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08OKT2023
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Welcher Weg führt zum guten Leben? Und wie weit ist das? Da gibt es ja leider keine Schilder wie: „Bad Kreuznach 55 km“, „Neckargemünd 9 km“, „Maulbronn 3 km“. Die gibt es schon deshalb nicht, weil sich wohl jeder Mensch etwas anderes vorstellt unter „gutem Leben“.

„Hauptsach gudd gess!“ sagen sie im Saarland. Da merkt man die Nähe zu Frankreich! Obwohl: ein gut gedeckter Tisch, nette Leute drum herum – der Morgen wird lang oder der Abend sehr spät: dass das gutes Leben ist, darauf können sich bestimmt viele einigen! Überhaupt: Familie, Freunde, alle um einen Tisch. Zusammen sein mit Menschen, die mir am Herzen liegen. Man ist einen Herzschlag auseinander, keine paar Kilometer! Dafür braucht es keine Hinweisschilder!

Bloß: Wenn es so einfach wäre – warum ist es dann in Wirklichkeit oft so kompliziert? Warum ist der Weg oft so weit? Die Leute, die uns nicht liegen, die sind oft so weit entfernt, die Gräben so tief … Ach, was sag ich: Manchmal ist auch der Weg zu den Freunden furchtbar weit! Und manchmal schafft man den Weg selbst in der eigenen Familie, im eigenen Haus nicht …

Ein überflüssiger Streit, eine dumme Rechthaberei, die liegen dann dazwischen. Meistens über irgendeine völlig unwichtige Kleinigkeit. Die aber in dem Moment wichtiger scheint als alles andere. Wichtiger als die Liebe, als die Freundschaft, wichtiger als das jahrelange, vertraute Zusammenleben. Da endet der Weg dann – wie ein richtiger Weg vor einem Abgrund, einem hohen Berg oder einem breiten Fluss.

Dann stellt sich die Frage plötzlich doch wieder: Wie geht’s hier zum guten Leben? Wie weit ist das? Und wie überwinde ich die Hindernisse am besten? Mit den Ratgeberbüchern dazu kann man eine ganze Bibliothek vollstellen. Dabei sind die Ratgeber im Internet noch gar nicht mitgezählt!

Da überlege ich mir: Die meisten von uns haben doch irgendwann mal die Zehn Gebote gelernt. Könnte es damit nicht gehen? Nicht töten, nicht stehlen, kein falsches Zeugnis ablegen, nicht haben wollen, was anderen gehört – darauf könnten sich doch die meisten verständigen, oder nicht?

Na ja, sagt da jetzt vielleicht einer. Kommt wieder drauf an, was du unter „gutem Leben“ verstehst. So mit Moral und Geboten kommst du doch nicht weit in dieser Welt. Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Ohne Ellenbogen geht es einfach nicht.
Dir wird im Leben nichts geschenkt, bestätigt eine andere. Sorg erst einmal dafür, dass es dir gut geht. Dann kannst du dich um andere kümmern. Aber stimmt das? frage ich mich. Ist das nicht der beste Weg dafür, sich nur um sich selbst zu kümmern? So nach dem Motto: Wenn jeder an sich denkt, ist doch an alle gedacht?! Ist das der Weg zum guten Leben?

Die 10 Gebote in der Bibel sind als Regeln fürs Leben gemeint. Vielleicht denken Sie jetzt: Ach, da kommt die Kirche wieder mit der Moral um die Ecke. Die alte Spaßbremse. Die Spielverderberin.

Klar, ein Spiel soll Spaß machen. Und damit es allen Spaß machen kann, braucht es Spielregeln. Und die Spielregeln in der Bibel, die hat übrigens nicht die Kirche erfunden! Die stehen in der jüdischen Bibel – die hat die Kirche als Teil ihrer Bibel übernommen. Und die Juden, die feiern an diesem Wochenende ein fröhliches Fest: Simchat Tora, Freude an der Tora, Freude an Gottes Weisung mit all ihren Geboten und Geschichten.

Ein Freudenfest für die Spielregeln des guten Lebens! Eine Party für die Regeln, mit denen an alle gedacht wird!
Erst dann ist es doch ein richtiges Fest. Wenn alle mitfeiern können. Wenn niemand traurig bleiben muss, wenn niemand Angst haben muss. Erst das ist doch wirklich gutes Leben! Alle werden satt, alle haben Spaß. Vielleicht schaffen wir das nie so ganz. Doch wir versuchen es immer wieder. Gerade in den wirklich großen Festen. Den Volksfesten. So wie dem Münchner Oktoberfest, das vor ein paar Tagen zu Ende gegangen ist.

Leider geht gerade auf solchen Festen immer wieder einiges schief. Menschen schlagen über die Stränge und schaden anderen und sich selbst. Das wissen wir – und freuen uns trotzdem jedes Jahr wieder neu auf das große Fest. Unsere Feste sollen uns für alles entschädigen, was sonst nicht so gut läuft. Das klappt natürlich nicht. Aber wir versuchen es immer wieder.

Genau das ist der Punkt, wo wir Regeln brauchen. Gebote. Wegweiser. Das Fest ist erst ein richtiges Fest, wenn alle wirklich mitfeiern können. Wenn keine Angst und kein Kummer die Freude trübt. Das Spiel macht erst Spaß, wenn sich alle an die Regeln halten. Ich finde, das ist eine richtig gute Idee: ein eigenes Fest für die Regeln!

Welcher Weg führt zum guten Leben? Ich glaube sicher: kein Weg, den ein Mensch nur für sich geht. Das gute Leben – das ist nichts nur für einen oder für wenige. Die Bibel erzählt immer wieder davon, wie Gott Menschen aus Angst und Leid befreit. So fängt schon das erste Gebot an: „Ich bin dein Gott, der ich dich aus Ägypten befreit habe, aus der Sklaverei.“ Das ist der Weg. Das Fest ist erst ein Fest, wenn alle mitfeiern können. Wenn keiner zurückbleibt.

So wünsche ich Juden und Jüdinnen heute ein schönes Fest der Freude an der Tora! Und uns allen einen gesegneten Sonntag!

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01OKT2023
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Wie fühlt sich das eigentlich an, alt zu werden?
Als Kind fand ich meinen Opa mit Anfang sechzig alt. Ich mochte meinen Opa. Er zeigte mir viele tolle Dinge. Eine Dampflok, die Güterwaggons zog und weißen Rauch ausstieß. Den riesigen Ladekran, für den er als Ingenieur im Weserhafen verantwortlich war. Aber auch wie man Haferflocken mit Himbeersirup isst oder wie man Kartoffeln pflanzt.

Heute bin ich selber in dem Alter, fühle mich aber noch nicht so alt, wie mein Opa damals war. Früher war man alt, wenn man in Rente ging. Heute gehöre ich zu den mobilen Jungsenioren.

Alt finde ich meinen Vater, mit inzwischen sechsundachtzig Jahren. Ich erlebe ihn durchaus als wach, wenn ich mit ihm rede. Er verfolgt nach wie vor das Zeitgeschehen und nimmt auch dazu Stellung. Seine Sicht teile ich oft nicht - aber das macht nichts. Ändern kann und will ich ihn nicht mehr. Streit lohnt sich nicht. Er war schon immer sehr meinungsstark. Warum soll ich uns noch die letzte gemeinsam verbleibende Zeit verderben?

