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SWR4 Abendgedanken

26APR2024
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Jetzt, im April, starten wieder die Weinwanderungen. In meiner Umgebung wird überall eingeladen, durch die Weinberge zu wandern: am Rhein, an der Ahr oder an der Mosel.

Manchmal begleiten die Winzer selbst diese Wanderungen. Sie erzählen von der anstrengenden Arbeit im Weinberg. In den Steilhängen an Ahr und Mosel bedeutet einen Weinberg zu pflegen Handarbeit!  Und die meisten Winzer arbeiten mit Leidenschaft.

Weinbau gibt es schon seit tausenden von Jahren und auch in der Lebenswelt Jesu waren Traubenernte und Weinherstellung eine bekannte Arbeit.  Und Jesus nimmt das, was er in seiner Umwelt sieht, gerne als Anlass und Gleichnis, um von Gott zu erzählen. So sagt er:

„Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer […]Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.“ (Joh 15,1.5) 

Menschen, die in Weinlandschaften leben, können das leicht nachvollziehen. Ein Weinstock kann nur Frucht bringen, wenn er kultiviert und beschnitten wird. Der Winzer kümmert sich um jeden einzelnen Weinstock: schaut ihn an, beschneidet ihn, schaut, was ihm zum Wachstum hilft. Braucht er noch Dünger, braucht er mehr Wasser? Gibt es noch Triebe, die nur Kraft kosten, aber keine Frucht tragen? Der Winzer hat all das im Blick. So können sie gut Frucht tragen, ohne sich gegenseitig zu behindern.

Wie der Winzer auf jeden einzelnen Weinstock schaut, so schaut Gott auf uns. In Jesus Christus dürfen wir etwas von Gottes Liebe und seiner Zuneigung zu uns Menschen erkennen. Jesus Christus zeigt uns, wie wir miteinander leben können, um Gottes Willen zu tun. Er sagt: „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12).

Wenn uns das gelingt, dann sind wir fruchtbare Reben. Und wenn die Weinreben reiche Frucht bringen, dann geht es den Menschen gut, dann gibt es genügend Nahrung für alle. Und Jesus macht es ganz konkret, was es bedeutet, in Verbundenheit mit dem Weinstock zu leben: Liebet einander, wie ich euch geliebt habe!  Das ist ein hoher Anspruch, der sich aber jeden Tag in kleine konkrete Taten umsetzen lässt.

Wenn ich mir das nächste Mal im Weinberg die Rebstöcke anschaue, werde ich einen Moment darüber nachdenken: wie schaue ich die Menschen an, die mir begegnen? Mit meinem kritischen Blick oder mit dem liebevollen Blick Gottes? Als Kinder Gottes sind wir alle miteinander verbunden, wie die Reben mit dem Weinstock. Gut so, oder?

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SWR4 Abendgedanken

25APR2024
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Heute Abend treffen wir uns wieder zum meditativen Tanzen. Wir- das sind 8 bis 10 Frauen – alle über 60, manche sind schon verwitwet.

90 Minuten lang tauchen wir ein in die Musik, die uns beim Tanzen begleitet. Die ist ganz unterschiedlich: rockig, traditionell, meditativ oder klassisch.

Meditiatives Tanzen bedeutet, sich der Musik anzuvertrauen und mit den anderen im Kreis in Einklang zu kommen. Gemeinsam nach rechts und links, vorwärts und zurück zu tanzen. Die Schritte sind sehr einfach und doch ist es dem meditativen Tanzen eigen, dass es keine Ablenkung, keine anderen Gedanken zulässt. Man muss ganz im hier und jetzt sein und kann nicht darüber nachdenken, was es zum Abendessen gibt. Sobald ich mir überlege, welchen Tanz ich als nächstes vorschlage, gerate ich aus dem Takt. Das ist das Geheimnis des Tanzes: im Hier und Jetzt sein.

