SWR1 3vor8

29OKT2023
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Alles, wirklich alles hängt davon ab: Du sollst lieben, Gott und den Nächsten lieben – wie dich selbst[1]. Katholiken bekommen dieses sogenannte Doppelgebot heute in ihren Gottesdiensten aus der Bibel vorgetragen. Und Jesus fügt ausdrücklich an: An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten[2]. Also alles, worauf die Frommen zu seiner Zeit besonders Wert gelegt haben, alles, was sonst in der Bibel steht. Über allem, was Menschen bestimmen und tun, steht die Liebe.

Wenn das Reden von der Liebe nur nicht so abgedroschen klingen würde. Sie wird zumal in der Kirche ständig bemüht. Bei der Taufe, einer Hochzeit, auch bei einer Bestattung – immer wird die Liebe als das Größte angeführt. Und wenn ich als Christ bei einem heiklen Thema argumentiere, dann lande ich auch nicht selten am Ende bei der Liebe.

Zwei Streithähne sollten sich versöhnen. Warum und wie? In und aus Liebe. Einer soll eine neue Chance bekommen, obwohl er schon zum wiederholten Mal Mist gebaut hat. Die vielen Geflüchteten, die zu uns kommen, wie sollen wir das schaffen. Ja, zumindest es versuchen, immer und immer wieder. Warum und wie? In und aus Liebe!

Auch beim aktuellen Konflikt in Israel bin ich versucht, mit der Liebe zu argumentieren. Zumal die Rede davon dort ihren Ursprung hat. Im Heiligen Land, das so durchzogen ist von Blut und Hass, dass die Sehnsucht nach Liebe dort buchstäblich zum Himmel schreit. Das Gebot der Liebe zu Gott und zum Nächsten gilt gleichermaßen für alle, die sich auf den Gott Abrahams berufen[3]. Egal, ob er Allah oder Jahwe genannt wird oder ob es der Gott Jesu Christi ist. Aber die Erinnerung daran scheint in den Bombenkratern und angesichts der vielen, vielen unschuldigen Toten verloren gegangen zu sein. Es beschleicht mich jedenfalls ein ungutes Gefühl, wenn ich mir vorstelle, darauf zu hoffen, dass Liebe die Lösung sein, dass sie etwas verändern könnte.

Von der Liebe zu sprechen, klingt vielleicht abgenutzt. Trotzdem gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass sie es ist, die etwas bewirken kann. Gerade im Nahen Osten, in dieser so gebeutelten Region unserer Welt. Denn es war ja gerade dort, wo damals die Menschen glasklar verstanden haben, dass immer die Liebe entscheidet. Die Liebe ist das Größte, was in uns Menschen steckt. Und sie verbindet uns unmittelbar mit Gott. Wer sich auf Gott berufen will, muss lieben.

 

[1] Vgl. Matthäus 22,37-39

[2] Matthäus 22,40

[3] Das Gebot der Nächstenliebe hat seine Wurzeln in dem alttestamentlichen Buch Levitikus: „Sei nicht rachsüchtig noch trag deinem Stammesgenossen etwas nach, sondern liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Ich bin der Herr.“ (Levitukus 19,18).

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