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SWR4 Abendgedanken
Bis Sonntag ist die Welt noch im Olympia-Fieber. Vor allem natürlich Paris. Davor war es die Fußball-Europameisterschaft. Und ab dem 28. August sind es dann die Paralympics. Eigentlich bin ich jetzt nicht so der riesige Sport-Fan. Aber die Bilder beeindrucken mich doch immer wieder. Wie sich so viele Nationen sportlich begegnen können. So viele Emotionen und jubelnde Menschen. Das fasziniert mich: Dass es Sachen auf unserer Welt gibt, die so viele unterschiedliche Menschen zusammenbringen.
Überall ist die Begeisterung groß – bei Olympia oder auch der EM: Plötzlich gibt es etwas, das uns Menschen verbindet. Christen, Muslime und alle, die an irgendwas oder nichts glauben. Eben alle. Etwas, das alle gemeinsam fröhlich, traurig, hoffnungsvoll und glücklich macht, egal, wo jemand herkommt. Da werden die Probleme, die wir sonst haben, plötzlich ein bisschen kleiner. Zumindest gefühlt.
Wenn ich so darüber nachdenke, dann erinnert mich das an ein Bild aus der Bibel. Eine Zukunftsvision, von der schon Jesus geschwärmt hat – von einer Welt, in der alle Menschen friedlich miteinander auskommen. Friedlich miteinander leben. Das passt wirklich gut zu Olympia, denn Jesus hat damals auch große Begeisterung ausgelöst. Bei ihm ist es natürlich nicht um Kugelstoßen oder Gewichtheben gegangen. Aber darum: Wie unterschiedlichste Menschen friedlich miteinander leben können. Wenn sie sich gegenseitig als das akzeptieren, was sie sind: Alles Menschen. Dass dann alle im Leben weiterkommen können. Wenn man sich traut, über seine eigenen Grenzen hinaus mit Menschen zusammen zu sein, die man sonst vielleicht gemieden hätte.
Jesus hat mit vielen Menschen gefeiert, die „angeblich“ anders waren als er oder seine Freunde. Und im Nachhinein hat sich dann herausgestellt: es sind auch Menschen. Menschen, die viele gemeinsame Gedanken und Wünsche haben. Mir ist klar, dass die Begeisterung oft auch schnell wieder weg ist. Sobald die eigene Mannschaft nicht mehr dabei ist. Oder Olympia dann wieder vorbei ist. Und trotzdem zeigt mir das: Es geht. Mir macht das Mut. Und ich wünsche mir, dass das auch außerhalb von einem sportlichen Großereignis gelingen würde. Dass wir mit vielen fremden Menschen zusammenkommen und dann feststellen: So unterschiedlich sind wir doch eigentlich gar nicht. Irgendwie träumen wir doch alle. Vielleicht von einem sicheren Leben und einem sicheren Arbeitsplatz. Oder davon, einfach zufrieden zu sein. Wenn ein bisschen was von diesem Geist auch nach Olympia noch spürbar bleibt, dann könnten wir wirklich sagen: Dabei sein ist einfach alles.
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Ich liebe es im Sommer abends auf der Terrasse zu sitzen und in den Himmel zu schauen und dabei den Tag Revue passieren zu lassen. Wenn es dann langsam dunkel wird und so nach und nach die ersten Lichtpunkte am Himmel erscheinen und der Mond aufgeht. Mal sieht man ihn fast gar nicht, wie jetzt und mal richtig rund und schön.
„Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen, am Himmel hell und klar …“ . Viele Jahre haben wir dieses Lied unseren Kindern jeden Abend vorgesungen. Irgendwann konnten sie auch fast alle Strophen auswendig. Ich mag dieses Lied einfach.
Geschrieben hat es Matthias Claudius, und für ihn ist die Nacht wie ein Zimmer. Ein Raum der wirklichen Ruhe. Alles, was mich den Tag über beschäftigt oder geärgert hat, hat hier keinen Platz. Ich soll es einfach verschlafen und vergessen.
