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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

03FEB2023
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Vor einiger Zeit haben eine Freundin und ich über ein Wörtchen diskutiert und gemerkt, dass es nicht immer so leicht ist mit der Sprache. Es war das Wort „schön“. Sie hatte mich nach einem Ehemaligentreffen gefragt, auf das ich sehr hingefiebert hatte, und ich hatte nur sehr kurz, aber in meinen Augen zutreffend geantwortet: Es ist echt schön gewesen.

Später meinte sie: „Schön“, das hätte ihr nun gar nichts gesagt. Eine Worthülse sei das eher – eine, die eigentlich gar nichts aussagt. Ich war erstaunt – schön ist für mich zwar kein ganz präzises Wort, aber wenn ich etwas als schön empfinde, dann denke ich an wärmende Sonnenstrahlen oder freundliche Blicke, an zugewandte Begegnungen oder einen Blick in die Weite.  Schön ist für mich vieles, aber auf jeden Fall ist es auch Balsam für die Seele und etwas, was wohltut. Eben das Gegenteil von allem, was nicht schön ist. Ich hatte in das Wort ganz viel reingepackt, aber es ist nicht angekommen bei meiner Freundin.

Wir senden manches aus. Aber was ankommt, das steht auf einem anderen Blatt. Bei Comics, da stellt man das mit Sprechblasen dar und mit Denkblasen. Oft sieht man dann, dass in der Denkblase etwas ganz Anderes steht als in den ausgesprochenen Worten drinsteckt. Was heute erschwerend dazukommt, sind unsere Formen zu Kommunizieren. Wir sind zwar keine Comicfiguren, aber unterhalten uns oft auch komisch oder kurzangebunden wie in einem Comic - mit Kurznachrichten, emojis oder Abkürzungen.  Oder wir schicken einander Sprachnachrichten, die ja auch nicht Stunden dauern sollen. Wie soll ich da hineinpacken, was für mich schön ist?

Aber meine Freundin und ich haben uns dann doch noch schön einigen können: Sich Zeit zu nehmen zum Reden, das war das, was wir uns beide danach vorgenommen haben. Und das finden wir beide schön: Mehr zu reden, sich mehr zu sehen und die Schönheit von Erfahrungen miteinander zu teilen.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag –wodurch auch immer er für Sie besonders schön werden kann!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

02FEB2023
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Vorm Sportstudio sind auf einmal alle Parkplätze belegt. Der Trainer meint: „Lauter gute Vorsätze. Das wird schon bald wieder leerer.“

Viele Menschen nehmen sich immer wieder etwas vor, nicht nur im Januar-  ich auch. Zum Beispiel: immer den Schlüssel an dieselbe Stelle legen. Oder immer früh loskommen, damit ich nicht hetzen muss. Viel nehme ich mir vor für die Gesundheit, nicht alles gelingt. Der Tag heute lässt mich neu darüber nachdenken.

Er heißt Mariä Lichtmess, und in Frankreich heißt der Tag in Anlehnung an Kerzenlicht La Chandeleur. Außerdem ist das der sogenannte Tag des Crêpe. Auch in Frankreich ist dieser Tag vierzig Tage nach Weihnachten ein Lichterfest: Aber warum werden an diesem Tag Crêpes gemacht? Manche vermuten, weil Pfannkuchen wie eine Sonne aussehen, und damit ursprünglich eine Bitte um ein sonniges Jahr mit viel Getreide verbunden war. Ich liebe Pfannkuchen, aber bisher haben sie für mich nicht zur Liste von guten Vorsätzen gehört. Eher zum Scheitern von Vorsätzen – wenn ich nicht widerstehen kann.

