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SWR4 Abendgedanken
Heute ist der 24. Februar. Dieses Datum hat sich für mich und für sehr viele Menschen ins Gedächtnis eingebrannt als der Tag, an dem der Ukrainekrieg begonnen hat. Die schlimmen Erzählungen, Erfahrungen und Bilder vom Krieg kenne ich nur aus dem Fernsehen. Sie machen mich oft mutlos und ängstlich. Nun lerne ich Iryna kennen. Sie stammt aus der Ukraine und wohnt und arbeitet als Haushaltshilfe im Augenblick bei Walter und Regina in Deutschland. Die beiden sind älter und gebrechlich und brauchen Unterstützung im Alltag. Sie erleben nun mit Iryna zusammen Momente des Friedens und der Freundschaft mitten in dieser schweren Zeit.
„Warum hast du so viel Gras?“ Als Iryna sich Walter und Regina vorgestellt hat, ist ihr die große Rasenfläche beim Haus aufgefallen. Sie hat sich darüber gewundert, dass jemand auf einer so großen Fläche einfach nur Gras wachsen lässt. „Was für eine Verschwendung“, mag sie wohl gedacht haben.
Bei Iryna zuhause gibt es keinen Rasen im Garten, sondern ihre Familie pflanzt Obst und Gemüse an.
Als ich Walter und Regina besuche, erzählen die beiden alten Leute glücklich, wie gut es ihnen tut, dass Iryna jetzt bei ihnen ist und sie unterstützt. Seit sie da ist, hat sich vieles in ihrem Leben entspannt.
Sie kochen zusammen. Iryna begleitet sie bei Arztbesuchen oder zum Einkaufen. Das würden Walter und Regina sonst kaum noch alleine schaffen.
Auch Iryna fühlt sich wohl und kann in manchen Momenten ein wenig ausblenden, warum sie nach Deutschland gekommen ist und gerade nicht in ihrer Heimat sein kann.
Wir haben zusammen Kaffee getrunken. Iryna hatte einen Kuchen gebacken. Und wir haben einander erzählt von den alltäglichen Sorgen, die wir so haben. Und haben miteinander darüber gelacht, wie sehr sich Iryna über den Rasen gewundert hat, auf dem doch gar nichts Nützliches wächst. Aber Freundschaft wächst dort. Und Geborgenheit. Mitten in der Zeit des Krieges.
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„Wann darf sich eine Witwe wieder verlieben?“ fragt mich Petra. Sie ist vor einiger Zeit verwitwet. Petras Mann war nach einigen Monaten der Krankheit gestorben. Petra und ihr Mann Arthur waren lange zusammen. Sie haben sich prima verstanden. Ein nettes Paar. Die Zeit seiner Erkrankung haben sie gemeinsam bestanden und sind sich dabei vermutlich sogar noch näher gekommen als vorher. Petra ist nach Arthurs Tod sehr verzweifelt und traurig gewesen. Anfangs hat sie das Haus kaum verlassen können. „Ohne Arthur macht mir nichts Freude.“ Hat sie mir gesagt.
Und dann, eines Tages, hat sie mir diese Frage gestellt. „Wann darf sich eine Witwe wieder verlieben?“ Ist das nur eine theoretische Frage? Habe ich mir überlegt. Oder spürt Petra, dass sich ihre Trauer verändert hat und dass sie wieder bereit wäre für eine neue Beziehung?
Petra fragt: Wann darf das sein?
Als ob es jemand erlauben müsste. Aber wer sollte das sein? Ihre Familie? Die Freunde? Gar die Pfarrerin? Oder irgendein Gesetz der Welt? Ich spreche mit Petra darüber, was sie denkt, was ihr verstorbener Mann auf diese Frage antworten würde. Nach einiger Überlegung sagt Petra: Arthur würde wollen, dass es mir gut geht und dass ich wieder Freude am Leben habe.
Ich sehe das auch so. Denn ich denke auch, dass Petras Liebe zu Arthur nicht weniger wird, oder gar im Rückblick weniger tief ist, wenn sie nun wieder eine Beziehung eingeht. Aber ich stelle mir auch vor, dass ihre Familie damit nicht so einfach klarkommen wird und dass jemand womöglich fürchtet, Arthur wäre schon vergessen.
