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SWR4 Abendgedanken

05APR2024
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Neulich habe ich einen Anruf bekommen – geschäftlich, wegen irgendeiner Lieferung. Da sagt mein Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung plötzlich ganz überrascht: „Ich kenne Ihre Stimme!“ Und es stellt sich heraus, dass er abends regelmäßig Radio hört. Und meine Stimme ist ihm tatsächlich aus den Abendandachten von SWR 4 vertraut. Schnell kommen wir miteinander ins Gespräch; vielleicht auch deshalb, weil ich durch die Verkündigungssendung im Radio keine ganz Fremde für ihn bin.

Obwohl sehr viele Menschen bei unseren Radioandachten schon lange gerne zuhören, habe ich früher gedacht: Eine Stimme aus dem Radio bleibt doch viel unpersönlicher, als die echten Begegnungen in der Kirchengemeinde. Aber dann kam Corona, und in dieser Zeit haben sogar noch mehr Menschen die christliche Verkündigung in Radio und Fernsehen schätzen gelernt. Begegnungen in der Gemeinde waren damals mit einem Schlag nicht mehr möglich, da waren sie eine gute Alternative. Nicht wenigen hat das Zuhören am Radio das Gefühl gegeben, in einer großen Gemeinschaft verbunden zu sein.

Während Corona gab es deshalb auch mehr Fernsehgottesdienste. Auch aus unserer Ingelheimer Saalkirche. Es war eine enorme Leistung für das Team aus Pfarrerinnen, Pfarrern, Musikerinnen und Musikern, so oft einen Fernsehgottesdienst auf die Beine zu stellen. Für das Publikum war es schön, vertraute Gesichter zu sehen, bekannte Stimmen zu hören und den Raum, den sie nun schon gekannt haben, wieder zu erleben – ein Stückchen Heimat, egal, wie weit weg sie auch gewohnt haben. Ich habe damals manchmal im Telefonteam mitgeholfen, das Anrufe nach dem Gottesdienst entgegennimmt. Dann haben mir die Menschen erzählt, wie gut es ihnen getan hat, mit dem, was sie da gehört und gesehen haben, schon vertraut zu sein.

„Ekhn2030“ nennt sich das Programm, mit dem unsere Landeskirche gerade reagiert auf den Rückgang der Kirchenmitgliederzahlen und auf den Fachkräftemangel, den es auch bei der evangelischen Kirche gibt. Kirchengemeinden werden zusammengefasst, Pfarrerinnen und Pfarrer bilden Teams, die in einer sogenannten Nachbarschaft arbeitsteilig Dienst tun und nicht mehr nur auf eine Gemeinde bezogen arbeiten. Es sind gute Ideen dabei – es gibt aber auch Ängste:  Habe ich dann noch „meine“ Gemeinde, wenn ich nicht mehr jeden Sonntag „meine Pfarrerin“ in „meiner Kirche“ erlebe.

„Der Glaube kommt durch’s Hören“. Das wusste schon der Apostel Paulus. Vermutlich wird es in Zukunft noch wichtiger, die frohe Botschaft von Jesus Christus vor allem zu hören und zu lernen, dass ich dabei beweglich sein kann und weniger ortsgebunden und trotzdem mit Vertrautem tief verbunden.

