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Es gibt in meinem Alltag immer wieder Begegnungen und Gespräche, die mich ganz schön nachdenkliche machen. Neulich hat mich eine Frau gefragt: „Was bleibt denn noch, wenn einem nichts mehr bleibt?“ Sie ist Mitte sechzig und schwer an Krebs erkrankt – das zweite Mal schon. Am Anfang habe ich die Frage nicht richtig verstanden. Dann hat sie mir erklärt, was sie gemeint hat. Sie kann kaum noch was essen, nicht mehr richtig laufen. Alles ist mühsam geworden. Sätze wie „genieß die Zeit, die Du noch hast“ klingen in ihren Ohren wie Hohn.
„Was bleibt denn noch, wenn einem nichts mehr bleibt?“ Das hat mich wirklich zum Nachdenken gebracht.
In der Bibel gibt es die Geschichte von Hiob. Ihm ist auch nichts mehr geblieben. Er hat die berüchtigten „Hiobs-Botschaften“ erhalten und alles verloren. Sein Haus, seinen Reichtum, seine Kinder und am Ende wurde er auch noch schwer krank. Hiob war ein frommer Mann. Am Anfang hat er sogar noch versucht, einen Sinn in seinem Schicksal zu erkennen. Aber dann war irgendwann der Punkt erreicht, wo ihm wirklich nichts mehr geblieben ist. Da ist ihm der Kragen geplatzt. Und er hat Gott sogar die Schuld dafür gegeben. Und er hat ihm nicht nur sein Leid geklagt – Nein er hat ihm die Ungerechtigkeit entgegengeschrien.
Das kommt in der Bibel immer wieder vor, dass Menschen Gott anklagen, wenn ihnen nichts mehr bleibt. Und vielleicht ist das auch wirklich das Einzige, was man tun kann, wenn einem nichts mehr bleibt. Gott anzuklagen. Ihm, wie dieser Hiob, alles an den Kopf zu werfen, was einem in so einer Situation in den Sinn kommt. Ihm zu sagen, dass es ungerecht ist. Dass ich das nicht verdient habe. Dass ich doch noch so viel vorhatte.
Deshalb war ich dann ein paar Tage später noch einmal bei der Frau und wir haben das gemeinsam probiert. Sie hat Gott alles an den Kopf geworfen, was ihr in dem Moment eingefallen ist. Ich hatte das Gefühl, dass es ihr danach ein bisschen besser gegangen ist. Nicht, weil sie plötzlich nicht mehr krank war, oder ihre Lage weniger trostlos. Auch nicht, weil sie Antworten auf ihre Fragen bekommen hätte. Sondern weil sie ihre Wut wenigstens jemand sagen konnte. Gott schimpfen konnte. Anstatt mit dem Gefühl allein zu bleiben, dass ihr Schicksal Gott und der Welt egal wären.
Auch wenn man das Gefühl hat, dass einem nichts mehr bleibt. Gott bleibt. Immer.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41302Wo wohnt eigentlich Gott? Klar, ich bin überzeugt davon, dass Gott überall zu finden ist. Für ihn gibt es keine Grenzen. Aber in der Bibel steht trotzdem auch immer wieder etwas von den „Wohnungen bei Gott“ oder vom „Haus Gottes“. Auch in dem vermutlich bekanntesten Gebet in der Bibel. Dem Psalm 23. „Der Herr ist mein Hirte …“ so fängt der an. Und am Ende heißt es da: „Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Haus des Herrn immerdar.“ Wo ist das denn jetzt? Vielleicht auch: Wo ist Gott zu Hause?
Kirchen werden ja oft als Gotteshäuser bezeichnet. Und tatsächlich fühle ich mich Gott in einer Kirche besonders nahe. Vor allem dann, wenn ich zusammen mit anderen z.B. Gottesdienst feiere. Aber als der Psalm 23 geschrieben worden ist, da gab es unsere Kirchen noch gar nicht. Wo also wohnt Gott denn nun?