Ob man deswegen unzufrieden ist oder sich mit einem Pfannkuchen tröstet -  ich finde, dieser Lichtertag heute ist eine gute Sache, um mit Vorsätzen und mit Scheitern umzugehen. Denn ein Pfannkuchen ist eine runde Sache und kann mich daran erinnern, auch wenn´s nicht rund läuft: Nicht aufgeben! Und bei allen Vorsätzen die Basis nicht vergessen: Beim Pfannkuchen der Teig, der auch ohne viel Aufhebens satt macht. Was mir sonst noch gelingt, an Puderzucker oder Apfelmus, an Schokoladigem oder Salzigen, das wird im Jahr immer wieder neu zu schauen sein. Der Tag des Crêpe erinnert mich: wenn die Basis stimmt, dann ist viel Spielraum möglich. Meine Vorsätze kommen als Bonus dazu.

Ich will mir Gutes vornehmen und trotzdem gnädig bleiben mit mir und anderen.  Und dabei kann Gott meine Vorsätze mit viel Gnade umhüllen. Mit seiner Hilfe wird es gut, wie ein Liedvers es sagt: „Gott wickelt seinen Segen gar zart und künstlich ein“ – wenn das nicht nach einem guten Pfannkuchen klingt!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

01FEB2023
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Die heilige Brigid von Kildare. Heute ist ihr Tag, denn heute vor 1500 Jahren soll sie gestorben sein. Sie ist Schutzpatronin von Irland. Sie macht deutlich, dass Religionen ganz anders sein können. Nämlich tolerant, offen, dankbar und menschlich -  und nicht, indem sie Menschen ausschließen oder Macht suchen.

In Irland lebten die Kelten. und in der Zeit von Brigid wurde das Christentum immer einflussreicher. Das hat zu der Frage geführt: wer gehört dazu und wer nicht?

In dieser Zeit wurde die Druidentochter Brigid Christin und ist bis heute in die Geschichte eingegangen als Heilige, aber auch als Göttin, Poetin, Heilerin. Man weiß nicht viel über sie. Sie soll Wasser in Bier verwandelt haben und vieles mehr – eine Fülle von Legenden. Was aber tatsächlich stimmt, ist vielleicht dieses: Die Kelten haben in Jesus Christus ihr Licht erkannt, ohne alles über Bord zu werfen, was ihnen vorher wichtig gewesen ist.

Besonders die Natur ist ihnen immer schon heilig gewesen und wäre es nach ihnen gegangen, hätte sie nie derart ausgebeutet werden dürfen. Für sie ging es nicht um Unterdrückung und Macht, sondern sie haben in Jesus Gottes Liebe, und Heilung und ein Miteinander von Mensch und Natur gesehen. Brigid ist auch bekannt geworden für ein Licht, ein ewiges Feuer – aber vieles hat anderen Menschen, die Macht suchten, nicht gepasst. So ist dieses Feuer der Brigid ausgelöscht worden. Aber nicht für immer: vor 30 Jahren ist es in Afrika auf einer Konferenz zu Gerechtigkeit, Frieden und Menschenrechten wieder angezündet worden.

So, wie die Bibel sagt, das Gottes Liebe niemals aufhört, so brennt auch ihr Feuer weiter. Das Gute lässt sich nicht unterkriegen - auch mit Macht und Intoleranz nicht. Menschen überall auf der Welt entdecken die keltische Spiritualität wieder neu. Und erkennen, wie sehr wir Teil der Natur sind, und dass wir -  wie Brigid -  ohne Schubladendenken einfach suchen können, was der Schöpfung und dem Frieden dient.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

31JAN2023
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Meine Kinder haben neulich mal wieder gepuzzelt. 1000 Puzzleteile! Erst einmal war nur der Rand fertig. Immerhin! Aber wie das Leben so spielt, war dann keine Ruhe mehr zum Puzzlen und das unvollendete Werk wurde wieder zerstört. Man konnte kaum ahnen, dass es das Schloss Neuschwanstein werden sollte.  1000 bunte kleine Puzzleteile und wieder sieht es aus, als wäre nichts zusammenhängend. Ich musste an den englischen Ausdruck falling into pieces denken: alles fällt in Stücke. Wie in einer Situation, in der nichts mehr passt. Wenn sogar der Rahmen zu Bruch geht - das, was einem Halt gegeben hat.