Das ist allerdings nicht immer so einfach, finde ich. Wie oft liege ich manchmal im Bett und finde keine Ruhe, weil mich an dem Tag irgendwas so beschäftigt hat.
In dem Lied geht es weiter: Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön…“ Genau wie jetzt gerade: Der Mond nimmt zu und ist trotzdem eigentlich immer ganz da. Rund und schön. Und so ist es auch mit anderen Sachen heißt es in dem Lied. Und ich finde, dass da echt was dran ist: Wenn ich abends nur meine Sorgen anschaue, dann sehe ich auch nicht alles von meinem Tag. Dass ich es z.B. endlich mal geschafft habe einen Freund anzurufen, was ich eigentlich schon ewig machen wollte. Oder dass es einfach ein wunderschön sonniger Tag war.
Deshalb habe ich mir das jetzt vorgenommen: Wenn ich abends so über meinen Tag nachdenke, dann will ich es probieren, mit den Dingen anzufangen, die mir gelungen sind. Vielleicht auch einfach mit den Sachen, die mich an dem Tag gefreut haben. Und mich so vorarbeiten Schritt für Schritt.
„So legt euch denn ihr Brüder, in Gottes Namen nieder“ So geht das Lied zu Ende. „In Gottes Namen“ – das soll wohl heißen: Von Gott getragen. Daran denken, dass er da ist. Vielleicht beten und im Gebet irgendwie loslassen, was einem Sorgen macht. Vielleicht einfach beides in einem Gebet Gott erzählen. Das, was schön war und das, was mich beschäftigt. Beides gehört zu einem Tag dazu – auch, wenn vielleicht nicht jeden Tag alles zu sehen ist. Eben wie beim Mond.
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Manchmal kann ich im Moment nur mit dem Kopf schütteln. Als wären die vielen Krisen auf der Welt nicht schon genug. Jetzt habe ich in der Nachbarschaft auch noch mitbekommen, wer alles mit einer schweren Krankheit zu kämpfen hat. Dann muss ich den Partner eines Gemeindeglieds beerdigen, der viel zu früh gestorben ist. Was für ein Schicksalsschlag für die Familie, die Freunde. Und dann noch der Blick auf mein Handy. Wenn ich auf Facebook oder Instagramm wieder einmal über die Hasskommentare stolpere: Über Ausländer oder Inländer, Politiker oder Promis, über Eltern, die ihre Kinder nicht richtig erziehen.
Das alles zusammen lässt mich sprachlos zurück – ohne Sprache, ohne Worte. In diesen Momenten bin ich dann froh, dass ich die Worte nicht immer selber finden muss. Denn, wenn ich sprachlos bin, kann ich mir eine Sprache leihen. Wörter leihen, die dann vielleicht trösten können. Oder zumindest zeigen können, dass es weitergeht.
Diese Sprache finde ich dann in den Gebeten und Liedern der Bibel. Zum Beispiel im „Vater unser“. Es ist ein Gebet, in dem ganz viel Vertrauen steckt. Es ist das Gebet eines Kindes zu seinem Vater. Zu einem Vater im allerbesten Sinn. Der für seine Kinder alles tun würde.
Ich finde, dass in diesen Worten eigentlich alles drinsteckt. Das, was mich sprachlos macht und das, was mir trotzdem Hoffnung gibt. „Erlöse uns von dem Bösen“ heißt es da z.B. Das wünsche ich mir wirklich. Dass Kriege, Gewalt und der Terror irgendwann aufhören. Vor allem, dass es nicht immer schlimmer und schlimmer wird. Das wünsche ich allen kranken Menschen. Dass sie nicht leiden müssen und Hoffnung haben.
Da heißt es aber auch: „vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern…“. Da steckt Hoffnung drin und Neuanfang. Die Möglichkeit aufeinander zuzugehen und all die unschönen Dinge auf unserer Welt zu überwinden.
Und in dem Gebet heißt es auch: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe …“.