Ich denke, das alte Gebet selbst bringt mich auf die richtige Spur. Denn darin heißt es „Gott, der Herr ist mein Hirte“ – also bin ich wie ein Schaf in seiner Herde. Gott und ich, wir sind gemeinsam unterwegs. Wir leben zusammen, egal, wo wir gerade sind – um einen konkreten Ort oder ein bestimmtes Haus geht es also gar nicht.
Im Gebet beschreibt das Schaf, wie gut sich der Hirte um es kümmert. Nur die besten Weiden zeigt. Schaut, dass immer frisches Wasser in der Nähe ist. Aufpasst, dass keine Gefahren drohen. Der es nicht alleine lässt, wenn es irgendwo dunkel und unheimlich ist. Der einfach in allem nur das Beste für die Schafe möchte.
Das Bild vom Schaf ist heute vielleicht ein bisschen aus der Zeit gefallen. Es klingt, als sollte man alles wie ein Schaf über sich ergehen lassen. Aber ich bin mir sicher, so ist es nicht gemeint. Es geht darum, dass Gott mich begleitet, und mir hilft, meinen eigenen Weg im Leben zu finden. Bei ihm habe ich ein sicheres „zu Hause“. Und das ist nicht an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Raum.
Mit „zu Hause“ verbinde ich auch Geborgenheit. Das ist da, wo ich mich wohlfühle. Da, wo ich so sein kann, wie ich bin. Und das ist da, wo Gott ist. Überall. Und das finde ich toll. Weil Gott für mich damit zu einem zu Hause to go wird.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41301Unsere Welt macht mir gerade manchmal echt Sorgen. Da geht’s mir sicher wie vielen, und ich frage mich: Was ist denn gerade eigentlich los?
Die Nachrichten sind voller Krieg und Gewalt, Despoten kleben an der Macht, Millionen sind auf der Flucht. Viele versuchen zu helfen, aber viele ducken sich auch lieber weg, sind einfach überfordert. Das macht vielen Menschen Angst. Mir manchmal auch.
Auf der anderen Seite geht es immer nur ums Geld – darum, dass die Wirtschaft angekurbelt werden muss. Und das bald um jeden Preis. Ich frage mich schon manchmal, wo das alles hinführt.
Nein – ich bin kein Zukunftspessimist. Und trotzdem mache ich mir manchmal Sorgen. Jesus hat das mal auf den Punkt gebracht. Er hat zu seinen Freunden gesagt: „In der Welt habt Ihr Angst – aber seid getrost ich habe sie längst überwunden.“
Ich glaube, dass Jesus dieses sorgenvolle Gefühl damals auch ziemlich gut gekannt hat. Die politische Situation zu seiner Zeit war auch alles andere als stabil. Die Römer hatten das Land besetzt. Und die Angst vor der Zukunft war ganz alltäglich. Kranke Menschen mussten betteln gehen. Witwen und Waisen hatten alleine kaum eine Chance zu überleben.
Riesige Sorgen um die Zukunft – damals schon und heute auch. Und ich denke, das Gefühl ist dasselbe: Unsere Welt ist nicht perfekt. Überhaupt nicht.
Aber gerade deshalb macht Jesus deutlich. Es gibt mehr. Es kommt noch was. Es gibt Hoffnung. „In der Welt habt Ihr Angst – aber seid getrost ich habe sie längst überwunden.“
Jesus sieht, was mir in der Welt alles Angst macht. Und dann sagt er: „Ich habe die Welt überwunden.“ Ich habe mir schon oft überlegt, was das eigentlich für mich heißt. Denn er meint sicher nicht: „Alles wird gut“. Das wäre mir zu wenig. Auch, dass vielleicht nach dieser Welt, irgendwann im Himmel, alles besser werden wird, ist mir zu wenig.
