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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

09DEZ2023
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„Hast du Durst?“, fragt mich mein Kollege. „Nein, danke“, antworte ich. Dabei habe ich den ganzen Vormittag gerade mal eine Tasse Kaffee getrunken. Das ist eigentlich viel zu wenig. Während der Nacht verliert man rund einen halben Liter Wasser. Und wer mit offenem Mund schläft oder nachts schwitzt, noch mehr. Leider habe ich in dieser Jahreszeit fast kein Durstgefühl. Und manchmal deute ich Durst fälschlicherweise als Hunger. Ich habe gelesen, dass ich spätestens ab 60 alle zwei Stunden etwas trinken soll, damit sich im Körper kein chronischer Wassermangel einstellt und mein Hirn keinen Schaden nimmt.

Es gibt auch eine Art geistlichen Wassermangel. Nicht nur unser Körper braucht Wasser. Der Prophet Jesaja aus dem Alten Testament preist wie ein Marktschreier göttliches Wasser an: „Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser!“ (Jesaja 55,1) Er ist davon überzeugt, dass die Menschen nicht nur Wasser für ihren Körper brauchen, sondern auch geistliches Wasser für ihre Seele.

Und wie beim körperlichen Wassermangel auch, kann es passieren, dass spirituelle Bedürfnisse gar nicht wahrgenommen werden. Jemand merkt zwar, dass ihm etwas fehlt, deutet es aber anders und versucht es dann irgendwie zu kompensieren.

Ich denke an den Witwer, der große Angst hat, eines Tages nach einer Herzattacke hilflos in der Wohnung zu liegen. Um das zu verhindern, sucht er krampfhaft eine Frau und fällt auf dubiose Offerten herein. Ich würde mir wünschen, dass er mit jemandem über seine Ängste sprechen kann.

Ich denke an die erfolgreiche Geschäftsfrau, die sonntags regelmäßig in ein Loch fällt, weil ihr ein persönliches Netzwerk fehlt. Sie versucht, der Leere durch Shoppingtouren am Rechner zu entgehen und fühlt sich doch nicht gut dabei. Ihr würde ich von Herzen eine liebevolle Gemeinde wünschen, wo man füreinander da ist.

Um zu verstehen, was mir fehlt, brauche ich Ruhe-Momente. Sonst komme ich gar nicht in meinem Inneren an, merke nicht, was los ist. Und ich brauche Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner, die mir zuhören und manchmal auch geistliches Wasser anbieten, das dem Leben einen tieferen Sinn gibt.

Ich schenke mir jetzt jedenfalls ein großes Glas Wasser ein. Und während ich trinke, denke ich darüber nach, was sonst noch so in meinem Inneren los ist.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

08DEZ2023
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Ich bin Slow Joggerin. Ich mag dieses langsame japanische Laufen mit seinen vielen kleinen Schritten. Beim Slow Jogging rennt man nur so schnell, dass man nebenher wunderbar reden, lachen oder singen kann. Oft bin ich daher zu zweit unterwegs, immer schön mit dem erwünschten Puls von 120 oder 130 Herzschlägen pro Minute. Meist habe ich dann interessante Gespräche und komme fröhlich und entspannt an.

Anders geht’s mir, wenn ich allein Slow jogge. Dann werde ich leicht zu schnell und verliere mein gutes Tempo. Und darüber ärgere ich mich. Denn ich bin ausgebildete Trainerin. Da sollte ich es doch im Griff haben. Doch mir fehlt dann ein Tempomacher, in dem Fall ein Bremser, um im gesunden Tempo zu bleiben.

Ich meine, Jesus hatte das mit dem Tempo damals besser im Griff, auch wenn ich nicht weiß, ob er Slow Jogger war.

Von ihm wird berichtet, dass er zwar sein Ziel stets vor Augen hatte und sich nicht geschont hat. Und doch bremste er immer wieder ab und suchte selbst in der größten Hektik seine Rückzugsorte. Dann hat er seine Jünger allein gelassen und ist in die freie Landschaft zum Beten gegangen. Ich denke, dass er dann alles mit seinem Gott besprochen hat.