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SWR4 Abendgedanken

04APR2024
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Eigentlich will ich Worte wie „Wasserschaden“ „Kabelbruch“ oder „Materiallieferschwierigkeiten“ nicht mehr hören. Ich war Pfarrerin einer Gemeinde mit Kirche, Gemeindehaus, Pfarrhaus und noch einigem mehr, um das ich mich an Gebäuden zu kümmern hatte und habe einige Erfahrung mit ärgerlichen Schäden und Komplikationen auf Baustellen. Aber ich habe auch von einer ganz besonders schönen Erfahrung zu erzählen: Ich habe Frau Korn kennengelernt, die sich von Berufs wegen um Versicherungsfälle kümmert. Und das macht sie so großartig, dass mich das schon fast wieder mit dem Schaden, für den Sie zuständig war und mit allem Ärger drumherum versöhnt hat. Frau Korn hatte einfach alles im Griff. Immer. Wann immer auf der Baustelle etwas schiefgelaufen war: Ein Anruf genügte, und Frau Korn hat sich gekümmert. Ganz unaufgeregt, immer freundlich, und sofort. Sätze wie: „Dafür sind wir nicht zuständig.“  Oder: „Wir haben grad keine Kapazitäten frei.“ Habe ich von ihr nie zu hören bekommen. Frau Korn hat alles geregelt, sobald sie es auf den Tisch bekommen hat.

Wie gut, dass ich mit meinen Sorgen rund um den Versicherungsschaden zu ihr gehen konnte. Und wenn mich größere und persönliche Sorgen umtreiben, dann stelle ich mir vor, dass es beim lieben Gott genau so ist, wie bei Frau Korn. In der Bibel heißt es einmal: „Alle eure Sorge werft auf Gott, denn er sorgt für euch.“ (1. Petrus 5,7) wie bei der zuverlässigen und freundlichen Frau Korn – nur, dass ich auf Gott die wirklich großen Sorgen werfen darf. Und damit ist nicht gemeint, dass ich mich um nichts mehr selber kümmern soll. Im Gegenteil: Mir Sorgen machen – ja. Verantwortung übernehmen. Aufmerksam sein. – Unbedingt. Aber mit der Grundhaltung, dass ich mich von den Sorgen nicht beherrschen lasse, weil es einen gibt, der für mich und meine Sorgen zuständig ist.

Wenn ich mit meinen Sorgen zu Gott komme, dann ist das so wie bei Frau Korn und dem Versicherungsschaden: Gott schaut mit mir zusammen hin, wie wir das geregelt kriegen. Bei ihm kann ich stöhnen, seufzen, schimpfen, verzweifelt sein oder am Ende mit meinem Latein. Manchmal löst sich der Sorgenknoten schon ein wenig in demselben Moment, in dem ich auf Gott werfe, was mich bedrückt. Weil ich weiß: Ihr Sorgen, ihr habt bei mir nicht das letzte Wort! Denn für meine Sorgen, da ist Gott zuständig.

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SWR4 Abendgedanken

03APR2024
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Meine Freundin Helga hat Tagebuch geschrieben in der Zeit, in der sie ihre demenzkranke Mutter gepflegt hat. Sie hat gemerkt, dass es ihr hilft, wenn sie Erlebtes festhält. So ein Tagebuch ist geduldig. Es nimmt alles auf ohne Zensur, ohne Vorwürfe, ohne Besserwisserei, ohne die Augen zu verdrehen. Menschliche Zuhörer kriegen das selten hin, zumal bei einem so schwierigen Thema: der Pflege eines Menschen. Und deshalb hat es Helga wohl auch so gutgetan, sich oft abends von der Seele zu schreiben, was sie in der Zeit der anstrengenden Pflege erlebt hat mit ihrer Mutter.

„Am Anfang war es besonders schwer, denn meine Mutter hat selbst oft mitbekommen, dass sie dement wird, und dann war sie sehr traurig und ich gleich mit.“ Hat Helga mir erzählt und dass sie dann angefangen hat, alles aufzuschreiben: Die immer neuen Herausforderungen, vor denen sie gestanden hat – und ihre Mutter genauso.

An manchen Tagen waren es nur ein paar Sätze. An anderen ganze Geschichten, die sie mit ihrer Mutter erlebt hat. Schon nach kurzer Zeit hatte Helga das Gefühl, mit der Pflege überfordert zu sein. Im Rückblick findet sie aber auch Tagebucheinträge, die zeigen, dass sie mit manchem gut zurechtgekommen sind. Helga kann rückblickend lesen, wie sie zusammen ihren Alltag doch gemeistert haben – und wie ihre Mutter mehr und mehr ihre Angst und Traurigkeit verloren hat. Ihren Humor hat sie dafür lange behalten.