Ich glaube, dass Jesus mir einen anderen Blick auf die Welt eröffnen wollte. Es gibt mehr als das, was ich um mich herum sehe. Eine Zukunft, trotz der übergroßen Sorgen, mit denen ich lebe. Mit diesem neuen Blick über die Grenzen „dieser“ Welt hinaus hilft mir Jesus, dass ich mich nicht verkrieche. Sondern mein Leben gestalte. Verantwortung übernehme.
Ja. Manchmal mache ich mir Sorgen. Aber sie lähmen mich nicht, weil ich weiß: da gibt es noch mehr.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41300„Danke für diesen guten Morgen, danke für jeden neuen Tag. Danke, dass ich all meine Sorgen auf dich werfen mag …“ . Diese Liedzeile hängt jetzt seit genau drei Wochen ausgedruckt neben meinem Bett. Damit ist sie so ziemlich das Erste, was ich morgens sehe, wenn ich aufstehe. Wie es dazu gekommen ist?
Ich war eben vor drei Wochen bei einem Seminar, wo es um Musik und ums Singen ging. Und, wie sich das auf meinen Alltag auswirken kann.
Um ins Thema reinzukommen haben wir uns in der Seminarrunde gefragt: Wie starten wir eigentlich in unseren Tag? Es hat sich schnell rausgestellt, dass das bei den meisten relativ ähnlich ist: Aufstehen, Toilette, Badezimmer und mit der Zahnbürste in der Hand auf dem Handy Nachrichten lesen und einen ersten Blick in die Mails werfen.
Lustigerweise ging es da auch den meisten ganz ähnlich, dass man eigentlich am liebsten direkt wieder ins Bett gehen würde. Schlechte Nachrichten aus der Welt. Und zu viele Mails. Alle wollen was von mir.
Der Tipp unseres Seminarleiters, um besser in den Tag zu starten: Sucht Euch ein Lied, das Euch gute Laune macht. Lasst Euch davon wecken oder hängt es Euch nebens Bett. Nehmt diesen Ohrwurm mit zur Kaffeemaschine. Und dann holt erst das Handy raus.
Genau das habe ich probiert. Und, was soll ich sagen, ich finde es ganz erstaunlich, was das mit mir macht.
Mein Tag startet seitdem mit diesem Lied. „Danke für diesen guten Morgen, danke für jeden neuen Tag. Danke, dass ich all meine Sorgen auf dich werfen mag …“.
Das wirklich zu singen, das wäre mir dann vermutlich doch zu früh. Aber ich kann es lesen. Und es ist ein kleines Gebet. Ein Danke an Gott. Dazu kommt dann noch eine Tasse Kaffee. Und dann erst greife ich zum Handy.
Das ist ja wirklich nur was ganz Kleines. Aber irgendwie fühlt es sich morgens so besser an. Und es macht meine Laune definitiv besser. Weil ich mir von Anfang an klarmache. Dass es auch an diesem Morgen schon ganz viel gibt, für das ich Danke sagen kann. Und auch dass alles, was danach kommt, ich nicht alleine schaffen muss. Mein Tag ist manchmal so vollgestopft, dass es mir eben guttut, zu wissen, dass ich dabei nicht alleine bin.
Probieren Sie es doch mal aus. Die Liedauswahl ist natürlich ganz Ihnen überlassen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41299Rassel, Fläschchen und ein Schnuller … wären das nicht die viel passenderen Geschenke für ein Neugeborenes gewesen? Also passender als Gold, Weihrauch und Myrrhe – heute ist der 6. Januar – Dreikönigstag.“
Ob es nun Könige waren oder so etwas wie gelehrte Leute – Sterndeuter aus dem „Morgenland“. In der Bibel steht, dass sie aus fernen Ländern gekommen sind, um das neugeborene Jesuskind zu finden. Ein Stern, ein himmlisches Zeichen hatte sie geführt bis nach Bethlehem.