Das habe ich mir von ihm abgeschaut. Wenn die Anforderungen zu viel werden und das Arbeitstempo zu hoch, dann muss ich raus. Sportklamotten an, Kopfhörer unter die Mütze, einen passenden Rhythmus und los geht es. Wenn ich dann gleichmäßig und nicht zu schnell unterwegs bin, versuche ich meine Gedanken einzufangen.

Ich konzentriere mich darauf, sie auf Jesus zu lenken. Ich vertraue darauf, dass er mit mir läuft und mir zuhört. Ich glaube fest, dass er sich meiner Fragen und Sorgen annimmt. Manchmal gibt es mehr Probleme als ich überblicken kann.

Dann denke ich: Gut, dass er da ist und mir beim Sortieren und Abstand gewinnen hilft. Schon Christen im ersten Jahrhundert, die oft verfolgt wurden, haben festgehalten: „Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.“

Ja, Laufen und dabei aufsehen zu Jesus. Das will ich tun. Mit meinen vielen kurzen Trippelschritten. Unterwegs mit ihm als meinem Tempomacher.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

01FEB2023
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Ich bin ein Fan der Vesperkirchen. Ich mag einfach alles daran. In früheren Jahren war ich manchmal nur zum Essen da oder ich habe mitgearbeitet. Am liebsten hab ich die Geschirrkisten getragen. Mit dem sauberen Geschirr nach oben und dem benutzten wieder nach unten. Es hat sich so gut angefühlt, am Abend die schweren Arme und Beine zu spüren. Für manche bedeutet Vesperkirche ein paar Stunden Wärme, als Abwechslung zur kalten Wohnung oder der Straße. Und wer meistens allein ist, kann so mal wieder die eigene Stimme hören, weil man am Tisch jemanden zum Reden hat.

Zur Vesperkirche zu gehen, ist manchmal auch eine Herausforderung, denn plötzlich ist man direkt mit Leuten zusammen, mit denen man sonst nie was zu tun hat. Manche Leute kommen zur Vesperkirche, weil es eine geschickte Gelegenheit ist, zeitlich begrenzt mit anzupacken. All das macht die Vesperkirchen so bunt und wertvoll. Und ich bin mir sicher, dass auch Jesus an ihnen seine Freude hat und sie segnet. Denn es ist ein Herzensanliegen von ihm, dass Menschen zusammenkommen, um miteinander zu essen. Er hat schon zu seiner Zeit in Galiläa dafür gesorgt, dass sich Menschen treffen und das Essen miteinander teilen, weil so Gemeinschaft entsteht und sich die Menschen anschließend besser verstehen. Jesus wusste: Liebe geht durch den Magen. Auch die Liebe Gottes. Ihm ging es nie nur ums Geistliche. Er will, dass es den Menschen rundum gut geht. An Leib und Seele.

Auch in den Vesperkirchen geht es um mehr als um gefüllte Mägen. Freiwillige stehen zum Gespräch bereit. Manchmal sorgen Friseure für den neuen Look für jene Gäste, die sich keinen Haarschnitt leisten können. Und ab und zu ist auch noch die Ärztin im Haus und hält Sprechstunde. Jesus war gelegentlich in der Rolle des Gastgebers, doch war er auch einfach nur Gast. Das war jedes Mal ein Besuch mit Nachwirkungen. Für die Gastgeber ist es zum Glücksfall geworden, dass er ausgerechnet zu ihnen gekommen ist. So sagte er beim Verabschieden zum Zolleinnehmer Zachäus: „Heute bist du gerettet worden, zusammen mit allen, die in deinem Haus leben.“ Und das Leben des Zolleinnehmers Zachäus war danach tatsächlich ein anderes. So befreit und voll neuer Möglichkeiten. Das wünsche ich uns in den Vesperkirchen, dass Jesus uns berührt und beglückt.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

31JAN2023
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Neulich habe ich alte Fotos angeschaut. Eines bringt mich noch nach Jahren zum Lachen. Darauf ist ein Holz-Steg zu sehen, der über einen kleinen Meer-Arm führt. An einem Ende ist ein rotes Metallgestänge, das sieht aus wie ein Lampenschirm. Am andern Ende ragt ein gelbes Kreuz in die Luft. Eines Morgens war ich zur falschen Zeit auf der falschen Seite.