Das heißt für mich: Ich kann auf Gott vertrauen. Ich bin nicht allein, denn Gott möchte uns heil machen. Er will es gut machen. Und so können wir gemeinsam dazu beitragen, dass sein Wille geschehe.
Ich bin noch nicht bereit aufzugeben. Ich glaube, dass es auch bessere Zeiten geben kann. Gott ist da und er meint es gut mit mir und den Menschen. Das macht mir Mut und leiht mir Worte der Hoffnung, wenn ich selber keine habe.
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Ich liebe den Sommer mit seinen schönen Farben. Bei uns im Garten blühen die Rosen schon ein zweites Mal in gelb und rosa. Die Tomaten leuchten rot. Und das ganze Grün. Auf den Feldern und an den Bäumen. Das glitzernde blaue Wasser … . Letzte Woche hatten wir bei uns in der Gemeinde Kinderferienwoche. Und da haben wir die vielen Kinder gefragt, was sie mit welcher Farbe verbinden.
Da gab es natürlich ganz viele Antworten:
Gelb steht für die Sonne, für den Sand am Strand und für ein leckeres Wassereis. Blau steht für das Meer und für das Wasser im Freibad. Grün steht für Wiese beim Spielplatz oder für leckeren Spinat. Usw.
Wir haben dann einen Versuch gemacht. Und haben mit einer Taschenlampe auf ein Prisma geleuchtet – so ein längliches Dreieck aus Glas. Das Besondere daran ist: Auf der einen Seite geht das weiße Licht rein. Das Licht wird gebrochen und kommt auf der anderen Seite in den Regenbogenfarben wieder raus. Manche der Kinder kannten das schon aus der Schule. Ich habe das auch schon oft gesehen und trotzdem fasziniert mich das immer wieder: Licht ist bunt.
Ob Jesus daran auch gedacht hat, als er gesagt hat: „Ich bin das Licht der Welt“ ? Jesus macht das Leben hell. Und in seinem Licht stecken alle Farben des Lebens mit drin, wie bei einem Regenbogen. D.h. in jeder roten Rose und in jeder gelben Sonnenblume ist ein Teil Gottes mit dabei. Es steckt in jeder blauen Pflaume und in jedem grünen Grashalm mit drin. Und mehr noch. Wenn wir jetzt im Sommer in den Urlaub fahren, dann ist er mit dabei. In den Farben der Autos oder Züge, in dem beige der Schotterwege und natürlich in den vielen Farben, die es in der Eisdiele gibt.
Aber klar – das Leben ist natürlich nicht immer nur bunt. Es gibt auch Schattenseiten. Und das Leben fühlt sich eher trübe an. Da hilft es mir, wenn ich mich zum Beispiel an den schönen Sommer und den Urlaub mit meiner Familie erinnere. Jesus zeigt mir, wie leuchtend hell die Welt sein kann. Deshalb vertraue ich darauf, dass es immer wieder hell wird. Denn Jesus verspricht: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Vielleicht achten Sie auch mal drauf, was Ihnen an einem Tag so an Farben begegnet. Das Leben ist bunt und jeder Farbklecks erinnert uns daran: Gott ist da. Das ist das Licht des Lebens.
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Meine Tochter und ich snapchatten gerade jeden Tag miteinander. Snapchat, das ist so ein Messenger auf dem Handy, bei dem man seinen Freunden hauptsächlich Fotos schicken kann. Das Lustige daran ist: Ich kann die Bilder, die ich meiner Tochter schicke, ganz leicht verändern: und auf einmal bin ich da nicht mehr bloß ihr Papa. Sondern habe pinkfarbene Haare, spitze Ohren und einen Elfenstab in der Hand. Ich könnte mich aber auch jünger machen und hätte plötzlich kein einziges graues Haar mehr.
