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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

17OKT2022
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Ich liege noch im Bett. Draußen ist es dunkel und der Wecker hat gerade geklingelt. Bald wird es heller, ein neuer Tag beginnt und meine Woche startet. Schon jetzt weiß ich: sie wird ganz schön voll. Da ist eine Konferenz, bei der ich ein paar Kolleginnen und Kollegen treffe, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe. Dafür gibt es einiges vorzubereiten. Und meine Familie hält mich auch auf Trab: Ein Geburtstag und ein Kinderfest sollen endlich nachgeholt werden. Die Erinnerung an den Todestag meines Onkels, sie wird mich sicherlich traurig stimmen. Und dazu: Corona geht gerade rum, es hat auch uns erwischt und wir hoffen, es bleibt nichts zurück. Trauer, Sorgen und Glücksgefühle, alles kommt in dieser Woche zusammen. Bunter und dichter geht das Leben wirklich nicht. Und wer weiß, was noch dazu kommt.

Ich atme tief durch. „Gott, bitte lass mich diese Woche heil und gut überstehen.“ Heil, weil ich schon jetzt innerlich angespannt bin, weil es so viel ist. Und „gut“, weil gerade so viele unterschiedliche Gefühle in mir unterwegs sind. Ich will nicht nur traurig oder sorgenvoll sein, sondern mich auch freuen. Am liebsten so, dass ich nicht weiß wohin mit all meiner Freude. Und ich möchte meine Aufgaben gut erledigen und damit am Ende zufrieden sein.

„Gott, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ Dieses kleine Stoßgebet hilft mir tatsächlich schon am Morgen. Dann fühle ich mich nicht mehr so sehr unter Druck. Und kann dem Tag und der neuen Woche gelassen entgegenblicken. Ich weiß, ich darf mich Gott jederzeit neu mitteilen und ihm Trauriges und auch Schönes in die Hände legen. Ich kann ihm etwas abgeben von dem, was mir zu viel ist. Ich vertraue darauf, dass er da ist und mir zuhört. Das tröstet und stärkt mich. Und dann schaffe ich es viel leichter, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen.

Nach dem Stoßgebet stehe ich auf. Ich habe ein kleines Ritual für mich gefunden, das mir hilft, wirklich positiv in den Tag und die Woche zu starten: Was auch immer heute auf mich zukommt, das Erste, was ich an diesem Tag mache, ist hüpfen, mindestens dreimal. Das macht mich nicht nur körperlich munter, sondern auch fröhlich. Man kann nämlich nicht negativ denken, wenn man hüpft. Probieren Sie es aus!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

24SEP2022
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Ist das nicht zu viel? Beinahe jeden Tag sehe ich Werbung über neue Produkte. Es kommt so viel neues hinzu, so, dass ich mich frage: Wäre es nicht besser, weniger zu produzieren und weniger „neu“ zu kaufen?

Angefangen von besonders toller Bio-Kinderkleidung, über neue plastikfreie Trinkflaschen bis hin zum Rucksack bestehend aus 100% recyceltem Plastik, gesammelt im Meer. Alles ist neu und besser und vor allem ist alles der Umwelt zuliebe produziert.

Nicht falsch verstehen, ich finde es toll, dass sich Menschen Gedanken über die Umwelt machen und versuchen auf Plastik zu verzichten oder es eben wiederverwerten. Aber ich frage mich gleichzeitig auch: Haben wir nicht schon zu viele Produkte auf dem Markt? Und nicht nur auf dem Markt, sondern auch zu Hause?

Beispiel Rucksack: Ich weiß nicht, wie viele Rucksäcke und Taschen ich schon besessen habe. Aber eindeutig zu viele. Bis zur fünften Klasse hatte ich einen Schulranzen. Aber dann kamen mehr Rucksäcke und auch Taschen hinzu. Mal was für den Sport, mal was für den Urlaub, für die Freizeit, mal groß, mal klein … - einfach für jede Gelegenheit. Und tragen konnte ich ja dann doch immer nur eine Tasche oder einen Rucksack. Inzwischen hab ich angefangen auszumisten und Dinge weiterzugeben, weil ich schlichtweg zu viel davon habe. Neues brauche ich da eigentlich, wenn ich ehrlich bin, nicht.