„Manchmal war sie neugierig wie ein kleines Kind, das sich die Welt erklären lässt“, sagt Helga. Und muss kichern, als sie erzählt, wie sie beide einmal neben einer älteren Frau im Bus gesessen haben. Helgas Mutter hatte die Frau genau gemustert und dann laut verkündet: „Wenn man einen faltigen Hals bekommt, muss man einen Schal tragen“. Helga war das furchtbar peinlich gewesen – ganz im Gegensatz zu ihrer Mutter, der damals schon längst nichts mehr peinlich war, weil auch Schamgefühl etwas ist, was manche Menschen verlieren, wenn sie dement werden.

Ich habe große Achtung vor Helga, die sich dieser schweren Aufgabe gestellt hat und sie so wunderbar gemeistert hat. Auch dank des Tagebuchs, dem sie all ihre Erschöpfung und Mühe immer wieder hat anvertrauen können und bei dem sie oft am Abend hat abladen können, was schwer war. Heute hilft ihr das Notierte aus der Zeit auch dabei, sich liebevoll an ihre Mutter zu erinnern und an diese intensive gemeinsame Zeit. Und es hilft Helga, sich gut zu verabschieden.

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SWR4 Abendgedanken

02APR2024
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Es war bei einem Trauergespräch. Ich war als Pfarrerin bei einer jungen Frau, um die Beerdigung ihrer Mutter vorzubereiten. Und da hat die Frau zu mir gesagt: „Meine Mama ist gestorben, aber ich weiß, es geht ihr gut. Das hat sie mir selbst gesagt.“ Mit dem Satz hat sie mich damit total verblüfft.

Gerade haben wir Ostern gefeiert, und im Gottesdienst in der Kirche haben wir gerufen: „Christus ist von den Toten auferstanden!“ Und ich denke an die junge Frau, die mir eine ganz persönliche Ostergeschichte erzählt hatte, als sie sich von ihrer Mutter verabschieden musste. Die Verstorbene hat ein hohes Alter erreicht, und ihre Tochter hatte eine innige Beziehung zu ihr. Zuletzt hat die alte Dame in einem Wohnheim gut betreut gewohnt, und ihre Tochter ist immer samstags zu ihr gekommen. Dann haben die beiden Zeit miteinander verbracht, haben miteinander gefrühstückt und zusammen Wintersport im Fernsehen angeschaut. Aber irgendwann hat das Interesse daran bei der Mutter nachgelassen. Und die Tochter hat gewusst, dass sich ihre Mutter zu verabschieden begonnen hatte. Sie war also vorbereitet auf den Anruf aus dem Pflegeheim: „Ihre Mutter ist heute Nacht im Schlaf gestorben.“ So traurig sie das gemacht hat, war die Tochter doch sicher, dass ihre Mutter dazu bereit gewesen war.

Und trotzdem: Die beiden waren so eng miteinander verbunden, dass die Tochter manchmal für einen Moment vergisst, dass ihre Mutter nicht mehr da ist. Immer wieder greift sie noch ganz automatisch zum Telefon – hat die Nummer schon halb gewählt bis sie begreift, dass da am anderen Ende ja niemand mehr ans Telefon gehen wird. „Es ist so, als ob ich es jeden Tag neu lernen muss zu verstehen“, hat mir die Tochter gesagt. Und dann hat sie mir erzählt, dass sie ihrer Mutter im Traum begegnet ist. Und dass die Mutter ihr deutlich gesagt hat, dass es ihr jetzt gut geht.

