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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

25MAI2024
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Manchmal fühlt sich das Leben toll an, finde ich. Unbeschwert die Sonne genießen, Freunde treffen, zusammen lachen, … Aber es gibt auch Tage, da greifen andere Gefühle nach mir: Trauer. Schmerz. Angst. Solche negativen Gefühle können das Leben sehr schwer machen. Sollte man sie also möglichst rasch wieder loswerden? *

Natürlich kann man versuchen, die negativen Gefühle zu verdrängen. An was anderes, Schönes zu denken. Den schwierigen Themen auszuweichen. Von Zeit zu Zeit ist das sicher auch vernünftig, um sich nicht komplett runterziehen zu lassen. Aber ich erlebe immer wieder, dass das nicht auf Dauer hilft. Trauer, Schmerz, Angst kommen wieder hoch, wenn ich sie einfach nur wegschiebe. Manchmal ganz unvermittelt oder noch stärker als vorher.

Schon zu biblischen Zeiten hat man diese Erfahrung vermutlich gekannt. Jesus hat mal von einem bösen Geist gesprochen, der einen Menschen für kurze Zeit verlässt, dann aber bald noch stärker zurückkommt. „Am Ende geht es diesem Menschen noch schlechter als am Anfang“ [Lukas 11,26b; BasisBibel], sagt Jesus dazu.

Wenn ich diesen „bösen Geist“ mit dem „bösen Geist“ negativer Gefühle vergleiche, dann heißt das für mich: Es geht nicht darum, negative Gefühle komplett loszuwerden. Aber ich kann lernen, mit ihnen zu leben und sie dabei ein Stückweit innerlich loszulassen. So dass sie mich nicht dauerhaft beherrschen. Ich habe dann immer noch zum Beispiel Angst. Aber die Angst hat nicht mehr mich. Sie gehört zu meinem Leben, aber sie bestimmt es nicht.

Negative Gefühle dürfen also sein. Es ist nicht falsch, dass sie zu meinem Leben gehören. Und schon gar nicht bin ich falsch, wenn ich traurig bin oder Schmerz empfinde oder Angst habe. Das zu wissen, finde ich wichtig. Es hilft mir, negative Gefühle zu benennen, sie auszudrücken. In der Bibel passiert das ganz oft. Zum Beispiel in den Psalmen. Da beschreiben Menschen anschaulich ihre Trauer, ihren Schmerz, ihre Angst. Und sagen das alles sogar Gott im Gebet.

Und: Wenn ich negative Gefühle als Teil meines Lebens akzeptiere, – dann können sie mir mit der Zeit vielleicht auch Wichtiges verraten. Über mich selbst, mein Innerstes, meine Lebensziele. Und dann haben Trauer, Schmerz oder Angst sogar noch etwas Gutes.

*? [Vgl. im Folgenden „barfuß + wild“, „Die Kunst des Loslassens: Wie Vergebung (wirklich) funktioniert, https://seelenfutter.barfuss-und-wild.de/kleineweisheit/1850]

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

24MAI2024
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Wohngeld. Kinderzuschlag. Leistungen für Bildung und Teilhabe. So heißen Gelder für armutsbetroffene Menschen und Familien. Man kann sie beantragen, wenn das eigene Einkommen unter bestimmten Grenzen bleibt.

Für mich war das lange Zeit nur Theorie. Ab und zu habe ich die Begriffe in den Nachrichten oder so gehört, aber direkt zu tun hatte ich damit nichts. Meine Frau und ich haben immer ausreichend verdient; das Geld hat problemlos gereicht.

Aber dann gab es vor anderthalb Jahren einen beruflichen Einschnitt bei mir, eine Zeitlang habe ich deutlich weniger verdient. Und mit einem Mal hatten wir Anspruch auf diese Hilfen. Zwei Monate lang haben wir Wohngeld bekommen, etwas länger noch Kinderzuschlag und Leistungen für Bildung und Teilhabe. Dafür bin ich sehr dankbar. Und ich habe gemerkt: Es gibt hilfreiche finanzielle Unterstützung in unserem Staat. Menschen in vielen anderen Ländern weltweit können davon nur träumen.