So war es für einen Mann, den ich im Krankenhaus kennengelernt habe. Sein Vater war gerade verstorben und er hat sich gesorgt, wie es für die Mutter weitergehen sollte. Gerade hat man das Leben im Griff, hat sich seinen Rahmen zusammengepuzzelt, und dann fällt alles auseinander. Wie kann da wieder etwas zusammengefügt werden? Das scheint in so einer Situation unmöglich.

Im Englischen gibt es aber auch den gegenteiligen Begriff: Falling into place. Zusammengefügt werden. Gleichsam wie durch Zauberhand passt etwas zusammen. Manchmal erlebe ich das: Wo erst der Boden unter den Füssen weggezogen worden ist und etwas zerbrochen ist, da geschieht etwas und zwei Puzzlestücken passen unverhofft zusammen. Ein Anfang! Für diesen Mann waren es zwei Erfahrungen. Eine Nachbarin ist zu einer unerwarteten Helferin geworden. Sie besucht die Mutter nun jeden Tag.  Und er selber als Sohn, der seinen Vater sehr vermisst, hat beim Aufräumen ein Buch gefunden. Darin hatte der Vater seine Lebenserinnerungen aufgeschrieben. Immer wieder scheint es beim Lesen so, als würde der Vater direkt zu ihm sprechen.

Das Leben ist nicht heil und das Puzzle nicht vollständig, das wird es vielleicht erst nach unserem Tod sein. Aber für ihn ist Gott sei Dank etwas Heilsames passiert– Fragmente fügen sich zusammen. So kann ich es auch hoffen mit Blick auf die vielen kleinen Puzzleteile bei mir zuhause: Da kommt etwas zusammen. Und das Bild wird schön werden.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

30JAN2023
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Ein Kollege hat mir erzählt: Kurz bevor er aus dem Pfarrhaus seiner Gemeinde weggezogen ist, ist ein Nachbar angekommen und hat ihm eine meterlange Liste präsentiert. An der Haustür hat er seine persönliche Liste von Kränkungen vorgetragen, Papier um Papier. Ein nicht gefegter Bürgersteig war ebenso dabei wie zu langes Glockengeläut, ein zu flüchtiger Gruß ebenso wie falsches Parken. Gut 10 Jahre hat er fast jeden Tag aufgeschrieben, was ihn ärgert. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, die Liste zum Übeltäter zu tragen.

Im Deutschen gibt es ein Wort dafür, das heißt „nachtragend“. Wenn ich nachtragend bin, habe ich oft viel und lange an etwas zu tragen. Ich werde es nicht los und trage es mit mir rum. Manchen hilft es, etwas zu Papier zu bringen. Bei diesem Mann aber hörte das Nachtragen damit auch nicht auf. Mein Kollege war erschüttert: Einen so verbitterten Menschen hatte er selten erlebt. Nachtragende Gefühle, die können in einer Seele wirken wie Gift, schleichend, ohne dass einer es merkt.

Es gibt allerdings ein gutes Gegengift. Vergebung. Wenn ich vergebe, dann kann ich die Last ablegen, die ich nachtrage. Und die guten alten Qualitäten wie Barmherzigkeit, Nachsichtigkeit, Güte und Vergebung im Herzen pflegen. Und wenn es wirklich einen Grund zur Beschwerde gibt, ist auch dieses wichtig: Miteinander zu reden. Auch Wut darf man haben – aber möglichst nicht jahrelang anstauen. Damit ein Nachbar nicht irgendwann aus allen Wolken fällt, dass ein Anderer einen solchen Groll angesammelt hat, und so viele Kränkungen nachträgt. Statt verbittert zu werden besser früher miteinander reden. Ab und zu räumt das manches Missverständnis aus dem Weg, und spart Tinte und Papier.