Für mich ist das ein Spaß. Aber ich weiß, dass das für viele junge Menschen überhaupt kein Spaß ist. Gerade in den sozialen Netzwerken, spielt es eine unglaubliche Rolle, wie jemand aussieht. Ein junger Mensch mit dem Handy in der Hand weiß: Jetzt kommt's drauf an. Ich muss top aussehen, so wie die Topstars. So wie die Influencer im Internet. Sonst bin ich ein Niemand … . Ich mag mir kaum vorstellen, wie sehr einen das unter Druck setzt.
„Vergiss es nie: Niemand denkt und fühlt und handelt so, wie du und niemand lächelt so, wie du´s grad tust […] . So heißt es in einem Lied, das wir in der Gemeinde mit Kindern gerne singen. Wir alle sind einzigartig. Jede und jeder von uns. Das ist die Botschaft dieses Liedes. Und „Du bist gewollt kein Kind des Zufalls, keine Laune der Natur, ganz egal, ob Du dein Lebenslied in Moll singst oder Dur. Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu […]“ So geht es im Refrain weiter. Wir alle sind einzigartige Gedanken Gottes. Und dabei spielt es keine Rolle, ob ich jetzt schon ein paar graue Haare habe, oder nicht. Es spielt keine Rolle, ob ich wahnsinnig erfolgreich in meinem Beruf bin, oder nicht. Auch nicht, ob meine Nase ein bisschen schief ist und mein linker Fuß ein bisschen größer ist als der rechte.
Aber genau das ist es, was viele junge Menschen so unter Druck setzt. Deshalb ist es eigentlich genau das, was ich meinen Kindern gerne mitgeben möchte. Dass ihr Aussehen genau so richtig ist, wie es ist. Mit allem, was dazugehört.
Wir werden älter und gebrechlicher, die Haut ist vielleicht nicht mehr ganz so straff. Für Gott ist das alles nicht wichtig. Wir waren, sind und bleiben ein genialer Gedanke von ihm.
Das kann man den jungen Menschen vermutlich gar nicht oft genug sagen. Lassen Sie sich doch mal Snapchat von ihren Kindern oder Enkeln zeigen. Und freuen Sie sich gemeinsam, was für geniale Gedanken Gottes wir doch sind.
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Wann waren Sie zum letzten Mal so richtig begeistert? Ich glaube, bei mir war das bei einem großen Konzert auf dem Canstatter Wasen in Stuttgart. 90.000 Menschen, eine Band, die Musik, ein warmer Sommerabend. Und die Begeisterung der vielen Menschen um mich herum war einfach ansteckend.
So ansteckend begeistert müssen auch die Freunde von Jesus gewesen sein, wenn sie von ihm erzählt haben. So ansteckend, wie die tollste Stimmung bei einem Fest oder wie schöne Musik, die einen einfach mitreißt. Zumindest steht das so in der Bibel. In der Geschichte über Pfingsten – das feiern wir am Sonntag.
Dabei waren die Freunde von Jesus am Anfang alles andere als begeistert. Sie waren sogar total verängstigt und mussten durch eine regelreichte Achterbahn der Gefühle. Erst wurde Jesus gekreuzigt und ist gestorben. Dann war er plötzlich wieder bei ihnen. Von den Toten auferstanden. Und sie haben sich mit ihm noch ein paar Mal getroffen. Eigentlich hatten sie dann gehofft, dass das so bleibt. Aber dann ist er endgültig zurück zu Gott gegangen – Himmelfahrt. Da waren seine Freunde wieder allein. Dieses Mal aber scheinbar endgültig.
Da waren sie also nun: traurig, ängstlich und allein. Wie sollten sie den Auftrag von Jesus erfüllen? Wie von Gott erzählen? Die Menschen davon überzeugen, eine Gemeinschaft zu werden und zusammenzuhalten? Wie sollten sie das schaffen – ohne Jesus? Er war es doch immer, der gepredigt hat. Der Leute geheilt hat und Streitgespräche geführt hat. Und dann kam eben Pfingsten.
