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11FEB2024
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Heile, heile Gänsje

Es is bald widder gut

Es Kätzje hat e Schwänzje

Es is bald widder gut

Heile, heile Mausespeck

In hundert Jahr ist alles weg!

 

So richtig passt dieses Lied gerade nicht zu meiner Stimmung. Obwohl Faschingssonntag ist. Eigentlich wollte unser Autor Stefan Warthmann heute über dieses Lied sprechen. Aber er ist vor wenigen Tagen im Alter von 53 Jahren verstorben. Im Gedenken an ihn und in seinem Sinn übernehme ich heute seinen Sendeplatz. Auch wenn es mir schwerfällt zu sagen, dass bald alles wieder gut ist.

 

 

Bei all den Kleinen Kinderlein

Gibt´s manchen großen Schmerz,

Hat´s Püppchen was am Fingerlein

Bricht Mutti fast das Herz;

Dann kommt die Mamma schnell herbei.

Nimmt‘s Kindchen auf den Schoß

und sagt bedauernd: Ei, ei, ei,

Ja, was hat mein Kindchen bloß?

Bewegt sie es ans Herze zieht

Und singet ihm zum Trost das Lied …

 

Zu diesem Lied passt nicht so recht, was man sich sonst unter Fasching vorstellt: eine Prunksitzung, die saalfüllende Blechkapelle, beißender Spott. Das berühmteste aller Fastnachtslieder ist eigentlich gar keines, sondern ein Kehrreim nach Kinderart. Der Sänger wird nur von einem einzelnen Klavier begleitet. Das Lied ist leise und verlangt ein Publikum, das still ist und zuhören kann. Bei der ersten Aufführung 1929 ging’s eher nachdenklich zu. Manche haben sich sogar Tränen aus den Augen gewischt. Im Liedtext tröstet eine Mutter ihr Kind, das sich verletzt hat und weint. Mit dem einfachen Refrain wiegt sie es in den Schlaf und lässt es spüren: „Auch wenn die Welt voller Gefahren ist, du bist behütet.“ Ein Karnevalslied, das gleichzeitig Wiegenlied und Heilsegen ist.

 

 

 

Und sind die Kinder größer dann,

Erwacht im Herz die Lieb,

Es dreht sich alles um den Mann,

Den bösen Herzensdieb,

Doch wenn das Herz in Flammen steht,

Vor Liebe, Lust und Glück,

Der Mann gar oft von dannen geht.

Lässt weinend sie zurück.

Dann singt die Mutter angst und bang

das Lied, das sie dem Kind einst sang…

 

 

Liebeskummer – das ist nur eine der Sorgen, die dazukommen, wenn man die Kindheit hinter sich lässt. Aber am Ende steht ja immer der melancholische Refrain, der ein Happy-Ende in Aussicht stellt. Ist das Kitsch? Gaukelt es eine heile Welt vor, die es so nie gab und geben wird?

Als das Lied ab 1951 durch den singenden Dachdeckermeister Ernst Neger berühmt wurde, haben sich die Deutschen sehr danach gesehnt. Fasching nach der Katastrophe der Nazi-Dikatatur und des verlorenen Kriegs.

Heile, heile Gänsje ist in meinen Augen ein geniales Lied für Fasching und Karneval, weil es einen doppelten Boden hat. Der Clown macht gute Miene zum bösen Spiel. Der Bajazzo soll lachen, obwohl ihm zum Weinen zumute ist. Oberflächlich ist das Lied harmlos, fast naiv. Es spricht davon, was wir gern hören wollen: dass alles gut wird. Aber darunter, eine Schicht tiefer, geht es um die Sorgen und Nöte der jeweiligen Zeit.

Das Leben ist kein Tanzlokal,

Das Leben ist sehr ernst.

Es bringt so manche Herzensqual,

Wenn du es kennen lernst.

Doch brich‘ _nicht unter seiner Last,

Sonst wärest du ein Tor,

Und trag‘ _was du zu tragen hast,

Geduldig mit Humor.