Ist das nur ein frommer Wunsch? Hat die Tochter nur das geträumt, was sie hören will? Oder spiegelt der Traum tatsächlich das wider, was die Mutter unverbrüchlich geglaubt hat? Und was sie ihrer Tochter mitgeben wollte?

Man kann das so und so sehen. Ich jedenfalls kenne solche Träume auch und weiß, wie tröstlich sie sein können. Was da genau passiert, kann ich nicht erklären. Aber ich erfahre Hoffnung, und die ist echt. Genau wie bei den Hoffnungserfahrungen, wie sie die Bibel in den Ostergeschichten erzählt:

„Meine Mama ist gestorben, aber ich weiß, es geht ihr gut. Das hat sie mir selbst gesagt.“

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SWR4 Abendgedanken

12JAN2024
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Zum Abschied in den Ruhestand aus meinem Dienst als Pfarrerin habe ich ein Buch geschenkt bekommen, das Menschen für mich gestaltet haben. Freunde und Verwandte, Gemeindemitglieder und Kolleginnen, Bauleute und Musikanten, ehemalige Konfirmanden und Brautleute, die ich getraut hatte, Menschen, die ich als Seelsorgerin begleitet habe oder bei denen ich einen Verwandten beerdigt habe, Mitstreiter und Weggefährten.

Menschen haben sich für das Buch noch einmal daran erinnert, was sie mit mir verbindet, und haben diese Erinnerungen für das Buch zum Abschied aufgeschrieben.

Das Buch ist ein ganz großer Schatz für mich. Eine Freundin hat ganz liebevoll den Einband gestaltet, mit meinen Lieblingsfarben. Deswegen ist es auch von außen schon ganz herrlich anzuschauen. Und eine geschickte Buchbinderin hat es nach allen Regeln der Kunst zusammengebaut. Auch wenn es eigentlich eine Überraschung zu meiner Verabschiedung war, habe ich doch ein wenig davon mitbekommen, wie viel Arbeit darin steckt, die Leute zum Mitwirken einzuladen, die gestalteten Seiten einzusammeln, die Vergesslichen zu erinnern, die Nachzügler auch noch mit reinzunehmen und das alles zum Verabschiedungstermin fertig zu haben.

Und jetzt ist es ein Buch der Wertschätzung geworden und der Freundschaft; manche sagen darin Danke, und manche haben geschrieben, wie gerne sie sich an die gemeinsame Zeit erinnern.

In biblischer Zeit haben sich die Menschen vorgestellt, dass Gott über jeden Menschen ein solches Buch führt. Das „Buch des Lebens“ enthält die Namen derer, die zu Gott gehören. Mir gefällt die Vorstellung, dass Gott auch so ein Buch hat wie ich, wo die Namen derer drinstehen, die ihm etwas bedeuten.

Und was darin steht, das ist gut aufgehoben – sogar für die Ewigkeit. Ich kann das, was gewesen ist, loslassen: das Gute genauso wie das Schwierige. Es steht ja aufgeschrieben bei Gott und liegt sicher in seiner gütigen Hand. Und so ähnlich hilft mir mein Buch in der Gegenwart dabei, mich von meinem Dienst als Pfarrerin gut zu lösen. Ich habe meinen Beruf sehr gerne gemacht, und manches davon geht im Ruhestand ja auch noch weiter. Aber ich sehe auch, wie sehr das Buch mir hilft, ein großes Kapitel in meinem Leben nun wirklich gut abzuschließen. Das Erinnerungsbuch ist mir eine große Hilfe, weil so ein großes Stück aus meinem vergangenen Leben mitkommt in eine neue Zeit.