Als die Freunde sich so ängstlich in einem Haus getroffen haben, da hat es sie plötzlich gepackt. Wie bei einem Sturm. Der hat sie wachgerüttelt. Es kam ihnen vor, als wären Feuerzungen vom Himmel gefallen und hätten sich auf sie gesetzt, so steht es in der Bibel. Sie wurden erfüllt von Gottes Geist. Die Ratlosigkeit war weg und die Angst. Sie waren ganz wortwörtlich begeistert. So begeistert, dass ihre Begeisterung ansteckend war. Sie sind raus auf die Straße gegangen, haben erzählt und gepredigt und die Menschen um sich herum mitgerissen – wie bei einem Fest oder wie gute Musik.
Von manchen ihrer Zuhörer wurden sie auch verspottet. Aber das konnte die Freunde jetzt nicht mehr aufhalten.
Und das kenne ich auch. Wenn mich was richtig begeistert, dann traue ich mich plötzlich, anderen davon zu erzählen. Und manchmal springt der Funke über und dann breitet die Begeisterung sich aus.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein begeisterndes, langes Pfingstwochenende.
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„An Kindern sieht man, wie die Zeit vergeht“ – das ist so ein Satz, den meine Großeltern immer gesagt haben. Ich habe das früher nie so richtig verstanden. Mittlerweile merke ich aber selber, wie es ist, wenn die Kinder groß werden. Wir haben bei uns daheim an der Tür zum Wohnzimmer so ein Metermaß, wo man die Größe der Kinder sehen kann und dann einen Strich machen kann. Aber dafür sind sie mittlerweile auch zu groß geworden. Der geht halt nur bis 1,5 m.
Manchmal macht es mich einfach sprachlos, wie schnell sie groß geworden sind.
Ich denke, dass geht allen Eltern so: Gerade erst sind die Kleinen zur Welt gekommen, da ziehen sie auch schon aus und gehen eigene Wege. Es geht alles so schnell, denn meine Kinder verändern sich ständig, während ich einfach nur älter werde.
„Gott, Lass uns begreifen, welche Zeit wir zum Leben haben – damit wir klug werden und es vernünftig gestalten.“ Das ist ein Satz aus einem alten Gebet in der Bibel. An den muss ich dabei immer wieder denken.
Ich glaube, dass die Zeit vergeht, das ist ganz normal. Dass wir alle älter werden, ist ganz normal. Die Frage ist einfach: Machen wir Menschen uns das auch klar – oder tun wir lieber so, als würden wir ewig weitermachen können? Oder als könnten wir die Zeit festhalten?
„Gott, Lass uns begreifen, welche Zeit wir zum Leben haben – damit wir klug werden und es vernünftig gestalten.“ Was stelle ich mit der Zeit an, die ich habe? Wie gestalte ich mein Leben? Was ist mir wichtig? Ich glaube, dass das mit „klug werden“ an dieser Stelle damit gemeint ist. Es ist eigentlich eine Haltungsfrage. Ich kann die Zeit nicht festhalten. Ich werde nun einmal älter und irgendwann alt. Manchmal möchte ich mich darüber beklagen und denke, wie schön es „früher“ war, als ich noch jung war. Aber dabei kann ich nun mal nicht stehen bleiben. Auch ich bin aus dieser Zeit „herausgewachsen“.
Ich möchte „klug werden“, wie es in dem Gebet heißt und versuchen zu akzeptieren, dass es so ist. Mich darüber freuen, was ich in meinem Leben alles schon Tolles erlebt habe. Dankbar dafür sein, was aus unseren Kindern geworden ist. Und auch, dass es mir jetzt gerade gut geht. Was noch kommen wird und wo ich vielleicht noch hineinwachsen werde, das weiß ich nicht. Aber der Maßstab meines Lebens ist zum Glück nach oben hin offen. Weil Gottes Maßstab keine Grenzen hat. Weil er mich in meinem Leben immer begleitet und mitwächst.