Ich habe Hochachtung vor Männern im Alter meines Vaters, die sich auf’s Fahrrad schwingen und die Schwäbische Alb überqueren. Oder Frauen im gleichen Alter, die mir erklären können, was Künstliche Intelligenz ist und die schonmal ausprobiert haben, Texte am Computer mit ChatGPT zu schreiben.

Doch ein komisches Gefühl beschleicht mich, wenn ich Menschen erlebe, die ihre Jugendlichkeit bis ins hohe Alter kultivieren. Ich frage mich dann manchmal, ob sie ihr eigene Endlichkeit so weit wie möglich hinaus zögern wollen. So als ob sie das Sterben ignorieren möchten.

Dabei betet Mose in Psalm 90: Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden. Wie also kann ich würdevoll alt werden? Und zwar so, dass das eigene Sterben dabei einbezogen wird.

Wie kann ich in Würde alt werden?
In der Bibel sagt ein Freund zu Hiob, der ein schweres Schicksal ertragen musste: Die Betagten sind nicht die Weisesten, und die Alten verstehen nicht, was das Rechte ist. (Hiob 32,9)

B‘ff , harter Tobak! Wenn man dem Glauben schenken will, dann macht Alt-Werden also nicht unbedingt klug. Aber dann ergänzt der Freund: Wahrlich, es ist der Geist im Menschen und der Odem des Allmächtigen, der sie verständig macht.

Vielleicht hilft es wirklich zum würdevollen und klugen Altwerden, irgendwie in Beziehung zu Gott und seinem Geist zu sein.

Mein Vater hat mir vor ein paar Jahren einen Brief geschrieben und das „Gebet einer Äbtissin“ beigelegt. Er bezog dieses Gebet auf sich selbst. Darin schimmert diese Beziehung zu Gott sehr unaufgeregt durch, sodass etwas davon spürbar wird, wie diese Würde im Alter aussehen kann.

„Herr, du weißt, dass ich altere und bald alt sein werde.“ schreibt die Äbtissin „Bewahre mich davor, schwatzhaft zu werden, und besonders vor der fatalen Gewohnheit, bei jeder Gelegenheit und über jedes Thema mitreden zu wollen. Befreie mich von der Einbildung, ich müsse anderer Leute Angelegenheiten in Ordnung bringen. Bei meinem ungeheuren Schatz an Erfahrungen und Weisheit ist’s freilich ein Jammer, nicht jedermann daran teilnehmen zu lassen.

Du weißt, Herr, am Ende brauche ich ein paar Freunde. Ich wage nicht, dich um die Fähigkeit zu bitten, die Klagen meiner Mitmenschen über ihre Leiden mit nie versagender Teilnahme anzuhören. Hilf mir nur, sie mit Geduld zu ertragen, und versiegle meinen Mund, wenn es sich um meine eigenen Kümmernisse und Gebrechen handelt. Sie nehmen zu mit den Jahren, und meine Neigung, sie aufzuzählen, wächst mit ihnen.

Ich will dich auch nicht um ein besseres Gedächtnis bitten, nur um etwas mehr Demut und weniger Selbstsicherheit, wenn meine Erinnerung nicht mehr mit der anderer übereinstimmt. Schenke mir die wichtige Einsicht, dass ich mich gelegentlich irren kann.

Hilf mir, einigermaßen milde zu bleiben. Ich habe nicht den Ehrgeiz, eine Heilige zu werden. Mit manchen von ihnen ist es so schwer auszukommen. Aber ein scharfes altes Weib ist eins der Meisterwerke des Teufels.

Mache mich teilnehmend, aber nicht sentimental, hilfsbereit, aber nicht aufdringlich. Gewähre mir, dass ich Gutes finde, wo ich es nicht vermutet habe, und Talente bei Leuten, denen ich es nicht zugetraut hätte. Und schenke mir, Herr, die Liebenswürdigkeit, es ihnen zu sagen. Amen“

Ich finde, die Beterin geht sehr nachsichtig mit sich selbst und ihren Schwächen um. Zugleich wünscht sie sich so eine gelassene Altersmilde mit anderen.

Ich hoffe und wünsche mit für mich selbst, dass ich ähnlich in Verbindung mit Gott bleiben kann, damit ich auch mit einer solchen Haltung alt werden kann. Denn das finde ich würdevoll.

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24SEP2023
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Nicht die Delfine haben das Meer verschmutzt …

Mein Sohn ist jetzt acht Jahre alt. Er hinterfragt Dinge und macht sich so seine Gedanken. Über die Nachrichten zum Beispiel. Neulich meint er zu mir: „Papa, der Gott ist ganz schön gemein. In Griechenland hat es gebrannt. Dann war alles überschwemmt und jetzt werden die Menschen krank. Warum macht der Gott das?“

In seiner Logik ist das stimmig. Aber so einfach ist es nicht. Gott zündet die Erde nicht einfach an oder überflutet sie. Ebenso wenig wie Delfine Plastik ins Meer werfen oder Elefanten Abgase in die Luft blasen. Der Mensch ist schuld. Jedenfalls an vielem.

Ich habe versucht, meinem Sohn das zu erklären: Wenn der Mensch die Natur kaputt macht, wird es auf der Erde wärmer. Hitze trocknet den Wald aus, und der brennt dann leichter. Wenn das Meer wärmer wird, verdampft mehr Wasser als sonst. Und das kommt dann oft mit einem Paukenschlag zurück; so wie es in Griechenland passiert ist.

Mein Sohn hat sich das angehört und dann kombiniert: „Wenn der Mensch das verbockt hat, muss doch auch der Mensch etwas dagegen tun.“ Da hat er recht. Dem Menschen ist die Welt anvertraut. Wenn er nicht handelt, wer dann? Was aber kann er tun?

Ich habe meinem Sohn die üblichen Dinge aufgezählt, die wir zuhause versuchen, und die viele andere auch machen: Wir düngen im Garten mit Kaffeesatz statt mit Chemie und gießen das Nudelwasser in die Pflanzen statt in den Abfluss. Was kaputt ist, reparieren wir so gut es geht statt gleich Neues zu kaufen und was wir nicht mehr brauchen, geben wir im Tafelladen oder Second-Hand-Shop ab.

Mein Sohn war skeptisch: „Das reicht doch niemals aus!“ Auch da hat er recht. Das alleine genügt nicht. Aber es gibt ja noch mehr, was man tun kann. Ich habe mich mit Lebensmitteln beschäftigt. Bei Butter habe ich aufgehorcht: um ein Kilogramm herzustellen, braucht es rund 25 Liter Milch. Die kommt von Kühen und Kühe produzieren Methan, ein Klimagas, das weit schädlicher ist als CO2. Das CO2 kommt dann noch oben drauf, denn die Milch muss verarbeitet, die Butter verpackt und transportiert werden. Würde man Butter konsequent durch Margarine ersetzen, könnte man 134 Kilogramm CO2 sparen; pro Kopf und Jahr! Das ist eine Zahl, die durchaus Gewicht hat!