Dort haben Sie das Neugeborene in einem Stall gefunden und haben genau diesem Kind ihre drei Geschenke mitgebracht: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Drei Geschenke, die zu der damaligen Zeit sehr symbolisch waren. Und für die es auch im Laufe der Zeit ganz verschiedene Deutungen gegeben hat: Gold, das Geschenk für einen von Gott geschickten König. Myrrhe – eine Heilpflanze, ein Geschenk für einen Arzt. Und Weihrauch, das Geschenk für einen Priester.
Auf jeden Fall königliche Geschenke für einen besonderen König. Andere hätten vielleicht wirklich Rassel, Fläschchen und Schnuller mitgebracht, aber diese drei wussten es besser.
Sie haben es irgendwie verstanden, dass dieses kleine Kind, etwas ganz Besonderes war. Und ich kann mir vorstellen, dass sie froh waren, dass sie es überhaupt bis zum Jesuskind geschafft haben. Denn das war sicher nicht selbstverständlich. Sie waren ja „Ausländer“ aus fernen und fremden Ländern. Aber sie durften kommen.
Genauso wie die einfachen Hirten, die vor ihnen beim Jesuskind gewesen sind. Das waren die ärmsten der Armen zur damaligen Zeit. Ihnen sind die Engel erschienen und haben sie zu dem Stall geschickt. Für mich bedeutet der Dreikönigstag, dass Gott für alle Menschen Mensch geworden ist. Dass er nicht nur für die reichen, weißen Mitteleuropäer Mensch geworden ist, sondern für alle Menschen. Nicht nur für die, die es sich leisten können, sondern für alle Menschen. Egal, was jemand beruflich macht. Egal, was für eine Hautfarbe jemand hat. Egal, wo jemand herkommt. Egal, was jemand bisher gemacht hat.
Gott ist Mensch geworden, um uns allen nahe zu sein.
Deshalb freue ich mich, wenn ich gerade irgendwo die Sternsinger laufen sehe, weil das da ein bisschen spürbar wird. Sie laufen von Haus zu Haus. Erzählen die Geschichte und lassen ihren Segen da. Christus segne dieses Haus. Auch in diesem noch jungen Jahr 2025.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41298Jetzt wird alles anders! Ich mache mehr Sport, achte mehr auf meine Ernährung und mache alles besser als letztes Jahr.
Klingt nach einem guten Plan. Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin: Überfordern mich solche Vorhaben. Denn all das halte ich höchstens so lange durch, bis der Alltag wieder losgeht.
Deshalb mache ich das dieses Jahr anders: Ich ziehe mir einen Jahresheiligen. Einen Heiligen für das ganze Jahr 2025. Und den finde ich im Internet. Einfach nach dem Stichwort Jahresheiliger suchen und schon kann es losgehen. Das klingt vielleicht erstmal ungewöhnlich. Aber warum nicht mal etwas Neues ausprobieren?
Der Jahresheilige ist für mich wie eine Art Wegbegleiter und Vorbild für das kommende Jahr. Das kann ganz unterschiedlich aussehen: Ich kann mich in das Leben des Heiligen einlesen. Vielleicht inspiriert es mich, wie eine gläubige Person aus einem anderen Jahrhundert gelebt hat. Was sie gedacht hat. Oder ich erfahre, für was sich die Person eingesetzt hat und bekomme neue Impulse, wie ich mich heute für Andere und diese Welt einsetzen kann. Oder ich besuche den Ort, an dem die Person gewirkt hat und lerne so eine neue Gegend kennen.