Ich war durch die Landschaft gejoggt und habe nicht aufgepasst, wann Flut ist. Und an der Stelle, wo der Steg sein sollte, war nur Wasser. Ich habe meinen Mann angerufen, der im Ferienhaus mit dem Frühstück auf mich gewartet hat: „Ich komme nicht rüber. Der Steg ist weg“ habe ich zu ihm gesagt. „Wie - der Steg ist weg, das kann nicht sein.“ „Da ist überall nur Wasser.“ Auf die roten und gelben Gebilde hüben und drüben habe ich bis dahin nie geachtet. Wenn sie mir aufgefallen wären, dann hätte ich meine Schuhe ausgezogen und wäre mutig drauf losgewatet. Denn der Steg war da, nur eben 40 cm unter Wasser. Seitdem ist dieses Bild für mich zu einem Sinnbild geworden.

Es steht dafür, dass der Weg da ist, auch wenn ich ihn in dem Moment nicht sehe. Vielleicht weil ich nicht aufmerksam genug die Umgebung studiere und ich deshalb solche Hinweise, wie das rote und gelbe Metall-Ding übersehe, oder weil zu vieles gleichzeitig auf mich einstürmt. Mit dem Urlaubsbild verbinde ich seitdem ein Wort aus Psalm 37: „Befiehl dem Herrn deine Wege, er wird’s wohl machen.“ Es kostet mich durchaus Überwindung, drauf loszuwaten, wenn ich den Weg nicht sehe, vor allem, wenn ich vielleicht nasse Füße bekomme. Doch ich bin überzeugt: wer auf die Hinweise achtet, kommt ans Ziel, selbst wenn der Weg dorthin auf den ersten Blick nicht sichtbar ist. Die Hinweise stehen allerdings nicht immer so offensichtlich in der Landschaft, wie damals am Wasser. Manchmal verstecken sie sich im Rat eines Freundes, oder in den Zeilen eines Lieds oder auch in einem Gedanken, der mir plötzlich im Sinn ist, wenn ich mal wirklich zur Ruhe komme. Oder ich muss tatsächlich die Bibel öffnen, um zu begreifen, dass ich bei Gott Halt finde, dass Jesus dieser Weg ist, der mich trägt. Er hält mich aus, mit allem, was ich an Unruhe und Zaghaftigkeit manchmal in mir habe. Dann weiß ich wieder: da ist ein Grund, der sicher ist, der ist da, - wie auch immer die Landschaft um mich herum gerade aussieht.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

30JAN2023
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Ich hatte neulich Urlaub, zwei ganze Wochen lang. Toll! Aber dann bin ich in ein ziemliches Loch gefallen. Ich war niedergeschlagen und viel zu viele Sorgen haben sich eingestellt, und Zeit zum Nachdenken war ja nun reichlich vorhanden. Dann kam auch noch ein Infekt dazu. Nein, das war nicht schön.

Zum Glück ging es nach `ner Zeit wieder aufwärts. Ich hab gedacht, ich erzähle das heute hier, denn vielleicht hilft anderen, was mir geholfen hat.

