SWR4 Abendgedanken

08JUL2024
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Wenn wir in der Kirche ein Kind taufen, dann sind auch seine Paten mit dabei. Und die Patinnen und Paten versprechen, dass sie es begleiten auf dem Weg zum Glauben. Das ist ein großes Versprechen. Ich kenne viele Menschen, die ihr Patenamt sehr ernst nehmen und sich um einen guten Kontakt zu ihrem Patenkind bemühen. Aber ob sich die Kinder darüber auch Gedanken machen? Darüber habe ich bisher noch gar nicht nachgedacht.

Aber vor kurzem hat mir ein Freund einen alten Brief gezeigt: In der alten deutschen Süterlin-Handschrift geschrieben und bestimmt schon hundert Jahre alt. Der Brief ist in sauberer Handschrift auf inzwischen ziemlich vergilbtem Papier geschrieben. Die wahrscheinlich 14 Jahre alte Luise schreibt darin an ihre

„Geliebte Taufpatin!
Der wichtige Tag rückt heran, an dem ich durch die heilige Konfirmation in die Zahl der evangelischen Christen aufgenommen werden soll, und ich empfinde es als heilige Pflicht, Ihnen meinen innigsten Dank abzustatten für alles Gute, das Sie mir erwiesen haben.
Es ist mein innigster Wunsch, daß Gott der Herr Ihnen reich vergelte, wie Sie an mir so liebreich gethan haben und Ihnen ein langes Leben, dauernde Gesundheit und Wohlergehen schenke.Um Ihr fernes Wohlergehen bittet,
Ihr dankbares Patenkind
Luise (…)“

Ich habe mir Luise vorgestellt – eine Teenagerin vor hundert Jahren – wie sie dasitzt und sorgfältig schreibt. Vielleicht hat der Pfarrer geholfen. Oder vielleicht haben ihr die Eltern gesagt, was sie schreiben soll. Selbst wenn es ein von einem Erwachsenen diktierter Brief gewesen ist: Mir gefällt die Haltung in diesem Brief: Das Patenkind Luise bedankt sich für den guten Kontakt zu ihrer Patentante, der ihr gutgetan hat. Jetzt, wo sie mit der Konfirmation selbst Verantwortung für ihren Glauben übernimmt, würdigt sie das, was die Patin für sie getan hat.

Der Brief ist feierlich. Er erzählt von der Liebe der beiden und davon, dass das Patenkind für die Patentante betet. Schade, dass solche Briefe aus der Mode gekommen sind. Denn es ist so schön, wenn wir uns das sagen oder schreiben: Danke. Ich liebe Dich. Und ich bete für Dich.  

Ich finde, auch heute noch haben Menschen, die das Patenamt übernehmen und liebevoll erfüllen, einen solchen Brief verdient.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40174
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