Kinder können mit solchen Zahlen wenig anfangen. Mit Bildern schon. Mein Sohn zählt unterwegs oft seine Schritte – und meckert auch gerne mal, wenn der Weg weit ist. Daran habe ich angeknüpft: ein Ziel erreicht nur, wer viele kleine Schritte geht, auch wenn die mühsam sind. Das ist beim Wandern so – und auch beim Klimaschutz.

Senfkörner der Hoffnung

Ich habe mir eben einige Sonntagsgedanken über die Umwelt gemacht, darüber, wie es um sie steht. Wir müssen dringend etwas tun. Aber kann ich als Einzelner etwas bewirken? – Ja, ich denke schon.

Amerikanische Forscher sagen: Es braucht nur 3,5 Prozent[1] einer Bevölkerung, um einen Wandel herbeizuführen und politisch etwas zu bewegen; in Deutschland sind das knapp drei Millionen Menschen. Dafür muss man nicht gleich Klimaaktivist werden. Es reicht schon, das eigene Verhalten zu überdenken, bewusst zu leben und Umweltthemen wachzuhalten.

Bewusstsein schaffen und konkrete Maßnahmen ergreifen – das also empfehlen die Forscher. In der jüdisch-christlichen Tradition gibt es diese beiden Säulen schon immer: Die Bibel schwärmt oft von der wunderbaren Schöpfung und macht so bewusst, dass man sie schützen muss. Und sie macht konkrete Vorschriften, um sie zu bewahren. In den Gesetzestexten des Alten Testaments steht zum Beispiel, dass Felder alle sieben Jahre brach liegen sollen, um ihre Kraft nicht zu verlieren.

Die Themen heute sind andere als damals. In den Kirchen gibt es mittlerweile ganze Abteilungen für Energiefragen und Umweltschutz. Mit der Kirche von Bruchsal haben wir uns der Initiative „fair.nah.logisch.“[2] angeschlossen. Sie versucht, Zusammenhänge zu erklären und konkret aufzuzeigen, wie man fairen Handel unterstützen, regional einkaufen und ökologisch nachhaltig handeln kann. So ist bei uns der „Umwelt-Tipp des Monats“ entstanden, durch den auch ich immer wieder dazulerne: Dass jeder Klick am Handy und jede einzelne E-Mail Strom brauchen, habe ich mir zum Beispiel bisher nie wirklich klar gemacht. Wird der Strom aber nachhaltig produziert? Über Telefon- und Internetverträge kann ich das steuern. Neu war mir auch, dass zehn Prozent der Treibhausgase entstehen, weil Lebensmittel verschwendet und dann neu produziert werden. Ich kann dazu beitragen, diesen Anteil zu reduzieren, wenn ich bewusst einkaufe und überschüssige Lebensmittel abgebe, bevor sie schlecht werden.

Durch die Initiative „fair.nah.logisch.“ hat sich auch in unserem Büro etwas verändert: ein Korb mit regionalem Obst ersetzt die Süßigkeiten, die oft in Plastik eingepackt sind. Wenn wir Büromaterial kaufen, achten wir auf Umweltsigel und lassen es in Boxen liefern, die wiederverwendet werden. Die kommende Woche ist ganz der Schöpfung gewidmet: Wir laden in den Weltladen Bruchsal ein und auf einen Bauernhof in der Umgebung. Und wir machen die Schöpfung zum Thema in vielen Gottesdiensten.

In denen wird dann vielleicht auch das Lied vom kleinen Senfkorn Hoffnung gesungen. Ein Senfkorn ist winzig, aber es wächst zu einem stattlichen Baum, der Früchte trägt. Dieses Bild soll Mut machen, weiterhin viele kleine Schritte zu gehen. Denn wenn ich und mit mir viele andere zum Beispiel nur noch kaufen, was fair gehandelt und nachhaltig produziert ist, werden die Hersteller ihr Angebot irgendwann anpassen. Das bewegt dann hoffentlich auch die Politik. Und am Ende wird groß, was klein und unscheinbar begonnen hat. Davon bin ich überzeugt. Was haben doch gleich jene Forscher gesagt: Es braucht nur 3,5 Prozent einer Bevölkerung, damit aus dem Senfkorn Klimaschutz ein stattlicher Baum wird.

 

[1] Die Infos sind dem „Schöpfungskalender 2023“ entnommen: https://www.chrismonshop.de/oekumenischer-prozess-umkehr-zum-leben-den-wandel-gestalten-schoepfungszeit-kalender-2023-4627.html

[2] Vgl. https://www.fair-nah-logisch.de

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17SEP2023
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Das Beste kommt erst noch. Du hast Zukunft.“  Das klingt wie etwas, das man den Schulkindern, die gerade neu oder wieder in die Schule kommen, mit auf den Weg gibt. Du hast Zukunft. „Ich beschütze dich. Ich werde dich reich belohnen.“ Dieses Versprechen wurde einem Mann mit auf den Weg gegeben, der schon lang den Kinderschuhen entwachsen war.

Abraham hieß er. Jahre zuvor war aufgebrochen. Nicht aus der Not heraus. Auch nicht aus Abenteuerlust. Sondern weil Gott ihn berührt und angesprochen hatte. Abraham hatte Gottes Gegenwart gespürt und erkannt, dass er dieser Aufforderung folgen sollte. Er schenkte Gottes Wort Glauben. Das gibt es ja, so Momente, in denen man einfach erkennt. Jetzt ist etwas Neues dran, auch wenn es ein Wagnis ist. Und dann zieht man los und packt es an.

Abraham hatte auf Gottes Wort hin, den riskanten Aufbruch gewagt, seine Heimat, seine vertraute Umgebung, auch seine Verwandtschaft und seine ganzen Sicherheiten hinter sich gelassen. Er verließ sich darauf, dass Gott ihm ein neues Zuhause schenken wollte, weit weg von der Heimat.

Und Abraham war dort auch gut angekommen. Was er zurückgelassen hatte, wurde bald aufgewogen durch das, was er sich durch seinen Mut und harte Arbeit neu aufbauen konnte. Sein Lebensweg stand sichtbar unter Gottes Segen. Damit konnte er eigentlich zufrieden sein.

Aber da packte ihn ganz neu die Frage, was aus allem werden sollte, das er aufgebaut hatte. Die Sorge um die eigene Zukunft. Er wurde ja nicht jünger. Was sollte er hier in diesem Land, ohne Verwandtschaft, allein mit seiner Frau?

Die Sorge um die Zukunft treibt im Moment auch viele Menschen bei uns um. Nicht nur ältere Menschen. Sie wissen nicht wohin, mit diesen ganz grundsätzlichen Fragen.

Als Abraham sich diese grundlegenden Fragen stellt, da spricht Gott zu ihm. Mit einer neuen und jetzt weitergehenden Zusage: Du hast Zukunft. Ich beschütze dich. Dein Vertrauen wird dir großen Lohn einbringen. Gilt das auch für uns?

Wie kam es nun aber zu diesem neuen Versprechen an Abraham, der eigentlich schon in seinem letzten Lebensabschnitt angekommen war?