Und denk´ Dein ganzes Leben lang,

Ans Lied das Dir die Mutter sang:

Fasching feiern ist nicht so mein Ding. Aber ich gebe gerne zu, dass es mir guttut, alles mal ein bisschen leichter zu nehmen. Und dabei die Hoffnung ganz stark zu machen, dass in hundert Jahren alles weg ist. Ich komme normalerweise besser damit klar, alles genau zu erledigen und lieber nochmals eine Runde zu drehen, in der ich aufspüre, was womöglich doch noch alles zu bedenken ist. Dann fühle ich mich sicherer. Vermeintlich. Denn immer wieder falle ich damit auch auf die Schnauze und hole mir Blessuren. Weil ich eben nicht alles in der Hand habe. Weil es menschlich ist, nicht alles richtig zu machen. Weil ich am Ende dann am besten lebe, wenn ich loslassen und vertrauen kann. Und Vertrauen ist vorausgesetzt, wenn ich glauben will, wenn ich Gott da noch etwas zutraue, wo ich nichts mehr tun kann. Was - so schwer mir das fällt – für den Tod meines Freundes Stefan Warthmann auch gilt.

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04FEB2024
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Orgelchoral „Liebster Jesu, wir sind hier“

„Liebster Jesu, wir sind hier“, so heißt das Lied, das eben in dem kunstvollen Orgelvorspiel von Johann Sebastian Bach angeklungen ist. Ich erinnere mich, dass ich es als Kind oft gesungen habe. Im Kindergottesdienst. Da bin ich gerne hingegangen. Einmal, weil es die erste Veranstaltung in meinem Leben war, zu der mich meine Eltern alleine gehen ließen.Aber da war noch etwas Anderes, das wichtiger war: Ich hatte das Gefühl, in der Nähe von diesem Jesus, da bist du gut aufgehoben.

Liebster Jesus, wir sind hier,
dich und dein Wort anzuhören;
lenke Sinnen und Begier
auf die süßen Himmelslehren,
dass die Herzen von der Erden
ganz zu dir gezogen werden.

Erst später habe ich den historischen Zusammenhang verstanden, aus dem das Lied stammt. Es ist kurz nach Ende des Dreißigjährigen Krieges entstanden.
Der evangelische Pfarrer Tobias Clausnitzer aus Weiden in der Oberpfalz hat es für einen Friedensgottesdienst gedichtet. Das Wort Frieden kommt im Lied zwar nicht vor, aber die Sache schon. Denn es geht darum, sich ganz auf den auszurichten, der die Sanftmütigen und die Friedensstifter seligpreist.

„Lenke Sinnen und Begier auf die süßen Himmelslehren“, heißt es am Anfang. Und dann in der zweiten Strophe:

Unser Wissen und Verstand
ist mit Finsternis verhüllet,
wo nicht deines Geistes Hand
uns mit hellem Licht erfüllet.

Heute wird das Lied oft im Gottesdienst vor der Predigt gesungen. Ich finde, da passt es auch gut hin. So wird sein Impuls aufgenommen: dass ich mich auf das konzentrieren soll, was Orientierung und Erkenntnis schafft. In dunklen Zeiten.
Das genau ist die stille Hoffnung, die im Lied erklingt: wenn ich mich öffne für die Worte Jesu, dann kommt etwas vom verlorenen Glanz zurück in die Welt.

Und führt mich heraus aus der Beschäftigung mit mir selbst. Und öffnet mir Herzen, Mund und Ohren für den Klang seiner Friedensbotschaft.

O du Glanz der Herrlichkeit,
Licht vom Licht, aus Gott geboren:
mach uns allesamt bereit,
öffne Herzen, Mund und Ohren;
unser Bitten, Flehn und Singen
lass, Herr Jesu, wohl gelingen.

                                        *

Orgelchoral „Liebster Jesu, wir sind hier“, BWV 731. CD: Orgelwerke Opus Bach, Peter Kofler, 5, Faraq Classic 2019, LC 03740
„Liebster Jesu, wir sind hier“. CD: Aus meines Herzens Grunde. Die schönsten alten Kirchenlieder, 2, Carus Verlag, Track 25, LC 3989
„Liebster Jesu, wir sind hier“. CD: Ein Choralbuch für Johann Sebastian Bach, Gächinger Kantorei, edition hänssler, Track 2, LC 06047

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28JAN2024
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Worte können gut tun -  ermutigen, aufrichten und trösten. Und: Worte verbinden. Wenn mich jemand anspricht, entsteht eine Beziehung zwischen uns. So geht es mir auch mit Gott. Seine Worte richten mich auf und sie machen mir Mut. Dank ihnen bekomme ich so eine Ahnung, wer Gott ist und kann mit ihm in Kontakt treten. Gottes Worte bringen Licht in mein Leben. Davon erzählt auch das Lied, das ich für heute ausgewählt habe.