Und das sind alle, die dabei sind. Niemand lässt sich von seinen körperlichen Einschränkungen abhalten. Und gelegentlich kann ich in den Schritten und Bewegungen der Frauen erahnen, wie sie sich als junge Frau vor 40 oder 50 Jahren mit Freude auf der Tanzfläche bewegt haben. Das ist schön und es hebt in diesem Moment alle zeitliche und körperliche Begrenzung auf.

Sich im Tanz zu verlieren, das kann wie ein Gebet sein. Ganz bei sich sein, ganz in diesem Moment sein, es mit Hingabe tun – das ist für mich Gebet.

Diese Erfahrung beschreibt Madeleine Delbrêl, eine Frau, die immer versucht hat, Glauben und Alltag miteinander zu verbinden in einem Gebet so:

„Uns bleibt es überlassen, [… ] fröhliche Menschen zu sein,

die ihr Leben mit dir, tanzen.

Um ein guter Tänzer zu sein,

muss man nicht wissen, wie es weiter geht - mit dir wie anderswo,

Man muss folgen, fröhlich sein, leicht sein,

und vor allem nicht steif sein.

Man darf nicht nach Erklärungen fragen,

in Bezug auf die Schritte, die dir zu tun gefallen.

Man soll nicht um jeden Preis vorwärtskommen wollen,

sondern es annehmen, sich nach links und rechts zu wenden.

[…] Und das wären alles nur sinnlose Schritte,

wenn die Musik nicht eine Harmonie daraus machen würde.“*

Miteinander zu tanzen, sich den Tanzschritten und der Melodie anzuvertrauen, aber auch der Gemeinschaft, das tut jeder von uns gut.

Aus dieser Erfahrung lässt sich Kraft schöpfen und die Hingabe an das Hier und Jetzt, relativiert manchen Ärger und manche Sorge in diesen 90 Minuten. Für mich ist das Tanzen auch eine Gebetserfahrung, eine Ermutigung und eine Stärkung. 

Ich freue mich auf das Tanzen heute – und ich wünsche Ihnen, dass auch Sie solche Oasen im Alltag finden, in denen sie aufatmen und sich freuen können.

*Madeleine Delbrêl, in: Rita Knöppfler-Parsons, Madeleine Delbrêl. Das Aggiornamento der Demut in ihrem Leben und in ihren Schriften, München 2006, 114-120.

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SWR4 Abendgedanken

24APR2024
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An Ostern habe ich gefeiert, dass nicht der Tod das letzte Wort hat, sondern das Leben. Jesus ist von den Toten auferstanden. Aber davor wird erzählt, wie Jesus seine letzten Tage mit seinen Jüngern verbracht hat. Als sich abzeichnete, dass er sterben wird, waren seine Freunde besorgt und ängstlich, ratlos: Wie soll es ohne Jesus weitergehen?

Jesus gibt ihnen ein sehr tröstliches Bild mit. Er sagt:

„Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr.“ (Joh14,1-4).

Jesus nimmt ein Bild, das uns allen sehr vertraut ist und das uns wichtig ist: die eigene Wohnung, das eigene Zuhause. Damit verbinden wir Wohlfühlen und Sicherheit. Jesus sagt uns zu, dass er uns eine Wohnung bei seinem Vater im Himmel vorbereitet. Das heißt: Wenn es soweit ist werden wir dort erwartet!

Und noch mehr: wir müssen den Weg dorthin nicht allein finden, sondern Jesus wird kommen und uns abholen. Das dürfen wir uns sicherlich nicht so vorstellen, dass Jesus uns als Mensch entgegenkommt und uns begleitet. Wenn unser Lebensweg zu Ende ist, kommt er uns als Christus entgegen, der von den Toten auferstanden ist. Dann zeigt er uns den Weg in die himmlischen Wohnungen.

Für mich ist das ein tröstlicher Gedanke, den ich auch Menschen in Trauer oder Menschen am Ende ihres Lebens gerne weitergebe.

Es bedeutet für mich: Ich bin nicht allein, erst recht nicht am Ende des Lebens, wo niemand außer Gott mehr mit mir gehen kann.