Ich habe mir, meiner Familie und einem guten Freund unter Tränen eingestanden, dass ich nicht mehr kann. Es hat gutgetan, mich so ehrlich zu machen. Danach habe ich mich in Hörbücher geflüchtet, mit Biographien von Leuten, die unglaubliche Herausforderungen gemeistert haben. Zuletzt war es die Lebensgeschichte eines jungen Mannes aus Guinea auf der Suche nach seinem Bruder. Zu hören, wie andere mit schwierigen Situationen umgegangen sind, hat mir Mut gemacht. Ich konnte mit diesem Blick von außen auch meine Probleme besser von außen angucken. Beim Zuhören habe ich dann praktische Dinge gemacht, wie die Küche geputzt oder für ne Freundin Socken gestrickt. Das waren so kleine Erfolgserlebnisse am Rande. Was mir auch geholfen hat, war, mich mit meinen düsteren Gedanken in Gottes Liebe zu flüchten. Das klingt vielleicht seltsam, doch so hab ich es empfunden. Ich habe gemerkt, dass ich mit meinem Grübeln nicht weiterkomme und habe Gott gebeten, sich zu kümmern. Mir ging’s nicht darum, mich aus der Verantwortung zu stehlen, doch ich war mir sicher: manches, über das ich mir Sorgen mache, kann ich nicht beeinflussen. Und bei allem anderen, komme ich mit Gott zusammen am besten weiter. Ich hab das auch früher schon so erlebt, dass ich mit Gott im Rücken Probleme überwinden kann. Und ich weiß, dass er gerne für mich da ist. So wie für jeden anderen auch. Nach ein paar Tagen ist es mir deutlich besser gegangen. Ich weiß aber auch, dass es schwer sein kann, allein aus so einem Loch herauszukommen. Wenn es durch nichts und niemanden besser wird, dann, darf und muss ich mir Hilfe suchen. Es könnte auch eine Depression sein, die mich so kraft- und mutlos sein lässt. Dann ist es wichtig, dass ich mir jemanden suche, der mich bei den nächsten Schritten unterstützt.  Hausärztin, Seelsorger oder die Telefonseelsorge können gute Ansprechpartner sein. Die wissen weiter. Es gibt Hoffnung und Hilfe.

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Anstöße sonn- und feiertags

29JAN2023
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„Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst.“ Laut der Bibel ist es das wichtigste Gebot. Und zugleich ist es so herausfordernd.

Wie soll das gehen, mit Menschen, die ich mir nicht ausgesucht habe? Die manchmal unausstehlich sind? Die mir das Leben schwermachen? Die Dinge von sich geben, die mich einfach nur abschrecken? In letzter Zeit lese ich immer wieder den Tipp: „Halte dich von Leuten fern, die dir nicht guttun.“ Sozusagen die Konmari-Aufräum-Methode, in diesem Fall nicht für Gegenstände, sondern für Menschen. „Wer einem keine Freude macht, wird aus den persönlichen Kontakten aussortiert.“ Es gibt Situationen, da hilft - aus Selbstschutz - nur noch Abstand. Zum Beispiel, wenn Gewalt im Spiel ist. Doch ich will Menschen eigentlich nicht aufgeben. Und bei vielen könnte ich das auch gar nicht. Mit ihnen werde ich weiter zu tun haben, ob ich will oder nicht. Ich bin der Meinung, dass das Liebesgebot mir im Umgang mit ihnen hilft. Denn so weiß ich, ich soll lieben. Und wenn ich das absolut nicht kann? Nun, dann soll mir Gott bitte schön dabei helfen. Es war ja seine Idee.

Und tatsächlich hab ich genau das schon erlebt. Dass mir in dem Moment die Liebe für Leute, die mir eigentlich gegen den Strich gehen, zugeflogen ist. Ich bin überzeugt, Gott hat sie mir in dem Moment geschenkt. Und ob mit oder ohne Liebe macht einen Unterschied. Denn selbst anstrengende Leute reagieren nicht immer gleich. Sie können mehr oder weniger grummelig sein. Mehr oder weniger aggressiv. Sie können mehr oder weniger Machtspiele spielen. Und so habe ich die Chance, dass mein Verhalten von ihnen gespiegelt wird. Lieben heißt nicht, dass ich alles gut finden muss. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ heißt für mich, dass ich versuche, zu verstehen, warum mein Gegenüber so reagiert. Geht es ihm um Wertschätzung? Um was geht‘s ihm? Meine Liebe ihm gegenüber – die dann hoffentlich in dem Moment da ist - macht, dass ich ihn verstehen will.  Und Liebe bringt es mit sich, dass ich jemanden besser akzeptieren kann. Und wenn ich mich verletzt fühle, hoffentlich verzeihe. Liebe ist etwas Positives, sie ist göttliche Lebenskraft. Sie ist so viel besser, als sich von negativen Gefühlen zerfressen zu lassen. Deshalb will ich sie hochhalten. Und wenn meine eigene nicht ausreicht, bitte ich Gott um Hilfe. So könnt’s gehen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