Lied:

Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht. Es hat Hoffnung und Zukunft gebracht. Es gibt Halt, es gib Trost in Bedrängnis, Not und Ängsten. Ist wie ein Stern in der Dunkelheit.

Dass Gott zu den Menschen gesprochen hat, ist eine Grundüberzeugung von Christen und Juden. In der Bibel sind seine Worte aufgeschrieben. Da steht etwa: „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Zeiten.“ Eigentlich großartig – und doch erreichen mich diese Worte nicht per se. Ganz anders, als wenn ich mit jemandem im Gespräch bin.

Da kommt zu den Worten noch der Klang der Stimme dazu. Durch sie werde ich unmittelbar angesprochen. Ich kann hören, wie jemand mir gegenüber eingestellt ist und wie er sich gerade fühlt. Die Stimme ist ein Ausdruck der Seele. Deswegen kann ein gesprochenes Wort berühren. Und umgekehrt bleiben Worte ohne eine beseelte Stimme oft blass oder leblos.

Was bedeutet das für die Worte Gottes? Wodurch werden sie kraftvoll und lebendig?

Lied

 

 

Wenn ich Gottes Worte höre, dann höre ich nicht seine Stimme. Seine Worte werden von Menschen gesprochen, die Gott gewissermaßen ihre Stimme leihen. Ist das nicht vermessen? Aber so ist Gott. So viel Vertrauen legt Gott in die Menschen, dass sie zu seinem Sprachrohr werden können. Zum Beispiel wenn ich als Lektorin im Gottesdienst Gottes Wort verkünde oder hier im Radio sein Wort in den Mund nehme. Leider können Menschen Gottes Wort auch missbrauchen. Damit Gottes Worte stimmig und kraftvoll werden, braucht es eine innere Übereinstimmung zwischen Gott und der Person, die spricht. Dann kann ich in der Stimme eines Menschen auch die Stimme Gottes mithören. Mir geht das oft so bei einem Segenswort, das mich unmittelbar berührt.

Lied als Kanon

Musik aus der CD „Eingeladen zum Fest des Glaubens“ Institut für Kirchenmusik, Bistum Mainz

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21JAN2024
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Wir hören gleich das Lied einer verliebten Seele. Tausend süße Worte findet sie für ihren Angebeteten. Sie hat nur Augen für ihn und seine Schönheit und hört nicht auf zu schwärmen. Als Außenstehende kommt mir das zunächst übertrieben vor. Peinlich berührt bin ich von den blank liegenden Gefühlen. Aber je länger ich dieser Stimme zuhöre, regt sich auch ein bisschen Neid. Diese Innigkeit lässt sich nicht beirren, und sie berührt mich. Die Worte gehen ihr nicht aus, sie fließen beständig aus ihr heraus, kaum kommt sie nach, den Geliebten zu preisen: „Schön und herrlich, groß und ehrlich, reich an Gaben, hoch und sehr prächtig erhaben!“ Und dann die Überraschung: Der geliebte Bräutigam ist kein Geringerer als Jesus. 

Wie schön leuchtet der Morgenstern
voll Gnad und Wahrheit von dem Herrn,
die süße Wurzel Jesse.
Du Sohn Davids, aus Jakobs Stamm,
mein König und mein Bräutigam,
hast mir mein Herz besessen.
Lieblich,
freundlich,
schön und herrlich,
groß und ehrlich,
reich an Gaben,
hoch und sehr prächtig erhaben.

Der Dichter Philipp Nicolai nennt es „Ein geistlich Brautlied der gläubigen Seele von Jesu Christo, ihrem himmlischen Bräutigam“. Dabei formuliert er kühne Wünsche, projiziert auch erotische Bilder. Das hat dann leider dazu geführt, dass in der Geschichte des Liedes viele Textzeilen geglättet, man könnte auch sagen, verstümmelt wurden. Und selbst in der aktuellen Ausgabe des Evangelischen Gesangbuchs sind nicht alle Strophen in ihrer ursprünglichen Fassung abgedruckt. 

In der vierten Strophe zum Beispiel wird die Bitte laut: „Nimm mich freundlich in dein Arme und erbarme dich in Gnaden.“ Das wirkt ziemlich spröde, wenn man sich den Originaltext herholt. Da fleht die liebende Seele nämlich: „Nimm mich freundlich in dein Arme, dass ich warme werd‘ von Gnaden.“  Wie schade, dass man diese Glaubenswärme ersetzt hat!  