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Manchmal wird mir überdeutlich bewusst, wie nah Freude und Leid sich sein können. Zum Beispiel, wenn ich samstags im Garten bin und da halt das mache, was man samstags halt so im Garten macht. Rasenmähen. Unkraut jäten. Oder auch einfach mit den Kindern Tischtennis spielen. In einem Moment fühle ich mich sicher hinterm Gartenzaun – Und dann kommt der Anruf, dass jemand gestorben ist und ob ich gleich kommen könnte.
Also raus aus den Gartensachen und los. In einem Moment Kleingartenfreude und im nächsten Moment Trauerbegleitung und eine Aussegnung.
Als Pfarrer bin ich sehr nah dran an den Wendepunkten im Leben der Menschen: Ich sehe glückliche Eltern, die ihr Kind taufen lassen. Und sehe sie eine Woche später wieder auf der Beerdigung des Opas. Ich begleite Jugendliche bis zum Fest ihrer Konfirmation und erlebe, wie einer von ihnen ein paar Jahre später schwer verunglückt. Freude und Leid können wirklich sehr nah beieinanderliegen. Es gibt ein Buch in der Bibel, dass das ziemlich genau auf den Punkt bringt:
„Für alles gibt es eine bestimmte Stunde. Und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Zeit: Eine Zeit für die Geburt und eine Zeit für das Sterben. Eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Ausreißen des Gepflanzten. Eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen. Eine Zeit zum Klagen und eine Zeit zum Tanzen.“
Dieses Buch bringt immer die Gegensätze zueinander. So wie Freude und Leid, die manchmal nah beieinander liegen. Und es macht klar: Gegensätze gehören zum Leben. Auch die, die wir nicht verstehen.
Ist das nun Reichtum? Oder Vielfalt? Oder ist das Leben manchmal vielleicht einfach nur nicht zu begreifen? Ganz sicher ist es anstrengend. Was aber all die Gegensätze verbindet, ist die Zeit selbst. Ich stelle mir das wie den buchstäblichen roten Faden vor, der alles ganz fein miteinander verbindet.
Das tröstet mich, wenn mich mal wieder ein Ereignis aus meiner „Gartenzeit“ reißt. Denn ich weiß, alles andere gehört auch dazu. Und das kann meinen Blick verändern. Ich sehe dann nicht nur den traurigen Moment, sondern auch die Momente, für die ich gerade dankbar bin. Und noch wichtiger: Gott begleitet mich bei alle dem. Und trägt das alles mit. Er hilft bei mir, den vielen Fäden in meinem Leben den Überblick nicht zu verlieren.
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Neulich hätte ich mir meine ganze Vorbereitung für den Gottesdienst komplett sparen können. Warum? Wegen eines kleinen Störenfrieds. Einem, der mir total die Show gestohlen hat.
Angefangen hat der Gottesdienst noch ganz normal. Auf einmal habe ich aber gemerkt, dass etwas Unruhe aufkommt. Ein kleiner Schmetterling hatte sich in die Kirche verirrt. Am Anfang ist er nur um das Fenster herumgeflattert. Später hat er dann die ganze Kirche erkundet. Von rechts nach links von unten und oben. Und zwischendurch hat er dann noch eine kleine Snack-Pause auf den Blumen des Altarschmucks gemacht.
Ab dem Moment habe ich gemerkt, dass er die volle Aufmerksamkeit hat. Von allen. Auch ich habe immer wieder geschaut, was er macht und wo er wohl als nächstes hinflattert.
Anfangs hat mich das fast ein bisschen geärgert. Aber je länger ich ihn beobachtet habe, desto schöner fand ich das. Ursprünglich wollte ich den Menschen von Jesus erzählen, wie er gesagt hat: „Seht euch die Vögel an! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln keine Vorräte in Scheunen. Trotzdem ernährt sie euer Vater im Himmel. Stattdessen hat der Schmetterling die Predigt übernommen. Er hat sich auf die Altarblumen gesetzt und uns allen bewiesen, dass Gott für ihn sorgt – sogar in dieser Kirche. Gott ist da. Und er kann uns jederzeit ganz unerwartet begegnen. Auch in ganz kleinen Dingen.