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SWR4 Abendgedanken

11JAN2024
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Habe ich heute schon für irgendetwas Danke gesagt? Auf die Frage hat mich mein neuer „Kalender der kuriosen Feiertage aus aller Welt“ gebracht. Nach dem ist heute der internationale Dankeschön-Tag. Ein merkwürdiger Feiertag, aber er hat mich immerhin auf die Idee gebracht, mir Gedanken zu machen: Kommt das Danken bei mir zu kurz? Vermutlich ist das so. Denn „danke“ sagen, das kann man doch nie genug. Das Wort „danken“ und das Wort „denken“, diese beiden sind miteinander verwandt. Im Wortsinn bedeutet danken ursprünglich: jemanden in seinen Gedanken halten. Es ist wohl so etwas wie ein Anhalten. Eine kleine Pause im Tun. Anhalten und hinschauen: Danke, -  das, was du getan hast, hat mir gutgetan.

Es gibt Tage, an denen ist wenig Platz in meinen Gedanken für eine solche Pause. Aber danke sagen, weil es der Kalender vorgibt, damit tue ich mich schwer. Ist danken nicht etwas, was ganz und gar freiwillig sein muss und frei von jeder Verpflichtung, es zu tun?

Mir fällt ein, wie ich mich einmal darüber geärgert habe, dass sich jemand nicht bei mir bedankt hat, obwohl ich ziemlich viel Mühe mit ihm hatte. Vermutlich hat er gedacht, es wäre ganz selbstverständlich, was ich für ihn getan habe. Wer danke sagt, erkennt an, dass es nicht selbstverständlich ist, was ein anderer für ihn tut. Und dass er es trotzdem aus freien Stücken getan hat. Ich glaube, zur Dankbarkeit auf der einen Seite gehört die Freiheit auf der anderen Seite dazu.

In den Psalmen in der Bibel wird der Dank vor allem gegenüber Gott ausgesprochen: Danket dem Herrn, denn er ist freundlich (Ps 118, 1a) heißt es mehrfach. Und lässt erkennen, wie das Danken weniger für Gott nützlich ist als vielmehr dem guttut, der dankt und sich dadurch darüber klar wird, was es durch Gott an Dankenswertem in seinem Leben gibt.

Und wenn ich darüber nachdenke, was heute dankenswert gewesen ist, dann merke ich, wie immer mehr in meinen Gedanken Raum bekommt von dem, was nur auf den ersten Blick klein und unbedeutend war und das mir in Wahrheit gutgetan hat und wo es gut ist, wenn ich mich dafür bedanke. Danke, lieber Dankeschön-Tag, dass du mich daran erinnerst, wie viel Dankenswertes es in meinem Leben gibt! Nicht nur am 11. Januar.

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SWR4 Abendgedanken

10JAN2024
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„Nächste Woche werde ich operiert“, hat eine Frau an der Kirchentür zu mir gesagt. Und es war ihr anzusehen, dass sie sich fürchtet. Sie ist in den Gottesdienst gekommen, auch um sich Kraft zu holen für diesen Schritt, den sie vor sich hat. Ich hoffe, dass der Bibeltext, über den ich an diesem Tag gepredigt habe, sie angesprochen hat und ihr vielleicht sogar Mut gemacht hat, denn er hatte, wie sie, das Thema „Am Übergang“.

Josua, der Nachfolger von Mose, wollte das Volk Israel ins gelobte Land führen, auf die andere Seite des Flusses Jordan. Genau wie Mose vierzig Jahre zuvor am Roten Meer, stand Josua vor einem großen Fluss.

Er hat gewusst: Jenseits des Wassers beginnt etwas Neues. Ein neues Leben. Dort liegt unsere Zukunft. Aber das Wasser zu überwinden, schien erst einmal unmöglich. Aber Josua ist sich sicher gewesen: Gott eröffnet uns einen Weg. Und er hat deswegen seine Landsleute aufgefordert: Heiligt euch, bereitet euch darauf vor, denn morgen wird der HERR Wunder unter euch tun. (...) Daran sollt ihr merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist. (Jos 3, 5.10)

Sich heiligen, das heißt: dass wir uns ganz in Gottes Hand geben. Uns ihm überlassen.

Das ist oft nicht einfach.

