erreicht oder geleistet habe, dann macht mich das stolz. Ich freue mich, dass andere etwas wahrnehmen und wertschätzen, in das ich viel Arbeit oder Liebe hineingesteckt habe. Aber als Christin glaube ich auch: Die größte Anerkennung wird mir geschenkt. Ganz unverdient und ohne eigenes Zutun. Ich werde geliebt, so wie ich bin – von Menschen und von Gott. Das kann ich mir nicht erarbeiten, nur annehmen und wertschätzen. Gott sei Dank.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39771
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

10MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich lese: „Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten.“ So steht es auf einer babylonischen Steintafel aus ca. 1000 Jahren vor Christi Geburt. Ein Beweis dafür, dass es zu allen Zeiten pessimistische Stimmen gab über die „Jugend von heute“.

Viele Jahrhunderte später war die Kriegsgeneration entsetzt über die 68er und ihre wilde Musik. Diese wiederum waren entsetzt über die mehrheitlich unkritische, nur nach Konsum strebende „Generation Golf“ und heute besteht der Gegensatz zwischen den sogenannten Babyboomern und der Generation Z, die in aller Munde ist. Ich bin selbst drin in dieser Auseinandersetzung – mit 52 Jahren als Vater zweier Töchter. Und auch bei meiner Arbeit fordert mich diese Generation mit ihren anderen Werten und Ansichten.

Was kann man denn über die „Gen Z“, wie sie auch genannt wird, sagen? Erstmal: Sie ist immer online. Das reale Leben ist mit dem digitalen verschmolzen. Das geht einher mit enormem Leistungsdruck, weil die jungen Menschen sich permanent über Social Media mit dem (vermeintlich) schönen Leben der anderen vergleichen, sich schlecht fühlen und getroffene Entscheidungen wieder in Frage stellen. Überhaupt: Es gibt viel zu viele Möglichkeiten, zu viel Information und zu wenig Zeit, um in Ruhe über Entscheidungen nachzudenken. Egal ob es also um eine Verabredung oder einen neuen Job geht. Jede Entscheidung ist nur ein Zwischenstand, bis womöglich etwas Besseres kommt.

Aber ist dies wirklich so schwer verständlich? Mir scheint das allgemein menschlich zu sein und in dieser Generation lediglich noch etwas stärker zugespitzt als dies früher der Fall war.

Der beste Weg ist ins Gespräch zu gehen und Wege suchen, uns gegenseitig zu verstehen. Dann werden beide Seiten merken, dass viele unserer Werte gar nicht so weit voneinander entfernt sind. Wir Alten können Stärken fördern, das Positive sehen und die Kritik der Jungen an uns heranlassen – Zukunft gemeinsam gestalten muss das Motto sein!

Der Jugendforscher Simon Schnetzer sieht dann auch eine Eigenschaft der Gen Z, die vielleicht unerwartet kommt und uns Ältere mit ihr zusammenbringen kann: Sie sucht die Geborgenheit der Familie. Dieser Rückhalt ist ihr extrem wichtig, da so viele Beziehungen heute nur digital gepflegt werden, im realen Leben oft nicht belastbar sind. Wer nimmt dich in den Arm, wenn es dir schlecht geht und ein Like nicht hilft? Gerne jemand von uns Boomern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39895
weiterlesen...