Aber ganz so einfach zu glauben ist das nicht. Thomas war einer der Jünger Jesu, der es genau wissen wollte. Und in der Bibel heißt es:

„Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen?  Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ (Joh 14,5-6)

Wie können wir den Weg kennen? Das ist eine wichtige Frage. Jesus nennt uns drei klare Wegweiser: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Ich bin der Weg - das heißt für mich: Jesus folgen, seinen Worten und seinem Beispiel. Die Wahrheit tun, das heißt auch den Frieden und die Gerechtigkeit suchen. Ich kann mich nicht herausreden wie Pilatus und sagen: Was ist Wahrheit?

Und Jesus ist das Leben. Auf dem Weg mit Jesus bin ich, wenn ich tue, was dem Leben dient.

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SWR4 Abendgedanken

23APR2024
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„Das interessiert mich die Bohne!“ – das war das Motto der diesjährigen Fastenzeit. Misereor – das katholische Hilfswerk – hatte dazu eingeladen.  Dazu gab es eine schöne Geschichte.*

„Es war einmal ein Bauer, der steckte jeden Morgen eine Handvoll Bohnen in seine linke Hosentasche. Immer, wenn er während des Tages etwas Schönes erlebte, wenn ihm etwas Freude bereitete oder er einen Glücksmoment empfunden hatte, nahm er eine Bohne aus seiner linken Hosentasche und gab sie in seine rechte. Am Anfang kam das nicht so oft vor. Aber von Tag zu Tag wurden es mehr Bohnen, die von der linken in die rechte Hosentasche wanderten. Der Duft der frischen Morgenluft, der Gesang der Amsel auf dem Dachfirst, das Lachen seiner Kinder, das nette Gespräch mit einem Nachbarn – immer wanderte eine Bohne von der linken in die rechte Tasche. Bevor er am Abend zu Bett ging, zählte er die Bohnen in seiner rechten Hosentasche. Und bei jeder Bohne konnte er sich an das positive Erlebnis erinnern. Zufrieden und glücklich schlief er ein – auch wenn er nur eine Bohne in seiner rechten Hosentasche hatte.“

Ich habe die Geschichte mit einigen Freunden und Freundinnen geteilt und wir haben uns Bohnen – dicke weiße Bohnen – gekauft und in die Tasche gesteckt.

Und tatsächlich: das Experiment funktionierte. Die Bohnen stärkten meine Aufmerksamkeit für die kleinen Alltäglichkeiten, die mich freuten: ein unerwartetes Lächeln von der Kassiererin im Supermarkt, die Freude, Zeit für einen Spaziergang zu finden, die Entdeckung der ersten Blüten im Garten, all das war auf einmal viel stärker in meinem Bewusstsein.

Den Freunden und Freundinnen ging es ebenso. Wir tauschten uns eine Zeit lang am Abend aus und jeder konnte von einer frohen oder glücklichen „Bohnenerfahrung“ erzählen.

Ich kenne diese Erfahrung auch aus dem „Gebet der liebenden Aufmerksamkeit“. Mit diesem Gebet schaue ich am Abend auf den Tag zurück. Ich nehme wahr, was mich berührt hat: Frohes und Trauriges, Ärgerliches oder Erstaunliches. All diese Gefühle und Erfahrungen darf ich vor Gott tragen und sie ihm anvertrauen. Und ich tue es so, wie ich es einer Freundin erzählen würde: mit einem liebevollen Blick darauf und ohne Selbstanklage. So war mein Tag – so bin ich heute Abend.                    

Ich habe erlebt, dass die Bohnen in meiner Tasche mich noch einmal motiviert haben, besonders aufmerksam zu sein.  

Das hilft mir auch, wenn ich den Eindruck habe, dass es eher ein schlechter Tag war. Aber jeder schlechte Tag hat auch mindestens eine „Bohnenerfahrung“ und wenn mir die eingefallen ist, kann ich den Tag im inneren Frieden beenden.  