Was Josua und seinem Volk geholfen hat bei diesem Schritt, war ihr Vertrauen, dass Gott mit dabei ist. Sie hatten ja die Bundeslade dabei, ein kostbares Behältnis, das die Steintafeln mit den zehn Geboten enthalten hat. Das für alle sichtbare Symbol, dass Gott mitkommt an den Übergängen des Lebens.

Ich wünsche allen Menschen, die jetzt an Übergängen stehen, dass sie Hoffnungsboten finden, solche wie Josua und die anderen Priester, Menschen, die Gott mit sich tragen und vorausgehen, damit sie nachgehen können und auch frei werden, von dem was sie festgehalten hat.

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SWR4 Abendgedanken

09JAN2024
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„Die da oben“, das sind die, die offenbar immer alles falsch machen. Jedenfalls hat es sich so angehört, als ich in einer Sitzung mit einer Reihe Ehrenamtlicher über die Kirche gesprochen habe. Menschen, die sich in ihrer Freizeit für die Kirche engagieren, sehen dem neuen Jahr ziemlich frustriert entgegen, wenn von den anstehenden Veränderungen in der Kirche die Rede ist. Oft haben die Menschen in den Kirchengemeinden das Gefühl, dass sie nicht genug vorkommen in den Entscheidungen, die getroffen werden bei Kürzungen, wenn Personal eingespart werden soll oder, wenn Einrichtungen geschlossen werden.

Und so war an diesem Abend plötzlich die Rede von „denen da oben“, die über die Köpfe der anderen hinweg Entscheidungen treffen. Manch einer neigt dazu, nicht nur die Entscheidungen schlimm zu finden, sondern auch gleich noch alle die, die diese Entscheidungen treffen und vorgeben.  Als wären die da oben selbst falsch und nicht nur ihre Entscheidungen: „ahnungslose, abgehobene Trottel“. „Die da oben“ eben.

Es stimmt: Die da oben sehen anderes als die da unten. Aber das hat auch Vorteile. Als Mose am Ende seines Lebens angekommen war und keine Ahnung hatte, wie es mit seinem Volk in Zukunft weitergehen würde, hat Gott mit ihm von einem Berg aus in die Zukunft geschaut. Ich denke, dass dieser Perspektivwechsel hilfreich war für Mose und dass ihn der Blick von oben einiges hat sehen lassen, was er von unten nicht entdeckt hätte.

So mag das auch bei den Veränderungen sein, die in der Kirche jetzt anstehen. „Die da oben“ und „die da unten“ sehen Unterschiedliches. Ich wünsche mir, dass sie vor allem einander sehen und aufeinander hören bei dem, was jetzt wichtig ist zu tun.

Und ich nehme mir vor, mich dafür starkzumachen, dass die da oben und die da unten einander nicht aus dem Blick verlieren und Entscheidungen gut beraten werden über die Ebenen hinweg.

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SWR4 Abendgedanken

08JAN2024
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Staub, Staub, überall Staub. Ich bin vor kurzem in eine frisch renovierte Wohnung umgezogen, und in der Luft, in allen Ritzen und einfach überall lag der feine Staub, der beim Schleifen, Klopfen und Tapezieren eben so anfällt. Ich kenne das von früheren Umzügen und Sanierungen: Es dauert eine ganze Weile, bis man nicht mehr jeden Tag aufs Neue eine feine Staubschicht auf allen Möbeln sieht. So starte ich in das neue Jahr also „gefühlt“ immerzu mit dem Staubtuch in der Hand und mit Staubsauger und Besen.

