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SWR4 Abendgedanken

17MAI2024
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Wann waren Sie zum letzten Mal so richtig begeistert? Ich glaube, bei mir war das bei einem großen Konzert auf dem Canstatter Wasen in Stuttgart. 90.000 Menschen, eine Band, die Musik, ein warmer Sommerabend. Und die Begeisterung der vielen Menschen um mich herum war einfach ansteckend.

So ansteckend begeistert müssen auch die Freunde von Jesus gewesen sein, wenn sie von ihm erzählt haben. So ansteckend, wie die tollste Stimmung bei einem Fest oder wie schöne Musik, die einen einfach mitreißt. Zumindest steht das so in der Bibel. In der Geschichte über Pfingsten – das feiern wir am Sonntag.

Dabei waren die Freunde von Jesus am Anfang alles andere als begeistert. Sie waren sogar total verängstigt und mussten durch eine regelreichte Achterbahn der Gefühle. Erst wurde Jesus gekreuzigt und ist gestorben. Dann war er plötzlich wieder bei ihnen. Von den Toten auferstanden. Und sie haben sich mit ihm noch ein paar Mal getroffen. Eigentlich hatten sie dann gehofft, dass das so bleibt. Aber dann ist er endgültig zurück zu Gott gegangen – Himmelfahrt. Da waren seine Freunde wieder allein.  Dieses Mal aber scheinbar endgültig.

Da waren sie also nun: traurig, ängstlich und allein. Wie sollten sie den Auftrag von Jesus erfüllen? Wie von Gott erzählen? Die Menschen davon überzeugen, eine Gemeinschaft zu werden und zusammenzuhalten? Wie sollten sie das schaffen – ohne Jesus?  Er war es doch immer, der gepredigt hat. Der Leute geheilt hat und Streitgespräche geführt hat. Und dann kam eben Pfingsten.

Als die Freunde sich so ängstlich in einem Haus getroffen haben, da hat es sie plötzlich gepackt. Wie bei einem Sturm. Der hat sie wachgerüttelt. Es kam ihnen vor, als wären Feuerzungen vom Himmel gefallen und hätten sich auf sie gesetzt, so steht es in der Bibel. Sie wurden erfüllt von Gottes Geist. Die Ratlosigkeit war weg und die Angst. Sie waren ganz wortwörtlich begeistert. So begeistert, dass ihre Begeisterung ansteckend war. Sie sind raus auf die Straße gegangen, haben erzählt und gepredigt und die Menschen um sich herum mitgerissen – wie bei einem Fest oder wie gute Musik. 

Von manchen ihrer Zuhörer wurden sie auch verspottet. Aber das konnte die Freunde jetzt nicht mehr aufhalten.

Und das kenne ich auch. Wenn mich was richtig begeistert, dann traue ich mich plötzlich, anderen davon zu erzählen. Und manchmal springt der Funke über und dann breitet die Begeisterung sich aus.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein begeisterndes, langes Pfingstwochenende.

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SWR4 Abendgedanken

16MAI2024
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„An Kindern sieht man, wie die Zeit vergeht“ – das ist so ein Satz, den meine Großeltern immer gesagt haben. Ich habe das früher nie so richtig verstanden. Mittlerweile merke ich aber selber, wie es ist, wenn die Kinder groß werden. Wir haben bei uns daheim an der Tür zum Wohnzimmer so ein Metermaß, wo man die Größe der Kinder sehen kann und dann einen Strich machen kann. Aber dafür sind sie mittlerweile auch zu groß geworden. Der geht halt nur bis 1,5 m.

Manchmal macht es mich einfach sprachlos, wie schnell sie groß geworden sind.

Ich denke, dass geht allen Eltern so:  Gerade erst sind die Kleinen zur Welt gekommen, da ziehen sie auch schon aus und gehen eigene Wege. Es geht alles so schnell, denn meine Kinder verändern sich ständig, während ich einfach nur älter werde.

„Gott, Lass uns begreifen, welche Zeit wir zum Leben haben – damit wir klug werden und es vernünftig gestalten.“  Das ist ein Satz aus einem alten Gebet in der Bibel. An den muss ich dabei immer wieder denken.

