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04JUL2024
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Feiern, Fanfaren, Paraden. Heute gibt’s in den USA das volle Programm. Independence Day, Unabhängigkeitstag. Wie jedes Jahr am 4. Juli seit 1776. An diesem Tag gründeten sich die Vereinigten Staaten von Amerika. Grundlage dafür ist die Verfassung. Sie bündelt vor allem zwei zentrale politische Ideen: Alle Menschen sind gleich und unabhängig erschaffen und alle besitzen unveräußerliche Rechte. Klingt heute vertraut, ist aber im 18. Jahrhundert ein spektakuläres Programm.

Bitter ist daran, dass Unabhängigkeit und Gleichheit für alle dann doch nur auf dem Papier gelten. Frauen werden weiter zurückgesetzt. Indigene bleiben rechtlos. Die Rassentrennung gilt noch bis ins 20. Jahrhundert hinein.

Die Idee von Freiheit und Gleichheit ist viel, viel älter als die US-Verfassung. Sie gehört untrennbar zum jüdischen und christlichen Glauben. So erzählt die Bibel: Die ersten Israeliten leben in der Sklaverei. In Ägypten müssen sie Zwangsarbeit leisten. Da tritt Mose auf. Fordert vom Pharao die Freilassung seines Volkes. Als der sich weigert, ergreifen die Israeliten die Initiative. Sie revoltieren gegen ihre Unterdrücker. Brechen aus. Unterstützt werden sie von Gott. Die Bibel beschreibt so Gott als Garanten der Freiheit. Gott und Freiheit: zwei Seiten einer Medaille.

Die US-amerikanische Verfassung wie der jüdisch-christliche Glaube setzen auf Freiheit und Gleichheit. Doch die Geschichte der USA wie die des Christentums zeigen auch: Freiheit erklären und Menschen zu befreien ist das eine. Aber Freiheit muss immer wieder neu erkämpft werden. Gerade von und für die, die unterdrückt und diskriminiert werden. So müssen bis heute Menschen in Gesellschaft und Kirchen für ihre Freiheit kämpfen. Vor allem Menschen, die nicht ins Schema passen: Wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihres Handicaps, ihrer politischen Überzeugungen. Der Unabhängigkeitstag heute erinnert daran, dass Freiheit nicht nur erklärt, sondern auch gelebt werden muss.

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03JUL2024
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Viele Menschen glauben nicht an Gott, weil sie ihn nicht sehen können. Das geht auch Christen so. Und sogar ein Heiliger hatte Zweifel an Jesus. Er wollte erst sehen und anfassen, bevor er das mit der Auferstehung glauben konnte. Es ist einer der engsten Vertrauten Jesu, der Jünger Thomas. Er glaubt nicht so recht, was die anderen Jünger ihm nach der Kreuzigung berichten: „Thomas, als du gerade weg warst, ist uns Jesus erschienen. Er hat uns Mut gemacht und Frieden gewünscht. Er ist tatsächlich auferstanden. Er war hier bei uns.“ Thomas verlangt Beweise: „Erst wenn ich mit eigenen Augen seine Kreuzigungswunden sehe und sie berühren kann, dann glaube ich das.“

Vielen Menschen geht es heute genauso: Sie glauben nur, was sie auch tatsächlich sehen. Obwohl: Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich auch glaube, ohne zu sehen: Ich glaube zum Beispiel meiner Hausärztin, der Tagesschau, meistens auch dem Kfz-Mechaniker. Die Forschung geht davon aus, dass Sie und ich höchstens 10 Prozent unserer gesamten Erfahrungen selbst gemacht haben, also selbst gesehen, gehört, gespürt. Beim Rest verlassen wir uns auf irgendwelche Quellen, die uns vertrauenswürdig erscheinen: Eltern, Lehrer, Fachleuten, Google oder Wikipedia.

Ich vertraue zum Beispiel auch der alten biologischen Erkenntnis, dass es Luft gibt. Ich atme sie. Sie tut mir gut, wenn sie frisch ist, manchmal ist sie auch dick. Wenn sie dünn wird oder wegbleibt, dann bin ich mir besonders sicher, dass es sie geben muss. Aber sehen kann ich die Luft nicht.

Und Gott? Auch da verlasse ich mich auf alte Erfahrungen. In der Bibel haben Menschen seit Jahrhunderten aufgeschrieben, wie sie Gott in ihrem Leben gespürt haben. Und ich habe inzwischen auch eigene Erfahrungen gemacht. Ich habe mich begleitet gefühlt, aber auch schon verlassen. Das macht mich irgendwie sicher: Gott ist da – auch wenn ich ihn nicht sehe.