12NOV2022
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Neulich hat mir ein alter Freund eröffnet, dass er sich von seiner Frau getrennt hat. Nach einem Vierteljahrhundert Ehe. Ich war geschockt. „Die beiden sind doch so ein gutes Team“, habe ich bei mir gedacht. Nie kam von ihm ein böses Wort über sie. Und ich denke bei mir: „Ja, ist da denn nichts mehr zu machen?“ Die Frage verkneife ich mir, doch da erzählt er bereits, was sie alles unternommen haben, um ihre Ehe zu retten.

Als Christin schaue ich darauf, was Jesus zu einem Thema gesagt hat. Jesus hat sich längst nicht zu allen Themen geäußert, die heute relevant sind. Doch zum Thema Scheidung gibt es tatsächlich Aussagen von ihm.

Für Jesus ist die Ehe eine gute Gabe Gottes bis zum Tod, und er ist gegen Scheidungen. Für ihn sind sie nur dann ein Ausweg, wenn Eheleute laufend aneinander schuldig werden. Als Beispiel bringt er, dass ein Ehepartner den anderen ständig sexuell betrügt. Jesus ist daran gelegen, dass Ehepaare ihre Beziehung liebevoll gestalten und Verständnis füreinander aufbringen. Zu seiner Zeit waren Scheidungen an der Tagesordnung. Und sie waren oft unfair für die Frauen. Ja, das ist es heute auch noch, würden manche sagen.  Damals hat es manchmal nicht viel gebraucht, dass ein Mann die Scheidung eingereicht hat. So hat zum Beispiel der bekannte Rabbi Hillel, ein Zeitgenosse Jesu entschieden: „Wenn eine Frau das Essen anbrennen lässt, kann das ein Scheidungsgrund sein.“ 

Jesus hat da bewusst einen Gegenpunkt gesetzt. Für ihn hat die Ehe einen hohen Stellenwert, und wer sie leichtfertig aufgibt, macht sich schuldig. Zugleich war Jesus bewusst, dass wir noch nicht in einer perfekten Welt leben und Menschen deshalb auf die eine oder andere Weise Schuld auf sich laden.

Ich möchte dazu beitragen, dass Ehen gelingen. Sei es meine eigene oder die von anderen. Wichtig ist, dass genug Zeit zum Austausch da ist. Wichtig finde ich auch, dass jeder Partner eigene Interessen pflegt. Denn Menschen sind verschieden. Der eine braucht viel Ruhe, - die andere Party. Und zugleich braucht es Gemeinsamkeiten. Es braucht Themen, für die sich beide begeistern und die sie zusammenschweißen.

Ja, und selbst dann gibt es keine Garantie, dass die Ehe hält. Das ist mir bewusst. Deshalb habe ich auf meinem Fensterbrett ein gerahmtes Foto meines Mannes in jungen Jahren, mit dem Bibel-Vers: „Erbarme dich unser, Gott, und lasse uns zusammen alt werden.“ 