Ich glaube, dass die Zeit vergeht, das ist ganz normal. Dass wir alle älter werden, ist ganz normal. Die Frage ist einfach: Machen wir Menschen uns das auch klar – oder tun wir lieber so, als würden wir ewig weitermachen können? Oder als könnten wir die Zeit festhalten?

„Gott, Lass uns begreifen, welche Zeit wir zum Leben haben – damit wir klug werden und es vernünftig gestalten.“ Was stelle ich mit der Zeit an, die ich habe? Wie gestalte ich mein Leben? Was ist mir wichtig? Ich glaube, dass das mit „klug werden“ an dieser Stelle damit gemeint ist. Es ist eigentlich eine Haltungsfrage. Ich kann die Zeit nicht festhalten. Ich werde nun einmal älter und irgendwann alt. Manchmal möchte ich mich darüber beklagen und denke, wie schön es „früher“ war, als ich noch jung war. Aber dabei kann ich nun mal nicht stehen bleiben. Auch ich bin aus dieser Zeit „herausgewachsen“.

Ich möchte „klug werden“, wie es in dem Gebet heißt und versuchen zu akzeptieren, dass es so ist. Mich darüber freuen, was ich in meinem Leben alles schon Tolles erlebt habe. Dankbar dafür sein, was aus unseren Kindern geworden ist. Und auch, dass es mir jetzt gerade gut geht. Was noch kommen wird und wo ich vielleicht noch hineinwachsen werde, das weiß ich nicht. Aber der Maßstab meines Lebens ist zum Glück nach oben hin offen. Weil Gottes Maßstab keine Grenzen hat. Weil er mich in meinem Leben immer begleitet und mitwächst.

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SWR4 Abendgedanken

15MAI2024
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Manchmal wird mir überdeutlich bewusst, wie nah Freude und Leid sich sein können. Zum Beispiel, wenn ich samstags im Garten bin und da halt das mache, was man samstags halt so im Garten macht. Rasenmähen. Unkraut jäten. Oder auch einfach mit den Kindern Tischtennis spielen. In einem Moment fühle ich mich sicher hinterm Gartenzaun – Und dann kommt der Anruf, dass jemand gestorben ist und ob ich gleich kommen könnte.

Also raus aus den Gartensachen und los. In einem Moment Kleingartenfreude und im nächsten Moment Trauerbegleitung und eine Aussegnung.

Als Pfarrer bin ich sehr nah dran an den Wendepunkten im Leben der Menschen: Ich sehe glückliche Eltern, die ihr Kind taufen lassen. Und sehe sie eine Woche später wieder auf der Beerdigung des Opas. Ich begleite Jugendliche bis zum Fest ihrer Konfirmation und erlebe, wie einer von ihnen ein paar Jahre später schwer verunglückt.  Freude und Leid können wirklich sehr nah beieinanderliegen. Es gibt ein Buch in der Bibel, dass das ziemlich genau auf den Punkt bringt:

„Für alles gibt es eine bestimmte Stunde. Und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Zeit: Eine Zeit für die Geburt und eine Zeit für das Sterben. Eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Ausreißen des Gepflanzten. Eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen. Eine Zeit zum Klagen und eine Zeit zum Tanzen.“

Dieses Buch bringt immer die Gegensätze zueinander. So wie Freude und Leid, die manchmal nah beieinander liegen. Und es macht klar: Gegensätze gehören zum Leben. Auch die, die wir nicht verstehen.

Ist das nun Reichtum? Oder Vielfalt? Oder ist das Leben manchmal vielleicht einfach nur nicht zu begreifen? Ganz sicher ist es anstrengend. Was aber all die Gegensätze verbindet, ist die Zeit selbst. Ich stelle mir das wie den buchstäblichen roten Faden vor, der alles ganz fein miteinander verbindet.

Das tröstet mich, wenn mich mal wieder ein Ereignis aus meiner „Gartenzeit“ reißt. Denn ich weiß, alles andere gehört auch dazu. Und das kann meinen Blick verändern. Ich sehe dann nicht nur den traurigen Moment, sondern auch die Momente, für die ich gerade dankbar bin. Und noch wichtiger: Gott begleitet mich bei alle dem. Und trägt das alles mit. Er hilft bei mir, den vielen Fäden in meinem Leben den Überblick nicht zu verlieren.