Zum Glück blieb die folgende Strophe aber unverändert. Sie bittet zum Tanz und öffnet endlich auch den Raum für alle, die sich mitnehmen und ja, erhitzen lassen. 

Zwingt die Saiten in Cithara,
und lasst die süße Musica
ganz freudenreich erschallen:
Dass ich möge mit Jesulein,
dem wunderschönen Bräut’gam mein
in steter Liebe wallen.
Singet
Springet
Jubilieret
Triumphieret
dankt dem Herren,
groß ist der König der Ehren. 

Musikangaben: 
Text und Melodie: Philipp Nicolai (1599)

Aufnahme: Singer Pur, aus: Der Singer Pur Adventskalender. 24 Lieder zum Advent

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14JAN2024
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Ein kleines Sonntagmorgen-Rätsel zum Mitraten: Was ist das? Es ist wie ein Fest nach langer Trauer, wie ein Feuer in der Nacht, wie ein offenes Tor in einer Mauer, wie ein Brief nach langem Schweigen. Während Sie noch ein bisschen nachdenken können, spiele ich die musikalische Version des Rätsels ein. Es ist nämlich die erste Strophe unseres heutigen Liedes zum Sonntag. 

 

Haben Sie es rausbekommen? Die Auflösung versteckt sich im Titel unseres Liedes. Es heißt „So ist Versöhnung“. Und so beginnt auch der Refrain, den wir gleich hören, wie gerade schon gesungen vom Textdichter selbst, von Jürgen Werth. Diese Aufnahme stammt von 2017. Komponiert hat er das Lied schon 1988 zusammen mit Johannes Nitsch. Damals wusste er noch nicht, dass es ein Klassiker unter den Neuen Geistlichen Liedern werden würde. 

 

Das Lied spart nicht mit blumigen Vergleichen. Versöhnung wird verglichen mit Regen in der Wüste, mit einem Schlüssel im Gefängnis, oder mit dem Frühling.

 

Aber vor dem schönen Erlebnis steht harte Arbeit, denn versöhnen geht nicht auf Knopfdruck. Versöhnen leitet sich ab von „versühnen“, und darin steckt das Wort Sühne. Sühne ist immer der Versuch, etwas wieder gut zu machen. Das kann nur gelingen, wenn ich etwas aufrichtig bereue, und wenn ich bereit bin, mein Verhalten auch wirklich zu verändern. Hören wir die zweite Strophe in der Urversion des Liedes, im typischen Sound der 80er Jahre mit viel Hall und Synthesizer-Klängen. 

 

In der zweiten Strophe wird deutlich, wie schwer Versöhnung zu erreichen ist. „Alte Feinde Hand in Hand“ – wie sehr wünsche ich mir das für alle Kriegsgebiete. Aber die Situation scheint verfahren. Hier wird deutlich, dass es für den wahren Frieden mehr braucht als unsere menschliche Anstrengung. Im Johannesevangelium sagt Jesus bei seiner Abschiedsrede zu den Jüngern: „Meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.“ (Joh 14,27). Dieser letzte Satz macht mir Mut, weiterhin für Frieden zu beten und zu singen, auf die Straße zu gehen, in Diskussionen meine Meinung zu sagen oder Friedensfähnchen aufzuhängen. Und natürlich alles dafür zu tun, dass der Frieden in meinem unmittelbaren Umfeld eine echte Chance hat. 

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07JAN2024
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Musik 1

So könnte es klingen, wenn der Himmel die Erde besucht. Stimmen wie von weit her, aus der Höhe – und doch rasch geerdet.
“O nata lux de lumine, Jesu redemptor saeculi.” – “O Licht, aus dem Licht geboren, Jesus, Erlöser der Welt.” Ein alter lateinischer Hymnus. Die Musik ist von Thomas Tallis, einem englischen Komponisten des 16. Jahrhunderts.
“Licht, aus dem Licht geboren”: Der Himmel sendet sein Licht auf die dunkle Erde, und die Erde wird hell, noch im letzten Winkel.