Am allermeisten motiviert mich, dass ich mich mit jemandem, der meinen Glauben teilt, verbunden fühle. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Heilige für das kommende Jahr bei mir im Leben mit am Start ist; und ich fühle mich im Alltag nicht allein mit meinem Glauben und meiner Hoffnung auf Gott. Ich habe neben Gott ein Gegenüber, quasi eher auf meiner Ebene. Eben einen Menschen, der hier auf der Welt wirklich gelebt hat und etwas für die Menschen bewirkt hat. Ein Vorbild und ein Wegbegleiter für mich persönlich in diesem Jahr. So steht das Jahr unter einem besonderen Stern, unter meinem Jahresheiligen – meiner ist übrigens der Heilige Joachim.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41323Ich bin auf jeden Fall oft einer von denen, die immer versuchen, alles in einen Tag reinzupacken. Ich fahre manchmal über orange, hol mir mittags schnelles Essen auf die Hand. Und vieles mache ich auf den letzten Drücker fertig, denn ich bin Zeitsparer. Zeitdruck ist mein Leben.
Bei Momo ist das anders. Momo hat Zeit.
Momo ist das Mädchen aus dem gleichnamigen Buch von Michael Ende. Sie hat eine besondere Gabe: Sie kann zuhören. Und zwar so, dass die Menschen um sie herum sich verstanden und wertgeschätzt fühlen. Sie hat Freunde, Zeit und Freude am Leben – also alles, was es für ein erfülltes Leben braucht. Alles scheint gut, bis die grauen Herren auftauchen. Die bringen die Idee ins Spiel, Zeit sparen zu können. Sie versprechen: Wer seine Zeit spart, wird glücklicher. Klingt doch eigentlich ganz gut, oder? Also ich wäre da direkt am Start.
Aber das Gegenteil passiert. Die Menschen fangen an, durchs Leben zu hetzen. Um Zeit zu sparen, hören sie auf bestimmte Dinge zu tun: Sie sprechen nicht mehr darüber wie es ihnen geht. Auch gemeinsame Abende, an denen man einfach nur so Zeit miteinander verbringt, werden gestrichen. Es wird weder gelacht, noch gefeiert. Alle sind immer „zu beschäftigt“. Je mehr Zeit die Menschen für die grauen Herren sparen, desto unglücklicher werden sie, weil sie merken: Sie haben an deme gespart, was sie eigentlich glücklich macht.
Momo lässt sich darauf nicht ein. Sie nimmt sich weiterhin Zeit, hört zu. Besonders stark finde ich an Momo, dass sie zeigt: Zeit ist nicht einfach etwas, das man besitzen oder sparen kann. Ich kann mir Zeit nehmen, für Dinge, die mir wichtig sind. Denn letztlich geht es darum, wie wir unsere Zeit einsetzen. Mit wem wir unterwegs sind und unsere Zeit teilen.
Ein guter Freund hat mich letztens spontan gefragt, ob ich abends bei ihm vorbeischaue. Mein erster Gedanke: Boah, ich habe eigentlich keine Zeit, denn ich muss morgen früh raus, noch Dinge im Haushalt regeln und vorbereiten für die Arbeit. Ich habe mir dann doch Zeit für meinen Freund genommen und mich mit ihm getroffen. Und dabei gemerkt: Ja, genau, dafür möchte ich mir meine Zeit nehmen.
Momo erinnert mich daran, dass Zeit kein Gut ist, das man sparen oder vermehren kann. Vielleicht probieren Sie das auch mal aus: Jemandem Ihre volle Aufmerksamkeit schenken. Dann vielleicht auch mal was liegen lassen, was auf den ersten Blick wichtig erscheint. Mir Zeit nehmen, für das was mir und meinem Herzen guttut. Es kostet nichts – und gibt mir so viel zurück.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41322Zwölf Monate voller Leben liegen hinter mir: Lachen, weinen, freuen, streiten - alles war dabei. Mir ist es wichtig, am Ende eines Jahres nochmal zurück zu schauen. Zu überlegen, was da alles so passiert ist. Was ich erlebt habe.
Dabei hilft mir eine bestimmte Methode: Der Perlengang.