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SWR4 Abendgedanken

14MAI2024
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Neulich hätte ich mir meine ganze Vorbereitung für den Gottesdienst komplett sparen können. Warum? Wegen eines kleinen Störenfrieds. Einem, der mir total die Show gestohlen hat.

Angefangen hat der Gottesdienst noch ganz normal. Auf einmal habe ich aber gemerkt, dass etwas Unruhe aufkommt. Ein kleiner Schmetterling hatte sich in die Kirche verirrt. Am Anfang ist er nur um das Fenster herumgeflattert. Später hat er dann die ganze Kirche erkundet. Von rechts nach links von unten und oben. Und zwischendurch hat er dann noch eine kleine Snack-Pause auf den Blumen des Altarschmucks gemacht.

Ab dem Moment habe ich gemerkt, dass er die volle Aufmerksamkeit hat. Von allen. Auch ich habe immer wieder geschaut, was er macht und wo er wohl als nächstes hinflattert.

Anfangs hat mich das fast ein bisschen geärgert. Aber je länger ich ihn beobachtet habe, desto schöner fand ich das. Ursprünglich wollte ich den Menschen von Jesus erzählen, wie er gesagt hat: „Seht euch die Vögel an! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln keine Vorräte in Scheunen. Trotzdem ernährt sie euer Vater im Himmel.  Stattdessen hat der Schmetterling die Predigt übernommen. Er hat sich auf die Altarblumen gesetzt und uns allen bewiesen, dass Gott für ihn sorgt – sogar in dieser Kirche. Gott ist da. Und er kann uns jederzeit ganz unerwartet begegnen. Auch in ganz kleinen Dingen.

In dem Lächeln eines Menschen. In einem Freund, der gerade dann anruft, wenn ich es so dringend brauche. Oder in einer Kollegin, die mir ganz unverhofft etwas Arbeit abnimmt. Wir müssen für diese kleinen Gottesgeschenke nur aufmerksam sein. Wie bei dem Schmetterling, dem alle fasziniert zugeschaut haben.

Ich wollte den Menschen ja etwas von der Nähe Gottes erzählen. Und habe deshalb versucht, den kleinen Schmetterling in den Gottesdienst mit einzubauen. Keine Ahnung, ob mir das geglückt ist. Denn: Auch wenn uns Gott oft ganz unerwartet begegnet, ob wir ihn in dem Moment auch wahrnehmen, liegt immer an einem selber. Deshalb lohnt es sich aufmerksam zu bleiben, finde ich. Mich hat der Schmetterling die ganze Woche begleitet, obwohl wir ihn nach dem Gottesdienst noch gerettet haben. In Gedanken bin ich immer wieder an dieser Begegnung vorbeigekommen.

Ich merke, dass es mir guttut, nach diesen kleinen Begegnungen zu suchen. Das in meinem Alltag zu finden, wo mir Gott begegnet. Mich nicht nur runterziehen zu lassen. Sondern mich an den vielen kleinen Sachen zu freuen, die es – Gott sei Dank – auch gibt.

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SWR4 Abendgedanken

13MAI2024
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Gestern war ich in der Kirche bei einem Konfirmationsgottesdienst eingeladen. Und die jungen Leute, die konfirmiert wurden, haben ihre Konfirmationssprüche vorgestellt. Also die Bibelsprüche, die sie sich selbst ausgesucht hatten. Und die sie ab jetzt wie ein „Lebensmotto“ begleiten sollen. Ein Konfirmand hatte sich einen Vers aus einem alten Gebet in der Bibel ausgesucht: „Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“

Dieser 14-jährige hat dann ganz offen erzählt, warum er sich diesen Vers ausgesucht hatte: dass er sich manchmal ziemlich verloren vorkommt. Bei den ganzen üblen Nachrichten jeden Tag. Dass es in der Schule nicht immer klappt und er Fehler macht. Und dass es ihm manchmal einfach Angst macht, wenn er das alles alleine schaffen müsste. Deshalb habe er sich diesen Spruch ausgesucht. Und ich – ich konnte das absolut nachvollziehen.