„Hab keine Angst Abraham“, sagte Gott zu ihm in einer Art Vision. „Ich beschütze dich und ich werde dich reich belohnen.“ Da brach es aus Abraham heraus: „Du weißt doch, dass ich keine Kinder habe.“ Bald muss ich alles, was ich habe, ohnehin loslassen und weggeben. Ist dann nicht alles verloren?

Verständlich, was Abraham bewegte und was er Gott entgegenhielt: Was nutzt das alles, was er hier erreicht und gewonnen hat? Es bringt doch nichts. Und ohne Nachfahren bringt es auch niemandem in seinem Umfeld etwas. Diese Frage ist bis heute für viele Menschen aktuell und sogar bedrückend, ob mit oder ohne Kinder. Für welche Zukunft setze ich mich ein? Und für wen die ganze Mühe, wofür ich mich aufgerieben und auch vieles aufgegeben habe?

Gott eröffnete Abraham nochmals eine ganz neue Sicht, einen viel weiteren Horizont als den, den er bisher verstehen konnte. Gott zeigte Abraham den Nachthimmel und die Sterne. „So zahlreich sollen deine Nachkommen sein“, versprach ihm Gott. Er schloss sogar einen Bund mit Abraham. Gottes Versprechen sollte für alle Zeiten und in alle Ewigkeit gelten.

Bald darauf setzte Gott auch ein neues Zeichen im Leben von Abraham und seiner Frau Sara. Sara wurde schwanger, entgegen allen Gesetzen der Natur, sie war ja auch schon alt. Die beiden erhielten einen Sohn. Und aus diesem Sohn sollte ein ganzes Volk entstehen, die Israeliten.

In dieser Geschichte geht es aber nicht nur um den sichtbaren irdischen Segen und die zahlreichen Nachkommen. Es geht auch darum, dass Gott den Menschen etwas über dieses Leben hinaus zusagt. Wer Gott vertraut und auch neue Wege wagt, der wird von Gott mit Zukunft beschenkt.  

„Du hast Zukunft. Das Beste kommt erst noch.“ Dieses Vertrauen auf Gott wünsche Ihnen heute von Herzen. Und einen gesegneten Sonntag.

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10SEP2023
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Du sollst den Nächsten lieben …

Ich sitze schon im Zug, da steigt noch schnell ein Mann ein. Er spricht eine Passagierin an. Die Frau scheint ihn nicht zu verstehen. Da holt der Mann sein Handy aus der Tasche. Spricht rein. Zeigt das Display der Frau. Ich bin neugierig und sehe: Der Mann nutzt ein Übersetzungsprogramm. Die Frau versteht: Der Mann fragt nach seinem Zielbahnhof. Sie nickt. Ja, er kann diesen Zug benutzen. Und sie gibt ihm zu verstehen. Ich sage ihnen, wann ihr Bahnhof kommt. Drei Stationen weiter zeigt die Frau auf den Eingang. Der Mann blickt sie fragend an, sie nickt. Er steigt aus, dreht sich in der Tür kurz um. Lächelt die Frau an – und bedankt sich, ganz ohne Worte. Seine Augen sagen „Danke“.

Da ist ein Mensch, der Hilfe braucht. Und ein anderer Mensch, der hilft. So einfach geht das, denke ich mir. Mit der Nächstenliebe. Zugegeben, Nächstenliebe, das hört sich etwas altbacken an, hat einen moralischen Unterton. „Du sollst deinen Nächsten lieben“, heißt es ja auch. Dabei geht es um eine großartige Menschheitserfindung. Dass Menschen in der Lage sind, einem anderen Menschen mit Respekt zu begegnen. Einem anderen Menschen Würde zuzusprechen. Und das unabhängig von Sympathie, Herkunft, Sprache, Geschlecht, Hautfarbe oder Ansichten. Nächstenliebe heißt: Ich setze mich für den anderen ein, damit es ihm gut geht.

Nächstenliebe ist auch deshalb ein zentrales Erkennungszeichen des Christentums. Leider oft genug nur theoretisch. In der Geschichte des Christentums gibt es genug Beispiele dafür, dass die Nächsten nicht geliebt wurden. Verfolgung und Unterdrückung Andersdenkender und Andersglaubender gehören auch zum Repertoire christlicher Religion.

Doch ein Blick in die biblischen Erzählungen, der Grundlagen des christlichen Glaubens, macht deutlich: In seinem Tun und Reden geht es Jesus vor allem darum, dass der andere Mensch in den Blick gerät – mit seinen Sorgen und Wünschen, seinen Verwundungen und Handicaps, seiner Suche nach Sinn und Glück. Deshalb tritt Jesus in Kontakt mit Armen und Kranken, mit Lahmen und Blinden, mit Suchenden und Fragenden. Nächstenliebe heißt hier: Verbindung zum anderen aufbauen, Beziehung eingehen. Und Jesus macht so deutlich, dass die Nähe eines Menschen gesund machen kann, glücklich machen kann, das Leben leichter macht.

Nächstenliebe heißt konkret: Menschen, die in mein Sichtfeld treten, wahrzunehmen. So wie die Frau, die dem Mann hilft, am richtigen Bahnhof auszusteigen.

… wie dich selbst

Das Christentum ist eigentlich eine ganz einfache Religion. Es geht um die Liebe. Andere Menschen und sich selbst zu lieben. Mehr braucht es nicht, um eine Christin oder ein Christ zu sein. Darum geht es heute in den Sonntagsgedanken in SWR 4.

Das Christentum gilt als Religion der Nächstenliebe. Dabei wurde aber oft vergessen: Der Satz geht weiter. Komplett heißt er: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. Die Selbstliebe, die wurde oft genug unter den Teppich gekehrt. Denn Selbstliebe, das klingt für viele nach Egoismus, nach Rücksichtslosigkeit. Aber das Gegenteil ist der Fall. Bei der Selbstliebe geht es erst einmal darum, sich selbst anzunehmen. Und dann ist sie die Basis für Nächstenliebe.

Selbstliebe ist manchmal schwer. Ich sehe bei mir selbst oft genug nur das, was nicht gelingt. Sehe meine Fehler und Macken. Das, was ich falsch mache. Wo ich versage. Es fällt mir dann schwer, mich selbst zu akzeptieren, mich zu respektieren.

So geht’s vielen anderen auch. Dabei weiß ich: Es ist wichtig, sich selbst anzunehmen. Auch, weil ich kaum liebevoll zu anderen sein kann, wenn ich mich selber nicht schätze. Denn wie soll ich anderen Respekt erweisen, wenn ich respektlos mit mir selbst umgehe?

Aus der Psychologie ist bekannt: Selbstliebe hat einen starken Einfluss auf das Wohlbefinden, auf die psychische Gesundheit, auf die eigene Lebensqualität. Nur aus einem stabilen Ich heraus kann ich mit anderen gut umgehen. Kann Freundschaften schließen und mich für andere engagieren. Mich selbst zu lieben, das hilft mir außerdem, mit stressigen und belastenden Situationen umzugehen. Sie macht mich stabil. Und gerade deshalb macht es mir die Selbstliebe leicht, auf andere zuzugehen.