Ich habe durch diese Geschichte selber angefangen zu schauen, wo ich nachtragend bin. Wo ein Gespräch, eine Geste oder etwas Nachsicht helfen könnte. Und ich hoffe, dass ganz andere Listen entstehen könnten – über das, was wir jeden Tag auch Gutes einander schenken, und wie wir aufrichtig und barmherzig miteinander umgehen können.

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26NOV2022
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Morgen ist der erste Advent. Und auch wenn viele sagen: „Was, schon? Wie schnell ist das wieder gegangen?“: Ich freue mich schon sehr darauf!

Auf die Adventszeit, auch und gerade in einem schwierigen Jahr. Advent heißt Ankunft. Um die Ankunft von Gottes Sohn in unserer Welt geht es.

Aber das Wort Ankunft wirft bei mir auch viele Fragen auf. Ich habe mich schon oft auf die Ankunft von Besuch vorbereitet, wenn jemand zum Essen gekommen ist oder zum Übernachten. Und ich bin selber im Leben oft angekommen. Aber gleichzeitig kenne ich auch im Alltag das Gefühl: Ich komme nie richtig an. Etwas ist geschafft, und schon geht es weiter zum Nächsten. Die ganze Gesellschaft kommt mir manchmal so vor wie viele Einzelne, die ständig unterwegs sind - und wer kommt dabei an?  Wo ist überhaupt das Ziel?

Ankommen heißt ja: Jemand ist da. Ich werde empfangen, am liebsten freundlich und entspannt. Und werde dann selber ruhig. Wo kann Jesus ankommen, wenn ich selber ständig auf Achse bin? Ständig unterwegs sind nicht nur die, die viele Kilometer zurücklegen. Manche sind nicht ganz zuhause im Leben, weil Sorgen sie nicht zur Ruhe kommen lassen. Oder es treibt einen etwas so um, dass Innehalten schwer ist.  Aber Besuch kann ja nur ankommen, wenn ich selber zu Hause bin. Wenn ich bei mir bin.

Angelus Silesius hat es in Bezug auf Jesus so gesagt: „Wird Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.“. Der aus Breslau stammende Dichter und Mystiker hat es vor langer Zeit schon auf den Punkt gebracht: Gott hat für seine Ankunft die Krippe gewählt - und unser Herz.  Und deshalb ist es gut, für diese besondere Ankunft da zu sein. Zu Hause. Daran denke ich heute, am Tag vor dem 1. Advent.

Dann steht nicht die Todo-Liste oder der Einkauf im Vordergrund, sondern ganz einfach das: Anzukommen, um die Tür aufzumachen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

25NOV2022
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Ruth hat uns gerettet. Dabei hat sie uns noch gar nicht lange gekannt. Sie ist unsere Vermieterin im Urlaub gewesen. Am letzten Tag hätten wir beinahe unsere Rückfahrt verpasst. Da hat sie, ohne dass wir es verhindern konnten, ihren Mann gebeten, uns zum Bahnhof zu fahren. Und zwar eine sehr lange Strecke, nicht mal nur gerade kurz. Für ihn ein ganz schöner Umstand. Aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätten wir das nie im Leben rechtzeitig geschafft. Ihre Hilfe ist für uns völlig unvermittelt gekommen - von einer Fremden, ohne irgendeine Verpflichtung uns gegenüber. Als wir unser Erstaunen ausgedrückt haben, hat ihr Mann nur gelacht und gesagt: „So ist meine Frau. Da gibt es nichts. Sie hat klar gesagt: Wir müssen helfen.“  Und das hat er dann getan.

„Wir müssen helfen.“
Der Satz ist mir danach nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Helfen ist ja etwas Freiwilliges. Es gibt zwar helfende Berufe, die dafür Geld bekommen, aber oft ist das nicht viel Geld. Und noch mehr Helfende gibt es im sogenannten Ehrenamt oder in Freiwilligendiensten. Von wegen „müssen“.

