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10DEZ2023
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Der Kopf geht runter. Das Kinn runter bis auf die Brust. Wenn einem unterwegs der nasskalte Wind ins Gesicht schlägt. Wenn man im Gehen noch schnell die Nachrichten auf dem Handy checkt. Oder wenn man’s eilig hat, und keine Zeit für ein Schwätzchen mit dem Nachbarn, der gerade auf der anderen Straßenseite aufgetaucht ist. Der redet eh immer das gleiche: „Sauwetter heute…“  - „Ja, ja…“ – „Ob’s dieses Jahr weiße Weihnachten geben wird…“ – immer das gleiche, kennt man schon.

Kopf runter. Das Kinn runter bis auf die Brust. Das ist eine Körperhaltung zum Schutz: vor Wind und Wetter und vor allem, was man gerade nicht brauchen kann in der eigenen Geschäftigkeit. Wie eine unsichtbare Mauer, hinter die man sich notfalls verkriechen kann.

Allerdings sieht man dann auch so aus, finde ich: in sich verkrochen, klein und weggeduckt. Man sieht jedenfalls nicht danach aus, als könnte man den Stürmen des Lebens trotzen. Und es stürmt gewaltig in unserer Welt, mit ihren Kriegen und Krisen. Manchmal kann man da einfach nicht mehr hinsehen. Dann mag man nicht mal mehr ein paar Worte mit dem Nachbarn wechseln. Es ist eh alles immer dasselbe und nicht zu ändern. Und dann geht der Kopf runter und das Kinn runter bis auf die Brust.

Das Kinn hat auf der Brust aber nichts verloren – eine ungesunde Körperhaltung. Viel besser, wenn man sich aufrichtet, weil der Blick jetzt an den Lichtern der Weihnachtsbäume hängen bleibt, die jetzt im Advent in den Vorgärten stehen, auf den Marktplätzen oder auf dem Weihnachtsmarkt. Und da – an den Fressbuden und Glühweinständen - hat man plötzlich auch wieder Lust auf ein Schwätzchen mit dem Nachbarn. „Ob’s weiße Weihnachten gibt? Schau'n wir mal. Wäre ja toll für die Kinder…“ – „Haben Sie heute die Nachrichten gehört?“ „Ja, da war schon wieder so ein schwerer Unfall. Und die Regierung…“

Ja, es ist immer noch dasselbe. Die Stürme in der Welt werden sich nicht einfach mal eben so legen – bloß, weil es Weihnachten wird. Aber vielleicht ja doch? Wenigstens ein paar – die Hoffnung besteht doch. Sie ist nur leider so leicht zu übersehen, wenn man Kopf und Blick senkt, sich einigelt und gar nicht mehr hinschaut.

Auch Weihnachten 2023 wird die Welt nicht heil machen. Weihnachten wird wieder „nur“ Hoffnung bringen. Aber von wegen „nur“. Ich sage: Hoffnung ist eine göttliche Kraft. Dass es nicht aussichtslos ist und auch nicht immer dasselbe, bis in alle Ewigkeit. Gott herrscht in Ewigkeit. Das Gute herrscht in Ewigkeit. Darauf zu warten lohnt sich, davon erzählt der Advent. Und in den evangelischen Gottesdiensten und aus den Kirchen ist heute laut der Ruf zu hören: „Seht auf! Erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ (Lukas 21,28) Hoch mit dem Blick! Das Kinn hat auf der Brust nichts verloren! Eine Geburt steht bevor. Ein Neuanfang, und es wird sich alles verändern.

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03DEZ2023
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Wenn es Gott gibt, woher dann das viele Unglück? Die Frage ist alt, oft gestellt und unbeantwortet geblieben. Sie treibt mich aber trotzdem um. Ein Erdbeben, das tausende Menschen verschlingt. Fanatiker, die hasserfüllt und brutal morden. Schüler, die aufeinander losgehen, weil sie verzweifelt sind. Ich weiß: Gott hat uns Freiheit gegeben, zu tun und zu lassen, was wir wollen. Und dass die Welt, in der wir leben, nicht perfekt ist, sondern Grenzen hat, das weiß ich auch. Trotzdem frage ich mich, ob das nicht alles auch anders sein könnte, besser. Ich sehne mich nach ein bisschen mehr heile Welt. Ich will leuchtende Kinderaugen sehen. Und im Fernsehen Attentäter, die sich schämen und bereuen, was sie getan haben. Politiker, die aus Überzeugung barmherzig sind und sagen: „Das schaffen wir mit den vielen Fremden, die zu uns kommen. Und am Geld soll’s nicht liegen.“