Selbstliebe und Nächstenliebe, das sind zwei Seiten einer Medaille. Einer Medaille, die Liebe heißt. Beide brauche ich, damit ich gut leben kann. Damit das Leben gelingen kann. Für mich und für die Menschen, die um mich herum sind.

 

 

Zu Röm 13,8-10

Schwestern und Brüder! Niemandem bleibt etwas schuldig, außer der gegenseitigen Liebe! Wer den andern liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn die Gebote: Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren! und alle anderen Gebote sind in dem einen Satz zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.

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03SEP2023
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Obwohl ich gerade keine Kinder oder Enkel im vorlesefähigen Alter habe, treibe ich mich in Buchhandlungen öfters mal in der Kinderbuchabteilung herum. Es gibt so viele schöne Bilderbücher; ich kann die Augen und die Finger nicht davon lassen. Und manchmal kaufe ich sogar eines dieser Exemplare. Erst neulich war es wieder so weit. „Woher kommt die Liebe?“ heißt das Buch, das es mir besonders angetan hat. Es handelt von drei Freunden. Einem Eichhörnchen, einem Elch und einer Ente. Woher die Frage plötzlich aufgetaucht ist, können sie später auch nicht mehr so genau sagen, aber so ist das halt unter Freunden; da traut man sich auch Fragen zu stellen, die man sonst vielleicht lieber für sich behält. „Woher kommt die Liebe?“ ist ja jetzt auch keine Allerweltsfrage. Die drei, die davon allesamt keine Ahnung haben, machen sich auf und befragen zufällige Passanten, denen sie unterwegs begegnen. „Die Liebe kommt aus dem Herzen“, behaupten zum Beispiel zwei Schwäne und formen mit ihren langen Schwanenhälsen prompt ein postkartenreifes Herz. Das Känguru ist der Meinung, die Liebe komme aus dem Bauch und hält sich demonstrativ den Beutel, in dem das Kängurukind es sich gemütlich gemacht hat. Und so hat jedes Tier und hat jeder Baum und jede Blume eine andere Antwort parat. Am Ende ist jedenfalls so viel klar, dass sich die Frage nicht eindeutig beantworten lässt. „Und vielleicht“, sagt der Elch, „muss man ja nicht alles verstehen …“

„Woher kommt die Liebe?“ Mit dieser Frage im Kopf könnte man nun auch durch ein anderes Buch spazieren gehen, nämlich durch die Bibel. Und wahrscheinlich würde man da genau so unterschiedliche Antworten bekommen wie der Elch, das Eichhörnchen und die Ente, je nachdem, an welche biblische Figur man sich halten würde. „Die Liebe ist eine durch und durch väterliche Empfindung“, behauptet zum Beispiel der verlorene Sohn. Der hat seinem Elternhaus schon ganz früh den Rücken gekehrt, um seine eigenen Erfahrungen zu machen, ist aber schon nach kurzer Zeit kläglich gescheitert und steht nun vor dem Nichts. Nur der Gedanke, dass es noch dem ärmsten Schlucker auf dem Hof seines Vaters besser geht als ihm, hat ihn schließlich dazu veranlasst, wieder zuhause aufzuschlagen. Und ganz gegen seine Befürchtungen ist er mit väterlicher Liebe geradezu überschwemmt worden. Die biblische Ruth dagegen sagt: Die größte Liebe meines Lebens habe ich von meiner Schwiegertochter erfahren. Ich habe ihre wunderbaren Worte noch im Ohr: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen. Wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch. Der Her tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden.“ Ja, diese Worte sind so schön, dass viele, viele Paare sie sich als Trauspruch ausgewählt haben. Und die würden die Frage nach der Liebe wohl so beantworten: Die Liebe kommt von meiner Frau. Oder: Die Liebe kommt von meinem Mann. Der biblische David würde dagegenhalten und behaupten: Die schönste Liebe ist die Freundesliebe. Und mit Tränen in den Augen würde er dabei an seinen besten Freund Jonathan denken, der im Krieg gefallen ist und dem er eines der schönsten Klagelieder der Welt gesungen hat.

Nur mit einem würde sich die Bibel wohl nicht zufriedengeben, mit der Antwort des Elchs aus dem Bilderbuch:  Man müsste ja nicht alles verstehen …

Im vierten Kapitel des ersten Johannesbriefes steht: „Die Liebe kommt von Gott. Denn Gott ist Liebe.“ Das ist, auch wenn der Satz in der Bibel steht, eine erstaunliche Aussage. Denn eigentlich scheut die Bibel solche Definitionen. Sie erzählt zwar von der ersten bis zur letzten Seite davon, was Gott sagt und tut, wie er handelt und was er denkt, aber mit einer Gleichung festlegen will sie ihn nicht. Nur an dieser einen Stelle traut sie sich das. Und behauptet: Gott ist Liebe. Und weiter: „Niemand hat Gott jemals gesehen. Aber wenn wir einander lieben, bleibt Gott mit uns verbunden. Dann hat seine Liebe in uns ihr Ziel erreicht.“ Das heißt im Klartext: Überall dort, wo wir Liebe erfahren, erfahren wir auch etwas von Gott. Von seinem innersten Wesen. Von dem, was Gott ausmacht. Ob wir diese Liebe im Herzen, im Bauch oder im Kopf spüren, ob wir sie mit Wasser oder mit Erde, mit der Sonne oder dem Himmel in Verbindung bringen, ob sie von einer Freundin kommt, von einem Mann oder einer Frau, von Kindern oder einem Hund, sie ist auf jeden Fall das Einfallstor einer Gotteserfahrung in unser Leben. Der Predigttext fasst es kurz und knapp zusammen: „Wer liebt, kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht.“ Und jetzt überlegen und spüren Sie mal, wann Gott Ihnen auf diese Weise zuletzt begegnet ist. Das sind doch dann beste Voraussetzungen für einen gesegneten Sonntag!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38316
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27AUG2023
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Immer wieder lese ich im Tagebuch des verstorbenen Tübinger Professors Fridolin Stier. Er war Professor für Altes Testament und ist unter anderem berühmt geworden, weil er verschiedene Biblische Bücher übersetzt hat. Ein sprachgewaltiger und leidenschaftlicher Mann, der zeitlebens nicht nur um das treffende Wort gerungen hat, sondern mehr noch: Er hat mit Gott gerungen und hat es sich in seinem Glauben nie leicht gemacht hat. Ich bin ihm einmal persönlich begegnet und mir bleibt eine seiner Aussagen unvergesslich: “Mein Problem“ sagte er, „ist nicht, ob Gott ist oder nicht, das meine beginnt damit, dass er Er ist.“ Fridolin Stier hatte große Not angesichts vieler leidvoller Erfahrungen, auch in seinem eigenen Leben, fraglos an Gott zu glauben. Er hat mit Gott gehadert und gestritten, gekämpft und hat ihn angefleht und dann oft wieder einfach nur geschwiegen. Aber Gott ist er in seinem ganzen Leben nie losgeworden. Ich glaube, dass eine kleine Notiz in seinem Tagebuch zeigt, wie er trotz aller Krisenerfahrungen in einem tiefen Vertrauen verwurzelt war.