Aber Ruth, unsere Gastwirtin, sie ist ein Mensch, der einfach helfen muss. So ähnlich wie der barmherzige Samariter in der Bibel. Sie kann ihre Augen nicht verschließen, wenn jemand Hilfe braucht. Es gibt sie also, solche Menschen. Selbst heute und selbst in einer Großstadt.

Ich werde das nie vergessen. „Wir müssen helfen.“ Es klang bei Ruth und ihrem Mann nicht nach lästiger Pflicht oder notwendigem Übel. Sondern wie eine glasklare Selbstverständlichkeit: Helfen, weil wir können. Helfen, weil wir Menschen sind. Helfen, weil jeder das mal brauchen könnte.

Wie schön, wenn man solche Urlaubserinnerungen mitnehmen kann, die lange nachwirken: Fremde können Helfer werden. Und Hilfe anzunehmen ist auf einmal gar nicht mehr so schwer.

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24NOV2022
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Der Sohn einer Freundin wird Uhrmacher. Mal etwas anderes, denke ich. Nach der Lehre hatte er noch studieren wollen, aber an der Uni hat er schnell gemerkt – nein, das ist es nicht.

Die Uhrmacherlehre in der Tasche hat er dann überlegt: Warum eigentlich nicht? Ich werde einfach das, was ich gelernt habe.  Und jetzt ist er eben Uhrmacher. Natürlich fragen ihn manche: Wer wird denn heute Uhrmacher?  Digitales Zeitalter: Die Leute haben Handys und Schrittezähler, aber Armbanduhren werden doch immer weniger. Aber es gibt sie noch! Und ich finde seine Entscheidung einfach klasse. Mutig und authentisch. Nicht nach der Kurzlebigkeit unserer Zeit gehen. Nicht nur fragen, was verdiene ich oder wo ist es am Leichtesten, sondern sich ein seltenes Handwerk aussuchen und einen buchstäblich uralten Beruf ausüben. Etwas machen, wozu man sich berufen fühlt, was mit Zeit zu tun hat und nicht mit Zeitgeist. Und was geistvoll und kunstvoll ist.

Wir brauchen überall Fachkräfte, heißt es. Die Pflege und andere soziale Berufe suchen dringend Nachwuchs. Wir als Gesellschaft müssen umdenken und da ist vieles, was sich verändern muss. Und es braucht Mut. Wie toll, wenn junge Menschen uns das vormachen. Solchen Mut: eine Berufung zu finden und der nachzugehen. In der Bibel gibt es alle möglichen Berufe und Berufungen. Jesus hat vor allem gepredigt, aber sein Vater, Joseph, ist Zimmermann gewesen und so wird auch Jesus diesen Beruf gelernt haben, bodenständig und handfest.

Wir brauchen die Handfesten und die Denkenden, die Rechner und die Visionäre, die politisch Aktiven und die an der Seite von Hilfsbedürftigen. Und auch die Uhrmacher. Ich bin überzeugt: jeder und jede von uns hat eine ganz eigene Begabung und Berufung. Wie wunderbar ist es, wenn Menschen etwas wagen und wenn davon etwas in die Welt getragen wird. Und wenn am Ende dann noch zwei beschenkt werden: der Berufene und der glückliche Besitzer einer funktionierenden Armbanduhr.

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23NOV2022
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Was erwartet mich heute wohl in den Nachrichten? Morgens denke ich manchmal daran und merke, dass das ganz schön anstrengend ist. Ich will gut informiert sein durch Radio und Zeitung und so weiter. Aber als ich mal im Kloster war und eine Woche lang keine Nachrichten gehört habe, ist das wie eine Verschnaufpause für meine Seele gewesen. Der Dichter Hugo von Hofmannsthal hat mal gesagt: „Es gibt viel Trauriges in der Welt und viel Schönes. Manchmal scheint das Traurige mehr Gewalt zu haben, als man ertragen kann, dann stärkt sich indessen leise das Schöne und berührt wieder unsere Seele.“

Manchmal scheint das Traurige viel stärker als das Schöne. Viele Menschen machen Dinge durch, die kaum zu ertragen sind. Was wir selber oder was wir durch die Nachrichten miterleben, ist ganz schön viel: Menschen in Not, offene Fragen auch in unserem Land, soziale Spannungen, Krankheiten und in der Welt Krieg und Unterdrückung. Das macht mich oft sehr dünnhäutig. Und ich frage mich dann: Wo führt das alles hin?