Ich kenne meine Sehnsucht, und ich weiß, dass es Dinge gibt, an denen ich nichts ändern kann. Um so weniger will ich das Böse hinnehmen, das im Kopf von Menschen entsteht und eben doch in unserer Hand liegt. Und ich will auch nicht die Hoffnung aufgeben, dass Gott dabei einen Beitrag leisten könnte. Daran glaube ich nämlich. Ich glaube, dass es so ist, wie es der Prophet Jesaja an einer Stelle in seinem Buch formuliert: Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer, wir alle sind das Werk deiner Hände.[1] Mit diesem Satz endet ein Bibeltext, der heute am Ersten Advent in den Katholischen Gottesdiensten gelesen wird. Der Prophet spricht mehr als deutlich aus, dass viele seiner Zeitgenossen ihre Freiheit missbrauchen. Dass vor allem eine Haltung vorherrscht: Gottvergessenheit. Wer keinen Gott kennt, dem gegenüber er sich verantwortlich fühlt, der macht, was er will. Er ist am Ende nur sich selbst verantwortlich. Wer nicht (mehr) nach dem tieferen Plan in dieser Welt sucht, dem ist es egal, ob es gerecht zugeht oder nicht. Dann gilt das fatale Recht des Stärkeren.

Gibt es Gott? Kümmert ihn, was passiert? Jesaja sagt, wir sind aus Ton. Weich und formbar. Gott hat eine Vorstellung, davon, wie wir aussehen und sein sollen. Und selbst dem, der wirkt, als wäre er aus Stein traut er zu, die eine Stelle zu finden, wo er sich ändern kann, wandeln zum Guten. Das Bild, das Gott von jedem Menschen hat, ist für ihn nie ganz endgültig. Das zu wissen, das tut mir gut, stillt meine Sehnsucht ein bisschen, trägt mich durch diesen Advent.

 

 

[1] Jesaja 64,7b

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26NOV2023
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Wird am Ende doch nicht alles gut? Als ich bei der alten Dame am Sterbebett stehe, kommen ihr noch einmal Zweifel. Während ihres langen Lebens war das selten. Ihr Glaube war immer tief in ihr verwurzelt gewesen. Als sie jetzt merkt, dass ihre Kräfte schwächer werden, kommt sie ins Zweifeln: Was kommt jetzt? Und trägt das, woran sie ihr Leben lang geglaubt hat?

Wird am Ende doch nicht alles gut? Ähnliche Sorgen machen sich die Menschen, an die in der Bibel der zweite Petrusbrief gerichtet ist. Denn scheinbar spricht alles dagegen. Die Menschen in der Gemeinde hatten von Jesus gehört, sie hatten angefangen, an seine Auferstehung von den Toten zu glauben. Und sie hatten fest damit gerechnet, dass Jesus, ihr Herr, noch zu ihren Lebzeiten wiederkommen würde. Dass er Ungerechtigkeit und Gewalt endgültig beenden würde. Eben, dass bald alles auf der Welt gut werden würde. Aber ein Tag vergeht nach dem anderen. Jesus ist immer noch nicht da und die Welt immer noch ungerecht.

Zweifel treiben die Menschen damals also um. Und an sie richtet sich der zweite Petrusbrief, aus dem heute in vielen evangelischen Gottesdiensten vorgelesen wird. Der Brief ist ein Ringen um Antworten und dem zuerst ernüchternden Ergebnis: Der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb. Wann und wie Jesus also wiederkommen wird, weiß keiner. Und gleichzeitig, die Hoffnung: „Wir erwarten einen neuen Himmel und eine neue Erde, wie Gott sie uns versprochen hat. Dort wird Gerechtigkeit herrschen.“

Am Ende wird alles gut. Diese Hoffnung spricht aus diesen Zeilen an die zweifelnde Gemeinde. Auch wenn ungewiss ist, wann und wie genau. Die vielen Lichter, die heute an vielen Orten für die Verstorbenen in den Kirchen angezündet werden, sind kleine Erinnerungen an diese Hoffnung. Keiner wird vergessen.