Dass wir aber gar nicht so verloren sind – dass Gott seinen Engel befiehlt, auf uns aufzupassen und uns auf Händen zu tragen – das ist ein starkes Bild, finde ich! Eine Vorstellung, die mir auch in meinem Leben Kraft gibt.

„Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“

Ich glaube nicht, dass dieser junge Konfirmand hofft, dass ihm mit diesem Konfi-Spruch nichts Schlimmes mehr passieren kann? In Zukunft. Und auch ich glaube nicht, dass mein Leben ganz geradlinig verlaufen wird. Oder dass ich nie wieder in eine Krise geraten werde oder nie wieder etwas Schlimmes passieren kann. Ich kann trotzdem einen Unfall haben oder einmal ratlos sein. Und das alles wird nicht spurlos an mir vorbei gehen. Und auch für den jungen Konfirmanden werden die üblen Nachrichten jeden Tag nicht einfach verschwinden. Und sie sind weiter beängstigend.

Aber – und das ist der Punkt, warum er sich diesen Bibelvers ausgesucht hat – er weiß, dass er nicht alleine auf seinem Lebensweg ist. Engel stehen in der Bibel immer für die Nähe Gottes. Und auch mir gefällt die Vorstellung, dass ich nicht alleine bin. Ganz im Gegenteil. Ich werde sogar getragen, wenn mir selbst die Kraft fehlt, eine Krise durchzustehen.

Ich bin also nie ganz alleine auf meinem Lebensweg. Das ist dieser junge Mensch von der Konfirmation nicht. Und Sie sind das auch nicht.

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SWR4 Abendgedanken

09FEB2024
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Letzten Sonntag waren wir auf einem Faschings-Umzug. Ich bin eigentlich nicht so der Typ dafür, aber unsere Kinder wollten gerne auf den Umzug – also waren wir auf dem Umzug. Was mich dann doch fasziniert hat, waren die vielen verschiedenen Gruppen. Alle mit ihrem eigenen Narrenruf. Genauso wie im Fernsehen gerade. Überall hört man: Helau – Alleh Hopp! – Hä-Hopp! – Narri-Narro – oder wie auch immer der Narrenruf dann in der Gegend heißt. Was man in diesen Tagen auch mehr hört als sonst: Das sind Dialekte.

Da wird geschwätzt – da wird gebabbelt – da wird geredt und manchmal wird sogar geschnackt.

Sonst sind Dialekte ja eher was, was uns trennt. Manchmal habe ich das Gefühl: wenn ein Schwabe hört, dass sein Gegenüber aus dem Badischen stammt – dann muss der Raum schon recht groß sein. Damit beide Platz haben.

In der Faschingszeit rücken Sachen wieder in den Vordergrund, die Gruppen voneinander unterscheiden oder vielleicht sogar trennen. Aber gleichzeitig feiern ausgerechnet jetzt alle zusammen.  Das ist mir bei dem Umzug auch aufgefallen. Da liegen sich alle in den Armen und singen und feiern gemeinsam. Und ich glaube: das gibt es auch nur während der Fasnet: Menschen, die sonst eigentlich nichts miteinander zu tun haben – vielleicht auch nichts miteinander zu tun haben wollen – feiern plötzlich gemeinsam: auf der Straße oder auf dem Dorfplatz. Friedlich – fröhlich. Welche Sprache man spricht, ist hier völlig egal. Woher jemand kommt, ist egal. Wer man ist, ist egal. Das spielt einfach keine Rolle. Man versteht sich. Punkt.

Eigentlich ein schönes Bild, das es schon in der Bibel gibt. Genau das war es, was Jesus den Menschen gezeigt hat. Was er ihnen vorgelebt hat. Er hat auch mit Leuten gegessen, von denen sich alle anderen ferngehalten haben. Um zu sagen: geht rücksichtsvoll miteinander um. Macht keinen Unterschied, wo jemand herkommt. Oder wer jemand ist.

Die Welt damals war sicher nicht ideal. Und unsere Welt heute ist es auch nicht. Wildfremde Menschen würden niemals einfach so was zusammen trinken gehen, schon gar nicht, wenn der falsche Dialekt gesprochen wird.