Musik 2

„Jesus, nimm barmherzig Lobpreis und Gebete der Bittenden an.“
Wenn Menschen von der Erde zum Himmel schauen, dann mischen sich Anbetung und Klage. Es ist so dunkel auf der Erde. Leid und Gewalt, Angst und Zerstörung, Not und Bitterkeit. Kalt und einsam ist es, in der Welt und in den Herzen. Die Stimmen gehen nach oben. Und ein Instrument mischt sich ein, das eigentlich gar nicht in Tallis‘ Komposition gehört: ein Saxofon, hier als Stimme der Hoffnung.

Musik 2

Der Himmel besucht die Erde … und die Erde streckt sich nach dem Himmel aus, greift zu, hält fest, will die neue Hoffnung nicht mehr loslassen. Es kann doch noch gut werden. Kann es nicht doch noch gut werden? Was bleibt am Ende von Weihnachten, was bleibt von der Hoffnung auf das neue Jahr?
Jesus ist vom Himmel auf die Erde gekommen. Wir werden die Glieder seines Leibes.

Musik 2

Wir gehören zum Leib Christi, das bleibt von Weihnachten. Wir sind Jesu Arme, Beine, Augen und Mund. Wir sind Teil von Gottes Hoffnung für die Welt. Diese Hoffnung tragen wir ins neue Jahr. Schmerzen und Wunden – die gehören dazu. Ebenso wie Anmut und Schönheit. Schwäche ebenso wie Stärke.

“O nata lux de lumine – O Licht, aus dem Licht geboren, Jesus, Erlöser der Welt.”

Das Licht ist zur Welt gekommen, der Himmel hat die Erde besucht, um zu bleiben. Und das Licht wird stärker. Überall, wo ein Mensch hofft.

Musik 1

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O nata lux (Thomas Tallis)
Komponist
M: Thomas Tallis
T: Unbekannt; im Manuskript benutzte deutsche Übersetzung: René Strasser
(http://www.hymnarium.de/hymni-ex-thesauro/hymnen/326-o-nata-lux)

Musikquellen
Musik 1:
O nata lux de lumine. Hymnus zu 5 Stimmen (Vokalensemble a cappella); Tallis, Thomas; Unbekannt; Stimme pur: The Tallis Scholars. English Choral Masterpieces – Reflecting Byrd; The Tallis Scholars; Phillips, Peter

Musik 2:
O nata lux de lumine. Hymnus zu 5 Stimmen. Bearbeitet für Vokalensemble und Saxophon; Tallis, Thomas; Unbekannt; ...; When Sleep Comes; Forshaw, Christian; Tenebrae; Short, Nigel

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31DEZ2023
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Fanny Hensel: „Dezember“ aus „Das Jahr. 12 Charakterstücke für Klavier“ mit Els Biesemans (Ausschnitt)

Diese Musik sagt uns: Vorhang auf! Für das Lied „Vom Himmel hoch, da komm ich her“. Die Komponistin Fanny Hensel schreibt über die Noten auch noch „Allegro molto“: Sehr rasch soll gespielt werden bei dieser weihnachtlichen Hausmusik. Fanny Hensel ist die ältere Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy. Beim Komponieren hat sie sich hier vielleicht eine theatralische Szene vorgestellt: Ein himmlischer Engel nähert sich mit wehendem Gewand und mit rauschenden Flügelschlägen. In den Noten ist dieses weihnachtliche Bild sogar zu sehen. Denn Fanny Hensels Mann Wilhelm, der für seine Porträtzeichnungen berühmt war, hat einen solchen Engel ganz oben auf das Notenblatt gemalt, mit den Gesichtszügen seiner Frau. Und bald ist auch eine engelsgleiche Melodie zu hören: in sphärischen Höhen.

 

Fanny Hensel: „Dezember“ mit Liedzitat „Vom Himmel hoch, da komm ich her“

Diese ganz schlichten Klavierklänge passen gut zur Überschrift unseres Liedes. Sie heißt „Ein Kinderlied auf die heilige Weihnacht Christi von Martin Luther“. Luther hat nicht nur den Text verfasst, sondern auch die Melodie komponiert! Und vielleicht hat er dieses Lied ja sogar mit der ganzen Familie bei einem Krippenspiel gesungen. Mit etwas Phantasie stelle ich mir vor, wie die Kinder den Engel bestaunen, der in einem kostbaren Gewand auftritt und dann zu singen beginnt:

„Vom Himmel hoch, da komm ich her“ (Strophen 1 und 2) mit Axel Köhler (Gesang) und der Lautten Compagnei

Vom Himmel hoch, da komm ich her.