 

*https://www.misereor.de/presse/pressemeldungen-misereor/interessiert-mich-die-bohne

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SWR4 Abendgedanken

22APR2024
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Heute Abend beginnt das jüdische Pessachfest. Dieses Fest beginnt am Vorabend – wie wir das von Weihnachten oder manchmal von Geburtstagen kennen. Wir feiern in das Fest hinein!

Das jüdische Pessachfest ist auch für Christen von Bedeutung.  Jesus ist mit seinen Jüngern zum Pessachfest nach Jerusalem gegangen, und ist in dieser Nacht dann verraten worden.

Das Pessachfest wird zuhause gefeiert. Es nicht nur der enge Familienkreis, auch Freunde und Nachbarn werden eingeladen. Wenn dann alle um einen gedeckten Tisch versammelt sind, fragt der Jüngste am Tisch: „Warum ist diese Nacht anders als alle anderen Nächte?“  Dann wird die Geschichte des Auszugs aus Ägypten vorgelesen. Es wird erzählt, wie schwer es die Israeliten als Sklaven in Ägypten hatten, wie hoffnungslos ihre Situation war. Gott hört die Klage der Israeliten und beruft Mose, einen jungen Mann, sein Volk aus der Knechtschaft in Ägypten zu befreien. Und mit Gottes Hilfe verlassen die Israeliten Ägypten. Gott hält seine schützende Hand über sie. Höhepunkt der Erzählung ist der Durchzug durch das Rote Meer.  Das Rote Meer teilt sich, so dass die Israeliten trockenen Fußes hindurchkommen. Sie sind frei! Gott selbst hat sie gerettet und in die Freiheit geführt.

Diese Lesung vom Durchzug durch das Rote Meer hören wir auch in der Osternacht. In der Osternacht folgt dann die Erzählung, dass Jesus nicht im Tod geblieben ist, sondern von Gott auferweckt wurde. Die Jünger erkennen das am Zeichen des leeren Grabes und in den Begegnungen mit dem auferstanden Jesus.

Jedes Jahr feiern über eine Milliarde Menschen diese beiden Feste. Was sie verbindet? Der Glaube, dass Gott uns befreit von Sklaverei und Tod. Der Glaube an einen Gott, der den Menschen sieht, den Einzelnen, aber auch das ganze Volk.

Und die Zusage Gottes, dass wir in Freiheit leben dürfen, frei von zerstörerischen Strukturen, frei von Unterdrückung.

Mich freut es, dass in unserem Land wieder die Vielfalt des Glaubens sichtbar und gefeiert wird. Juden, Christen, Muslime- uns eint der Glaube an den einen Schöpfergott, der sich der Menschen annimmt. Jede Religion hat ihren eigenen Akzent, und doch sind wir alle verbunden im Glauben an den einen Gott. Jenseits aller Unterschiede ist es wichtig und gut, die Gemeinsamkeiten in unserem Glauben zu sehen, statt die Unterschiede zu betonen.

In diesem Jahr liegen die großen Feste der Religionen nahe zusammen: Der muslimische Ramadan endete erst am 9. April und damit eine Woche nach dem christlichen Osterfest. Heute beginnen die Juden mit ihrem großen Fest, dem Pessach-Fest.

Pessach Sameach – ein frohes Pessachfest wünsche ich allen Menschen jüdischen Glaubens!

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SWR4 Abendgedanken

01SEP2023
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Heute ist in Rheinland-Pfalz der letzte Ferientag. Sechs Wochen Sommerferien gehen zu Ende. Sommerferien: dieses Gefühl ist überall spürbar. Die Straßen sind leerer, die Menschen entspannter. Ich sehe gut gelaunte Kinder auf dem Weg zum Schwimmbad oder zum Sportplatz und am Telefon bekommt man drei Mal am Tag die Auskunft: „Nein, der ist nicht da, es sind Sommerferien.“ Eine entspannte Situation, die ich in jedem Jahr genieße.