Aus meiner Berufserfahrung als Pfarrerin weiß ich, dass Menschen sehr unterschiedlich trauern. Und dass nicht jeder Mensch als Witwer im Herzen Raum hat für eine neue Verbindung. Aber ich weiß auch, dass die Bibel von Gott als „die Liebe“ spricht. Und dass also jeder Mensch, der Liebe empfindet, auch lieben darf. Wann immer ihm oder ihr das Gottesgeschenk der Liebe begegnet.
Ich werde Petra ermutigen, sich dem Leben zuzuwenden. Dem Leben in allen Facetten. Auch der Liebe, wenn sie ihr neu begegnet.
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Wenn ich 40 Tage Zeit hätte, mein Leben zu ordnen, womit würde ich beginnen? Heute ist Aschermittwoch, der Beginn der Passionszeit. In 40 Tagen ist Ostern. In der christlichen Tradition erinnern wir uns daran, dass Jesus 40 Tage in der Wüste verbracht hat, bevor er begonnen hat, als Wanderprediger unterwegs zu sein und Menschen zu helfen. 40 Tage Zeit für den Übergang, um sich vorzubereiten. Jedes Jahr wieder.
Für mich ganz persönlich nutze ich diese Zeit in diesem Jahr um mich auf den Ruhestand vorzubereiten. Andere nutzen die Zeit vor Ostern gerne, um zu fasten. Nicht nur beim Essen, sondern auch bei anderen Dingen; vielleicht Dinge, die sich zu sehr breit gemacht haben in ihrem Leben. Verzagtheit hat sich ziemlich breit gemacht in den letzten Jahren seit der Coronapandemie und durch andere schwerwiegende Krisen auch. So nennt sich eine Aktion in der evangelischen Kirche in diesem Jahr „Sieben Wochen ohne Verzagtheit“. Mit einer großen Zahl von Angeboten vom Kalender bis zum Austausch mit anderen gibt es Gelegenheit, sich auf das zu besinnen, was mich trägt, was tröstet und ermutigt und Kraft gibt. Gerade jetzt in einer Zeit, in der man schnell verzagt sein kann.
Ich habe damit begonnen, mich von Sachen zu trennen, die ich nicht mehr brauche. Das ist gar nicht so einfach. Und hat mich schon gleich zu Beginn erst mal ziemlich mutlos gemacht. Mich von Büchern zu trennen, die ich im Studium gebraucht habe und viele Jahre gehütet habe wie einen Schatz. Auch wenn ich tatsächlich lange nicht mehr hineingeschaut habe, fällt das Loslassen mir schwer. Und da ist zugleich eine Entdeckung: Das Buch hat mich lange begleitet. Jetzt brauche ich es nicht mehr. Ich mache die Erfahrung, dass es sich gut anfühlt, wenn ich Sachen loslasse. Meine eigene persönliche Fastenzeit in diesem Jahr heißt deshalb: Ganz unverzagt darauf vertrauen, dass ich Dinge loslassen kann.
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„Heile, heile Gänsje,“ das ist eines der berühmtesten Fastnachtslieder bei uns in Rheinhessen. Auch heute wird es wieder vielerorts gesungen werden, wenn die Karnevalsvereine zu heiteren Sitzungen einladen, bei denen launische Vorträge zu hören sind. Es wird gelacht, geschunkelt, getanzt; das Leben in all seinen Facetten wird aufs Korn genommen. Und mittendrin: ein Kinderlied.
Heile heile Gänsje.
`s werd bald widder gut.
`s Kätzje hod e Schwänzje.
`s weerd bald widder gut.
Heile, heile, Mausespeck. In 100 Johr is alles weg.
Ich kenne das Lied schon, seit ich ein Kind war. Und genauso wie es in dem Lied in der zweiten Strophe auch heißt, hat es meine Mutter gesungen, wenn sie mich in einem kleinen Schmerz hat trösten wollen. Wenn man die Geschichte dieses Liedes nachliest, entdeckt man, dass es vor allem berühmt geworden ist, seit es 1952 Ernst Neger bei einer Fastnachtsveranstaltung gesungen hat.