Und ich vermute mal, dass es anderen genauso geht. Dass bei anderen unglaublich viele tolle Dinge in Schränken, Kisten und Ecken rumliegen. Auf Dachböden, in Abstellkammern oder Kellern. Manchmal nur ein, zweimal getragen oder benutzt und dann nie wieder. Während die Werbung vorgaukelt: Es braucht noch mehr. Eigentlich Blödsinn und ist doch schade für die guten Sachen, finde ich.

Es wäre doch mal ein echt nachhaltiger Konsum, wenn erstmal das aufgebraucht wird, was schon da ist. Es muss doch nicht immer alles neu gekauft werden!

Auch hier nicht falsch verstehen: Ich darf mir auch mal etwas Neues gönnen. Aber vielleicht ist es nicht jedes Mal sinnvoll. Ich kann auch bewusster einkaufen und schauen, ob ich nicht bei Gebrauchtmärkten fündig werde. Einfach der Umwelt zuliebe. Die Ressourcen dieser Erde können nicht ewig für neue Produkte abgeschöpft werden. Aber das, was ohnehin schon zu viel da ist, das kann ich teilen und weitergeben.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

23SEP2022
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Ist Gott logisch oder unlogisch? Wenn er unlogisch ist, wie kann ich dann an ihn glauben? In dem Buch „Oskar und die Dame in Rosa“, fragt sich das ein Zehnjähriger. Éric Emmanuel-Schmitt beschreibt das aus der Sicht eines Kindes wunderschön.

Der kleine Oscar steht nämlich in einer Kapelle und bekommt einen Schreck: Jesus hängt am Kreuz. So hat er sich den Sohn Gottes nicht vorgestellt. Jemand von göttlicher Abstammung, der muss doch stark sein. Der lässt sich doch nicht an ein Kreuz nageln und stirbt dann? Das geht nicht in seinen Kinderkopf rein.

Neben Oskar steht die Dame in Rosa. Er fragt sie, ob sie so einem gekreuzigten Gott vertrauen kann? Wie soll denn so einer einen beschützen? Sie antwortet ihm: „Oskar, wem fühlst du dich näher? Einem Gott, der nichts fühlt, oder einem Gott, der Schmerzen hat?“

Und das ist für Oskar ein wichtiger Punkt, denn er ist unheilbar an Leukämie erkrankt, das hat er von den Ärzten aufgeschnappt. Und weil seine Eltern es nicht schaffen mit ihm zu sprechen, vertraut er sich der Dame in Rosa an. Die gibt ihm den Tipp, sich Gott in Briefen mitzuteilen und ihm von dem, was er fühlt, und denkt zu berichten. Auch wenn Oskar Probleme damit hat, an Gott zu glauben, lässt er sich darauf ein und erlebt überraschende Einsichten, wie eben diese:

Gott ist nicht nur stark, mächtig und gut, er kann sogar leiden und Schmerzen haben. Noch dazu freiwillig. Denn mit Sicherheit wäre es ein leichtes für Jesus gewesen, sich zu wehren und damit nicht am Kreuz zu sterben. Aber er hat es getan.

Und damit zeigt Gott, er weiß wirklich um alles auf der Welt Bescheid. Gott kennt unsere Welt bis ins kleinste Detail. Er hat nicht nur Freude und Leid geschaffen, sondern er kann sie auch fühlen. Mit Jesus hat uns Gott gezeigt, dass er ein Gott ist, der weiß, was es heißt zu leben. Er ist ein einfühlsamer Gott.

Diese Einsicht von Oskar ist auch etwas, das mir gut tut. Denn wenn es mir schlecht geht und ich mich an ihn wende, dann weiß ich, dass da einer ist, der mich versteht. In meinen Sorgen und Ängsten bin ich niemals allein. Sogar, wenn ich eines Tages sterben sollte. Weil Jesus nämlich am Kreuz gestorben ist.