Aber – Gott sei Dank: Es gibt immer wieder mal Momente, wo ein bisschen was von dem spürbar wird, was Jesus vorgelebt hat: Alle sitzen zusammen und essen und trinken und für jeden ist Platz.

In diesem Sinne: Helau – Alleh Hopp! – Hä-Hopp! Oder Narri-Narro. Wie auch immer das bei Ihnen heißt. Genießen Sie die restliche Faschingszeit.

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SWR4 Abendgedanken

08FEB2024
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Ich sage nur Kinderfasching. Ich war heute, am Schmotzigen Do’schtig, in der Schule. Und da sind lauter Piraten, Feuerwehrleute, Superhelden, Prinzessinnen und jede Menge Einhörner um mich rumgewuselt. An Unterricht war natürlich kaum zu denken.

Normalerweise bin ich für solche Verkleidungen ja nicht so zu haben. Aber sogar ich hatte heute eine pinkfarbenene Piranha-Mütze auf dem Kopf. Heute verwandle ich mich vom Reli-Lehrer zum Piranha.

Wenn ich so darüber nachdenke – fällt mir auf, dass ich das ja eigentlich jeden Tag mache. Also nicht mit der Piranha-Mütze auf dem Kopf.

Aber: in meinem Alltag verwandle ich mich auch ständig in jemand anderen. Ich verwandle mich vom Ehemann, der morgens aus dem Haus geht zum Lehrer für meine Schüler. Dann bin ich Kollege in der Schule, dann Pfarrer, Organisator, Freund, Sohn und dann wieder Ehemann und Papa. Und selbst als Papa: Als unsere Kinder noch kleiner waren, war ich natürlich auch Feuerwehrmann, Piratenkapitän oder ein furchteinflößendes Krokodil. Heute bin ich für meine Kinder eher Nachhilfelehrer, Chauffeur und vor allem dann wichtig, wenn man mehr Handyzeit braucht.

Ob ich das gerade wirklich will, oder nicht, kann ich mir nicht immer aussuchen. Manchmal lächle ich, auch wenn mir gar nicht danach zu Mute ist.

Und natürlich hole ich meine Kinder von der Schule ab, wenn ich da bin und sie den Bus verpasst haben. Das gehört einfach irgendwie dazu. Das schöne dabei ist – und das muss ich mir selber immer wieder klarmachen: Egal wer ich gerade bin – ich bin doch immer ich.

In einem Lied, das ich auch in der Schule gerne singe, heißt es: „Du bist gewollt, kein Kind des Zufalls. Keine Laune der Natur. Du bist ein Gedanke Gottes – ein genialer noch dazu. Du bist Du“.

Mir gefällt dieses Lied, weil es mich nicht festlegt. Kein anderer füllt alle meine Rollen genau so aus, wie ich. Mit allem, was ich dabei gerne mache. Und mit allem, was ich vielleicht auch zähneknirschend mache.

Und das, was ich sonst nicht bin – das kann ich mir ja dann als Faschingskostüm aussuchen. Da kann ich dann ein Superheld sein – oder cool und lässig wie James Bond.

So kann ich das auch genießen, mal für ein paar Stunden jemand anderes zu sein. Und trotzdem freue ich mich, wenn ich das Kostüm wieder ausziehen kann. Um dann vielleicht neu festzustellen: Ich bin auch einfach gut so, wie ich bin. So wie mich Gott gedacht hat.

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SWR4 Abendgedanken

07FEB2024
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Fasching bei meiner Oma – in meiner Kindheit hieß das: Fasnetsküchle mit Zucker und Zimt. Also Faschingskrapfen oder wie auch immer das bei Ihnen heißt. Dazu eingemachte Kirschen und Zwetschgen. Das alles natürlich selbstgemacht. Für uns Kinder ein absoluter Höhepunkt.

Auch, wenn meine Oma schon seit über 20 Jahren nicht mehr lebt: Wenn ich in dieser Woche nur daran denke, läuft mir das Wasser im Mund zusammen. So lebendig ist diese Erinnerung: an den Geschmack, an die fröhlichen Augen meiner Oma und das lustige Durcheinander beim Mittagessen.