Was mir aber zu denken gegeben hat: Bis wir diese Zuschüsse wirklich bekommen haben, war es ein beschwerlicher Weg. Zuerst mussten wir ja überhaupt von der Möglichkeit erfahren. Das war reiner Zufall – plötzlich tauchte da eine Zeitungsmeldung auf. Dann war herauszufinden, welcher Topf von welcher Stelle genau verwaltet wird. Überall gab es andere Anleitungen – und andere Antragsformulare. Manche konnten wir online einreichen, manche nur klassisch in Papierform. Und dann waren da noch viele Wochen Wartezeit bis zu den Bewilligungsbescheiden.

Wer sich mit Zahlen, Texten oder auch der deutschen Sprache schwertut, wer nicht so gut vernetzt ist und um Rat fragen kann, für den liegt die Hürde noch höher. Für viele zu hoch, befürchte ich. Deshalb finde ich es gut, wenn bürokratische Hürden nach und nach abgebaut werden sollen. Und dass es die Idee gibt, verschiedene Geldleistungen zusammenzuführen, wenn sie sowieso denselben Personengruppen zu Gute kommen.

Inzwischen ist mein Einkommen wieder höher, wir können unseren Lebensunterhalt wie früher komplett selbst bestreiten. Eine Zeitlang Unterstützung gebraucht und bekommen zu haben, das war eine wichtige Erfahrung für mich. Ich fühle mich verbunden mit allen, die diese Hilfe ebenfalls bekommen oder brauchen. Und ich bezahle gerne Steuern dafür.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

23MAI2024
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Unsere jüngste Tochter hat sich zu einer leidenschaftlichen Sammlerin entwickelt. Egal, wo wir gerade unterwegs sind, – irgendwas findet sie immer: Einen Holzstab vom letzten Silvesterfeuerwerk, die Metallöse eines Kleiderhakens, Dachziegel-Bruchstücke – nichts entgeht ihrem aufmerksamen Blick. Manchmal fragt sie uns noch: „Kann ich das mitnehmen?“ Aber meistens wandern die Sachen gleich in ihre Jackentasche und zu uns nach Hause.

Für uns Eltern sind diese Fundstücke in der Regel nur Müll. Dinge, die man nicht mehr braucht, die andere weggeworfen haben. Manchmal sagen wir das auch genervt: „Was willst du denn damit wieder?“ Aber dann hören wir, was unsere Tochter schon damit plant, – und bekommen mit, was sie dann tatsächlich daraus macht: Persönliche Taschen, Spielfiguren, neulich sogar eine ganze Wichtelstadt. Ihr ganzes Zimmer ist voll von solchen Basteleien, regelmäßig auch Wohnzimmer und Esstisch. Und ich denke mir: Etwas einfach nur als Müll zu bezeichnen, ist halt erst mal meine Erwachsenen-Sicht. Und vielleicht bin ich manchmal zu schnell mit dieser Bewertung. Das vermeintlich Wertlose kann doch Bedeutung haben.

„Was für die Welt keine Bedeutung hat und von ihr verachtet wird, das hat Gott ausgewählt“, heißt es mal in der Bibel [1. Korinther 1,28a; BasisBibel]. Da geht es darum, dass Christen an Jesus glauben, der gekreuzigt wurde – also aus der Gesellschaft aussortiert und hingerichtet. Ausgerechnet in diesem einen allerschwächsten Menschen soll sich Gott zeigen. Und das stellt natürlich alles komplett auf den Kopf. Die gesamte Sicht auf die Welt ist dann plötzlich eine andere. Denn dann kann ja alles von Bedeutung sein, was nach normalen menschlichen Maßstäben eigentlich nichts wert ist. Ja, noch mehr: Gerade das kleine, mickrige ist unter Umständen ganz viel wert.