In dem Lächeln eines Menschen. In einem Freund, der gerade dann anruft, wenn ich es so dringend brauche. Oder in einer Kollegin, die mir ganz unverhofft etwas Arbeit abnimmt. Wir müssen für diese kleinen Gottesgeschenke nur aufmerksam sein. Wie bei dem Schmetterling, dem alle fasziniert zugeschaut haben.
Ich wollte den Menschen ja etwas von der Nähe Gottes erzählen. Und habe deshalb versucht, den kleinen Schmetterling in den Gottesdienst mit einzubauen. Keine Ahnung, ob mir das geglückt ist. Denn: Auch wenn uns Gott oft ganz unerwartet begegnet, ob wir ihn in dem Moment auch wahrnehmen, liegt immer an einem selber. Deshalb lohnt es sich aufmerksam zu bleiben, finde ich. Mich hat der Schmetterling die ganze Woche begleitet, obwohl wir ihn nach dem Gottesdienst noch gerettet haben. In Gedanken bin ich immer wieder an dieser Begegnung vorbeigekommen.
Ich merke, dass es mir guttut, nach diesen kleinen Begegnungen zu suchen. Das in meinem Alltag zu finden, wo mir Gott begegnet. Mich nicht nur runterziehen zu lassen. Sondern mich an den vielen kleinen Sachen zu freuen, die es – Gott sei Dank – auch gibt.
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Gestern war ich in der Kirche bei einem Konfirmationsgottesdienst eingeladen. Und die jungen Leute, die konfirmiert wurden, haben ihre Konfirmationssprüche vorgestellt. Also die Bibelsprüche, die sie sich selbst ausgesucht hatten. Und die sie ab jetzt wie ein „Lebensmotto“ begleiten sollen. Ein Konfirmand hatte sich einen Vers aus einem alten Gebet in der Bibel ausgesucht: „Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“
Dieser 14-jährige hat dann ganz offen erzählt, warum er sich diesen Vers ausgesucht hatte: dass er sich manchmal ziemlich verloren vorkommt. Bei den ganzen üblen Nachrichten jeden Tag. Dass es in der Schule nicht immer klappt und er Fehler macht. Und dass es ihm manchmal einfach Angst macht, wenn er das alles alleine schaffen müsste. Deshalb habe er sich diesen Spruch ausgesucht. Und ich – ich konnte das absolut nachvollziehen.
Dass wir aber gar nicht so verloren sind – dass Gott seinen Engel befiehlt, auf uns aufzupassen und uns auf Händen zu tragen – das ist ein starkes Bild, finde ich! Eine Vorstellung, die mir auch in meinem Leben Kraft gibt.
„Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“
Ich glaube nicht, dass dieser junge Konfirmand hofft, dass ihm mit diesem Konfi-Spruch nichts Schlimmes mehr passieren kann? In Zukunft. Und auch ich glaube nicht, dass mein Leben ganz geradlinig verlaufen wird. Oder dass ich nie wieder in eine Krise geraten werde oder nie wieder etwas Schlimmes passieren kann. Ich kann trotzdem einen Unfall haben oder einmal ratlos sein. Und das alles wird nicht spurlos an mir vorbei gehen. Und auch für den jungen Konfirmanden werden die üblen Nachrichten jeden Tag nicht einfach verschwinden. Und sie sind weiter beängstigend.
Aber – und das ist der Punkt, warum er sich diesen Bibelvers ausgesucht hat – er weiß, dass er nicht alleine auf seinem Lebensweg ist. Engel stehen in der Bibel immer für die Nähe Gottes. Und auch mir gefällt die Vorstellung, dass ich nicht alleine bin. Ganz im Gegenteil. Ich werde sogar getragen, wenn mir selbst die Kraft fehlt, eine Krise durchzustehen.
Ich bin also nie ganz alleine auf meinem Lebensweg. Das ist dieser junge Mensch von der Konfirmation nicht. Und Sie sind das auch nicht.
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