SWR4 Abendgedanken

23APR2024
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„Das interessiert mich die Bohne!“ – das war das Motto der diesjährigen Fastenzeit. Misereor – das katholische Hilfswerk – hatte dazu eingeladen.  Dazu gab es eine schöne Geschichte.*

„Es war einmal ein Bauer, der steckte jeden Morgen eine Handvoll Bohnen in seine linke Hosentasche. Immer, wenn er während des Tages etwas Schönes erlebte, wenn ihm etwas Freude bereitete oder er einen Glücksmoment empfunden hatte, nahm er eine Bohne aus seiner linken Hosentasche und gab sie in seine rechte. Am Anfang kam das nicht so oft vor. Aber von Tag zu Tag wurden es mehr Bohnen, die von der linken in die rechte Hosentasche wanderten. Der Duft der frischen Morgenluft, der Gesang der Amsel auf dem Dachfirst, das Lachen seiner Kinder, das nette Gespräch mit einem Nachbarn – immer wanderte eine Bohne von der linken in die rechte Tasche. Bevor er am Abend zu Bett ging, zählte er die Bohnen in seiner rechten Hosentasche. Und bei jeder Bohne konnte er sich an das positive Erlebnis erinnern. Zufrieden und glücklich schlief er ein – auch wenn er nur eine Bohne in seiner rechten Hosentasche hatte.“

Ich habe die Geschichte mit einigen Freunden und Freundinnen geteilt und wir haben uns Bohnen – dicke weiße Bohnen – gekauft und in die Tasche gesteckt.

Und tatsächlich: das Experiment funktionierte. Die Bohnen stärkten meine Aufmerksamkeit für die kleinen Alltäglichkeiten, die mich freuten: ein unerwartetes Lächeln von der Kassiererin im Supermarkt, die Freude, Zeit für einen Spaziergang zu finden, die Entdeckung der ersten Blüten im Garten, all das war auf einmal viel stärker in meinem Bewusstsein.

Den Freunden und Freundinnen ging es ebenso. Wir tauschten uns eine Zeit lang am Abend aus und jeder konnte von einer frohen oder glücklichen „Bohnenerfahrung“ erzählen.

Ich kenne diese Erfahrung auch aus dem „Gebet der liebenden Aufmerksamkeit“. Mit diesem Gebet schaue ich am Abend auf den Tag zurück. Ich nehme wahr, was mich berührt hat: Frohes und Trauriges, Ärgerliches oder Erstaunliches. All diese Gefühle und Erfahrungen darf ich vor Gott tragen und sie ihm anvertrauen. Und ich tue es so, wie ich es einer Freundin erzählen würde: mit einem liebevollen Blick darauf und ohne Selbstanklage. So war mein Tag – so bin ich heute Abend.                    

Ich habe erlebt, dass die Bohnen in meiner Tasche mich noch einmal motiviert haben, besonders aufmerksam zu sein.  

Das hilft mir auch, wenn ich den Eindruck habe, dass es eher ein schlechter Tag war. Aber jeder schlechte Tag hat auch mindestens eine „Bohnenerfahrung“ und wenn mir die eingefallen ist, kann ich den Tag im inneren Frieden beenden.  

 

*https://www.misereor.de/presse/pressemeldungen-misereor/interessiert-mich-die-bohne

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39749
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