Damals hat das ursprüngliche Kinderlied eine Strophe dazubekommen, bei der es um das im Krieg zerstörte Mainz gegangen ist. Die Menschen haben sich mit dem Lied den Trost zusprechen lassen, dass auch die Erfahrung des Krieges eines Tages weit weg sein wird.
Heile, heile, Mausespeck. In 100 Johr is alles weg.
Ich frage mich: Ist das wirklich ein Trost oder doch nur eine Vertröstung auf eine bessere Zeit in weiter Ferne: „In 100 Jahren“.
Und trotzdem wirken diese Worte ja tröstlich auf mich; denn das Geheimnis dieses Liedes ist wohl auch, dass die Melodie wie ein Wiegenlied klingt.
Und Wiegenlieder, die können ja tatsächlich trösten. Sie wirken durch ihre Melodie, und sie wirken sofort, im selben Moment, in dem sie erklingen. Nicht erst in ferner Zukunft.
Wiegenlieder berühren die Seele; das Kindliche in uns kommt auf seine Kosten.
Ich darf mich hin und her wiegen lassen wie das kleine Kind im Arm der Mutter.
Davon singt auch ein Lied in der Bibel. In einem alten Psalm (Ps 131) singt ein Sänger davon, dass er bei Gott geborgen ist wie ein Kind im Arm seiner Mutter.
Mit gefällt es, zu erleben, wie sich mitten im bunten Fastnachtstrubel Menschen trösten lassen wie schon seit alter Zeit. Und wenn irgendwo das „Heile heile Gänsje“ erklingt, singe ich gerne mit.
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Einmal im Jahr ungezwungen sein und ohne Sorgen oder jemand anderes sein als man sonst ist. In vielen Teilen des SWR Sendegebietes feiern die Menschen heute den Rosenmontag. Wie bei uns in der Nähe von Mainz trifft man an diesem Tag auf der Straße Menschen, die sich verkleidet haben. Ich schmunzele darüber, dass sich Mädchen als Maus oder Zauberin verkleiden und kleine Buben als Krokodil oder Ritter; und manch erwachsener „Bub“ verwirklicht heute seinen Traum, als Kapitän, Superman oder Pirat unterwegs zu sein.
Es ist ein Spiel, und heute am Rosenmontag wissen auch alle, dass es ein Spiel ist. Ich überlege mir, als was ich mich verkleiden würde, wenn ich zu einem Maskenball gehen würde. Würde ich lieber in eine Rolle schlüpfen, die etwas kann, was ich nicht kann? Perfekt mit dem Computer umgehen wie Lieutenant Uhura vom Raumschiff Enterprise aus der Fernsehserie Star Trek, zum Beispiel, oder ein großes Reich regieren wie Katharina die Große in Perücke und Reifrock? Ehrlich gesagt, ist mir schon das Verkleiden selbst zu aufwändig. Aber die ungezwungene Fröhlichkeit der meisten Fastnachter, die finde ich ansteckend, und die tut auch mir gut.
Vielleicht ist das Verkleiden für die Fastnachter ja deshalb so reizvoll, weil es so anders ist als der Alltag. Eine Erholungspause vom Ernsthaft-sein-Müssen.
Weil manche das Ungezwungensein übertreiben, wird die Fastnacht bei einigen Menschen mit großer Skepsis gesehen. Ich finde es schade, dass die Fastnachtszeit und alles fröhliche Tun dadurch einen schlechten Ruf bekommen. Denn es tut gut, manchmal ein bisschen Urlaub zu nehmen von Pflichten und Sorgen.
Wenn Jesus vom Himmelreich erzählt hat, wie es dort einmal sein wird, dann hat er von einem Leben in Sorglosigkeit erzählt. Diese Vorstellung hilft mir schon jetzt und lässt mich auch schwierige Zeiten besser überstehen; ich kann daran arbeiten, dass manches leichter wird.