Für viele ist der heutige Tag aber auch mit Wehmut verbunden- Schule und Arbeit beginnen wieder in der kommenden Woche. Anderen tut es gut, dass das Leben wieder ganz geregelt abläuft, besonders dann, wenn man auf Kinderbetreuung oder andere Unterstützung angewiesen ist. „Alles hat seine Zeit,“ so sagt es schon das Buch Kohelet im Alten Testament.

„Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: geboren werden und sterben,
einpflanzen und ausreißen,
weinen und lachen,
wehklagen und tanzen,
sich umarmen und sich aus der Umarmung lösen,
finden und verlieren,
aufbewahren und wegwerfen,
schweigen und reden.“

Und ich würde noch ergänzen: Eine Zeit für die Ferien und die Freizeit und eine Zeit für die Arbeit und den Alltag. Kohelet, der Buchautor, stellt alle diese Zeiten nebeneinander und wertet sie nicht. Sie sind da, sie wechseln ab, sie sind nicht immer zu beeinflussen – das ist auch heute unsere Erfahrung.

Kohelet sagt uns damit aber auch: Gott ist bei uns in all diesen Zeiten: wenn ich weine oder lache, wenn ich suche oder etwas finde, wenn ich etwas aufbewahre oder etwas wegwerfe.  

Wir sind nicht allein, weder in der schönen Zeit des Urlaubs und der Ferien, noch in der anstrengenden Routine des Alltags. Im Psalm 121 heißt es:
„Gott, der dich behütet, schläft nicht.
Er steht dir zur Seite. Er behütet dein Leben.
Der Herr behüte dich, wenn du fortgehst und wiederkommst, von nun an bis in Ewigkeit.“

Diese Zusage gilt uns allen, sie gilt allen, für die am Montag eine neue Zeit beginnt: Gott steht uns zur Seite, im Wachen und im Schlafen, in der Freizeit und in der Arbeit. Und auch wenn heute erst Freitag ist, wünsche ich Ihnen einen gesegneten Start in die neue Woche, ganz besonders denen, die etwas ganz Neues beginnen: in der Grundschule, in der weiterführenden Schule, an einem Ausbildungsplatz oder vielleicht im Start in den Ruhestand.

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SWR4 Abendgedanken

31AUG2023
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Auch in diesem Jahr habe ich mich wieder an der Erntezeit gefreut. In unserer ländlichen Umgebung fahren von mittags bis abends die Mähdrescher und ziehen riesige Staubwolken hinter sich her. Die Traktoren bringen den Weizen zum Silo, manchmal noch sehr spät am Abend. Tagelang ging das so, jetzt sind nur noch die runden Strohballen auf den Feldern zu sehen. Sie erzählen von der erfolgreichen Ernte in diesem Jahr.

Und auch in diesem Jahr blühen viele Blumen am Wegrand. Ich freue mich an ihren besonderen Farben und ihren Bewegungen im Wind. Sie erzählen von der Schönheit und der Leichtigkeit des Lebens.

Aber in diesem Jahr haben diese beiden Bilder für mich auch ihre Schönheit und Unschuld verloren. Während die Mähdrescher laufen und die Ernte einfahren, erzählen die Nachrichten an jedem Abend, wie Nahrungsmittel als Kriegswaffe eingesetzt werden.

„Mit Lebensmitteln spielt man nicht.“ Mit diesem Satz bin ich in den 60er Jahren aufgewachsen. Lebensmittel lässt man nicht verderben und man wirft sie nicht weg – das ist auch heute noch meine Überzeugung. Weizen wird absichtlich vernichtet, die Ausfuhr von Lebensmitteln unmöglich gemacht durch kriegerische Blockaden. Es macht mich fassungslos und hilflos.

