Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

11MAI2024
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Von Alkohol abhängig sein – das ist ein Tabu-Thema. Als wäre es eine Schande, alkoholkrank zu sein. Umso bemerkenswerter, mit welcher Offenheit Uli Borowka über seine Krankheit spricht. Ich bin Fußball-Fan und erinnere mich an ihn aus seiner Zeit als aktiver Sportler. So Ende der 80’er, Anfang der 90’er bei Werder Bremen: da war er ein ganz Großer. Die „Axt“ hat man ihn genannt: ein zarter Hinweis darauf, wie kompromisslos der Mann als Abwehrspieler war. Als Fußball-Fan habe ich sein Leben nur von außen mitbekommen: erfolgreich, deutscher Meister, sogar Nationalspieler. Hinter den Kulissen hat es ganz anders ausgeschaut: seine Familie hat darunter gelitten, wenn er ausgerastet ist, weil er wieder zu viel getrunken hatte. Aber dass er ein ernsthaftes Problem hat und für andere zum Problem geworden ist – das hätte er sich nie eingestanden. Erst nach Jahren haben es alte Freunde irgendwie geschafft, ihn zum Entzug in einer Klinik einzuliefern. Wie gut, wenn einer solche Freunde hat! Er musste monatelang in der Klinik bleiben. Viel Zeit, um sich zu besinnen und alte Verhaltensmuster mühsam abzutrainieren.

Ich finde es beeindruckend, wenn sich jemand traut, einzugestehen: „Ich schaff das nicht allein. Ich brauche Hilfe.“ Das ist schwer – gerade wenn man lange versucht hat, nach außen so rüberzukommen, als hätte man alles im Griff. Oft erzählen das ja auch die Angehörigen von Alkoholkranken: wie das unendliche Kraft gekostet hat, über Jahre nach außen die heile Welt vorzuspielen. Auch die Familien brauchen Hilfe.

Das finde ich eine Aufgabe für unsere Gesellschaft, für Nachbarschaften, Vereine und Kirchengemeinde: dass Betroffene andere Menschen erleben können, die aufmerksam hinhören und hinschauen. Die nicht von oben herab urteilen, aber schon Klartext reden. Die bereit sind, das zu unterstützen, wenn sich einer traut, sein Leben umzukrempeln. Und nicht noch einen dummen Spruch bringen, wenn der beim Feiern keinen Alkohol mehr trinkt. Borowka ist inzwischen über 20 Jahre trocken. Er hält Vorträge und geht in Schulen, um seine Geschichte zu erzählen. Er will Leute ermutigen: Traut euch, euch Hilfe zu holen. Das ist keine Schande, sondern die einzige Chance auf ein neues Leben. Für euch und für eure Familien.

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