Einmal im Jahr ausprobieren wie es ist, wenn das Leben fröhlich ist und ohne Sorgen, – so wie das Himmelreich. Ich glaube, das ist eine gute Möglichkeit, in diesen ernsten Zeiten dann wieder im Ernst des Lebens ohne Verkleidung zu bestehen.
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„Kamel sein ist so anstrengend. Das wusste ich gar nicht!“ stöhnt Henriette im Kindergottesdienst. Henriette übt mit den anderen Kindern gerade ein neues Lied. Und sie stöhnt, obwohl sie in der zweiten Stimme im stets gleichbleibenden Rhythmus nur „Abraham Abraham“ singen muss – und das sogar auf immer demselben Ton. „Ihr Kinder in der zweiten Stimme, ihr seid wie die Kamele, auf denen Abraham durch die Wüste reitet.“ Habe ich den Kindern zuvor erklärt. Man kann hören, wie die ganz gleichmäßig durch die Wüste trotten, wenn wir immerzu singen: Abraham Abraham.
Immer den selben Ton halten, mehrere Strophen lang, das klingt einfach. Henriette findet zu Recht, dass es auch anstrengend ist.
In der Musik spricht man von einem Ostinato, eine sich stetig wiederholende musikalische Figur, sei es eine Melodie oder ein bestimmter Rhythmus.
In dem Lied, das wir im Kindergottesdienst singen, geht es um den Abraham aus der Bibel, der eines Tages von Gott den Auftrag bekommen hat, aufzubrechen in ein neues Land. Sein ganzes bisheriges Leben wird sich also verändern.
Ich finde, wenn sich äußerlich alles ändert, wenn man seine Heimat verlassen muss oder seinen Beruf aufgeben muss, sollte aber auch etwas immer gleich bleiben. Überhaupt: bei allen Veränderungen im Leben ist es gut, wenn es gleichzeitig ein solches Ostinato gibt. Etwas, das gleichbleibt, trotz aller Umbrüche. Eine Freundschaft kann ein solches Ostinato sein, oder ein Hobby, das weitergeht, auch wenn sich sonst alles verändert. Für Henriette aus dem Kindergottessdienst ist aber auch deutlich geworden: So ein Ostinato zu halten, das macht man nicht eben so mit links. Das kostet Konzentration und Kraft. Und man muss dagegenhalten, wenn die anderen etwas singen, das sich dauernd ändert.
Ich bereite mich gerade auf meinen Ruhestand im nächsten Jahr vor und überlege mir deswegen, was mein Ostinato sein wird, wenn sonst so vieles in meinem Leben anders wird. Bestimmt wird die Musik in meinem Leben so ein fester Bestandteil bleiben und eine ganze Reihe von Freundinnen, die das mit mir aushalten müssen, dass sie meine Konstante sind, mein Ostinato, oder, wie unsere Kindergottesdienstkinder sagen würden: Die durch die Wüste mit mir trottenden Kamele.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=36565SWR4 Abendgedanken
„Ich kann nicht mehr an Gott glauben. Aber ich kann doch auch sonst nichts,“ hat Elisabeth zu mir gesagt. Sie ist eine alte Freundin und Kollegin und sie hat mir erzählt, wie sie vor einigen Jahren eine triefe Krise erlebt und durchgestanden hat. Und wie sie darin eine Zeitlang sogar ihren Glauben verloren hat.
Mit Gebeten hat sie versucht, eine schwere Erkrankung zu ertragen und zu überstehen. Als dann auch noch zudem ihre eigene Mutter an Krebs erkrankt ist, hat sie in ihrer Verzweiflung versucht, mit Gott zu feilschen: Wenn ich schon krank bin, dann lass wenigstens meine Mutter wieder gesund werden.
Ihre Gebete wurden nicht erhört. Ihre Mutter ist gestorben. Und sie selbst hat viele Monate mit ihrer eigenen Erkrankung Schlimmes durchgemacht. Am Ende musste sie sich eingestehen: Ich kann nicht mehr an Gott glauben. Und auch sonst kann ich nichts mehr.