Indem unsere Tochter Dingen einen Platz gibt, die wir schon aussortiert haben, führt sie uns also eine tiefere Wahrheit vor Augen, ändert unseren Blick auf die Dinge. Klar – manchmal setzen wir der Sammelleidenschaft unserer selbstbewussten Sechsjährigen auch Grenzen. Das neulich im Badezimmer ausgetauschte alte Waschbecken durfte sie nicht behalten. Aber trotzdem: Meine erwachsen-eingefahrene Weltsicht, die will ich mir auch in Zukunft von ihr hinterfragen lassen. Und offen sein dafür, was alles von Wert sein kann.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

22MAI2024
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Bei uns im Wohngebiet, nur zwei Ecken weiter, gibt es einen kleinen Teich. Meistens ist es dort still und beschaulich. Aber einmal im Jahr, so Anfang April, übernehmen die Frösche das Sagen. Da beginnt nämlich ihre Paarungszeit. Und die Männchen haben auch diesmal alles getan, um sich gegenseitig zu übertrumpfen. Anzeigerufe nennt man ihr Quaken dann. Und wenn sie damit loslegen, hört man nichts anderes mehr. Autolärm ist nichts dagegen. Auch tobende Kinder nicht, oder die gelegentlichen Teenager-Treffen am Seeufer. Das vielstimmige Froschkonzert übertönt einfach alles. Vor allem abends und nachts.

Wie die Anwohner direkt am See das so finden, weiß ich nicht genau. Hoffentlich haben sie beim Einzug gewusst, worauf sie sich da im Frühjahr einlassen … Ich persönlich finde das Quaken der Frösche schön. Und ich finde es auch gut, dabei zu spüren: Wir Menschen haben nicht allein das Sagen auf unserer Welt.

Im Wohngebiet wirkt das ja sonst schnell mal so. Das haben Menschen komplett nach ihren Bedürfnissen und ihrem Geschmack angelegt und gestaltet. Früher mal gab es hier Wiesen, Bäume, auch Gewässer – jetzt vor allem Häuser, Straßen, Parkplätze. Auch der Teich ist künstlich angelegt, – aber er ist immerhin ein Stück Natur. Ein Rückzugsort – nicht nur für die Menschen, sondern auch für Pflanzen und Tiere.

… und hier übernehmen noch regelmäßig die Frösche das Sagen. Die hat es ja schon viele Millionen Jahre vor uns Menschen gegeben. Und auch nach den Texten der Bibel werden zunächst die Tiere erschaffen. Die bekommen in der Erzählung von der Schöpfung zuerst einen Platz auf Gottes Welt. Erst später, gegen Ende, kommt der Mensch noch dazu. Und er hat dann auch Verantwortung für den Lebensraum der Tiere. [Vgl. 1. Mose 1,28b] Dieser Auftrag ist oft missverstanden worden im Lauf der Jahrhunderte. Menschen haben sich über die Natur gestellt, sie für ihre Zwecke ausgebeutet. Und sich als Herren der Schöpfung aufgespielt. Ich fürchte: Das geht nach hinten los, diese falsche Rangfolge fällt uns auf die Füße über kurz oder lang. Gut also, wenn sie ab und zu spürbar durchbrochen wird.

Daran denke ich, wenn ich am Teichufer stehe und über das Wasser schaue. Auch wenn die Paarungszeit der Frösche zu Ende geht und es wieder schweigt im Teich.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

21MAI2024
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Neulich habe ich die Arbeitsstelle gewechselt. Und ich habe erlebt, wie wichtig es ist, sich richtig zu verabschieden und das Alte loszulassen.

Auf meiner bisherigen Stelle ist es mir sehr gut gegangen, ich war gerne dort. Aber von Anfang an war klar: Das ist nur eine kleine Teilzeitbeschäftigung für den Übergang. Ich bin für eine begrenzte Zeit dort – anderthalb Jahre dann schließlich.