Aber Hofmannsthal sagt: Da ist auch etwas anderes, dieses leise Schöne. Und auch das berührt unsere Seele. Nur, wie finde ich das?

Das Schöne, das meine Seele berührt, kommt meist nicht in den Nachrichten vor.  Ich kann es auch nicht selber machen. Es ist aber da. Ich muss meine Antennen ausfahren und genau hinhören oder sehen. Und dann kann ich es wahrnehmen: Eine gute Erfahrung mit einem Menschen. Ein buntes Blatt auf dem Boden, ein Sonnenstrahl durch die Wolken hindurch. Alles kann meine Seele berühren, wenn ich mich auch berühren lasse.

Eine Musik kann mich berühren oder Gottes Wort, durch das er sagt: Ich bin bei Dir, in allem, was auch so oft traurig und schwer ist.  All das ist manchmal leise, aber kann die Hoffnung stärken und neuen Mut machen.

Besonders für dieses leise Schöne möchte ich heute offen sein.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

22NOV2022
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Der Theologe Jörg Zink wäre heute hundert geworden. Vor 6 Jahren ist er gestorben. Er hat viel geschrieben, was bis heute spannend ist. Jörg Zink ist in eine Bauernfamilie hineingeboren worden. Schon vor dem fünften Lebensjahr hat er sowohl Mutter als auch Vater verloren.

Trotzdem hat ihn ein unerschütterlicher Glaube ausgezeichnet, den er in Wort und Tat übersetzen konnte. Er ist ab 1961 Fernsehpfarrer von Württemberg gewesen und hat rund 120 mal das „Worte zum Sonntag“ gesprochen. Dabei ging es ihm auch um die soziale Dimension von Glauben und um die Bewahrung der Schöpfung -  lange bevor eine Klimakrise in aller Munde war.

Etwas über ihn habe ich neu gelernt und das hat mich sehr überrascht. Er wurde in einem Interview mal gefragt, wie er sich die Ewigkeit vorstellt. Da hat er gesagt, dass er dazu einen ganz eigenen Zugang hat.  Er glaubt, dass wir in der Ewigkeit neue Aufgaben bekommen.

Also nichts mit ewiger Ruhe oder mit Ausruhen auf so etwas wie einem „himmlischen Sofa“, sondern neue Aufträge bekommen, die wir zu erfüllen haben – damit das Reich Gottes hier wie dort wirklich wird. Da habe ich erstmal die Stirn gerunzelt. Wie oft habe ich bei Beerdigungen gesagt: Ruhe in Frieden. Und dann sagt Jörg Zink, der für mich ein besonders kluger Pfarrer war: „Ich glaube, es gibt neue Aufträge“.

Klar: niemand weiß das. Niemand kann ein Leben nach dem Tod beweisen-  weder mit himmlischen Sofa noch mit neuer Auftragslage. Aber glauben, vorstellen kann man sich das – und überlegen, was zu Gottes Wort passt. Und da finde ich das gar nicht so abwegig mit den neuen Aufträgen. Langeweile - das soll auch nach dem Tod sicher nicht sein.

Viele Menschen sehnen sich nach Erlösung. Sie wünschen sich Frieden und eine Welt ohne Krieg, Hunger, Zerstörung und Schmerz.

Vielleicht sind die Verstorbenen die, die auf der anderen Seite des Lebensendes daran mitarbeiten. Ähnlicher Auftrag, aber mehr Klarheit. Und immer noch was zu tun, mit Liebe und mit viel Hoffnung.  

Mal sehen, wie das alles wird!

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