Diese Methode habe ich im Kloster Nütschau bei Hamburg kennen gelernt. Dort habe ich damals einen langen Spaziergang mit 12 Stationen gemacht, für jeden Monat eine. An jeder Station konnte ich mir eine Perle aus Holz aussuchen, die den Monat zusammenfasst. Manchmal ist sie groß und dunkel, andere kleiner und hell, rund, eckig oder oval.
So wie diese hier, die eckig und dunkel ist, weil ich dieses Jahr aus meiner WG ausgezogen bin und mich von Leuten verabschieden musste, die mir wichtig geworden sind. Oder diese helle ovale Perle hier. Die steht für die Tage in Rom, an die ich gerne zurückdenke. Die Sonne, das Eis und die Menschen – einfach eine schöne Zeit, die sich hier in dieser kleinen hellen Perle wiederspiegelt. So entsteht Stück für Stück und Schritt für Schritt eine kleine, bunte Perlenkette.
Diese Perlen an der Kette spiegeln mein Leben und das was ich damit verbinde wieder. Die Höhen und Tiefen kann ich so aus einer anderen Perspektive sehen. Kann durch die Perlen ausdrücken was ich fühle, wenn ich an die Momente aus meinem Jahr denke. Denn mit der Wahl der Perle gebe ich dem Ganzen ein Bild. Die Dinge bleiben nicht nur in mir selbst, sondern ich gebe ihnen Gestalt und Struktur in Form dieser einzelnen Perlen. Gleichzeitig sehe ich, dass ich abschließen kann, wenn ich jede einzelne Perle auffädle. Ich sehe, dass es weitergeht. Das fühlt sich gut an.
Mittlerweile benutze ich keine echten Perlen mehr. Ich sammle sie eher in meinen Gedanken. Trotzdem gehe ich raus. Ich habe meinen Kalender und die Fotos auf meinem Handy dabei. Mit ihnen mache ich einen langen Spaziergang, bleibe immer wieder stehen und überlege, wie die Perle für den jeweiligen Moment aussehen würde. Ich schaue zurück, gebe ab, was mich belastet, und bin dankbar für das, was läuft und gut ist. Um eine andere Perspektive auf mich und mein Leben zu bekommen und zu sehen: Es ist ein Schatz.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41321Noch vier Tage lang haben wir 2024. Ok vier Tage und ein paar Stunden. Schon wieder ist ein Jahr fast vorbei. Und? Gehören Sie vielleicht zu denen, die sagen: „Gott sei Dank“, „das nächste wird wieder besser“? Oder fühlt es sich eher an nach: „Schon wieder“? Das geht immer so rasend schnell …
In meiner Familie machen wir es so, dass wir uns über die Weihnachtsfeiertage die Zeit nehmen. Und uns überlegen: Was haben wir in diesem Jahr denn alles erlebt? Was war schön? Was nicht so? Was hat uns Kraft gekostet und was hat uns gefreut? Hab ich was Neues erlebt oder gelernt? Und worauf hätte ich auch verzichten können?
Nach dieser Runde sind wir meistens selber erstaunt, was wir in diesem Jahr alles erlebt haben.
Und dann überlegen wir uns natürlich auch, was wir uns für das nächste Jahr vornehmen. Was wir uns wünschen.
Ich muss in dieser Zeit immer wieder an eine Zeile aus einem Lied denken. Da heißt es: „wir gehn dahin und wandern, von einem Jahr zum andern, …“
Paul Gerhardt hat das Lied geschrieben und er beschreibt, was er im 17. Jahrhundert so alltäglich erlebt hat. Krieg, Krankheiten, Einsamkeit – irgendwie alles Sachen, die es auch 2024 noch gibt. Er beschreibt es aber nicht einfach nur. Eigentlich ist es ein großes und langes Gebet. Er bringt das alles vor Gott. Und dann bittet er. Um Frieden und Freude. Um eine Familie für Einsame. Um Ratschläge für alle, die falsch liegen. Dass Menschen gesund werden und dass jemand Trauriges wieder lachen kann.