Deshalb wollte ich eigentlich nicht groß Abschied feiern. Ich bin ja sozusagen nur zu Gast gewesen und wollte kein großes Aufheben machen. Das habe ich nicht für nötig gehalten. Mit meinem kleinen Team in einem Büro nochmal kurz zusammenstehen, das hätte mir gereicht.

Aber dann sind meine Kolleginnen und Kollegen auf mich zugekommen. „Mach‘ es doch ruhig ein bisschen offizieller. Wir organisieren dir was. Und wir machen deinen Abschied auch offiziell bekannt.“

Ich habe das Angebot angenommen. Und obwohl die Runde, die dann schließlich zusammengekommen ist, gar nicht so viel größer war als ursprünglich von mir gedacht, hatte mein Abschied dadurch mehr Bedeutung. Ich habe gemerkt, wie wichtig ich den anderen war und bin. Was in diesen anderthalb Jahren passiert ist, um mich herum und auch innerlich. Und ich konnte meine Aufgabe anschließend gut loslassen, um jetzt an einem anderen Ort neu zu beginnen. Vielleicht ist auch das in der Bibel gemeint, wenn es da heißt: „Alles hat seine Zeit.“ [Prediger 3,1] Alles im Leben hat seine Zeit – und verdient einen ordentlichen Abschied!

Meiner Frau ist es neulich ganz ähnlich gegangen mit einem Abschied. Sie hat viele Jahre lang eine ehrenamtliche Aufgabe in einer Kirchengemeinde übernommen. Letztes Weihnachten hat sie aufgehört – und das ist im Trubel damals irgendwie untergegangen. Aber vor ein paar Wochen hat sie eine Einladung von den anderen Mitarbeitenden bekommen. Zu einem gemeinsamen Frühstück, um den Abschied nochmal richtig zu begehen. Auch sie hat das genossen. Und sie hat bei dieser Gelegenheit auch nochmal auf die lange Zeit in ihrem Ehrenamt zurückgeschaut.

Abschiede sind ja gar nicht so einfach. Da können viele verschiedene Gefühle zusammenkommen. Dankbarkeit und Freude genauso wie Wehmut und Trauer. Und ja längst nicht nur bei der Person, die geht. Deshalb finde ich es hilfreich, den Übergang nicht einfach nur irgendwie vorbeirauschen zu lassen. Sondern dem Abschied einen gebührenden Platz zu geben.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Die Bibel – was steckt drin?“ Zu diesem Thema habe ich neulich eine Fortbildung angeboten. Da ging es zum einen um den Inhalt der Bibel. Was steht in diesem alten Buch? Zum anderen haben wir aber auch über die Frage gesprochen: Was bedeutet die Bibel eigentlich für uns? Und wie gehen wir mit ihr um?

Meine eigene Sicht auf die Bibel hat sich verändert im Laufe der Jahre. Es gab Zeiten, da habe ich in der Bibel vor allem klare Antworten gesucht. Ich habe ihre Texte als eine Art Gebrauchsanweisung verstanden, die mir sagt, wie ich mein Leben gut hinbekomme. Ein eher „technisches“ Verständnis also – das hat mir damals Orientierung gegeben, das war mir wichtig.

Aber mit der Zeit ist mir immer deutlicher geworden, dass es in den biblischen Texten auch Spannungen und Widersprüche gibt. Zum Beispiel in der Frage, wie wichtig es ist, gut zu handeln. „Gott liebt dich einfach so, bedingungslos“, schreibt einer [vgl. Römer 3,28]. „Ohne gute Taten ist der Glaube tot“, hält ein anderer dagegen [vgl. Jakobus 2,17]. Es gibt auch Stellen in der Bibel, die kann man kritisieren oder für falsch halten. Dass man etwa bei jeder noch so unpassenden Gelegenheit auf Gott hinweisen soll [vgl. 2. Timotheus 4,2], das finde ich längst nicht immer angemessen und sinnvoll.

Das alles wird zum echten Problem, wenn ich die Bibel als reine Gebrauchsanweisung verstehe. Einzelne schwierige Teile stellen dann gleich das gesamte Buch in Frage. Weil die Rechnung sozusagen nicht mehr aufgeht.

