Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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25NOV2022
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Ruth hat uns gerettet. Dabei hat sie uns noch gar nicht lange gekannt. Sie ist unsere Vermieterin im Urlaub gewesen. Am letzten Tag hätten wir beinahe unsere Rückfahrt verpasst. Da hat sie, ohne dass wir es verhindern konnten, ihren Mann gebeten, uns zum Bahnhof zu fahren. Und zwar eine sehr lange Strecke, nicht mal nur gerade kurz. Für ihn ein ganz schöner Umstand. Aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätten wir das nie im Leben rechtzeitig geschafft. Ihre Hilfe ist für uns völlig unvermittelt gekommen - von einer Fremden, ohne irgendeine Verpflichtung uns gegenüber. Als wir unser Erstaunen ausgedrückt haben, hat ihr Mann nur gelacht und gesagt: „So ist meine Frau. Da gibt es nichts. Sie hat klar gesagt: Wir müssen helfen.“  Und das hat er dann getan.

„Wir müssen helfen.“
Der Satz ist mir danach nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Helfen ist ja etwas Freiwilliges. Es gibt zwar helfende Berufe, die dafür Geld bekommen, aber oft ist das nicht viel Geld. Und noch mehr Helfende gibt es im sogenannten Ehrenamt oder in Freiwilligendiensten. Von wegen „müssen“.

Aber Ruth, unsere Gastwirtin, sie ist ein Mensch, der einfach helfen muss. So ähnlich wie der barmherzige Samariter in der Bibel. Sie kann ihre Augen nicht verschließen, wenn jemand Hilfe braucht. Es gibt sie also, solche Menschen. Selbst heute und selbst in einer Großstadt.

Ich werde das nie vergessen. „Wir müssen helfen.“ Es klang bei Ruth und ihrem Mann nicht nach lästiger Pflicht oder notwendigem Übel. Sondern wie eine glasklare Selbstverständlichkeit: Helfen, weil wir können. Helfen, weil wir Menschen sind. Helfen, weil jeder das mal brauchen könnte.

Wie schön, wenn man solche Urlaubserinnerungen mitnehmen kann, die lange nachwirken: Fremde können Helfer werden. Und Hilfe anzunehmen ist auf einmal gar nicht mehr so schwer.

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