Am Bett der alten Dame schimmert diese Hoffnung schließlich auch durch. Mitten in ihren Zweifeln erzählt sie mir, wie sie es sich den Himmel vorstellt. Ganz schlicht. Wie eine blühende Frühlingswiese.

Vielleicht ist das so mit der Hoffnung: Dass sie flackernd scheint, wie die Kerzen, die wir für unsere Verstorbenen anzünden. Dass sie schlicht und zart ist, wie das Bild einer blühenden Frühlingswiese. Schön ist sie, diese Hoffnung. Es wird Gerechtigkeit herrschen.   

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19NOV2023
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Wer sich anschaut, wie es um den Wohlstand in Deutschland steht, der könnte schon zornig werden. Denn Wohlstand ist auch in unserm Land äußerst ungleich verteilt. Während die Wohlhabenden in den letzten Jahren ihr Vermögen oft noch vermehren konnten, sind viele, die kaum etwas haben, sogar ärmer geworden.

Auf den ersten Blick scheint das einen Satz zu bestätigen, der heute in den katholischen Gottesdiensten zu hören ist. Da heißt es nämlich: „Wer hat, dem wird gegeben werden und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.“ (Mt 25,29) Zugegeben, so ein Satz, dazu noch in der Bibel, klingt schon ziemlich krass. Vor allem, weil er am Ende eines Gleichnisses steht, das Jesus selbst erzählt haben soll. Vordergründig geht es auch da um Geld. Um sehr viel Geld sogar. Ein reicher Mann, heißt es, hat es seinen drei Dienern anvertraut. Die sollen sich darum kümmern, solange er weg ist. Kurz gesagt: Zwei schaffen es, das anvertraute Geld zu vermehren. Der Dritte aber geht auf Nummer Sicher. Er versteckt das Geld lieber, gibt es dem Mann nach langer Zeit unversehrt zurück - und wird genau dafür bestraft.

Ich fand das irgendwie immer unfair. Hab immer ein wenig Mitleid gehabt mit diesem dritten Diener. Dabei hatte der doch bloß Angst, etwas falsch zu machen. Zu versagen. Das kenne ich nämlich auch. Und ich weiß, es geht vielen so. Nur, Geldgeschäfte haben Jesus nie besonders interessiert. Was ihn interessiert hat, war das Leben und wie es gelingt. Und zu jedem Leben gehört eben auch die Angst. Die ist wichtig, weil sie vor Gefahren warnt. Aber sie kann Leben auch verhindern, wenn sie mich beherrscht und übermächtig wird. Und darum geht es: Die Angst nicht übermächtig werden zu lassen. Mir klar zu werden, was ich kann. Wo ich gut bin. Und dann: Etwas daraus zu machen – auch auf die Gefahr hin, dass ich vielleicht scheitere. Denn wenn ich nie etwas wage, kann ich auch nichts gewinnen. Kein Glücksgefühl, weil mir ein Beitrag fürs Radio vielleicht gut gelungen ist. Keinen dankbaren Händedruck eines Bekannten, dessen Frau gestorben ist. Weil ich meine Scheu überwunden und ihn in seiner Trauer besucht habe.

„Wer hat, dem wird gegeben werden“. Für mich heißt das darum: Auch du kannst was. Bring dich ein damit in die Gesellschaft. So kannst du nicht nur Anderen Gutes tun. Du profitierst selbst davon. Hier und jetzt und später vielleicht durch einen Platz im Himmel.

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12NOV2023
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Hätte ich das doch nicht so gemacht… Dann wäre mein Leben sicher anders verlaufen. Oder mir wären manche Probleme und Sorgen erspart geblieben. Aber, hätte, hätte, Fahrradkette. Es hilft nichts: Was war, kann ich nicht mehr ändern.