Heute glaube ich: Die Bibel erzählt in erster Linie Geschichten. Geschichten mitten aus dem Leben. Und da hat alles Platz, was Menschen umtreibt. Alle Gefühle. Alle Gedanken. Und genauso alle Erfahrungen mit Gott.

Deshalb ist es eigentlich ganz logisch, dass diese Lebensgeschichten auch Spannungen enthalten. Längst nicht alles passt da genau zusammen. Das ist ja auch in meinem eigenen Leben so. Ich sehe eine Sache gerade so – und in einiger Zeit wieder ganz anders. Auch mein Glaube verändert sich. Ich entwickle mich weiter mit der Zeit. Und trotzdem gehört das alles zu mir, zu ein und derselben Person.

Gerade weil die biblischen Geschichten so spannungsreich sind wie mein eigenes Leben, habe ich Platz darin. Ich kann sozusagen mit eintauchen in die Texte der Bibel. Und so wie die Menschen damals kann ich dabei auch Gott begegnen, Erfahrungen machen mit seiner Kraft. Dann bin ich ein Teil seiner großen Geschichte mit der Welt, stecke selbst dort drin. Das macht die Bibel für mich zu einem besonderen Buch. Und gerade so gibt sie mir auch Orientierung.

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

19MAI2024
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„Lieber Gott, mach‘ mich fromm, dass ich in den Himmel komm‘.“ Über viele Generationen haben Menschen dieses Kindergebet von ihren Eltern gelernt – und dann später auch mit ihren eigenen Kindern gesprochen. Das hat Wirkung gezeigt: In den Himmel kommen – für viele gilt das heute als das eine und entscheidende Ziel des christlichen Glaubens. Unabhängig davon, ob sie persönlich etwas damit anfangen können oder nicht.

In den Himmel kommen – das scheint eine gute und erstrebenswerte Sache zu sein. Andererseits: Wenn ich so darüber nachdenke, hat die Vorstellung auch ihre Schattenseiten, finde ich.

Der Himmel ist arg weit weg, wenn ich so über ihn spreche. Irgendwo hinter den fernen Wolken. Und in aller Regel wartet er erst nach dem Tod. Was ist dann mit dem Leben? Hat das gar keinen Wert? Muss ich es womöglich irgendwie aushalten und überstehen?

Oder muss ich die Zeit nutzen, um „fromm“ zu werden, – damit es auch klappt mit dem Himmel? „Fromm“ sein – für mich klingt das sehr steif. Und nach Bedingungen, die zu erfüllen sind. Muss ich vorbildlich leben? Dauernd beten? Und daran entscheidet sich, ob es reicht für den Himmel? Wer bleibt draußen? Da kann es schnell moralisch werden und eng.

In den Himmel kommen. Davon spricht auch die Bibel. Aber vorher dreht sie die Sache genau um. Es gibt biblische Texte, die erzählen, wie der Himmel zu uns Menschen kommt.

Eine besonders bekannte Geschichte ist die von Weihnachten. Da wird Gott als Mensch geboren, liegt als Jesuskind in einer Futterkrippe. Auf der Erde, in Bethlehem, zu Beginn unserer Zeitrechnung. Als Erwachsener begegnet Jesus Menschen so, dass sie merken: Gottes Liebe ist da und trägt mich. Und später schickt Gott seine heilige Kraft auf die Erde, den Heiligen Geist. Wieder kommt der Himmel auf die Erde. Das feiern wir jetzt an Pfingsten.

Wenn der Himmel zu uns kommt, – dann kann ich das schon zu Lebzeiten spüren. Und – dann kann ich gar nicht so richtig außen vor sein. Egal, ob ich nun besonders fromm bin oder nicht: Irgendwie bin ich Teil davon. Und kein Mensch kann mehr entscheiden, dass einzelne Leute draußen bleiben müssen.