Vielleicht haben Sie ja auch so lebendige Erinnerungen. Die auch Gefühle und Gedanken von früher wieder lebendig machen und sie zurück in die Gegenwart holen. Ins Leben hier und jetzt.

Solche Erinnerungen gibt es auch in meinem christlichen Glauben. Und wenn wir bei uns in der Gemeinde Gottesdienst feiern, dann werden sie wieder lebendig:  

Vor allem, wenn wir Abendmahl feiern. Alle gemeinsam essen wir dabei ein Stück Brot und trinken etwas Wein oder Traubensaft, damit die Erinnerung wieder lebendig wird, wie Jesus das genauso gemacht hat. Er hat kurz vor seinem Tod ein besonderes Abendessen gefeiert und hat seinen Freunden dabei auch Brot und Wein gegeben.  Er hat Gott dafür gedankt und seinen Freunden dann klargemacht, dass er selbst Brot und Wein ist. Dass er selbst sterben muss – zerrissen wie der Brotlaib und dass sein Blut vergossen wird wie der Wein. Dass er aber auch immer bei ihnen sein wird, wenn Sie gemeinsam Brot und Wein teilen.

Gar nicht so leicht zu verstehen. Vermutlich haben seine Freunde sich damals im ersten Moment auch ein bisschen verwundert angeschaut. Aber sie haben gespürt, dass Jesus ihnen Mut machen wollte. Und später haben sie dann schnell verstanden: Auch wenn Jesus nicht persönlich anwesend zu sein scheint. Wenn sie Brot und Wein miteinander teilen, dann ist Jesus trotzdem mit dabei. Bis heute ist er mit dabei, wenn wir im Gottesdienst das Brot und den Wein miteinander teilen. Mitten unter uns. Es ist eine lebendige Erinnerung, die uns ganz erfasst und verändern kann. Egal, was gerade ist: Er ist für uns da. Gerade dann, wenn wir vielleicht am wenigsten damit anfangen. Oder es am meisten brauchen. Wir sitzen dann in der Erinnerung mit Jesus und seinen Freunden an diesem Tisch und feiern mit.

Vielleicht passt der Vergleich vom Anfang mit der Erinnerung an meine Oma nicht so ganz.

Ich mag diese Art von Erinnerungen. Weil sie nicht abgeschlossen sind. Sondern ein lebendiger Teil des Lebens bleiben.

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SWR4 Abendgedanken

06FEB2024
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Ich war neulich im Fitness-Studio – auf dem Laufband. Das muss man ja heutzutage fast schon: Im Fitnessstudio sein Cardiotraining machen. Also laufe ich auf dem Laufband und laufe, komme aber irgendwie nicht so richtig voran. Klar – das ist ja auch der Sinn eines Laufbands. Und trotzdem frage ich mich das jedes Mal: „Was mache ich da eigentlich?“

Als ich da auf dem Laufband unterwegs war, habe ich mir überlegt: In meinem Leben ist es manchmal ganz genauso. Ich bin unterwegs und laufe so durchs Leben und habe trotzdem nicht das Gefühl, dass ich vorwärtskomme. Und falls doch, dann weiß ich manchmal auch nicht, wo es denn eigentlich hingeht – aber komme ich vom Fleck? Wann komme ich denn in meinem Leben an? Und vor allem wo?

„Unser Leben dauert etwa 70 Jahre“ heißt es einmal in der Bibel, „und wenn wir bei Kräften sind, auch 80 Jahre. Das Meiste daran ist nur Arbeit und vergebliche Mühe. Schnell ist es vorüber, im Flug sind wir dahin.“ 

Dieser Satz aus einem alten Gebet bringt es für mich ziemlich genau auf den Punkt. Wie oft habe ich das Gefühl, dass ich mich abmühen muss. Bis ich weiß, was aus mir mal werden soll. Bis ich dann meinen Beruf gefunden und erlernt habe. Bis ich weiß, ob ich eine Familie möchte. Und, wenn ich eine habe, bis dann da alles gut funktioniert.

Wohin geht es weiter? Wird die Partnerschaft weiter gut laufen? Sind die Kinder glücklich und werden sie ihren Weg gehen können? Und plötzlich – so erzählen es mir ältere Menschen oft – ist man alt und fragt sich, wo die Zeit geblieben ist. Es ist wie auf dem Laufband: Die Zeit hält nicht an.