Und auch die Blumen am Wegrand sind nicht mehr nur schön anzusehen. Ich finde sie auch an der Ahr, ganz bei uns in der Nähe. Im Sommer ist dieser Fluss nur ein Rinnsal und das breite Flussbett bietet vielen schönen Blumen Platz. Wenn ich jetzt dort spazieren gehe, schwingt auch die Erfahrung der Naturgewalt mit: die Flutwelle, die alles mitgerissen hat und Menschenleben und Existenzen zerstört hat. Auch heute sind noch viele Menschen im Ahrtal nicht wieder in ihrer Normalität angekommen. Es gibt nicht nur die sichtbaren Verletzungen und Zerstörungen von Häusern, Straßen, Kirchen, Geschäften, Weinbergen und Gärten. Es gibt auch noch viele seelische Verletzungen.

Was werde ich heute Abend tun, wenn die Nachrichten von der Zerstörung der Getreidesilos erzählen oder ich von Naturkatastrophen höre und mein Blick aus dem Fenster auf die Felder geht?

Ich werde mich hilflos und ohnmächtig fühlen. Ich werde wütend und ärgerlich sein. Und ich werde das tun, was Menschen seit Tausenden von Jahren tun: ich werde alle diese Gefühle Gott hinhalten, sie ihm anvertrauen. Das große Gebetbuch der Psalmen kennt alle diese Gefühle: Ohnmacht, Hilflosigkeit, Wut und Trauer. Und all das, darf ich Gott hinhalten. Das Zulassen und Aussprechen tut gut. Es nimmt mir auch die Angst, dass ich allein bin in meiner Hilflosigkeit und der Sorge über den Zustand der Welt.

Und es gibt mir auch den Mut, die kleinen Schritte zu tun, die ich dazu beitragen kann, dass sich etwas verändert: weiterhin verantwortungsvoll mit Nahrungsmitteln und den Ressourcen der Welt umzugehen. Die Hungernden nicht zu vergessen und natürlich die Menschen im Ahrtal nicht aus dem Blick zu verlieren und sie weiterhin zu unterstützen mit einem offenen Ohr oder einer konkreten Hilfe. Das sind nur kleine Schritte, aber Schritte.

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SWR4 Abendgedanken

30AUG2023
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Ich krame in meiner Tasche herum. Wo ist nur mein Schlüssel? Selbst die kleinste Handtasche kann locker einen Schlüssel verstecken. Ach, da ist er, Gott sei Dank! Mein Schlüssel, eigentlich mein Schlüsselbund erzählt mir viel über mein Leben und auch über mein Glück.

Da ist mein Autoschlüssel. Ich schätze mich glücklich ein Auto zur Verfügung zu haben, mobil zu sein. Auf dem Land braucht man das, aber selbstverständlich ist das nicht. Ich kann zum Schlüsselbund greifen und zur Arbeit fahren, zum Einkauf, zum Treffen mit der Freundin, ohne mich mit jemandem abzusprechen, ohne nachzufragen. Was für eine Freiheit und was für ein Glück.

Da ist mein Briefkasten-Schlüssel. Jeden Tag schaue ich nach, ob etwas anderes als Reklame und kostenlose Zeitschriften in meinem Briefkasten sind. Da gibt es auch die ungeliebten Briefe vom Amt, aber vor allem gibt es ab und zu schöne und persönliche Post in meinem Briefkasten: die Postkarte aus dem Urlaub, eine Einladung zu einem Geburtstag, eine Hochzeitsanzeige. Es gibt auch traurige Post, zum Beispiel eine Todesanzeige. Der Blick in den Briefkasten ist mir wichtig, denn diese Post berührt mich oft viel stärker als es eine Mail, eine SMS oder eine WhatsApp tun.

Und noch habe ich meine Schlüssel zu meinem Arbeitsplatz. In meinem Fall ist das auch ein kleiner Schlüsselbund: der Schlüssel zum Pfarrhaus, wo ich mein Arbeitszimmer habe. Aber auch die Schlüssel zu Pfarrheim und zur Kirche gehören dazu. Das ist ein großes Vertrauen, das auch immer von der Sorge begleitet wird, diese Schlüssel nicht zu verlieren. Der Schlüssel zu meinem Arbeitsplatz – er bedeutet auch finanzielle Sicherheit und den Kontakt mit den Kollegen und den Menschen, die im Pfarrhaus vorbeischauen. An den meisten Tagen empfinde ich meine Arbeit und die Begegnungen, die dazugehören, als Glück.