Ich bring’ euch gute neue Mär,

der guten Mär bring ich so viel,

davon ich singen und sagen will.

 

Euch ist ein Kindlein heut’ geborn

von einer Jungfrau auserkorn;

ein Kindelein, so zart und fein,

das soll euer Freud und Wonne sein.

Als Kind habe ich noch den Brauch kennengelernt, dass man um die Jahreswende zu Verwandten geht, um ihnen ein gutes Neues Jahr zu wünschen, was meistens mit einer Neujahrsbrezel belohnt wurde. Und genau so, nur ohne Brezel, schließt unser Lied, wenn Martin Luther in der letzten Strophe eine Brücke von Weihnachten zum neuen Jahr schlägt. „Lob und Ehr sei Gott im höchsten Thron, der uns schenkt seinen eingen, seinen einzigartigen Sohn“, so danken wir für Weihnachten. Aber dann wird aus dem einen Engel, den wir schon gehört haben, eine ganze vielstimmige Engelschar: „Des freuet sich der Engel Schar“, so heißt es. Und vor lauter Freude wünschen uns diese Himmelsboten singend ein gutes neues Jahr. Ich bin gespannt, wie es wird, das neue Jahr – mit seinen hellen und dunklen Tagen. Aber hoffentlich mit viel Musik und mit manchem Engel, in welcher Gestalt auch immer. Den Neujahrsgruß des Liedes „Vom Himmel hoch“ will ich noch möglichst lange im Ohr behalten und ihn heute schon auch an Sie weitergeben mit den Klängen des Barockkomponisten Michael Praetorius, dem dazu eine besonders festliche Musik eingefallen ist.

„Lob, Ehr sei Gott im höchsten Thron“ aus Michael Praetorius: „Christmette“ mit Gabrieli Consort und Gabrieli Players (Leitung: Paul Mc Creesh)

 

Lob, Ehr sei Gott im höchsten Thron,

der uns schenkt seinen eingen Sohn.

Des freuet sich der Engel Schar

und singet uns solch Neues Jahr!

 

T + M des Liedes: Martin Luther

Klavierstück „Dezember“ aus dem Klavierzyklus „Das Jahr“: Fanny Hensel

Choralbearbeitung für Chor und Orchester: Michael Praetorius

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24DEZ2023
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„Weihnachten im Hause Bonhoeffer“. Unter diesem Titel hat Sabine Leibholz-Bonhoeffer ihre Erinnerungen an die vielen Weihnachtsfeiern ihrer Kindheit in einem kleinen Band versammelt. Sabine war die Zwillingsschwester des Theologen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer. In ihren Erinnerungen spielt auch dieses schlichte Kinderlied eine Rolle, das, so erzählt sie, am Heiligen Abend die ganze Familie Bonhoeffer gesungen hat:

Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all,
zur Krippe her kommet in Bethlehems Stall
und seht, was in dieser hochheiligen Nacht
der Vater im Himmel für Freude uns macht.

„Die Feier am Heiligen Abend beginnt bei uns immer mit der Weihnachtsgeschichte“, schreibt Sabine Leibholz-Bonhoeffer. „Unsere Mutter liest sie mit fester klarer Stimme vor. Ich sehe sie vor mir in ihrem schwarzen Samtkleid mit dem schönen, spitzen Kragen, mit ihren schweren, dunkelblonden Zöpfen, die sie um den Kopf gelegt trägt… Alle Spuren der Übermüdung und Angespanntheit, die ihr die Weihnachtsvorbereitungen eingebracht haben, scheinen mit dem Kommen des Heiligen Abends ausgelöscht... Wenn unsere Mutter das Weihnachtsevangelium gelesen hat und das erste Lied von uns allen gesungen ist, wird das Licht gelöscht und im Dunkeln werden viele Weihnachtslieder gesungen.“

O seht in der Krippe im nächtlichen Stall,
seht hier bei des Lichtleins hellglänzendem Strahl,
in reinlichen Windeln das himmlische Kind,
viel schöner und holder als Engel es sind.