Ungefähr das schreibt auch der Apostel Paulus in einem Brief an die Gemeinde in Rom. Ein Abschnitt daraus dient heute in vielen evangelischen Kirche als Predigtgrundlage. Paulus beschreibt die Gegenwart seiner Zeit:
„Die ganze Schöpfung seufzt und stöhnt vor Schmerz. Und nicht nur sie. Uns geht es genauso.“ (Römer 8,22)

Paulus sieht Mensch und Natur leiden. Er sieht, dass es Krankheit und Schmerz gibt. Neid und Hass. Paulus nimmt wahr, dass in der Welt, in Gottes Schöpfung einiges im Argen liegt. Und diese Diagnose kann man heute sicher noch genauso stellen: Der Planet schwitzt, Naturkatastrophen entfalten zerstörerische Kraft. Menschen leiden, hungern, müssen fliehen.

Die Schöpfung stöhnt vor Schmerz. Und an dem, was wir Menschen selbst Schlimmes verursacht haben, könnte man verzweifeln. Aber - Paulus tut das nicht. Er schreibt weiter:
„Wir sind gerettet, aber noch ist alles erst Hoffnung.“ (Römer 8,24)

Obwohl Paulus die Vergangenheit nicht ändern kann. Obwohl er keine fertigen Lösungen für die Probleme seiner Zeit in der Schublade hat, glaubt er fest daran, dass es Rettung gibt. Gott hilft. Er erlöst seine Schöpfung von Krieg, Ungerechtigkeit und Gewalt. Diese Hoffnung auf eine gute Zukunft ist für Paulus eine Gewissheit!

Er lenkt den Blick von der Vergangenheit bzw. der Gegenwart, an der man verzweifeln könnte, hin auf eine gute Zukunft. Und ich finde, dieser Blick hilft. Sich über die Vergangenheit den Kopf zu zerbrechen, zu grübeln, was man hätte anders machen sollen – das bringt einen nicht weiter. Hätte, hätte Fahrradkette…

Aber daran glauben zu können, dass wir trotz aller Schwierigkeiten, trotz allen Leids, eine gute Zukunft haben, das hilft mir im Hier und Jetzt. Es lässt mich nicht verzweifeln. Befreit mich von lähmender Zukunftsangst. Wer noch hofft, glaubt auch noch an Veränderung. Und deshalb engagiere ich mich für eine gute Zukunft. Weil ich an sie glaube.

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05NOV2023
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Kann man beten lernen?

Ich denke schon. Meine Eltern haben mir und meinen jüngeren Geschwistern gezeigt, wie das auch mitten im Alltag gehen kann. Abends vor dem Schlafengehen zum Beispiel. Da durfte das kleine Kreuzzeichen auf die Stirn nicht fehlen. Oder mittags vor dem Essen, wenn wir uns alle an den Händen gehalten und miteinander gebetet haben. Das waren kurze Momente – keine großen, spektakulären Dinge. Es hat ganz selbstverständlich dazugehört. Und Worte waren dabei gar nicht so wichtig. Sondern vor allem das Gefühl, geborgen und aufgehoben zu sein. Aufgehoben bei meinen Eltern und auch bei Gott.                                     

Wenn ich den biblischen Text höre, der heute in katholischen Gottesdiensten gelesen wird, dann vermute ich, dass es den Menschen in Thessaloniki ähnlich gegangen ist. Paulus und seine Freunde waren dort einige Zeit zu Besuch und haben sich als Gäste aber nicht nur verwöhnen lassen und den Menschen von Jesus erzählt, sondern sie waren mitten im Leben dabei. Haben angepackt und mitgearbeitet. In einem Brief schreiben sie später: „Wie eine Mutter für ihre Kinder sorgt, so waren wir euch zugetan und wollten euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem Leben.“ (1Thess2,7b f.).

Ich stelle mir vor, dass die Menschen in Thessaloniki sich dabei von Paulus und seinem Team auch abgeschaut haben, wie es ganz praktisch geht, als Christ zu leben. Wie man mitten im Alltag zusammenarbeiten, miteinander umgehen und beten kann.