Bei so einem Gott kann ich mich geborgen und aufgehoben fühlen. Und so einem Gott will ich vertrauen. Ein Gott der Schwäche gezeigt hat, ist ein starker Gott. Daran glaube ich.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

22SEP2022
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„Wenn es menschelt.“ – Das antworte ich gern, wenn mich jemand fragt, was mein Leben reicher macht. „Wenn es menschelt!“ Manchmal schaue ich dann in fragende Gesichter und dann erkläre ich, dass das Wort zwar ungewöhnlich klingt, fast schon wie ein Kunstwort, es aber am Besten beschreibt, was ich ausdrücken möchte.

Beim Menscheln, geht’s für mich um etwas sehr Positives, das zwischen Menschen entsteht. Es ist eine Mischung aus dem, was Menschen sind und was sie füreinander oder miteinander tun. Nichts anderes als das pure Menschsein spielt dabei eine Rolle.

Etwa sowie das, was ich auf einer Reise durch Rumänien erlebt habe. Ich bin dort alleine rumgereist und habe öfters mal Probleme gehabt, mich zu verständigen. Ich spreche kein Rumänisch und Englisch sprechen dort scheinbar nicht sehr viele Menschen, weshalb es manchmal einfach schwierig gewesen ist sich zu verständigen.

Aber immer dann, wenn’s sprachlich nicht weiterging, habe ich viele schöne Momente erlebt. So z.B. diesen: Ich sitze im Zug neben einer älteren Dame. Sie am Gang, ich am Fenster. Da die Sonne kräftig scheint, will ich den Vorhang zuziehen, vorher aber nochmal die Dame höflich fragen, ob es auch für sie in Ordnung ist. Für sie wohl das Stichwort munter auf Rumänisch los zu plappern. Ich hab nichts verstanden. Mit Händen und Füßen haben wir aber dann irgendwie ein Schein-Gespräch geführt und uns dabei immer wieder zugelächelt. Eine absurde Situation, aber irgendwie auch nett.

Und dann packt sie einen Apfel aus, halbiert ihn und reicht mir eine Hälfte. Einfach so.

Ich habe zwar ihre Worte nicht verstanden, dafür ist ihre Einladung zum Apfelessen einfach unmissverständlich. Das ist für mich ein Moment des Menschelns. Es ist völlig egal, welche Sprache ich spreche, woher ich komme und wohin ich will. Wir sind einfach zwei Menschen, die nebeneinandersitzen und etwas Zeit miteinander verbringen. Und auch wenn wir uns nicht mit Worten verstehen können, haben wir ein Gespür füreinander und sind uns symphytisch. So sehr, dass da sogar etwas Fürsorge bei der Frau entsteht.

Und darum geht’s für mich auch. Menscheln heißt für mich, dass es bei einer Begegnung in erster Linie darum geht, dass ich den Menschen sehe, so wie ich auch einer bin. Und dass ich dann einfach für jemand anderen mitdenke und ihm etwas Gutes tue, dass ich mir jetzt auch tun würde. Dabei ist es völlig egal, wer wir sind.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

21SEP2022
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Der Schauspieler Keanu Reeves hat mal etwas sehr Schönes gesagt: „Ich glaube an Liebe auf den ersten Blick“, und weiter: „Du willst diese Verbindung – und dann willst du die Probleme.“

Es klingt erstmal irritierend, weil es nicht ganz zusammenpasst: Liebe ja, und Probleme auch ja. Auf den zweiten Blick sehe ich, wie sich das ergänzt. Da ist ein Ja zur Liebe inklusive möglich auftretender Probleme. Reeves scheint da ein weitsichtiger Mann zu sein, der nicht nur Schmetterlinge im Bauch möchte.

Ich stimme ihm da zu: „Du willst diese Verbindung – und dann willst du die Probleme.“ Sicher, ich könnte mir auch ein endloses Turteln vorstellen. Und Probleme? Wer will die schon! Aber wenn ich ehrlich bin, viel lieber mag ich mir vorstellen, dass ich mich und dass sich auch mein Partner, dass wir uns weiterentwickeln. Und deshalb gehören für mich Probleme dazu.