Fridolin Stier erzählt von einem oberschwäbischen Bauern, der auf dem Sterbebett lag. Der Bauer sagte zu seinem studierten Landsmann: “Weißt du, wenn ich daran denke, Sommerfrühe, Sense auf dem Buckel, Mostkrug in der Hand, hinaus, Sonne, glitzernder Tau im Gras, singende Vögel, Himmel und Wald…“Do hätt i denn oft grad juzga kenna!“ Und: “Do hon e gmerkt, dass do no ebbes ischt.“-Stier überliefert diese beiden Sätze im Schwäbischen Dialekt, was auf gut deutsch einfach bedeutet: Da hätte ich oft einfach jauchzen können und da habe ich gemerkt, dass da noch etwas ist.

Das sind keine frömmelnden oder gar abgehobenen Worte. Sie spiegeln den nüchternen und oft beschwerlichen Alltag eines Bauern, der sich aber eine wunderbare Fähigkeit bewahrt hat. Er kann noch staunen. In aller Früh sieht er nicht nur seine Arbeit und was unbedingt erledigt werden muss. Er sieht mehr, vielmehr als das, was man mit den Augen erblicken kann. Er merkt, dass da noch etwas ist, was weit über unsere Möglichkeiten hinausgeht und was wir Menschen nicht machen und erfinden können.

Mich berührt sehr die Bescheidenheit des Bauern. Wie behutsam und zurückhaltend er von seinem Glauben spricht. Ich weiß nicht, wie er Gott und seine Religion erlebt und gelebt hat. Auf jeden Fall blieb für ihn der Himmel immer einen Spalt weit offen. „Da habe ich gemerkt, dass da noch etwas ist“. Vielleicht konnte er sogar manchmal sagen: “Da habe ich gemerkt, dass da noch jemand ist.“

Es gibt einen uralten biblischen Text, der entstanden ist, weil ein Mensch staunt und überwältigt ist: Er schaut zum Himmel, sieht die Sterne und den Mond und spürt: das ist wirklich nicht zu fassen. Der Theologe Fridolin Stier hat den Psalm aus der hebräischen Bibel auch übersetzt und bei ihm heißt es dann so: “Wenn deine Himmel ich schaue, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die fest du gestellt, was ist der Mensch, dass seiner du denkst, der Adamsohn, dass seiner du achtest!

Natürlich kann man die Dinge ganz anders betrachten und weniger ergriffen und poetisch ausdrücken. Die Bibel ist kein naturwissenschaftliches Lehrbuch. Sie ist voll von Glaubenszeugnissen, die in Worten und Liedern hinter die Dinge schauen lassen. Und alle beginnen immer wieder mit dem Staunen. “Warum ist überhaupt etwas und nicht viel mehr nichts?, warum gibt es diese große und einzigartige Schöpfung, warum dieser grandiose Kosmos, in dem wir Menschen ja nur ein Staubkorn sind?“ Wenn ich so frage und dabei zum nächtlichen Sternhimmel aufblicke, komme ich an kein Ende. Mit dem Staunen und sich wundern fängt alles an. So entstehen Gebete und Lieder und aus dem „etwas“ wird ein jemand. So kommt Gott zum Vorschein, der alles geschaffen hat und am Leben hält

Wer staunt steht manchmal ganz dumm da. Sprachlos, mit offenem Mund. Und das ist gut so. Es ist der Moment, wo ich nichts mehr verstehe. Junge Menschen sagen manchmal in so einer Situation mit leuchtenden Augen einfach nur: „wow“

Für mich ist das längst nicht mehr Jargon sondern ein wichtiges theologische Wort, vielleicht könnte ich auch sagen, „Wow“ ist tatsächlicher einer der Namen Gottes. Ich denke, dass mit dem Staunen der Glaube beginnt und dadurch der Himmel immer ein Spalt weit offen bleibt. Wir könnten es ja einmal selber versuchen. Wo immer uns die nächsten Tage hinführen, es gibt sicher Situationen genug, wo wir das Stauen wieder lernen können. Vielleicht ist es das Gesicht eines lieben Menschen oder eine schöne Landschaft oder ein wunderbares Kunstwerk oder was auch immer. Wir stehen da mit offenen Augen und können nichts anderes sagen als einfach nur: wow!

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Es ist halb zwölf Uhr nachts. Ich bin auf dem Weg nach Hause von der Kerb. Auf meiner Pfarrhaustreppe sitzt eine Gruppe Teenager. Eine Jugendliche steht auf und sagt: „Ich kenne Sie! Sie sind der Pfarrer. Glauben Sie an Gott?“

Das hört sich wahrscheinlich an, als hätte ich es erfunden. Das ist aber so passiert. Ich bin immer wieder überrascht, wie schnell im privaten Bereich so tiefgehende Fragen gestellt werden, und gerade nicht, wenn hochoffiziell Gelegenheit dazu wäre – im Reli-Unterricht zum Beispiel oder beim Gottesdienst.

Ich habe damals geantwortet: „Nicht jeden Tag. Manchmal fehlt mir Gott. Aber ich hoffe, ihn dann wiederzufinden.“ Die Jugendliche war völlig verwundert. Sie hat gefragt: „Muss man denn nicht immer glauben? Im Konfi-Unterricht habe ich gelernt, dass man auch beim Zweifeln immer glauben muss.“ „Nein“, habe ich gesagt. „Immer gleich glauben geht auch gar nicht. Aber die Hoffnung, immer wieder neu Gott zu treffen, die sollte man nicht verlieren.“ Sie hat noch gesagt: „Cool, das klingt glaubwürdig.“, dann bin ich durch die Tür ins Haus.

Ich weiß nicht, ob die Jugendliche – sie muss heute eine junge Frau sein – noch in der Kirche ist. Und mit ihrer Art zu glauben, einen Platz in der Gemeinde gefunden hat.   Ich habe sie nur einmal gesehen; eben in dieser Nacht. Es war ein völlig singuläres Aufeinandertreffen in privater Stimmung.

Ich erzähle Ihnen heute davon, weil gerade in privaten Momenten oder zufälligen Begegnungen Platz für religiöse Fragen ist. Oder genauer gesagt: Weil im privaten Kreis Menschen eher bereit sind, so ganz persönliche Glaubensfragen zu besprechen und sich Antworten suchen. Die Jugendliche damals hat die Gelegenheit genutzt. Sie wollte von einer Amtsperson wissen, ob es okay ist, wenn man nicht immer gleichmäßig stark gläubig ist. Ich kann nur hoffen, dass das Gespräch vor dem Pfarrhaus ihr den Mut gemacht hat, auf Gott zu vertrauen, auch wenn es mal schwer fällt.

Woran liegt es, dass solche Gespräche sich eher zufällig und ganz privat  ergeben können? „Privat“ – das Wort bedeutet unter anderem „Das Eigene“. Und da wird es schon direkt deutlich: Wo es um unser Eigenes geht, geht’s ohne Umschweife um uns. Und darüber lässt sich auch leichter in der eigenen, vertrauten Umgebung sprechen. Wo Menschen sich in einem eigenen Raum befinden, haben sie vielleicht weniger Angst, sich zu zeigen.