Bei mir waren es meine Eltern, die mir das gezeigt haben. Mittlerweile habe ich noch andere alltägliche Situationen entdeckt, in denen ich mich mit Gott verbinde und mir bewusst mache, dass ich in einen größeren Zusammenhang eingebettet bin.
Morgens beim Blick in den Spiegel zum Beispiel. Wenn ich mir vorstelle, dass auch Gott mich jetzt anschaut und hinter dem Vordergründigen das Schöne und Liebenswerte sieht.

Oder wenn ich in den Kalender schaue, dann bete ich: Gott, meine Zeit, steht in deinen Händen. Lass mich bewusst und dankbar mit meiner Zeit umgehen.

Wenn ich ein Martinshorn höre oder ein Blaulicht sehe, dann denke ich an die Person, die jetzt wohl gerade in Not ist und schicke ein Stoßgebet in den Himmel.

Und heute Nachmittag schalte ich das Handy eine Weile in den Flugmodus und bete: Gott, nimm du alles, was unnötig ist und mich bedrängt, von mir und lass mich Ruhe finden.

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01NOV2023
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Mit einem freundlichen Augenzwinkern hat mein katholischer Priesterkollege aus Heidelberg unsere evangelische Gemeinde immer „Sankt Frieden“ genannt. Seine katholische Gemeinde hatte selbstverständlich, wie sich das gehört, einen richtigen Namenspatron: St. Vitus oder den Heiligen Veit. Den Namen einer historischen Persönlichkeit, die etwas für ihren Glauben und ihre Kirche geleistet hat. Die evangelische Sitte, einer Gemeinde auch mal einen nicht personalisierten Namen zu geben, hat der Kollege schmunzelnd quittiert: Ihr da aus Sankt Frieden!   

Heute wünschte ich, wir hätten tatsächlich einen Heiligen Friedhelm oder eine heilige Friedlinde. Gerne würde ich denen und dem Anliegen, das sie im Namen tragen, jede Menge Kerzen anzünden. „Heilig, ja sogar selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen“, sagt Jesus im Evangelium zum heutigen Festtag Allerheiligen.

Wo sind die heiligen Friedensstifterinnen? Wir brauchen sie so sehr! Eine sitzt in Teheran im berüchtigten Evin-Gefängnis. Narges Mohammadi hat gerade den Friedensnobelpreis bekommen. Vielleicht ist sie nicht nur eingesperrt, sondern auch Peitschenhieben oder anderen Folterungen ausgesetzt, so wie sie es als Journalistin für die Zustände in iranischen Gefängnissen aufgedeckt und mutig angeprangert hat. Nun ist der Strahl der Öffentlichkeit auf ihre Gefängniszelle gerichtet in der Hoffnung, dass das Regime, das sie mundtot machen möchte, gar nicht anders kann als sie freizulassen, damit sie am 10. Dezember ihren Preis persönlich entgegennehmen kann.

Wo sind die heiligen Friedensstifter? Einer war auf dem Musikfestival in der Negev-Wüste, als dort früh am Morgen des 7. Oktober die ersten Raketen der Hamas einschlugen und Panik ausbrach. Ben hatte sich bereits in Sicherheit gebracht, war raus aus der Gefahrenzone. Dann ist er umgekehrt, um zu helfen.  Acht Menschen hat er gerettet. Und ist noch einmal zurück. Drei Menschen konnte er noch rausholen. Dann ist er umgebracht worden.

Wo sind die heiligen Friedensstifter? Lasst uns ihre Geschichten erzählen, ihre Namen rufen, eine Kerze für sie entzünden. Denn sie sind es, die mitten in Krieg und Terror Friedensorte schaffen. Und heilig, ja selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.

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29OKT2023
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Alles, wirklich alles hängt davon ab: Du sollst lieben, Gott und den Nächsten lieben – wie dich selbst[1]. Katholiken bekommen dieses sogenannte Doppelgebot heute in ihren Gottesdiensten aus der Bibel vorgetragen. Und Jesus fügt ausdrücklich an: An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten[2]. Also alles, worauf die Frommen zu seiner Zeit besonders Wert gelegt haben, alles, was sonst in der Bibel steht. Über allem, was Menschen bestimmen und tun, steht die Liebe.