Allein, wenn ich zurückdenke, wie ich meinen Mann kennengelernt habe: Ich hatte gerade ein Doppelstudium angefangen und eigentlich keine Zeit für eine neue Beziehung, noch dazu für eine, bei der man ständig pendeln muss. Es war kompliziert, aber wir wollten uns und deswegen hat es ein Ja gegeben und das Zeitproblem hat zwar herausgefordert aber ich habe es in Kauf genommen auch andere Probleme, wenn sie auftauchten.

Wenn ich jetzt über die Jahre zurückschaue, was wir so alles erlebt und durchgemacht haben und wo wir heute stehen. Dann ist das alles etwas, was uns in unserer Beziehung gestärkt hat. Und dazu zählt vor allem auch, dass wir miteinander streiten gelernt haben. Denn nicht jedes Problem hat sich einfach lösen lassen.

Ich hab es schon damals gewusst: Ich will diese Verbindung, weil ich weiß, dass wir durch Probleme wachsen werden.

Und noch etwas: Ich glaube, es gehört zu Gottes Plan, dass nicht alles nur einfach und schön ist. Sondern, dass es auch die schwierigen und unschönen Dinge im Leben gibt. Und Gott hat die Balance dazu geschaffen. Ich werde sie nie vollständig verstehen, aber ich spüre, sie ist da. Es gibt immer mehr, als das, was ich gerade erlebe. Auf die schönen Momente folgen auch Unschöne und umgekehrt. Und beides gehört zur Liebe dazu, die am Ende – so hoffe ich - größer ist und uns als Paar trägt.

Dafür stehen für mich Keanu Reeves Worte: „Du willst diese Verbindung - und dann willst du die Probleme“.

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20SEP2022
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Meine Freundin zieht um. Als ich ihr ein paar Umzugskartons anbiete, winkt sie ab. So viel sei das gar nicht, was sie besäße. „Und was ist mit deinen Klamotten?“, frage ich sie und muss dabei an die vielen Kleiderkisten von mir denken, die ich bei unserem Umzug verpackt habe. Das passe alles bei ihr in einen Koffer rein. Sie beschränkt sich seit ein paar Jahren auf ein paar wesentliche Kleidungstücke, die sie gernhat und die sie gut kombinieren kann. Alles andere hat sie aussortiert, weggegeben oder teilweise sogar wieder verkauft.

Das beeindruckt mich schon ziemlich. Ich tu mich nämlich echt schwer Dinge wegzugeben. Vielleicht hat mich da auch meine Oma geprägt, wenn sie immer gesagt hat: „Nicht wegschmeißen! Es könnte ja noch zu passe kommen“. Deshalb hat meine Oma einfach alles aufgehoben.

Aber auch wenn ich mich schwer tue, mir ist auch klar: „Alles ist Windhauch“ (Koh 1,2f.) – wie es schon so schön im Alten Testament der Bibel heißt. Alles ist vergänglich, kommt und geht. Es gibt Dinge, die sind zwar langlebig, aber früher oder später werden sie den Besitzer wechseln. Warum sollte ich mich also an meinem Besitz im Leben festkrallen?

Nach dem Tod meiner Oma wussten wir gar nicht wohin mit den vielen Sachen und haben letzten Endes einen „Entrümpelungstrupp“ engagiert. Erst dann ist der Haushalt endgültig aufgelöst gewesen. Das eine sind schöne Erinnerungen, wie zum Beispiel eine gepunktete Vase. Aber es waren einfach auch unglaublich viele andere Dinge dabei, die wir nicht mehr gebrauchen könnten. Vieles noch brauchbar, aber einfach nicht für uns.

Und ich muss wieder an den „Windhauch“ denken: Welchen Vorteil habe ich von meinem Besitz im Leben? Wenn doch alles vergänglich ist? Meine Oma hat viel gesammelt und doch ist nicht mehr viel von ihrem Besitz übrig.