Gott hat versprochen, dass er immer bei uns sein wird. Genau das haben wir gerade an Weihnachten gefeiert: Gott ist Mensch geworden. Er steht an unserer Seite, lebt unser menschliches Leben. Und er erlebt, wie es ist, wenn man verfolgt wird. Wie Menschen ausgegrenzt werden, wenn sie krank sind. Wie einsam und verzweifelt Menschen sein können. Und auch wie grausam. Aber auch, wie liebevoll wir sein können und wie fröhlich. Gott weiß, wie es ist, zu lachen und zu weinen, zu hoffen und zu bangen.
Deshalb: Ja, wir gehn dahin und wandern von einem Jahr zum andern. Aber Gott hat uns bisher begleitet und er wird uns auch 2025 begleiten. Und: Auch, wenn es im Moment draußen kalt und kahl und manchmal ein bisschen trostlos ist. Irgendwann wird es Frühling werden. Das Leben kehrt wieder zurück in unsere Gärten und unsere Herzen. Und Gott ist mittendrin.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41257Morgen ist Heiligabend – und dann: Weihnachten. Jedes Jahr erinnern wir uns an die Geschichte von Maria und Josef. Jedes Jahr sagt irgendein Wirt, dass es keinen Platz in der Herberge mehr gibt. Jedes Jahr überraschen die Engel ein paar Hirten. Und jedes Jahr erscheint der Weihnachtsstern aufs Neue. Entweder mit LED´s oder als Topfpflanze.
Und ich frage mich: Was hat dieses Fest – über 2000 Jahre nach dem ersten Weihnachten – für mich denn noch für eine Bedeutung? Was bedeutet das für mich ganz persönlich? Gott wird Mensch. Gott selbst kommt als kleines Kind auf unsere Welt. Mitten hinein in einen Stall irgendwo im nirgendwo.
Ich glaube, dass es für mich bedeutet, dass ich Gott in meinem Alltag immer mitdenken muss. Immer mit ihm rechnen muss:
Wenn ich im Krippenspiel sehe, wie Maria und Josef auf ihr Kind aufpassen. Wie sie versuchen mit all den Problemen, die sie hatten, irgendwie klarzukommen. Dann heißt das: Gott hat angefangen wie ich. Er wird das Leben kennenlernen, das auch ich lebe. Dann heißt das auch: Ich bin Gott nicht egal. Wir sind Gott nicht egal. Er wollte es selber erleben, wie es ist, Mensch zu sein. Mit allem, was dazugehört.
Genau deshalb ist es das für mich: Gott mitdenken. Egal, was ich mache, was ich sage, oder wo ich auch bin. Gott ist da. Mit dabei. Ich kann mit ihm rechnen.
Für mich ist das fast so, wie wenn ich meine Brille aufsetze. Ohne meine Brille gehe ich nicht aus dem Haus. Morgens, wenn ich aufwache, nehme ich als erstes meine Brille. Selbst, wenn ich nachts mal aufwache, setze ich sie auf. Und genau so stelle ich mir das mit Gott vor. Er gehört zu mir und meinem Leben einfach dazu. Ist ein Teil von mir. Und das ist dann auch wie mit meiner Brille: Ich sehe die Welt anders. Viel klarer und deutlicher. Und vor allem scharf.
Also das ändert meinen Blick auf die Welt. Das macht mich geduldiger mit mir und meinen Kindern. Gnädiger mit den Menschen, die mir so in meinem Alltag begegnen. Vorsichtiger in dem, was ich sage. Dann ist es mir nicht egal, was mit den Menschen um mich herum passiert. Auch, wenn ich manches nicht verstehe.
Und auch für die Hirten und die Könige im Krippenspiel ist es, als würden sie eine Brille aufgesetzt kriegen: sie merken: Gott ist in meinem Leben dabei. Immer.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Frohe Weihnachten.
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