SWR1 3vor8
Wer sich anschaut, wie es um den Wohlstand in Deutschland steht, der könnte schon zornig werden. Denn Wohlstand ist auch in unserm Land äußerst ungleich verteilt. Während die Wohlhabenden in den letzten Jahren ihr Vermögen oft noch vermehren konnten, sind viele, die kaum etwas haben, sogar ärmer geworden.
Auf den ersten Blick scheint das einen Satz zu bestätigen, der heute in den katholischen Gottesdiensten zu hören ist. Da heißt es nämlich: „Wer hat, dem wird gegeben werden und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.“ (Mt 25,29) Zugegeben, so ein Satz, dazu noch in der Bibel, klingt schon ziemlich krass. Vor allem, weil er am Ende eines Gleichnisses steht, das Jesus selbst erzählt haben soll. Vordergründig geht es auch da um Geld. Um sehr viel Geld sogar. Ein reicher Mann, heißt es, hat es seinen drei Dienern anvertraut. Die sollen sich darum kümmern, solange er weg ist. Kurz gesagt: Zwei schaffen es, das anvertraute Geld zu vermehren. Der Dritte aber geht auf Nummer Sicher. Er versteckt das Geld lieber, gibt es dem Mann nach langer Zeit unversehrt zurück - und wird genau dafür bestraft.
Ich fand das irgendwie immer unfair. Hab immer ein wenig Mitleid gehabt mit diesem dritten Diener. Dabei hatte der doch bloß Angst, etwas falsch zu machen. Zu versagen. Das kenne ich nämlich auch. Und ich weiß, es geht vielen so. Nur, Geldgeschäfte haben Jesus nie besonders interessiert. Was ihn interessiert hat, war das Leben und wie es gelingt. Und zu jedem Leben gehört eben auch die Angst. Die ist wichtig, weil sie vor Gefahren warnt. Aber sie kann Leben auch verhindern, wenn sie mich beherrscht und übermächtig wird. Und darum geht es: Die Angst nicht übermächtig werden zu lassen. Mir klar zu werden, was ich kann. Wo ich gut bin. Und dann: Etwas daraus zu machen – auch auf die Gefahr hin, dass ich vielleicht scheitere. Denn wenn ich nie etwas wage, kann ich auch nichts gewinnen. Kein Glücksgefühl, weil mir ein Beitrag fürs Radio vielleicht gut gelungen ist. Keinen dankbaren Händedruck eines Bekannten, dessen Frau gestorben ist. Weil ich meine Scheu überwunden und ihn in seiner Trauer besucht habe.
„Wer hat, dem wird gegeben werden“. Für mich heißt das darum: Auch du kannst was. Bring dich ein damit in die Gesellschaft. So kannst du nicht nur Anderen Gutes tun. Du profitierst selbst davon. Hier und jetzt und später vielleicht durch einen Platz im Himmel.
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