SWR4 Abendgedanken

15MAI2024
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Manchmal wird mir überdeutlich bewusst, wie nah Freude und Leid sich sein können. Zum Beispiel, wenn ich samstags im Garten bin und da halt das mache, was man samstags halt so im Garten macht. Rasenmähen. Unkraut jäten. Oder auch einfach mit den Kindern Tischtennis spielen. In einem Moment fühle ich mich sicher hinterm Gartenzaun – Und dann kommt der Anruf, dass jemand gestorben ist und ob ich gleich kommen könnte.

Also raus aus den Gartensachen und los. In einem Moment Kleingartenfreude und im nächsten Moment Trauerbegleitung und eine Aussegnung.

Als Pfarrer bin ich sehr nah dran an den Wendepunkten im Leben der Menschen: Ich sehe glückliche Eltern, die ihr Kind taufen lassen. Und sehe sie eine Woche später wieder auf der Beerdigung des Opas. Ich begleite Jugendliche bis zum Fest ihrer Konfirmation und erlebe, wie einer von ihnen ein paar Jahre später schwer verunglückt.  Freude und Leid können wirklich sehr nah beieinanderliegen. Es gibt ein Buch in der Bibel, dass das ziemlich genau auf den Punkt bringt:

„Für alles gibt es eine bestimmte Stunde. Und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Zeit: Eine Zeit für die Geburt und eine Zeit für das Sterben. Eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Ausreißen des Gepflanzten. Eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen. Eine Zeit zum Klagen und eine Zeit zum Tanzen.“

Dieses Buch bringt immer die Gegensätze zueinander. So wie Freude und Leid, die manchmal nah beieinander liegen. Und es macht klar: Gegensätze gehören zum Leben. Auch die, die wir nicht verstehen.

Ist das nun Reichtum? Oder Vielfalt? Oder ist das Leben manchmal vielleicht einfach nur nicht zu begreifen? Ganz sicher ist es anstrengend. Was aber all die Gegensätze verbindet, ist die Zeit selbst. Ich stelle mir das wie den buchstäblichen roten Faden vor, der alles ganz fein miteinander verbindet.

Das tröstet mich, wenn mich mal wieder ein Ereignis aus meiner „Gartenzeit“ reißt. Denn ich weiß, alles andere gehört auch dazu. Und das kann meinen Blick verändern. Ich sehe dann nicht nur den traurigen Moment, sondern auch die Momente, für die ich gerade dankbar bin. Und noch wichtiger: Gott begleitet mich bei alle dem. Und trägt das alles mit. Er hilft bei mir, den vielen Fäden in meinem Leben den Überblick nicht zu verlieren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39884
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