SWR4 Abendgedanken

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30AUG2023
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Ich krame in meiner Tasche herum. Wo ist nur mein Schlüssel? Selbst die kleinste Handtasche kann locker einen Schlüssel verstecken. Ach, da ist er, Gott sei Dank! Mein Schlüssel, eigentlich mein Schlüsselbund erzählt mir viel über mein Leben und auch über mein Glück.

Da ist mein Autoschlüssel. Ich schätze mich glücklich ein Auto zur Verfügung zu haben, mobil zu sein. Auf dem Land braucht man das, aber selbstverständlich ist das nicht. Ich kann zum Schlüsselbund greifen und zur Arbeit fahren, zum Einkauf, zum Treffen mit der Freundin, ohne mich mit jemandem abzusprechen, ohne nachzufragen. Was für eine Freiheit und was für ein Glück.

Da ist mein Briefkasten-Schlüssel. Jeden Tag schaue ich nach, ob etwas anderes als Reklame und kostenlose Zeitschriften in meinem Briefkasten sind. Da gibt es auch die ungeliebten Briefe vom Amt, aber vor allem gibt es ab und zu schöne und persönliche Post in meinem Briefkasten: die Postkarte aus dem Urlaub, eine Einladung zu einem Geburtstag, eine Hochzeitsanzeige. Es gibt auch traurige Post, zum Beispiel eine Todesanzeige. Der Blick in den Briefkasten ist mir wichtig, denn diese Post berührt mich oft viel stärker als es eine Mail, eine SMS oder eine WhatsApp tun.

Und noch habe ich meine Schlüssel zu meinem Arbeitsplatz. In meinem Fall ist das auch ein kleiner Schlüsselbund: der Schlüssel zum Pfarrhaus, wo ich mein Arbeitszimmer habe. Aber auch die Schlüssel zu Pfarrheim und zur Kirche gehören dazu. Das ist ein großes Vertrauen, das auch immer von der Sorge begleitet wird, diese Schlüssel nicht zu verlieren. Der Schlüssel zu meinem Arbeitsplatz – er bedeutet auch finanzielle Sicherheit und den Kontakt mit den Kollegen und den Menschen, die im Pfarrhaus vorbeischauen. An den meisten Tagen empfinde ich meine Arbeit und die Begegnungen, die dazugehören, als Glück.

Und dann gibt es noch Schlüssel, die ich nicht am Schlüsselbund trage, sondern nur bei Bedarf mitnehme. Zum Beispiel den Schlüssel zur Wohnung meiner Mutter. Das hat natürlich praktische Gründe, aber es freut mich, dass ich meine Mutter immer noch in ihrer eigenen Wohnung besuchen darf und dort willkommen bin.

Alle diese Schlüssel öffnen Türen: Autotüren, Haustüren, Wohnungstüren, Zimmertüren.  Öffnen und schließen – welche Freiheit und welches Glück. Manchmal fällt mir der Satz Jesu dazu ein: Ich bin die Tür, wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden. Für diese Tür brauche ich keinen Schlüssel, sie steht weit offen. Das ist die Einladung Jesu an uns Menschen. „Ich bin die Tür“- durch diese Tür darf ich gehen, so wie ich bin, froh oder ärgerlich, müde oder voller Tatendrang, mit mir im Einklang oder traurig und unzufrieden. „Ich bin die Tür“ - auch das ist für mich als Christin ein Glück und ein Grund zur Dankbarkeit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38305
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