SWR4 Abendgedanken

14MAI2024
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Neulich hätte ich mir meine ganze Vorbereitung für den Gottesdienst komplett sparen können. Warum? Wegen eines kleinen Störenfrieds. Einem, der mir total die Show gestohlen hat.

Angefangen hat der Gottesdienst noch ganz normal. Auf einmal habe ich aber gemerkt, dass etwas Unruhe aufkommt. Ein kleiner Schmetterling hatte sich in die Kirche verirrt. Am Anfang ist er nur um das Fenster herumgeflattert. Später hat er dann die ganze Kirche erkundet. Von rechts nach links von unten und oben. Und zwischendurch hat er dann noch eine kleine Snack-Pause auf den Blumen des Altarschmucks gemacht.

Ab dem Moment habe ich gemerkt, dass er die volle Aufmerksamkeit hat. Von allen. Auch ich habe immer wieder geschaut, was er macht und wo er wohl als nächstes hinflattert.

Anfangs hat mich das fast ein bisschen geärgert. Aber je länger ich ihn beobachtet habe, desto schöner fand ich das. Ursprünglich wollte ich den Menschen von Jesus erzählen, wie er gesagt hat: „Seht euch die Vögel an! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln keine Vorräte in Scheunen. Trotzdem ernährt sie euer Vater im Himmel.  Stattdessen hat der Schmetterling die Predigt übernommen. Er hat sich auf die Altarblumen gesetzt und uns allen bewiesen, dass Gott für ihn sorgt – sogar in dieser Kirche. Gott ist da. Und er kann uns jederzeit ganz unerwartet begegnen. Auch in ganz kleinen Dingen.

In dem Lächeln eines Menschen. In einem Freund, der gerade dann anruft, wenn ich es so dringend brauche. Oder in einer Kollegin, die mir ganz unverhofft etwas Arbeit abnimmt. Wir müssen für diese kleinen Gottesgeschenke nur aufmerksam sein. Wie bei dem Schmetterling, dem alle fasziniert zugeschaut haben.

Ich wollte den Menschen ja etwas von der Nähe Gottes erzählen. Und habe deshalb versucht, den kleinen Schmetterling in den Gottesdienst mit einzubauen. Keine Ahnung, ob mir das geglückt ist. Denn: Auch wenn uns Gott oft ganz unerwartet begegnet, ob wir ihn in dem Moment auch wahrnehmen, liegt immer an einem selber. Deshalb lohnt es sich aufmerksam zu bleiben, finde ich. Mich hat der Schmetterling die ganze Woche begleitet, obwohl wir ihn nach dem Gottesdienst noch gerettet haben. In Gedanken bin ich immer wieder an dieser Begegnung vorbeigekommen.

Ich merke, dass es mir guttut, nach diesen kleinen Begegnungen zu suchen. Das in meinem Alltag zu finden, wo mir Gott begegnet. Mich nicht nur runterziehen zu lassen. Sondern mich an den vielen kleinen Sachen zu freuen, die es – Gott sei Dank – auch gibt.

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