Deshalb habe ich wohl eher keinen Vorteil von meinem Besitz. Und bin ich inzwischen auch an dem Punkt angekommen, dass ich Dinge nicht mehr aufbewahren möchte, von denen ich mir nicht sicher bin, dass ich sie jemals wieder brauchen werde. Ich will mich einfach nicht damit rumplagen müssen. Ich will lieber meinen Besitz reduzieren und mich stattdessen anderen Dingen in meinem Leben widmen. Ich will mich lieber meinen Hobbies oder meiner Familie widmen, weil die Zeit zu schnell vergeht. Und alles eben Windhauch sein kann.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

19SEP2022
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„Du hast voll den grünen Daumen“, lobt mich eine Freundin, als sie meine Versuche als Gärtnerin entdeckt. Nach ein paar Jahren gärtnern im Hinterhof mit Töpfen und ohne Platz für Beete, habe ich in diesem Jahr die Chance bekommen, es mal in einem richtigen Garten zu probieren. Und es läuft sogar richtig gut: Tomaten, Zucchini, Paprika, Rote Beete, Kartoffeln, … meine Pflanzen wachsen und gedeihen.

Dabei bin ich mir anfangs oft unsicher gewesen. In einem Beet habe ich zum Beispiel Karotten und Rote Beete ausgesät. Als dann das erste Grün durchgekommen ist, hab ich mich sehr gefreut. Aber was für ein Grün? Irgendwie hat es nicht ganz so ausgesehen, wie das, was rauskommen sollte. Hab ich die falschen Samen gesät? Oder kann es vielleicht sein, dass da Unkraut wächst?

Weil ich nicht wusste, was da nun wächst, hab ich fleißig alles Grüne weitergegossen. Ich hab mich nicht getraut, irgendetwas auszureißen, weil ich Angst hatte, dass ich dann meine gewünschten Pflanzen auch beschädige. Eines Tages haben dann ein paar Radieschen ihre roten Köpfchen aus der Erde blitzen lassen. Überraschend, da ich sie gar nicht ausgesät hatte. Vielleicht sind im Saatband der Karotten ein paar Radieschen-Samen drin gewesen. Wer weiß? Ich hab mich jedenfalls über die Ernte gefreut. Es hat sich gelohnt abzuwarten und nicht gleich alles als schlechtes Unkraut abzutun. Ich hätte sonst keine Radieschen gehabt!

Das Ganze ist für mich ein bisschen so gewesen, wie als Jesus vom Unkraut unter dem Weizen erzählt. Einmal das Unkraut entdeckt, wollen die Arbeiter eines Bauern es aus dem Acker entfernen. Aber der Bauer verbietet es ihnen, erst bei der Ernte soll das Unkraut vom Weizen getrennt und vernichtet werden.

Ich kann’s verstehen und sehe darin auch eine Mahnung, mir nicht zu schnell eine fertige Meinung zu bilden und womöglich voreilig zu handeln. Nicht nur in meinem Garten. Ich kann’s auch gut aufs Zusammenleben übertragen, egal wo ich Menschen begegne. Ob bei der Arbeit, beim Einkaufen oder im Bus. Manchmal gewinne ich durch eine blöde Situation einen komischen Eindruck von einer Person. Etwa wenn mich jemand anrempelt oder ich eine schlechte Bemerkung höre. Und dann ist Vorsicht geboten, damit ich die Person nicht vorschnell abstemple. Besser, wenn ich der Person noch eine Chance gebe, weil womöglich mehr in ihr steckt, als ich gerade wahrnehme. Und dann kann aus vermeintlichem Unkraut, doch noch etwas Genießbares werden.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

02JUL2022
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Es gibt doch diesen Moment, wenn etwas total Normales plötzlich ganz besonders wird. Mir ist passiert das zum Beispiel mit Brot.

Normalerweise ist Brot für mich etwas Normales, dass ich immer vorrätig habe. Ob tiefgefroren oder frisch gebacken. Ich esse es zum Frühstück oder am Abend. Und hin und wieder backe ich Brot selbst. Es kommt aber vor, da wird Brot irgendwie nochmal besonders. 

Ich weiß noch, als ich einmal mit der Jugendgruppe den ganzen Tag im Hallenbad unterwegs gewesen bin.  Wir sind fast die ganze Zeit im Wasser gewesen, haben jede Menge Spaß gehabt und kaum gemerkt, wie hungrig wir geworden sind.