Während man läuft nicht. Und auch nicht, wenn man mal stehenbleibt, um zu verschnaufen. Um sich neu zu orientieren, bevor es weitergeht.

„Schnell ist die Zeit vorüber und im Fluge sind wir dahin.“ So steht es in diesem Gebet. Ich glaube aber nicht, dass mich das entmutigen soll. Weil ich eh nirgends ankommen werde. Ich denke, es geht darum, nicht ständig nach der Richtung zu fragen, in die ich laufe. Es kommt nicht so sehr auf das Ziel an, sondern dass ich auf dem Weg bin. Ich kann meinen Weg in einem gewissen Rahmen gestalten, mal mehr und mal weniger. Aber der Lauf der Zeit hält niemals an.

Und wenn ich am Ende zurückblicke - nach 70 oder 80 Jahren, oder 90 oder 100. Wenn ich zurückschaue, wo die Zeit hingekommen ist, dann sehe ich auch all das wertvolle auf meinem Weg. Der Weg ist also das Ziel, selbst wenn ich mal wieder auf dem Laufband schwitze.

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SWR4 Abendgedanken

05FEB2024
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Wie bin ich eigentlich der Mensch geworden, der ich heute bin? Spannende Frage, oder? Darüber haben wir uns neulich im Gottesdienst unterhalten. Wir sollten uns einfach ein paar Minuten mit den Menschen austauschen, die da so um uns rumsaßen.

Spannend fand ich, dass es ganz viele Begegnungen waren, von denen mir die Leute erzählt haben. Also nicht einfach irgendwas aus der Schulzeit, sondern die Begegnung mit einem bestimmten Lehrer. Oder auch nicht einfach von der Ausbildung, sondern von der einen Kollegin, die einem bei der Arbeit begegnet ist.

Und es stimmt. Wenn ich überlege, was mich so geprägt hat, dann sind das auch vor allem Begegnungen: mit meinen Eltern, Lehrern. Meiner Schwester und meinen Freunden. Manchmal sind es auch ganz zufällige Begegnungen mit fremden Leuten, mit denen ich gar nicht gerechnet habe. Und es gibt im Leben auch Begegnungen, die verändern einen von Grund auf.

Genau so eine Begegnung hatte ein Mann namens Zachäus  – In der Bibel steht eine Geschichte über ihn: Zachäus war ein Gauner – Als Zollbeamter hat er den Leuten immer zu viel Geld abgeknöpft. Zachäus war also nicht gerade beliebt bei den Leuten.

Als Jesus dann die Stadt besucht hat, ist er aber doch neugierig geworden. Weil Zachäus ziemlich klein war, ist er kurzerhand auf einen Baum am Wegrand geklettert. Hier hatte er freie Sicht aus sicherer Entfernung.  Aber Jesus ist direkt auf seinen Baum zugelaufen, hat Zachäus ganz direkt angesprochen und hat sich bei ihm zum Abendessen angemeldet.

Dieses Essen und diese Begegnung haben Zachäus verändert. Er hat alles zurückbezahlt, von dem, was er zu viel verlangt hatte. Er war ein anderer Mensch geworden.

Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass Jesus ihm keine Vorwürfe gemacht hat. Ich glaube viel eher, dass er in ihm den Wunsch nach einem anderen Leben geweckt hat. Zachäus ist Jesus begegnet. Und diese Begegnung hat ihm die Augen geöffnet, wie er sein könnte. Was ihn zu einem glücklicheren Menschen machen kann.

Genau deshalb war Jesus bei uns. Um uns – wie bei Zachäus – zu zeigen, wie wir die beste Version von uns selber sein könnten.

Vielleicht ist es das, was ich aus der Zachäus-Geschichte mitnehmen möchte. In all den Begegnungen, die ich jeden Tag habe. Immer nach dem zu suchen, was auch Jesus in uns sieht. Wie wir sein könnten. Wie wir miteinander umgehen könnten. Für mich Grund genug Begegnungen wertzuschätzen, weil sie mich auch zu dem machen, was ich heute bin.

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