Der Himmel kommt zu uns. Ich finde das viel verheißungsvoller. Und meinen Kindern möchte ich vor allem das weitergeben.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

20JAN2024
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„Ich hab‘ dich lieb!“ Das sagt unsere kleine Tochter uns Eltern ganz oft – und nimmt uns dabei überschwänglich in den Arm. Sie ist sechs und in ihrem letzten Kindergartenjahr. Aber auch unsere Älteste mit ihren elf Jahren kennt den Satz noch. „Ich hab‘ dich lieb!“

Was davor gewesen ist, spielt gar keine große Rolle. „Ich hab‘ dich lieb!“ – dieser Satz kommt auch, wenn wir als Eltern Mist gebaut haben, wenn wir ungerecht waren oder laut geworden sind. Oder wenn der Tag irgendwie verkorkst läuft. An unseren Kindern merke ich, wie bedingungslos Liebe sein kann. Sie ist einfach da und geschieht.

Das ist nicht selbstverständlich. Und nicht logisch. Überhaupt ist Liebe nicht nur was für den Kopf. „Ich hab‘ dich lieb!“ – dieser Satz ist ja viel mehr als eine bloße Information. Dann wäre es sinnlos, ihn so oft zu sagen. Liebe ist auch was für das Herz und den Bauch. Und unser Innerstes will die Liebe immer wieder hören und erfahren.

Gottes Liebe ist auch so, erzählt die Bibel in vielen Geschichten. Sie ist einfach da, auch an dunklen Tagen oder wenn wir uns falsch fühlen. Sie geschieht wie eine überschwängliche Umarmung.

Diese Erfahrung wünsche ich auch unseren Kindern für ihr Leben. „Ich hab‘ dich auch lieb“, antworte ich deshalb, sobald ich wieder atmen kann. Sie sollen das wissen und immer wieder hören. Am besten nicht nur in schönen Momenten, wenn alles stimmt. Auch dann, wenn wir uns geärgert haben über unsere Kinder und sie es sind, die Mist gebaut haben. Liebe gilt immer – wenn sich diese Erfahrung tief einprägt, trägt sie sogar durch die Pubertät, glaube ich.

In allen anderen Beziehungen tut es genauso gut, das zu hören und zu spüren. „Ich hab‘ dich lieb!“ – „Ich bin froh, dass wir uns kennen.“ – „Ich freue mich über unseren Austausch.“ Wenn ich so was anderen Menschen sage, wird mir die Verbindung zu ihnen auch selbst neu bewusst. Und auch mein Gegenüber spürt das hoffentlich.

Wen lieben, schätzen oder mögen Sie? Und – wie wollen Sie es sagen?

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

19JAN2024
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„Schönes Wochenende!“ Freitags, manchmal auch schon donnerstags, höre ich Menschen sich das gegenseitig wünschen. Zum Abschied oder an der Supermarktkasse oder auch mal hier im Radio.

„Schönes Wochenende!“ Ich höre das meistens mit gemischten Gefühlen. Mir klingt es manchmal zu sehr nach „Endlich frei!“ oder „Endlich Zeit für alles, was Spaß macht!“. Als würde das Leben nur am Wochenende so richtig stattfinden – und das muss man doch voll auskosten. Ich habe da gemischte Gefühle – nicht nur, weil ich am Wochenende oft gar nicht frei habe. Als Pfarrer und Klinikseelsorger arbeite ich regelmäßig auch am Wochenende. Meiner Frau geht es genauso – die arbeitet an anderer Stelle im Krankenhaus und hat dort zum Beispiel morgen Rufbereitschaft. Und es gibt noch viele weitere Berufsgruppen, die samstags und sonntags ganz selbstverständlich im Einsatz sind. Das Wochenende ist dann keine reine Freizeit, in der man locker-leicht abfeiert. Aber trotzdem kann es doch schön werden. Ganz nach dem biblischen Motto: „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat. Lasst uns jubeln und uns freuen über ihn!“ [Psalm 118,24; BasisBibel]

