SWR4 Abendgedanken
In manchen Kirchen gibt es Orgeln, die man „Schwalbennestorgeln“ nennt. Sie stehen nicht auf dem Boden oder auf einer Empore, sondern hängen an der Wand. In der Kirche in Oppenheim hat es auch einmal eine gegeben. Leider ist sie im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 zerstört worden. Aber davor hat sie hoch oben an einer Wand über dem Kirchenschiff gehangen. Wie ein Schwalbennest eben. Heutzutage bemüht sich ein Verein darum, dass dieses zerstörte Instrument wieder gebaut wird.
Kürzlich habe ich etwas Interessantes über Schwalben gelernt: Schwalben sind Vögel, die den ganzen Tag über in der Luft sind. Das können sie, weil sie fürs Fliegen körperlich besonders gut ausgestattet sind, zum Beispiel durch die besondere Form des Schwalbenschwanzes. In ihrem Nest sind sie nur zum Schlafen und zum Brüten. Und sogar hier berühren sie niemals den Boden.
Das erklärt mir die Bezeichnung für das Musikinstrument noch besser: Eine Schwalbennestorgel – die schwebt eben auch ihr ganzes Leben lang über dem Erdboden. So wie Schwalbennester an Wänden hoch oben hängen.
Es gibt solche Instrumente in Freiburg und in Frankfurt, in Nürnberg, Straßburg, Köln und Berlin und an ein paar mehr Orten noch.
Es hat einen ganz besonderen Reiz, dass der Klang der Schwalbennestorgeln von hoch oben und irgendwie aus dem Himmel kommt.
Wenn ich wie so eine Schwalbe die ganze Woche unterwegs gewesen bin, zum Beispiel bei einer Reise, genieße ich es, in einer Kirche einen Moment auszuruhen. Und wenn dann von der Orgel hoch oben Musik erklingt in einem Konzert oder weil eine Organistin gerade übt, dann erinnert mich das daran, dass meine Seele geborgen ist und Ruhe findet bei Gott wie die Schwalbe in ihrem Nest. Und immer auch ein bisschen mit gutem Abstand zu dem, was unten auf dem Boden alles los ist.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40177