SWR1 3vor8

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03DEZ2023
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Wenn es Gott gibt, woher dann das viele Unglück? Die Frage ist alt, oft gestellt und unbeantwortet geblieben. Sie treibt mich aber trotzdem um. Ein Erdbeben, das tausende Menschen verschlingt. Fanatiker, die hasserfüllt und brutal morden. Schüler, die aufeinander losgehen, weil sie verzweifelt sind. Ich weiß: Gott hat uns Freiheit gegeben, zu tun und zu lassen, was wir wollen. Und dass die Welt, in der wir leben, nicht perfekt ist, sondern Grenzen hat, das weiß ich auch. Trotzdem frage ich mich, ob das nicht alles auch anders sein könnte, besser. Ich sehne mich nach ein bisschen mehr heile Welt. Ich will leuchtende Kinderaugen sehen. Und im Fernsehen Attentäter, die sich schämen und bereuen, was sie getan haben. Politiker, die aus Überzeugung barmherzig sind und sagen: „Das schaffen wir mit den vielen Fremden, die zu uns kommen. Und am Geld soll’s nicht liegen.“

Ich kenne meine Sehnsucht, und ich weiß, dass es Dinge gibt, an denen ich nichts ändern kann. Um so weniger will ich das Böse hinnehmen, das im Kopf von Menschen entsteht und eben doch in unserer Hand liegt. Und ich will auch nicht die Hoffnung aufgeben, dass Gott dabei einen Beitrag leisten könnte. Daran glaube ich nämlich. Ich glaube, dass es so ist, wie es der Prophet Jesaja an einer Stelle in seinem Buch formuliert: Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer, wir alle sind das Werk deiner Hände.[1] Mit diesem Satz endet ein Bibeltext, der heute am Ersten Advent in den Katholischen Gottesdiensten gelesen wird. Der Prophet spricht mehr als deutlich aus, dass viele seiner Zeitgenossen ihre Freiheit missbrauchen. Dass vor allem eine Haltung vorherrscht: Gottvergessenheit. Wer keinen Gott kennt, dem gegenüber er sich verantwortlich fühlt, der macht, was er will. Er ist am Ende nur sich selbst verantwortlich. Wer nicht (mehr) nach dem tieferen Plan in dieser Welt sucht, dem ist es egal, ob es gerecht zugeht oder nicht. Dann gilt das fatale Recht des Stärkeren.

Gibt es Gott? Kümmert ihn, was passiert? Jesaja sagt, wir sind aus Ton. Weich und formbar. Gott hat eine Vorstellung, davon, wie wir aussehen und sein sollen. Und selbst dem, der wirkt, als wäre er aus Stein traut er zu, die eine Stelle zu finden, wo er sich ändern kann, wandeln zum Guten. Das Bild, das Gott von jedem Menschen hat, ist für ihn nie ganz endgültig. Das zu wissen, das tut mir gut, stillt meine Sehnsucht ein bisschen, trägt mich durch diesen Advent.

 

 

[1] Jesaja 64,7b

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38878
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