Und dann gibt es noch Schlüssel, die ich nicht am Schlüsselbund trage, sondern nur bei Bedarf mitnehme. Zum Beispiel den Schlüssel zur Wohnung meiner Mutter. Das hat natürlich praktische Gründe, aber es freut mich, dass ich meine Mutter immer noch in ihrer eigenen Wohnung besuchen darf und dort willkommen bin.

Alle diese Schlüssel öffnen Türen: Autotüren, Haustüren, Wohnungstüren, Zimmertüren.  Öffnen und schließen – welche Freiheit und welches Glück. Manchmal fällt mir der Satz Jesu dazu ein: Ich bin die Tür, wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden. Für diese Tür brauche ich keinen Schlüssel, sie steht weit offen. Das ist die Einladung Jesu an uns Menschen. „Ich bin die Tür“- durch diese Tür darf ich gehen, so wie ich bin, froh oder ärgerlich, müde oder voller Tatendrang, mit mir im Einklang oder traurig und unzufrieden. „Ich bin die Tür“ - auch das ist für mich als Christin ein Glück und ein Grund zur Dankbarkeit.

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SWR4 Abendgedanken

29AUG2023
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Ich habe einen Termin verpasst. Ich war mit einer Frau verabredet, um mit ihr über ihr Leben und ihren Glauben zu sprechen und ich hatte den falschen Tag eingetragen. Wir waren zum Glück im Pfarrhaus verabredet und so konnte die Sekretärin mir Bescheid geben und ich war 20 Minuten später am vereinbarten Ort. 

Als ich kam, hatte die Frau eine Tasse Tee vor sich, die die Sekretärin ihr gekocht hatte. „Gut, dass Du einen Tee bekommen hast“, sage ich zur Begrüßung. „Ja“, sagt sie, „und gut, dass ich 20 Minuten Wartezeit hatte. Weißt Du, ich stelle mir Gott immer so wie eine gute Freundin vor, die mir schweigend eine Tasse Tee kocht, wenn es mir nicht gut geht und sie vor mich hinstellt. Das tut mir gut und ich fühle mich umsorgt und verstanden. Heute hat mir eure Sekretärin die Tasse Tee fast aufgenötigt. Sie tut gut, aber ich habe festgestellt: ich brauche sie nicht! Mir geht es im Moment richtig gut und ich freue mich über alles Gute, was gerade passiert. Ich kann Gott von meiner Freude und meiner Dankbarkeit erzählen. Ich brauche keinen Trost-Tee. Aber das wäre mir nie so klar geworden, wenn Du nicht zu spät gekommen wärst.“

Mich freut diese Aussage und ich denke: „Ja, Gott, auch das hast Du gut gefügt – manchmal reicht eine simple Verspätung, um zu erkennen, wie es mir geht und wie es mir mit Dir geht“. Eine Tasse Tee und 20 Minuten Verspätung – und dieser Frau ist mehr über ihre Beziehung zu Gott deutlich geworden als in einem langen Gebet.

Ein paar Tage später bei einem anderen Gespräch, sagt die Frau zur Begrüßung: „Gerade habe ich doch die verkehrte Ausfahrt genommen, da musste ich einen richtigen Umweg fahren. Aber so fing das heute morgen schon an: ich wollte nach links, dort blockierte der Müllwagen den Weg, also bin ich rechtsherum gefahren. Unterwegs gab es noch eine Umleitung, aber nun bin ich hier. So ist das Leben, mein Leben. Und in allen Umwegen: Gott ist bei mir!“