Wenn das Reden von der Liebe nur nicht so abgedroschen klingen würde. Sie wird zumal in der Kirche ständig bemüht. Bei der Taufe, einer Hochzeit, auch bei einer Bestattung – immer wird die Liebe als das Größte angeführt. Und wenn ich als Christ bei einem heiklen Thema argumentiere, dann lande ich auch nicht selten am Ende bei der Liebe.

Zwei Streithähne sollten sich versöhnen. Warum und wie? In und aus Liebe. Einer soll eine neue Chance bekommen, obwohl er schon zum wiederholten Mal Mist gebaut hat. Die vielen Geflüchteten, die zu uns kommen, wie sollen wir das schaffen. Ja, zumindest es versuchen, immer und immer wieder. Warum und wie? In und aus Liebe!

Auch beim aktuellen Konflikt in Israel bin ich versucht, mit der Liebe zu argumentieren. Zumal die Rede davon dort ihren Ursprung hat. Im Heiligen Land, das so durchzogen ist von Blut und Hass, dass die Sehnsucht nach Liebe dort buchstäblich zum Himmel schreit. Das Gebot der Liebe zu Gott und zum Nächsten gilt gleichermaßen für alle, die sich auf den Gott Abrahams berufen[3]. Egal, ob er Allah oder Jahwe genannt wird oder ob es der Gott Jesu Christi ist. Aber die Erinnerung daran scheint in den Bombenkratern und angesichts der vielen, vielen unschuldigen Toten verloren gegangen zu sein. Es beschleicht mich jedenfalls ein ungutes Gefühl, wenn ich mir vorstelle, darauf zu hoffen, dass Liebe die Lösung sein, dass sie etwas verändern könnte.

Von der Liebe zu sprechen, klingt vielleicht abgenutzt. Trotzdem gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass sie es ist, die etwas bewirken kann. Gerade im Nahen Osten, in dieser so gebeutelten Region unserer Welt. Denn es war ja gerade dort, wo damals die Menschen glasklar verstanden haben, dass immer die Liebe entscheidet. Die Liebe ist das Größte, was in uns Menschen steckt. Und sie verbindet uns unmittelbar mit Gott. Wer sich auf Gott berufen will, muss lieben.

 

[1] Vgl. Matthäus 22,37-39

[2] Matthäus 22,40

[3] Das Gebot der Nächstenliebe hat seine Wurzeln in dem alttestamentlichen Buch Levitikus: „Sei nicht rachsüchtig noch trag deinem Stammesgenossen etwas nach, sondern liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Ich bin der Herr.“ (Levitukus 19,18).

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22OKT2023
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„Es ist Dir gesagt, Mensch, was gut ist“ heißt es in der Bibel einmal. Und ich denke: stimmt. Von klein auf bringt man uns bei und bekommen wir gesagt, was gut ist, und wie man sich anständig benimmt – freundlich, fair und gerecht. Aber… trotzdem gehen wir Menschen immer wieder aufeinander los. Tun wir Dinge, von denen wir genau wissen, dass sie weder fair noch in Ordnung sind. Warum ist das so, frage ich mich. Warum streiten sich zum Beispiel Nachbarn? Über den Baum, den der eine zu nah am Zaun gepflanzt hat und dessen Äste dem anderen die Sonne nehmen. Der, der den Baum gesetzt hat, weiß doch, dass die Äste schnell zu lang werden und über den Zaun rüberhängen. Und der andere weiß doch eigentlich ebenfalls ganz genau, dass es sich nicht gehört, diese langen Äste ungefragt einfach abzusägen.

Es ist Dir gesagt, Mensch, was gut ist. Und trotzdem: Wir Menschen wischen dem frechen Nachbarn eins aus, lästern über Arbeitskollegen und wollen selbst glänzen. Wir lenken von unseren Schwächen ab und zerren die der anderen ans Licht. Das alles gehört sich nicht. Wir vergiften uns gegenseitig das Leben. Und wieder frage ich mich, warum das so ist.