Zum Glück ist eine Leiterin auf unserer Hinfahrt ins Schwimmbad noch schnell in Brötchen holen gegangen. Und als wir dann die Brötchen bekommen haben, waren sie leider nicht mehr ganz frisch und völlig aufgeweicht von der Feuchtigkeit im Hallenbad. Trotzdem haben wir sie untereinander verteilt und gierig verschlungen. Die Konsistenz war uns egal, sie haben lecker geschmeckt.

Beim Frühstück könnte ich kein aufgeweichtes Brötchen essen. Aber das gleiche Gefühl wir damals stellt sich für mich nicht ein, wenn es die gleichen Zutaten sind. An diese Situation muss ich immer wieder denken, wenn ich Brötchen sehe und frage mich, warum die Brötchen damals so besonders geschmeckt haben? Inzwischen glaube ich, weil wir sie geteilt haben. Wir waren miteinander unterwegs und haben darauf geachtet, dass jeder was in den Magen bekommt. Und plötzlich wird aus so ein paar Brötchen mehr, es wird gemeinsames „Brot brechen“ und es entsteht eine besondere Gemeinschaft. Eine, bei der es darum geht, dass alle gut versorgt sind.

Und ich kann nicht genau sagen wieso, aber es fühlt sich für mich an, wie ein Segen.
Es ist ja auch ein Segen, dass genügend Brötchen da gewesen sind, dass wir alle satt geworden sind. Ein wunderbares Erlebnis, das uns alle miteinander verbunden hat.
Etwas, dass auch an das letzte Abendmahl erinnert, das Jesus mit seinen Jüngern gefeiert hat.

In meiner Familie haben wir deshalb einen Brauch. Wenn wir frisches Brot im Haus haben, dann segnen wir es, bevor wir es anschneiden. Das passiert ganz einfach, indem wir es auf die runde Seite drehen und auf der flachen Seite mit dem Messer ein kleines Kreuz einritzen. Eine horizontale Linie dafür, dass Gott auf uns achten möchte, dass wir immer genügend zu essen haben. Und eine vertikale Linie darüber, damit wir auch an unsere Mitmenschen denken und Essen miteinander teilen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

01JUL2022
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Ich bin mit Freunden auf einem Festival unterwegs. Unsere Gruppe hat die Zelte aufgeschlagen und es sich gemütlich gemacht. Auch den Nachbarn haben wir schon hallo gesagt. Man will ja wissen, wer neben einem schläft… Die nächste Musikband spielt erst in einer Stunde und so nutzt jeder von uns die Zeit für sich. Bisher ist alles wunderbar.

Doch plötzlich diskutiert eine Nachbarin heftig mit meiner Freundin und wird sogar richtig laut dabei. Mein Gefühl sagt mir: Oh, es knallt gleich! Ich gehe hin zu den beiden, klinke mich ein, versuche zu verstehen was vorgefallen ist. Habe allerdings keine Chance. Und ich kann auch nicht nachvollziehen, wie es bei den beiden so weit gekommen ist. Ich spüre nur allzu deutlich, dass sie vor Wut kochen. Garantiert alles ein Missverständnis, denn auf Streit sind wir wirklich nicht aus. Die Situation ist allerdings irgendwie festgefahren.

Plötzlich fällt mir ein Sprichwort aus Afrika ein: „Haltende Hände können nicht schlagen.“
Weil ich nicht möchte, dass es knallt, schnappe ich unsere aufgebrachte Nachbarin und meine Freundin an der Hand und nehme auch ihre Hände zusammen. Ich komme mir komisch dabei vor, aber etwas Besseres fällt mir in der Situation nicht ein.

An meinen Händen spüre ich genau, wie aufgebracht beide Frauen sind. Aber sie werden ruhiger, vielleicht liegt es an der komischen Situation. Wann wird man mitten beim Streiten an der Hand genommen?