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

11NOV2022
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Vor einer Weile habe ich mit einer Gruppe die Deutsch-Israelische Industrie- und Handelskammer in Tel Aviv besucht. Unser Gastgeber hat von den vielen Start-Ups erzählt, für die Israel berühmt ist. Das fand ich beeindruckend. Doch was mir seitdem nicht aus dem Kopf geht, ist noch etwas anderes: Wenn in Israel ein Unternehmensgründer mit seiner Entwicklung scheitert und er hat später eine neue Geschäftsidee und geht damit zur Bank, um einen Kredit zu bekommen, dann bekommt er den in der Regel auch.  Der Bankmitarbeiter wird sinngemäß sagen: „Sie haben schon Erfahrungen und sind nun einen Schritt weiter als beim ersten Mal.“ I

n Deutschland gilt Scheitern oft als Makel, der einem noch lange anhängt. Ich wünsche mir, dass Scheitern nicht länger als schlimm angesehen wird. In der Bibel - gibt es große Persönlichkeiten, deren Geschichte man als Geschichte des Scheiterns oder als Erfolgsgeschichte erzählen kann. Ich denke an Leute wie Petrus. Petrus wollte der größte Unterstützer für Jesus zu sein, und ist gleich dreimal an seinem Anspruch gescheitert, weil er Jesus im Stich gelassen hat. Doch abgeschrieben hat Jesus ihn deshalb nicht. Und nach Ostern hat sich Petrus zu einem furchtlosen Gemeindeleiter entwickelt.

Es muss erlaubt sein, Fehler zu machen. Fehler zu machen ist nie angenehm. Weder für den, der sie macht, noch für die, die darunter zu leiden haben. Doch sie sollen wenigstens nicht umsonst gewesen sein. Ich will es für mich mit dem Spruch halten: „Entweder du hast Erfolg, oder du hast etwas daraus gelernt.“ Deshalb heißt der erste Schritt für mich: Den Fehler eingestehen. Es bringt nichts, wenn ich mich rausrede oder es so hindrehe, dass andere schuld gewesen sein sollen. Und der zweite Schritt heißt für mich: mich bei den Leuten zu entschuldigen, die unter meinem Fehler zu leiden hatten. Der dritte Schritt, der viel Überwindung und Vertrauen kostet, ist, anderen von dem Fehler zu erzählen, damit sie davor bewahrt werden, denselben Fehler zu machen. So war mein Fehler wenigstens für was gut.

Übrigens gibt es seit 2012 eine richtige Bewegung dazu, die in Mexiko entstanden ist. In sogenannten F*ck-up Nights berichten gescheiterte Unternehmerinnen und Unternehmer, wie sie ihr Business an die Wand gefahren haben. Sie erzählen von ihren zerplatzten Lebensträumen und dem verlorenen Eigenkapitel. Ich finde, - wer zu seinen Schwächen stehen kann, ist richtig stark.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

10NOV2022
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Ich war im Urlaub auf den Hebriden, das ist eine Inselkette im Westen Schottlands. Ich habe dort eine wertvolle Entdeckung gemacht. Ich habe gälische Psalmgesänge kennengelernt. Sie klingen fremd in meinen Ohren. Irgendwie archaisch. Ganz anders als alles, was ich bis dahin an Musik gekannt habe. Und seither begleiten sie mich - meist in meinem Büro. Immer, wenn ich wichtige Dinge zu Papier bringen muss und meine Gedanken nicht so recht bei der Sache bleiben wollen, höre ich sie im Hintergrund. Die Töne beruhigen mich und geben mir ein Gefühl von Geborgenheit. I

ch verstehe kein Gälisch, doch ich habe die Bibelverse nachgelesen, die da gesungen werden. Es sind heitere dabei, wie zum Beispiel dieser hier aus Psalm 16: „Mit ihm an meiner Seite falle ich nicht. Darum ist mein Herz so fröhlich und meine Seele jubelt vor Freude. Auch für meinen Leib ist gesorgt.“ Es gibt aber auch die traurigen und verzweifelten Verse, wie den aus Psalm 22: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Fern ist meine Rettung, ungehört verhallt mein Hilfeschrei.“ Es ist ein Gesang ohne Instrumente. Einer ist der Vorsänger und die Gemeinde singt hinterher, und zwar so, wie es den Leuten gerade in den Sinn kommt. Es gibt keine vorgegebene Melodie. Jeder singt einfach drauf los, doch schnell einigt man sich. Manchmal sind die Stimmen etwas auseinandergezogen, bis man wieder beisammen ist. Doch das stört nicht.