Ich denke, eine Antwort findet sich in dem Satz aus der Bibel: „Es ist Dir gesagt, Mensch, was gut ist“ Heute steht er wie eine Überschrift über vielen evangelischen Gottesdiensten und über der kommenden Woche. „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was Gott, der Herr von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. (Micha 6,8)

Demütig sein gegenüber Gott. Ich soll mich also zurücknehmen. Meine Grenzen akzeptieren, auch, wenn ich mich ungerecht behandelt fühle oder mich wegen irgendwas über meinen Nachbarn ärgere. Eigentlich würde ich mich gegen den Nachbarn lieber wehren. Oder dafür sorgen, dass ich vor dem Chef gut dastehe und nicht untergebuttert werde. Aber Gottes Gebot, friedlich miteinander auszukommen, ist wichtiger. Ich kann meinem Nachbarn, meinem Chef oder meinen Kollegen trotzdem sagen, was mir nicht passt. Ich darf mich wehren oder bemerkbar machen. Aber bitte mit Respekt. Liebe üben – wie es die Bibel ausdrückt – und nicht dem anderen eine reinwürgen und stärker sein wollen.

„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was Gott, der Herr von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. Gar nicht leicht, was ich da von Gott in dem Bibelzitat gesagt bekomme – aber – gut!

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15OKT2023
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Eingeladen zu werden, das ist schon was Tolles. Da hat einer an mich gedacht. Da ist es jemandem offenbar wichtig, dass ich bei seinem Fest dabei bin. Eingeladen zu sein, das ist immer auch ein Zeichen, dass ich geliebt und geschätzt bin.

Aber manchmal, da gibt es auch Einladungen, die wecken eher zwiespältige Gefühle. Klar, auch da hat irgendjemand an mich gedacht. Und trotzdem habe ich keine große Lust dort hinzugehen. Vielleicht, weil es sich um einen steifen, offiziellen Empfang, eine Betriebsfeier oder sonstwas handelt.

An so eine eher ungeliebte Einladung könnte man denken, wenn man das Gleichnis liest, von dem heute in den katholischen Gottesdiensten die Rede ist. (Mt 22,1-10) Da erzählt Jesus nämlich von einem Fest mit geladenen Gästen. Ein König, so heißt es da, habe zu einem Festessen geladen. Die Hochzeit seines Sohnes soll gefeiert werden. Doch dann will keiner der geladenen Gäste erscheinen. Die einen haben keine Lust. Andere weisen auf Verpflichtungen hin, denen sie nachkommen müssen. Wieder andere haben schlicht Besseres zu tun. Was da erzählt wird ist ein kaum vorstellbarer Affront gegenüber dem Gastgeber. Und schon das macht klar, dass die Geschichte eigentlich etwas anderes erzählen will. Nämlich, wie Gott ist und wie der Mensch. Und warum es oft so schwierig erscheint mit dem Himmelreich. Das Bild vom Himmelreich als einem festlichen Essen, zu dem Gott selbst einlädt, kennt schon der Prophet Jesaja im Alten Testament. Jesus greift es auf. Und alle, die ihm damals zuhören, wissen darum gleich, was er meint: Ein Himmel schon hier auf Erden, weil Gott und Menschen sich nahe sind. Es war das große Lebensthema Jesu. Jesus hat sich als einen gesehen, der die Einladung Gottes überbringt. Und dabei oft nur auf Ablehnung und Desinteresse stößt.

Das Gleichnis schiebt die Verantwortung scheinbar den bockigen Leuten zu, die eingeladen sind, aber keine Lust und scheinbar Besseres zu tun haben. Dabei haben die Meisten ihre Gründe. Das sagt auch das Gleichnis und bewertet es nicht. Aber es geht weiter. Der König öffnet die Türen nun für alle, die kommen wollen. Und darum ist dieser Teil der Geschichte, die Jesus erzählt, auch der wichtigere: Die Einladung, den Himmel schon jetzt und hier zu suchen, besteht eben noch immer. Und sie ist nicht beschränkt auf besonders Auserwählte. Vielmehr steht der Himmel jeder und jedem offen, der ihn sucht. Die Kirche hat sich zu oft als Türsteherin verstanden, die entscheidet, wer würdig ist und wer nicht. Dabei sollte gerade sie es sein, die allen den Weg zu Gott, also zu dem Himmel schon im Leben, ebnet und offen zu hält.

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