Ich habe inzwischen auch das Gefühl, dass sie spüren, dass ich jeder von ihnen zuhören will. Sie werden ruhiger. Vielleicht merken sie, dass es jetzt gut ist.
Und plötzlich geschieht ein kleines Wunder und wir können wieder miteinander reden. Ich höre Entschuldigungen, die fallen, für… leider weiß ich immer noch nicht für was… Aber das macht nichts. Am Ende liegen wir uns alle in den Armen. Ich muss zugeben, dass das alles ein bisschen skurril war und ich auch niemals gedacht hätte, dass ich mal so Händchen halten werde. Aber, es hat sich richtig angefühlt das zu tun und es hat gewirkt.

Als Menschen geraten wir immer mal wieder aneinander, weil Gefühle und Emotionen uns im Weg stehen oder weil Missgeschicke passieren. Wir sind nicht perfekt.
Aber als Mensch kann ich mich immer wieder neu entscheiden und auch mal auf den anderen zugehen, mit offenen Händen. Damit es nicht eskalieren muss. Haltende Hände können nicht schlagen!

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30JUN2022
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Ehe für alle. In Deutschland ist das möglich. Heute vor fünf Jahren hat der Bundestag das mit großer Mehrheit beschlossen. Im Bürgerlichen Gesetzbuch heißt es seitdem: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“ Seit 2017 ist es also auch für gleichgeschlechtliche Paare möglich zu heiraten. Davor konnten sie nur eine Lebenspartnerschaft eintragen lassen.

Ein kleiner Meilenstein also für gleichgeschlechtlich Liebende, endlich gleiche Rechte wie alle anderen auch zu erhalten.

In meiner Kirche ist das anders. Die Katholische Kirche sieht die Ehe als einen Heiligen Bund vor Gott, der nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden kann. Dieser Bund besiegelt, dass die Eheleute lebenslang, freiwillig Miteinander und füreinander unterwegs sind. Und er sieht vor, dass das Paar Kinder bekommt und eine Familie gründet. Dieses Bild von Ehe passt für mich privat ganz gut. Ich kann mich darin wiederfinden.

Gott hat uns als Beziehungswesen füreinander geschaffen, davon spricht die Bibel. Er hat uns füreinander bestimmt. Und wenn sich nun Menschen zueinander hingezogen fühlen und einen gemeinsamen Weg gehen wollen, dann ist darin immer Gott zu entdecken. Er ist der Grund, dass wir uns lieben können, er ist die Liebe.

Ein wunderschöner Gedanke für die Ehe. Allerdings stört mich, dass die Kirche dies nur für Paare zulässt, die aus Mann und Frau bestehen. Andere Paarkonstellationen, wie Mann und Mann, Frau und Frau werden hier kategorisch ausgeschlossen. Und das finde ich nicht fair. Denn auch in ihrer Liebe zueinander zeigt sich für mich Gott. Sie vom Eheritual auszuschließen, passt für mich nicht in mein Bild von einer Kirche, die offen ist, für alle, die an Gott glauben.

Was ich mir deshalb von meiner Kirche wünsche ist, dass sie keinen Unterschied macht, welches Geschlecht die Liebenden haben. Viel mehr sollte es ihr darum gehen, Menschen zu stärken, die sich Liebe schenken, achtsam miteinander umgehen und füreinander da sind. Damit sie gute und schlechte Zeiten durchstehen. Denn das versprechen sich Paare, wenn sie in der Kirche heiraten: Gegenseitige Treue und Liebe, und zwar als Paar ganz allein. Der Pfarrer leitet nur das Ritual an und ist Zeuge vor Gott. Und nur das Paar allein kann für sich entscheiden, was eine gelungene Ehe für beide ausmacht. Da hat für mich die Kirche nicht mitzureden.

Die Katholische Kirche hat sich viele Gedanken zur Ehe gemacht und Regeln geschaffen. Eine Institution braucht Regeln. Gott übersteigt aber in seinem Wesen alles menschliche Denken und Handeln. Deshalb darf in meinen Augen meine Kirche nicht starr sein und darüber entscheiden, welche Paare Gott begleitet und welche nicht. Ich wünsche mir, dass meine Kirche mehr sieht, als ihre Regeln. Dass sie von den Menschen lernt, von Menschen, die aus ganzem Herzen lieben. Weil Gott dort ist, wo die Liebe ist.

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