„Alle Jahre wieder kommt das Christuskind. Kehrt mit seinem Segen…“  Vermutlich kennen Sie die Zeile aus dem alten Weihnachtslied. Wenn ich gerade mit dem Besen gegen den Staub antrete, dann summe ich es vor mich hin.  Na ja, es geht in dem Lied nicht darum, dass das Christkind, wie ich, den Staub in den Griff kriegen will, denn tatsächlich heißt die Zeile Ja: „Kehrt mit seinem Segen… – ein in jedes Haus.“ Aber so ganz falsch finde ich diese scherzhafte Umdeutung nicht. Wenn Jesus in jedes Haus einkehrt, dann legt sich sein Segen doch auch auf alles nieder – fast ein bisschen, wie der Staub auf meinen Möbeln.  

In der vergangenen Woche waren in einigen Regionen Deutschlands die Sternsingerkinder wieder unterwegs. Sie sind von Haus zu Haus gezogen und haben Spenden gesammelt für Kinderhilfsprojekte in der ganzen Welt. Zum Sternsingerbrauch gehört es, dass die Kinder einen Segensgruß überbringen für die Häuser, in denen sie um Spenden bitten. So beginnt das neue Jahr an vielen Orten mit dem Segen, der überall einkehren soll. Wie feiner Staub, der sich über alles legt, könnte sich so der Segenswunsch ausbreiten und überall drauflegen, wo Menschen sich Gedanken darüber machen und dafür einsetzen, dass die Lebensbedingungen von Kindern in der ganzen Welt verbessert werden können. Ein bisschen versöhnt mich dieser Gedanke sogar mit dem Staub auf meinen Möbeln, wenn ich mir vorstelle, dass er ein Sinnbild abgibt für das, was im neuen Jahr an vielen Orten nötig ist und unbedingt geschehen sollte: Dass Segen sich auf alles legt und „ein-kehrt…in jedes Haus“.

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SWR4 Abendgedanken

20OKT2023
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Auf dem Flohmarkt habe ich wieder eines von diesen Bildern entdeckt, das einen Schutzengel zeigt. Bis vor 40, 50 Jahren waren diese Bilder sehr beliebt und hingen oft im Schlafzimmer oder in der Stube. Ob sie sich heute noch jemand in seiner Wohnung aufhängen mag? Das kann ich mir kaum vorstellen. Irgendwie sind sie aus der Zeit gefallen und auch ziemlich kitschig. Und trotzdem: So wie auf diesen Bildern stellt man sich einen Schutzengel doch vor:

Auf dem Gemälde sieht man ein zartes Wesen mit duftigem Gewand und Flügeln, das schwebt in einer idyllischen Landschaft. Und diese Engelsfigur hält schützend ihre Hände über zwei Kinder, die gerade eine Brücke überqueren.

Altmodisch oder nicht: Manchmal finde ich es schön und es hilft mir, wenn ich mir ausmale, dass es solche Schutzengel gibt.

Gleich ein ganzes Regiment von solchen Engeln habe ich mir deshalb bestellt. Als Musik im Gottesdienst zu meiner Verabschiedung aus dem Pfarrdienst hat für mich schon lange festgestanden, dass es ein ganz besonderer Chorgesang sein sollte, eine ganz besonders intensive Musik.

Felix Mendelssohn Bartholdy heißt der Komponist. Und der Text, der in diesem wunderschönen Chor-Stück gesungen wird, stammt aus einem Psalm der Bibel: Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen. Dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.

Auch der Übergang in den Ruhestand war ja so etwas wie ein Gang über eine Brücke. Wie wird es sein, wenn ich in meiner neuen Lebensphase ankomme? Werde ich damit gut zurechtkommen? Und mit der Musik von Mendelssohn habe ich mir vor meinem inneren Auge dieses Bild vom Schutzengel hergeholt und mir dabei vorgestellt, dass ich nicht alleine bin, wenn ich diesen Übergang schaffen soll. In Zukunft wird mich diese Musik immer daran erinnern: Gott lässt mich nicht alleine an den Übergängen im Leben. Ob es tatsächlich Wesen mit Engelsflügeln sind, die sich um mich kümmern, ist dabei gar nicht so wichtig.

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