Und wenn das Wochenende wirklich frei ist vom Schul- und Arbeitsalltag? Dann finde ich wichtig, es nicht mit Erwartungen zu überfrachten. Auch ein freies Wochenende kann herausfordern. Weil man einkaufen muss, kochen, putzen. Weil die Kinder anstrengend sind. Oder weil ganz unterschiedliche Bedürfnisse aufeinanderprallen. Da ist es wichtig, finde ich, nicht auch noch alles andere ins Wochenende zu quetschen, was unter der Woche zu kurz gekommen ist. Sonst ist man am Ende noch froh, wenn das Wochenende rum ist. Eine entspannte Haltung kann da viel bewirken – und das Wochenende wirklich schön werden lassen.

So kann ich den Wunsch dann auch gut hören und mich darüber freuen: „Schönes Wochenende!“ Selbst sage ich meistens etwas anderes. Ich wünsche lieber einen schönen Freitag. Oder Samstag. Oder Sonntag. Eben nach dem Motto: „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat.“ Der mir jetzt gerade geschenkt ist, und der schön werden kann! Und das gilt für jeden Tag.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

18JAN2024
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Ein Geschöpf Gottes zu sein, das ist ein Geschenk. Gott schenkt mir mein Leben – und auch meinen Körper. Ein positives Körpergefühl zu haben, ist mir deshalb wichtig – auch als Vater von drei Kindern. Ich darf die drei begleiten in ihrer Entwicklung. Jetzt, wo sie allmählich älter werden, ahne ich auch, wie schwierig es sich anfühlen kann, wenn sich der eigene Körper verändert.

Vor kurzem kam die „Zyklus-Show“ in die sechste Klasse unserer Tochter. So heißt ein Workshop für zehn- bis zwölfjährige Mädchen, in dem das weibliche Zyklusgeschehen anschaulich dargestellt wird. Eine Ärztin hat ihn vor gut zwanzig Jahren entwickelt, ein gemeinnütziger Verein führt ihn an Schulen durch. Begleitend wurde zu einem Info-Abend eingeladen – bei dem haben auch wir Eltern einen Einblick in das Programm bekommen.

Zyklus und Periode, Schwangerschaft und Geburt – das ist schon rein biologisch sehr faszinierend. Auch beim Elternabend jetzt habe ich wieder gestaunt, wie komplex die körperlichen Zusammenhänge sind, wie da alles ineinandergreift. Ein Geschöpf Gottes zu sein ist wirklich ein Geschenk und ein Wunder.

Innerlich berührt hat mich an diesem Abend aber noch viel mehr: Die Zyklus-Show arbeitet mit ganz farbenfrohen Materialien – da liegen bunte Tücher auf dem Boden, aufwändig verzierte Schachteln, Süßigkeiten. Die biologischen Fachbegriffe werden mit anschaulichen Bildern, Symbolen oder Geschichten verbunden. Das Körpergeschehen wird sachlich vermittelt – und zugleich auf einer emotionalen Ebene. Und das in einer ganz wertschätzenden, offenen Sprache und Haltung. Das Thema Periode ist ja bis heute oft mit Peinlichkeit verbunden oder mit Tabus besetzt. Ganz anders macht es die Zyklus-Show. Ihre zentrale Botschaft an die Mädchen lautet: „Was in dir vorgeht, ist der reinste Luxus!“ Und: „Du bist eine Gewinnerin! Du persönlich hast bereits gewonnen im wunderbaren Zyklus des Lebens. Du lebst. Und du trägst die Möglichkeit in dir, dieses Geschenk auch weiterzugeben.“

Ich bin überzeugt: Egal ob Mann oder Frau oder divers – wer sich so positiv mit dem eigenen Körper vertraut macht, bekommt einen guten Zugang zu sich selbst – und wird damit kompetent fürs Leben. Und übrigens auch für die Dinge, die da nicht so schön sind.

Das wünsche ich unseren beiden Töchtern. Und genauso unserem Sohn. Und allen anderen Kindern und Jugendlichen auch.

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