Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Die Bibel – was steckt drin?“ Zu diesem Thema habe ich neulich eine Fortbildung angeboten. Da ging es zum einen um den Inhalt der Bibel. Was steht in diesem alten Buch? Zum anderen haben wir aber auch über die Frage gesprochen: Was bedeutet die Bibel eigentlich für uns? Und wie gehen wir mit ihr um?

Meine eigene Sicht auf die Bibel hat sich verändert im Laufe der Jahre. Es gab Zeiten, da habe ich in der Bibel vor allem klare Antworten gesucht. Ich habe ihre Texte als eine Art Gebrauchsanweisung verstanden, die mir sagt, wie ich mein Leben gut hinbekomme. Ein eher „technisches“ Verständnis also – das hat mir damals Orientierung gegeben, das war mir wichtig.

Aber mit der Zeit ist mir immer deutlicher geworden, dass es in den biblischen Texten auch Spannungen und Widersprüche gibt. Zum Beispiel in der Frage, wie wichtig es ist, gut zu handeln. „Gott liebt dich einfach so, bedingungslos“, schreibt einer [vgl. Römer 3,28]. „Ohne gute Taten ist der Glaube tot“, hält ein anderer dagegen [vgl. Jakobus 2,17]. Es gibt auch Stellen in der Bibel, die kann man kritisieren oder für falsch halten. Dass man etwa bei jeder noch so unpassenden Gelegenheit auf Gott hinweisen soll [vgl. 2. Timotheus 4,2], das finde ich längst nicht immer angemessen und sinnvoll.

Das alles wird zum echten Problem, wenn ich die Bibel als reine Gebrauchsanweisung verstehe. Einzelne schwierige Teile stellen dann gleich das gesamte Buch in Frage. Weil die Rechnung sozusagen nicht mehr aufgeht.

Heute glaube ich: Die Bibel erzählt in erster Linie Geschichten. Geschichten mitten aus dem Leben. Und da hat alles Platz, was Menschen umtreibt. Alle Gefühle. Alle Gedanken. Und genauso alle Erfahrungen mit Gott.

Deshalb ist es eigentlich ganz logisch, dass diese Lebensgeschichten auch Spannungen enthalten. Längst nicht alles passt da genau zusammen. Das ist ja auch in meinem eigenen Leben so. Ich sehe eine Sache gerade so – und in einiger Zeit wieder ganz anders. Auch mein Glaube verändert sich. Ich entwickle mich weiter mit der Zeit. Und trotzdem gehört das alles zu mir, zu ein und derselben Person.

Gerade weil die biblischen Geschichten so spannungsreich sind wie mein eigenes Leben, habe ich Platz darin. Ich kann sozusagen mit eintauchen in die Texte der Bibel. Und so wie die Menschen damals kann ich dabei auch Gott begegnen, Erfahrungen machen mit seiner Kraft. Dann bin ich ein Teil seiner großen Geschichte mit der Welt, stecke selbst dort drin. Das macht die Bibel für mich zu einem besonderen Buch. Und gerade so gibt sie mir auch Orientierung.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39925
weiterlesen...