In der Öffentlichkeit ist das anders. Da höre ich im Kopf immer die leise Stimme, die fragt: „Aber was werden die Leute sagen?“ Die Jugendliche damals vorm Pfarrhaus hat sich obwohl in der Öffentlichkeit mit ihren Freundinnen privat genug gefühlt, um mich anzusprechen. Und ich hoffe, es hat ihr geholfen.

Solche Gespräche in der Nacht hat es schon immer gegeben. In einer Geschichte aus dem Neuen Testament ist Jesus zu einem Essen eingeladen. Ein Pharisäer, also ein religiöser Experte, hat ihn zu einem Bankett eingeladen. Plötzlich geht die Tür auf. Eine Frau kommt herein. Eine Sünderin, stadtbekannt für ihren schlechten Ruf. Aber hier ist sie nicht in der Stadt. Sie kommt ganz privat und mitten in der Nacht. Und sie weint auf die Füße Jesu, trocknet sie mit ihren Haaren und salbt sie. Jesus sagt: Deine Sünden sind Dir vergeben, geh in Frieden!

Für mich zeigt diese Geschichte, wie stark Menschen sein können, wenn es um das Eigene geht. Die Frau sieht ihre Chance, gesehen zu werden. Ihr Eigenes, Inneres zu zeigen und Anerkennung für sich als Mensch zu bekommen. Sie braucht das, weil in der Öffentlichkeit die Leute über sie reden – sonst wäre sie ja nicht stadtbekannt. Aber bei Jesus kann sie zeigen: Ich bin gar nicht nur so. Ich habe Mängel ja, aber ich wünsche mir Anerkennung. Dann kann ich weitermachen.

Die beiden Geschichten, die aus der Bibel und die von der Kerb, ähneln sich. Obwohl andere dabei waren, ergreifen beide Frauen die Chance, für sich zu sorgen. Sie tun das, indem sie sich anvertrauen und nach ihrem eigenen Gottvertrauen fragen. Die Frau aus der Bibel weinend zu Jesu Füßen. Die Jugendliche, indem sie das, was sie im Konfiunterricht gehört hat, mit einer anderen Meinung abgleicht. Gemeinsam haben beide Frauen: So wie sie sich selbst sehen, war vorher kein Platz für sie. Also jedenfalls nicht bei denen, die glauben, Regeln fürs Glauben aufstellen zu dürfen oder zu müssen.

Die Frau galt als Sünderin. Die Jugendliche hat das Gefühl gehabt, nicht „richtig“ oder „gut genug“ zu glauben. In den kurzen Momenten, in denen sie sich nicht gescheut haben, ihre private Seite zu zeigen, haben beide einen göttlich-spirituellen Moment erlebt. Beide haben gehört: So wie Du bist, bist Du genug.

Sich so ganz privat zu zeigen, erfordert Mut. Und es geht auch nicht immer. Aber ich wollte Ihnen trotzdem von beiden Geschichten erzählen. Manchmal, denke ich, braucht es gute Beispiele, um Zuversicht zu gewinnen. Die Frage nach dem persönlichen Gottvertrauen ist total privat – also ganz ihre eigene Sache. Aber es zu zeigen, kann es ganz zu Gottes Sache machen. Und was will man mehr?

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche.

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13AUG2023
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Was wir Menschen doch so alles können? Träumen zum Beispiel. Faszinierend was da abläuft. Nacht für Nacht ganz großes Kino im Unterbewusstsein. Auch wenn wir uns nicht immer daran erinnern können. Träumen ist eine wunderbare Fähigkeit. Eine so ganz andere Welt taucht da auf, während wir tief schlafen. Eine Welt die dennoch unsere ist. Aber mit ihrer eigenen Logik. Nicht selten schweißgebadet werden wir mit all den Bildern der Angst konfrontiert. Viel schlimmer noch als am Tag geht es da oft zu. Aber auch Wunderbares widerfährt uns in den Tiefen unserer Seele. Wir können fliegen. Gehen über das Wasser. Verlieben uns wie nie zu vor. Begegnen längst Verstorbenen.

Der Theologe und Psychotherapeut Eugen Drewermann sieht in den Träumen den Versuch das Leben zu erweitern. Träume so sagt er helfen uns unsere alltäglichen Erfahrungen zu deuten. Man gehe mit den Träumen Hand in Hand durch eine imaginäre Unterwelt.

Vielleicht ist die Geschichte von einem Sturm auf dem See Genezareth und dem schwankenden Boot mit den verängstigten Jüngern Jesu, die heute im katholischen Sonntagsgottesdienst vorgelesen wird, auch wie ein Traum zu verstehen. Ein Traum, der das Leben deutet und erweitert.  Ein Traum, der davon erzählt was uns Angst macht und vertrauen lässt.

Zu einfach wäre es, diese Seesturmgeschichte nur zu lesen als ein Erlebnis der Jünger Jesu in einer stürmischen Nacht von vor 2000 Jahren. Wer tief in diese Geschichte der Bibel eintaucht kann darin auch sein eigenes Leben entdecken. Mit all seinen Gefahren und Ängsten und der Sehnsucht nach Halt und Sicherheit.

Die Geschichte erzählt, wie Jesus sich nach der Begegnung mit vielen Menschen allein auf einen Berg zurückzieht. Um auszuruhen und zu beten. Auch seine Freunde schickt er weg und fordert sie auf, ihm im Boot an das gegenüberliegende Ufer vorauszufahren. Mitten auf dem See -so heißt es- wurden die dann plötzlich von den Wellen hin und her geworfen; denn sie hatten heftigen Gegenwind. Das ist nicht ungewöhnlich dort. Der See Genezareth ist teilweise von Gebirgsausläufern umgeben. Völlig unvermittelt stürzen Fallwinde von den Berghöhen auf den See herab und wirbeln das Wasser zu hohen Wellen auf.

Vielleicht kennen sie auch diese nächtlichen Albträume, in denen es so zugeht wie in unserer Geschichte. Nach einem langen Tag oft. Wir müssen bei der Arbeit funktionieren. Trotz all dem was uns privat womöglich auch noch belastet. Die Krankheit, die sich abzeichnet. Die Beziehung vielleicht, die schon bessere Zeiten erlebt hat. Oder die Probleme in der Schule beim Jüngsten. Dann endlich am Abend gehen wir schlafen. Sehnen uns nach Ruhe. Ein paar Stunden nur. Doch von Schlaf kann keine Rede sein. Die Fallwinde des Lebens brechen über uns herein. Immer wieder werden wir wach von Träumen, die uns das Fürchten lehren. Die Zeit dehnt sich bis zum Morgengrauen. Angefüllt mit all den bedrohlichen Traumbildern. Vom Wasser, das uns verschlingt. Dem Boot das kentert. Und wir mittendrin im Sturm des Lebens.

Ganz wundersam geht die biblische Traumgeschichte vom Sturm auf dem See weiter. Im Morgengrauen, so steht da, kam Jesus zu ihnen. Er ging auf dem See. Als ihn die Jünger kommen sahen, erschraken sie und schrien vor Angst. Doch Jesus sagte: Habt Vertrauen. Ich bin es. Fürchtet euch nicht. Dort wo er ist, wird mir die Angst genommen. Darf ich aufatmen. Werde ich gesund. Das war die wichtigste Erfahrung für die Frauen und Männer die damals ihrem Jesus nachgelaufen sind.