Meine kranke Freundin hat den Glauben der anderen wahrgenommen wie ein Kleid, das ihr selbst nicht mehr passt. Sie hat die Gebete der anderen mitgesprochen, auch wenn sie sie für sich selbst nicht hätte unterschreiben können.
Meine Freundin ist inzwischen wieder gesund. Sie hat ihre Krankheit überwunden. Und sie hat ihren Glauben wieder. Es ist allerdings ein anderer Glaube als vorher. Sie sagt: Mein Glaube ist kein naiver Kinderglaube mehr. Er ist erwachsen geworden. Es ist ein Glaube, der weiß, dass er neu gefunden werden musste. Ein Glaube, der sich auch speist aus dem, was andere glauben. Stellvertretend auch eine Zeitlang für sie mit. Und es ist ein Glaube, der weiß, dass wir von Gott getragen sind, auch dann, wenn wir selbst alles unerträglich finden.
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Ich mag es, in Adventsstimmung zu sein. Und das heißt für mich: In froher Erwartung. Jetzt in der Adventszeit erzählen sich Christinnen und Christen in den Gottesdiensten und Adventsfeiern manchmal die Geschichte von zwei schwangeren Frauen, die also auch in „froher Erwartung“ sind, wie man sagt. Von Maria , die schwanger ist mit Jesus, und von ihrer Freundin Elisabeth, die schwanger ist mit dem Kind, das man später Johannes der Täufer nennen wird. Beide Schwangerschaften sind für die Frauen außergewöhnlich . Bei Maria ist es das vollkommen Unerwartete. Plötzlich kommt Gott in Gestalt eines Engels zu ihr und erzählt ihr von dem Kind, das sie bekommt, obwohl sie noch nicht verheiratet ist. Und bei Elisabeth ist es fast das Gegenteil. Sie bekommt ein Kind, wie sie es sich lange ersehnt hat und mit dem sie schon fast gar nicht mehr gerechnet hat. Maria besucht Elisabeth. Die Bibel erzählt von diesem Besuch als einem Moment, als zwei Frauen wie Prophetinnen erleben, dass etwas Großartiges auf sie und alle Menschen zukommt.
Neulich hat ein Mitarbeiter von mir gesagt, dass er mit einer Idee schon „eine ganze Weile schwanger geht“. Ich musste schmunzeln. Dieser Ausdruck „mit etwas schwanger gehen“ – das macht mir deutlich, dass er mit der Idee nicht einfach nur so fertig ankommt oder sie irgendwo abgeschrieben hat. Seine Überlegungen reifen langsam, und am Sc hluss soll etwas ganz Eigenes dabei herauskommen. Auf dem Weg dahin wird er sich vielleicht auch manchmal schwertun damit oder vielleicht sogar zweifeln, ob er auf dem richtigen Gedankenweg ist. Aber es ist auch eine gute Vorfreude in seinen Gedanken. Und so ist er in rechter Adventsstimmung, wie ich finde.
In froher Erwartung sein und gute Gedanken wachsen zu lassen. Ich glaube, gerade jetzt brauchen wir viele Menschen, die für die Aufgaben, vor denen wir stehen, mit guten Ideen schwanger gehen und in hoffnungsvoller Adventsstimmung sind.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=36563SWR4 Abendgedanken
Die Adventszeit ist eine Übergangszeit. In vielfacher Hinsicht. Das Wetter steht am Übergang vom Spätherbst zum Winter. Die Firmen bereiten ihre Jahresabschlüsse vor. In den Schulen werden alle die Klassenarbeiten geschrieben, die unbedingt noch vor Weihnachten geschrieben werden müssen. So eine Übergangszeit ist prall gefüllt mit Eindrücken. Und sie sind notwendig, damit man gut rüber kommt – rüber in etwas Neues.
Seit einigen Monaten befinde ich mich im Übergang zum Ruhestand. Der steht im nächsten Jahr bei mir an. Und ich finde, dass die Adventszeit ganz gut zu meiner Stimmung passt. Übergänge, das sind Zeiten, in denen man nicht mehr ganz da ist, wo man die ganze Zeit war und noch nicht dort ist, wo es hingeht. Und dazwischen fühlt es sich manchmal ziemlich durcheinander an.