Zwei sehr persönliche Zeugnisse von Gott, die mir da geschenkt wurden. Sie erinnern mich an das Motto der Jesuiten: Gott suchen und finden in allen Dingen. Es geht nicht nur darum, Gott in religiösen Übungen, wie dem Gebet oder der Meditation zu finden. Es geht auch nicht nur darum, Gott in besonderen Highlights oder tiefsten Krisen zu finden. Sondern es geht darum, mit offenem Herzen, mit freiem Sinn den Alltag anzuschauen und wahrzunehmen. Dann finden sich Gottes Spuren überall in der Welt – in der Freude an gemeinsamen Mahlzeiten, in einem Wort, das mir zugesagt wird, in einer zufälligen Begegnung, denn auch Zufall ist einer der Namen Gottes. Gott suchen und finden in allen Dingen.

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SWR4 Abendgedanken

28AUG2023
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Gott sei Dank gibt es immer wieder Menschen, die bereit sind, ein Ehrenamt zu übernehmen, auch in unserer Kirche. Im letzten Monat habe ich das besonders eindrucksvoll erlebt. Zwölf Frauen und Männer haben sich bereit erklärt, ehrenamtlich christliche Beerdigungen zu leiten. Die Jüngsten sind in der Lebensmitte und voll im Beruf, die Ältesten an der Schwelle zur Rente.

Eine Beerdigung vorzubereiten und durchzuführen, das ist eine herausfordernde Aufgabe. Diese Frauen und Männer sind in ihrem Umfeld, in ihrer Pfarrgemeinde angesprochen worden, ob sie diesen Dienst übernehmen wollen. Viele waren zögerlich und zurückhaltend, unsicher, ob sie das überhaupt können. Aber der Pfarrer, die Gemeindereferentin haben ihnen Mut gemacht: Ich traue dir das zu! In einem Ausbildungskurs setzten sich die Teilnehmerinnen dann mit Sterben, Tod und Trauer auseinander.

Wie stelle ich mir das Sterben vor?
Wie geht es mir, wenn ein nahestehender Mensch gestorben ist? 
Was tröstet mich in meiner Trauer?

Und aus dieser Auseinandersetzung mit der eigenen Trauer, entwickelte sich dann der Mut und die Fähigkeit auf Trauernde zuzugehen, zuzuhören und die Beerdigung zu gestalten.

Zu Beginn des Kurses waren alle motiviert, möglichst viel zu lernen, viel Material zu bekommen, neue Ideen zu entwickeln. Im Laufe des Kurses wurde immer deutlicher: in diesem Dienst begegne ich Menschen, die trauern, die manchmal untröstlich sind, die aus der Bahn geworfen wurden durch den Tod eines Angehörigen – das ist nicht einfach auszuhalten. Alle in diesem Kurs tun es aus ihrem Glauben heraus, sie lassen sich in diesen Dienst rufen. Sie erzählen von christlicher Hoffnung, sie trösten, sie bitten um den tröstenden Geist in diesen Situationen – das alles kann eine Erfahrung sein, in der Gott spürbar ist.

Die Leitung dieses Kurses hat mich in den letzten Wochen sehr beschäftigt. Ich bin sehr dankbar dafür, dass es diese vielen Menschen gibt. Es gibt mir die Zuversicht, dass ich im Alter Hilfe finden kann und auch, dass ich christlich beerdigt werde, gerne auch von einer Frau.

Aber jeder Ehrenamtliche, ob in der Kirche oder in einem anderen Verein, ist bereit, sein Leben zu teilen, etwas von seiner Zeit und seinen Talenten zu schenken: in den Besuchsdiensten, in der Leitung von Jugendgruppen, bei der Feuerwehr und vielen anderen Aufgaben.

Ich bin auch dankbar, dass es diesen ehrenamtlichen Menschen begegnen darf, denn in ihnen kommt mir auch Gott entgegen. Ein Gott, der mich tröstet, der mich aufrichtet, der freundlich zu mir ist. Gott suchen und finden: in jedem Menschen, der mir begegnet und in jedem Dienst, in den ich mich rufen lasse.

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