Aber kann das wahr sein? Wo er doch so oft nicht antwortet. Schweigt. Mir Antworten schuldig bleibt. Weit weg auf dem Berg, um seine Ruhe zu haben, wie in der Geschichte der Bibel. So oft. Zu oft. Wo ist er denn? Beim Kranken, der in der Nacht vor Schmerzen schreit? Bei all den von Gott Verlassenen, die trotz allem nicht aufgeben zu rufen: Wo bist du Gott? Warum hast Du mich verlassen im Bombenhagel über die Stadt. Beim viel zu frühen Tod des Geliebten. Wo warst du, als ich zu dir gerufen habe. In schlaflosen Nächten. Was wird da alles verarbeitet in unserer biblischen Geschichte. In den Bildern vom Sturm und den Wellen. Mein Glaube. Aber auch mein zweifelnder Schrei in die Nacht hinein.

Noch in der Angst zu kentern, bleibt Jesus für seine Jünger die Antwort. Habt Vertrauen. Fürchtet euch nicht.Klammert euch nicht noch mehr im Boot fest. Vergesst alles, was nur scheinbar Halt gibt. Vertraut Euch mir an. Ungeschützt. Wellen und Wind und Meer zum Trotz. Petrus macht es vor und nimmt Jesus beim Wort. Er steigt aus dem Boot. Wagt es und versucht über das Wasser dem Freund entgegenzugehen. Dieser Petrus ist so schnell nicht unterzukriegen. Doch je mehr ihm sein Gottvertrauen schwindet, desto mehr versinkt er in den Fluten. Er ruft in seiner Todesangst. Jesus rette mich. Und spürt die rettende Hand des Freundes. Kann ich das auch wagen? Wie Petrus. Mich Gott völlig anvertrauen in den Stürmen meines Lebens. Vernünftig gedacht auf gar keinen Fall. In der Botschaft meiner Träume unbedingt. Selbst dort noch wo das Meer meines Lebens keine Balken mehr hat, die mich halten.

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06AUG2023
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In der Bibel gibt es eine Geschichte, wie Gott dem jungen König Salomo höchstpersönlich im Traum erscheint. Salomo ist da noch unerfahren. Sein Thron steht auf gefährlich wackligen Beinen und er ist angreifbar. Da erscheint ihm Gott im Traum sagt: „Du hast Probleme? Du suchst nach einer Lösung? Du bekommst sie von mir – egal, was es ist.“

Bei der Geschichte muss ich unwillkürlich denken: Wäre das schön, wenn das auch heute passieren würde! Wenn Gott unseren Politikern im Traum erscheinen würde – so wie Salomo in der Geschichte. Und sagen würde: Ihr habt Probleme? Wirtschaft, Fachkräftemangen, Streit mit dem Koalitionspartner... Sagt einfach, was ihr für die Lösung braucht – ihr bekommt es.“

Klingt wie im Märchen – zu schön, um wahr zu sein. Oder wie in einer alten kleinen Geschichte von Ludwig Thoma: Thoma erzählt, wie Dienstmann Nummer 172, Alois Hingerl nach seinem Tod in den Himmel kommt und von nun an dort frohlocken und Gott lobsingen soll. Aber Halleluja-Singen – oder auf bayrisch: „Luja sog i“ - liegt Engel Alois nicht besonders. Also wird er nach München zur Landesregierung geschickt, um göttliche Ratschläge zu übermitteln. Leider schaut Alois vorher noch im Münchner Hofbräuhaus vorbei, bestellt ein Bier – und bleibt dort hängen. „Und so“ – schließt Ludwig Thoma seine kleine Erzählung – „wartet die bayerische Regierung bis heute auf die göttlichen Eingebungen“.

Für diese Bemerkung hat Ludwig Thoma damals übrigens eine Geldstrafe bekommen. Und ich - ich möchte nichts gegen Bayern gesagt haben. Mir gefällt einfach nur die Vorstellung. Dass ein Engel kommt, oder Gott im Traum erscheint und den Verantwortlichen sagt - unseren gewählten Abgeordneten, Ministern und Entscheidungsträgern - wie die Probleme in unserem Land in den Griff zu kriegen sind.

Klingt wie im Märchen, wenn die gute Fee kommt und man hat drei Wünsche frei. Oder wie in der satirischen Geschichte von Ludwig Thoma, wo die göttliche Eingebung am Boden eines Bierhumpen hängen bleibt.

Deshalb: Zurück zur biblischen Erzählung, denn die Bibel ist kein Märchenbuch und die Geschichte von König Salomo doch anders. Denn sie erzählt, was der sich von Gott tatsächlich gewünscht hat: „Gib mir ein Herz, das auf dich hört“ bittet er, „damit ich dein Volk richtig führen und zwischen Recht und Unrecht unterscheiden kann.“

Salomo hätte sich wirklich alles wünschen können: Reichtum, den Sieg über seine Feinde, eine starke Armee… Aber er ist ein Politiker, der nicht einfach nur an der Macht bleiben will, sondern wirklich fragt, was richtig für sein Volk ist und was falsch. Aber hat es solche Politiker jemals gegeben? Gibt es sie heute? Oder – klingt das immer noch, wie im Märchen?

Ich denke: Nein. Wie ein Märchen würde es für mich klingen, wenn sich Salomo fertige Antworten auf seine Fragen gewünscht hätte – und sie dann tatsächlich bekommen hätte. Oder Geld und Macht – von Gott geliefert wie auf Knopfdruck. Das wäre märchenhaft – mit Gott als guter Fee und drei Wünschen im Gepäck. Märchenhaft und völlig unrealistisch.

Klar wäre es schön, wenn die Verantwortlichen in unserem Land für alles die Lösung aus dem Ärmel schütteln könnten. Aber wenn wir das von unseren Politikern erwarten, dann wäre es ja wirklich so, wie in der Geschichte von Ludwig Thoma vom Münchner im Himmel. Als würden wir annehmen, dass Gott einen Engel mit göttlicher Eingebung losschicken würde. Und wir halt Pech haben, wenn es ein so menschlicher Engel wie Alois ist – der im Hofbräuhaus versackt.

Die Geschichte von Salomo ist da anders – keine Satire und auch kein Märchen. Sondern eine Erzählung, die zeigt, worauf es ankommt. Was einen guten Herrscher damals und auch gute Politiker heute ausmacht: dass sie ihre Sache wirklich gut machen wollen! Nicht mächtig sein wollen um der Macht willen. Sondern die, die wirklich fragen, was richtig ist und gerecht!

Und ja, ich bin überzeugt, dass die meisten Regierungsverantwortlichen bei uns so sind – auch, wenn sie nicht für jedes Problem die eine richtige Lösung parat haben. Salomo ist ein Vorbild. Er bittet Gott, dass er ihn beschützt und Salomo nicht selbstherrlich wird. Nicht abrutscht in Machtgier und niemals aufhört zu fragen, was der richtige Weg ist.

Wen es solche Menschen in der Politik gibt, ist das ein echter Segen.

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