Die Bibel erzählt eine Geschichte von so einer chaotischen Übergangszeit, als Jesus beginnt, die ersten Jünger zu berufen.
Zunächst war Jesus als Wanderprediger noch alleine unterwegs. Ein paar Fischer erleben, dass es mit diesem Jesus etwas Besonderes auf sich hat. Einmal haben sie eine enttäuschende Erfahrung gemacht. Sie haben eine ganze Nacht lang gearbeitet und nichts gefangen. Dann ist Jesus gekommen und hat den erschöpften Fischern gesagt, sie sollen ihre Netze noch einmal auswerfen. Gegen alle Berufserfahrung der Fischer sind sie ihm gefolgt und haben dabei einen sensationellen Fischzug gemacht.
Einen der Fischer – Simon Petrus – bringt das völlig durcheinander. Er merkt sofort: Mit Jesus hat es etwas Besonderes auf sich. Zu ihm will er gehören. Aber damit wird sich auch sein ganzes Leben verändern.
den Übergang. Er und die anderen haben sich Jesus angeschlossen. Es war sicher nicht leicht, die alte Routine zu verlassen, aber sie haben erkannt, dass gute neue Erfahrungen möglich sind, wenn sie Jesus vertrauen.
Ich glaube, das ist die Chance jedes Übergangs. Auch des Übergangs in den Ruhestand und der Adventszeit als Übergang in ein neues Jahr:
Dass wir im größten Durcheinander sicher sein dürfen: Übergänge gehören dazu, und sie sind der Anfang von dem Moment, an dem etwas Neues beginnt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=36562SWR4 Abendgedanken
„Wenn wir sagen, dass unsere Gebete zum himmlischen Thron aufsteigen, dann bedeutet das, dass sie dort aufgenommen werden wie Kinder, die von einer langen Reise zurückgekehrt sind.“ Das hat der Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel einmal über die Psalmen gesagt. Was für ein schöner Gedanke: Meine Gebete kommen zu Gott, wie Kinder nach einer Reise zu ihren Eltern; ich kann mir das gut vorstellen und ausmalen. Ich habe zwei erwachsene Kinder, die beruflich oft unterwegs sind auf langen Strecken. Und wenn sie dann zurückkommen, dann setzen wir uns zusammen, und ich frage: Hast du Hunger? Wie geht es dir? Magst du erzählen von deiner Reise?
Und so, sagt Elie Wiesel, ist das mit unseren Psalm-Gebeten, wenn sie im Himmel ankommen.
Die Psalmen, das sind Gebete, die Menschen vor langer Zeit formuliert haben. Sie stehen in der Bibel und werden seit mehr als 3000 Jahren schon gebetet. Ich stelle mir vor, dass sie im Himmel gut bekannt und immer willkommen sind. Und gleichzeitig sind sie immer auch ganz neu. Die alten Worte werden zu Worten eines Menschen von heute, wenn er sie nachspricht oder singt.
Zur Adventszeit gehört auch so ein altes Gebet, der Psalm 24 : „Macht die Tore weit und die Tür in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe.“ Wie ein Kind, das von einer langen Reise zurückkehrt, kommt dieses Psalmgebet im Himmel an und trägt mit sich die Lebenserfahrungen unserer Zeit: Dass so viele Tore geschlossen sind in diesen krisenhaften Monaten, so viele Probleme ungeklärt, dass so viele Herren bestimmen wollen. Dagegen singen und beten wir das alte Lied von den Toren, die sich öffnen für Gott, dem Herrn der Schöpfung.
Und ich mag mir vorstellen, wie unser Psalmgebet willkommen ist im Himmel und wie da einer ist, der sagt: Komm her und ruh dich aus und erzähle mir von den Sorgen, die du auf der Erde und in deinem Leben hast.
Dass Gott hört, was ich ihm zu erzählen habe, daran glaube ich ganz fest. Und das macht es mir leichter, diese krisenhafte Zeit zu ertragen.
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