„Und dann sehen wir unseren Christbaum! So strahlend und hell nach dem Singen in der Dunkelheit! In seinem Lichtkreis stehen wir nun alle und singen zusammen... Die Kinder wissen und fühlen es längst, dass es nicht schön wäre, jetzt zu den Gabentischen zu blinzeln. Zugedeckt ist nichts von den Geschenken. Die Krippe wird nun bewundert. Ein Lichtchen dringt aus der Stalltür. Die ganze Weihnachtsgeschichte liegt vor uns ausgebreitet.“

Da liegt es, das Kindlein, auf Heu und auf Stroh;
Maria und Josef betrachten es froh,
die redlichen Hirten knien betend davor;
hoch oben schwebt jubelnd der Engelein Chor.

Ich bin mir sicher, Erfahrungen wie diese gehen mit einem Menschen durchs ganze Leben. Dietrich Bonhoeffer haben sie sogar ins Gefängnis begleitet. Vielleicht singen Sie dieses Lied heute Abend ja auch! Fühlen Sie sich dann verbunden mit den vielen, die es vor uns gesungen haben, die es heute singen und die es auch künftig singen werden!

Ich wünsche Ihnen einen klangvollen Heiligen Abend! Und ein gesegnetes Weihnachtsfest!

So nimm unsre Herzen zum Opfer denn hin,
wir geben sie gerne mit fröhlichem Sinn.
Ach, mache sie heilig und selig, wie deins,
und mach sie auf ewig mit deinem in eins.

 

CD: „Ihr Kinderlein kommet. Der Dresdner Kreuzchor singt die schönsten Weihnachtslieder“, Ltg. Roderich Kreile, Berlin Classics 2005, LC 06203

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17DEZ2023
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Und unser lieben Frauen
der traumet, traumet ihr ein Traum:
wie unter ihrem Herzen gewachsen wär,
gewachsen ein Baum.             

Und wie der Baum ein Schatten gäb
wohl über alle, alle Land:
Herr Jesus Christ der Heiland also ist er,
ist er genannt.                         

Herr Jesus Christ der Heiland ist
unser Heil und Trost,
mit seiner bittern Marter
hat er uns all erlöst.                

Und unser lieben Frauen
der traumet, traumet ihr ein Traum:
wie unter ihrem Herzen gewachsen wär,
gewachsen ein Baum.   

Der Baum ist ein uraltes Symbol. Er ist in der Erde verwurzelt und ragt zugleich in den Himmel. Er verbindet also Himmel und Erde, Gott und den Menschen. Der Baum erinnert an den Baum des Lebens im Paradies. Er ist seit jeher ein Bild dafür, dass das Leben beschützt und gesegnet ist, solange die Menschen mit Gott verbunden sind.

Die Sehnsucht nach solch einem beschützten Leben ist bei vielen groß. Aber die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Menschen haben Angst vor dem, was kommt. Viele fühlen sich einsam. Jeder muss selber zusehen, wo er bleibt.

Das war schon zur Zeit Marias so, denn ihr Volk wurde politisch von den Römern unterdrückt. In diese heillose, hartherzige Welt ist Jesus von Nazareth gekommen. Maria war überzeugt: er ist der Heiland. Er kann Menschen heilen und aufrichten. Durch ihn werden sie spüren, dass Gott immer mit ihnen in Verbindung sein möchte.  

Und wie der Baum ein Schatten gäb
wohl über alle, alle Land :
Herr Jesus Christ der Heiland also ist er,
ist er genannt.

Bis hierhin hüllt mich das Lied wie in einen schönen Traum ein.

Doch mit der 3. Strophe ändert sich der Charakter. Da heißt es: Herr Jesus Christ der Heiland ist unser Heil und Trost, mit seiner bittern Marter hat er uns all erlöst.

Jesus wollte den Menschen zeigen, dass Gott ihnen nahe ist, aber er wurde nicht verstanden und am Ende gekreuzigt. Aus dem Lebensbaum im Traum ist ein Kreuzesbaum geworden.

Max Reger weicht hier von der schlichten Melodie seiner Liedvorlage ab. In hoch expressiven Harmonien drückt er aus, was letztlich unfassbar ist. Dass Jesus durch seine Marter hindurch die Menschen erlöst hat. In seiner Musik klingt seine eigene Sehnsucht nach Erlösung  an. Er hat das Lied 1912 geschrieben, nach einem schweren körperlichen Zusammenbruch. Nach seiner Genesung hat er es seinem Arzt aus Dankbarkeit gewidmet.

Reger war ein tief gläubiger Mensch, der auch mit seinem Glauben gerungen hat. Das hört man in seiner Musik. Am Ende führt er das Lied zur schlichten Harmonie des Anfangs zurück, zum Traum Marias. Dieser Schluss lädt dazu ein,  mich  von diesem Traumbild berühren zu lassen.