Früher waren die Gesänge verboten, denn die Schotten sollten Englisch sprechen und singen, die Sprache der Eroberer. Mutige Pfarrer haben sich aber im Jahr 1659 über das Verbot hinweggesetzt und die Psalmen ins Gälische übersetzt. Und so konnte etwas ganz Eigenes entstehen, das die Menschen seit Jahrhunderten begleitet. Ich finde es wunderbar, wenn Menschen genau die Musik finden, die ihnen zu Herzen geht. Und es gibt so viele Sprachen und Melodien. Die einen brauchen Lobpreis mit lautem Beat. Andere spüren bei einer Bachkantate, dass Gott ihnen ganz nahe ist. Mir geht es so, dass ich besonders ergriffen bin, wenn ich selber singe. Beim Musikstil bin ich offen, doch am liebsten singe ich zusammen mit anderen und das gerne laut. Wenn nun diese altertümlichen gälischen Psalmgesänge in meinem Büro erklingen, dann fühle ich mich von Gott an die Hand genommen und ich erlebe, dass ich beim Arbeiten nicht allein bin. Ich bin so dankbar für dieses unerwartete Urlaubsmitbringsel.

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09NOV2022
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Heute ist es wieder da, - dieses schwere Datum: der 9. November. Wäre ich in meiner früheren Heimat Tübingen, würde ich am Abend die Gedenkstunde zur Pogromnacht besuchen. Ich würde hören, wie es 1938 zuging, als die Tora-Rolle in den Neckar geworfen wurde und später die Synagoge in Flammen stand. Es erschreckt mich jedes Mal wieder aufs Neue, wie sich in einer so schönen Stadt dieses menschenverachtende Gedankengut breitmachen konnte; Unglücklicherweise ist es nicht bei Gedanken geblieben. Es war ausgerechnet ein Einwohner der malerischen Altstadt, der sich die tödlichen Pläne zur Deportation der Juden ausgedacht hat, denen Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind.

Als Christin stelle ich mir immer wieder neu die Frage: Wie konnte es so weit kommen, dass viele Menschen, die sich als gläubige Christen sahen, bei diesem Unrecht mitgemacht haben? Wie konnte jemand die Bibel lesen und so zerstörerisch handeln? Die Bibel ist voll mit Liebeserklärungen Gottes an das Jüdische Volk. Für Gott ist und bleibt es die Nummer eins. So steht zum Beispiel im Buch des Propheten Sacharja: „Wer euch antastet, der tastet meinen Augapfel an.“  Ich finde es krass, wie Demagogen es geschafft haben diese eindeutigen Botschaften von den Kanzeln aus zu vernebeln.

Leider zeigen mir Entwicklungen der jüngsten Zeit, dass die Gefahr für Jüdinnen und Juden und auch andere Personengruppen nie ganz vorbei ist. Deshalb dürfen wir als Zivilgesellschaft niemals nachlassen, uns für die Rechte derer einzusetzen, die an den Rand gedrängt werden. Der 9. November lehrt mich: Gegen Menschenverachtung vorzugehen bleibt eine Daueraufgabe. Denn wie viel Leid hätte verhindert werden können, wenn sich damals die Nachbarn schützend vor die jüdische Gemeinde und ihr Gotteshaus gestellt hätten. Dieses Versäumnis darf nicht wieder passieren. Deshalb will ich mich schützend vor alle Minderheiten stellen. Und zwar überall. Und egal, ob Personen oder Gruppen direkt oder indirekt angegriffen werden. Sei es in den sozialen Medien, in persönlichen Gesprächen oder bei öffentlichen Podiumsdiskussionen. Ich finde: Wir alle stehen in der Verantwortung. Und die beginnt schon dann, wenn die Lügen noch als verdrehte Halbwahrheiten daherkommen. Sie dürfen nicht unwidersprochen bleiben. Heute ist ein bitterer Tag; und zugleich ist es ein wichtiger Tag, der uns lehrt, niemals nachzulassen.

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