Herr Jesus Christ der Heiland ist
Unser Heil und Trost,
mit seiner bittern Marter
hat er uns all erlöst.               

Einspielung : Chormusik zu Advent und Weihnachten, Orpheus-Vokalensemble, Ltg. Michael  Alber, CarusVerlag,

Reger, Max; Zellner, Hans, Und unser lieben Frauen Traum. Bearbeitet für Blechbläser, Harmonic Brass M0315067-014,

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10DEZ2023
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Ein Mensch am Boden. Der Rücken krumm, die ganze Haltung in sich gekehrt. Der Blick gesenkt. „Incurvatus in se ipsum“, wie Martin Luther sagen würde, ein in sich selbst gefangener Mensch. Doch dann steht sie auf. Richtet ihren Körper auf. Hebt den Kopf, schaut nach oben, breitet vielleicht sogar in einer weit ausholenden Geste beide Arme aus. So steht sie da. Und folgt mit ihrer Bewegung dem biblischen Leitmotiv für diesen zweiten Sonntag im Advent. Das steht im Lukasevangelium und heißt: „Richtet euch auf, ihr Menschen, lasst den Kopf nicht hängen und nehmt eure Zukunft aufrecht in den Blick. Denn eure Erlösung kommt bald!“ Eins der neueren Adventslieder ahmt diese Bewegung musikalisch nach. Mit seinen ersten Tönen steigt es in drei aufeinanderfolgenden Quartsprüngen vom Boden in den Himmel auf:

Das Volk, das noch im Finstern wandelt – bald sieht es Licht, ein großes Licht.
Heb in den Himmel dein Gesicht und steh und lausche, weil Gott handelt.

Die ihr noch wohnt im Tal der Tränen, wo Tod den schwarzen Schatten wirft:
Schon hört ihr Gottes Schritt, ihr dürft euch jetzt nicht mehr verlassen wähnen.

Auch mit seinen Worten folgt das Lied einem biblischen Grundton: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finsteren Lande, scheint es hell!“ Es ist der Auftakt zur großen Friedensvision des Propheten Jesaja, die in jeder Adventszeit neu ihre Stimme erhebt und ihre Kraft entfaltet.
Seht auf, steht auf, richtet euch auf, fasst neuen Mut, macht Augen und Ohren auf: Eure Erlösung kommt bald!

Er kommt mit Frieden, nie mehr Klagen, nie Krieg, Verrat und bittre Zeit!
Kein Kind, das nachts erschrocken schreit, weil Stiefel auf das Pflaster schlagen.

Die Liebe geht nicht mehr verloren. Das Unrecht stürzt in vollem Lauf. Der Tod ist tot.
Das Volk jauchzt auf und ruft: „Uns ist ein Kind geboren!“

Die Bilder zu diesen Strophen habe ich gerade erst gesehen. Sie kamen aus Israel, aus dem Land, in dem der Prophet Jesaja sie als erster beschworen hat: Aufjauchzende Mütter und Väter habe ich gesehen, die ihre Kinder nach einer Höllenfahrt der Ungewissheit endlich wieder in die Arme schließen, nachdem sie aus den unterirdischen Gefängnissen der Geiselnehmer frei gelassen wurden. Augenblicke des Friedens mitten in einem Krieg. Lichtblicke inmitten der Dunkelheit, die Israelis und Palästinenser auch weiterhin gefangen hält. Eine Vorahnung, ein kleines Zeichen, wie eine Zukunft in Frieden aussehen könnte.

Ich will daran glauben, dass diese Friedenszeit kommt: „Es kommt der Friede. Nie mehr Klagen, nie Krieg, Verrat und bittere Zeit. Kein Kind, das nachts erschrocken schreit, weil Stiefel auf das Pflaster schlagen.“ Durch alles Gedröhn hindurch will ich auf diesen anderen Ton hören: „Schon hört ihr Gottes Schritt, ihr dürft euch jetzt nicht mehr verlassen wähnen.“

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Musikangaben:
Text: Jürgen Henkys (1981) nach dem Niederländischen „Het volk dat wandelt in het duister“ von Jan Willem Schulte Nordholt (1959)
Melodie: Frits Mehrtens (1959)
Aufnahme: Kord Michaelis (Orgel) und Christine Marx (Gesang) 2023

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38941
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