Ach ja, die Sache mit Thomas hatte noch ein spektakuläres Ende: Jesus ist tatsächlich eine Woche später nochmal erschienen, er kam sogar durch die verschlossene Tür ins Hauptquartier der Jünger. Er bietet Thomas an, seine Wunden zu berühren, aber Thomas winkt ab. Er hat genug gesehen und sagt nur völlig überzeugt: „Mein Herr und mein Gott!“ Und Jesus antwortet ihm und damit auch mir und Ihnen: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“

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02JUL2024
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Schlafen und tot sein ist ein bisschen ähnlich. Schlafen hat allerdings ein weitaus besseres Image als Sterben. Mit dem Sterben tun sich viele schwer. Aber ich weiß, dass das auch fürs Schlafen gilt. Bei manchen rattert nachts das Gedankenkarussell los, oder sie finden keine angenehme Position, weil etwas schmerzt.

Ich kann Gott sei Dank gut schlafen. Und deshalb hat Schlafen für mich etwas Göttliches. Wenn ich mich nach einem langen Tag ins Bett fallen lasse, mich in Kissen und Decke kuschle, wenn ich merke, wie sich meine Muskeln entspannen, wie ich loslassen kann – geistig und körperlich, dann ist das manchmal für mich wie ein kleiner Blick ins Paradies – so schön.

Es heißt ja, der Tod sei des „Schlafes Bruder“. Liegt ja auch nahe, denn wenn man schläft, ist man auch ein bisschen wie tot. Vielleicht ist es auch andersrum: Wenn man tot ist, ist es ein bisschen wie Schlafengehen. Und dann bekommt der Tod sogar etwas Tröstliches. Endlich kann ich alles sein lassen. Mein Körper, der sein Leben lang viel geleistet hat, darf endlich abschalten. Aber auch so vieles, das mich im Geist beschäftigt und umtreibt, darf zur Ruhe kommen: Grübeleien, Konflikte, Schuldgefühle oder Ärger.

Das Zauberwort heißt „loslassen“. Das fällt mir hier im Leben unheimlich schwer. Meine Kinder, wenn sie selbständig werden, liebe Menschen, wenn sie von mir gehen. Und Krankheiten und Ungerechtigkeiten wäre ich gerne los, sie kleben aber wie lästige Kletten an mir. Im Tod ist Loslassen sozusagen verordnet, es kommt von allein. Ich lasse alles Irdische hinter mir. Schwer macht es, dass ich es nicht selbst in der Hand habe, aber das macht es gleichzeitig auch leichter.

Wenn ich sterbe, dann lege ich Geist und Körper vertrauensvoll in Gottes Hände. Diese stelle ich mir vor wie eine große und bequeme Matratze, die mich aufnimmt. Ich entspanne und freue mich auf Ruhe. Und weil Ruhe auf Dauer wohl ein bisschen langweilig wäre, freue ich mich auch aufs Aufwachen in Gottes Hände. Darauf, dass ich Neues entdecken werde, dass ich tiefer verstehe und Zusammenhänge erkennen kann, dass ich in guter Gesellschaft bin mit Freunden und Verwandten, dass ich auf ganz neue Weise lieben kann und geliebt werde und vielleicht auf noch viel, viel mehr.

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01JUL2024
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Eine Horde wilder Motorradfahrer in einem strengen Trappistenkloster – kann das funktionieren? Die Antwort habe ich bei einer Motorrad-Wallfahrt erfahren. Meistens sind wir um die 30 Biker, die zwei Dinge verbinden: die Leidenschaft fürs Motorradfahren und für Gott. Wir suchen tolle Strecken aus, und wir beten auch gemeinsam, tauschen uns aus, und wir können auch ganz still sein.

Ums Stillsein ging es in unserer ersten Unterkunft. Wir waren in einem Trappistenkloster in Belgien untergebracht - die gelten als besonders streng und bescheiden. Innerhalb des Klosters sollte man nur sprechen, wenn es unbedingt nötig ist. Aber sag das mal einem Biker, der 400 Kilometer einsam unterm Helm in den Knochen hat. Da ist der Drang, während des Essens sich mitzuteilen einfach ganz schön groß.

Mit einigem Tuscheln und unterdrückten Lachern hat es irgendwie funktioniert. Am nächsten Tag haben wir beschlossen, aus der Not eine Tugend zu machen. Wir haben einen sogenannten „Wüstentag“ eingelegt: keine Ablenkungen, nicht sprechen, nicht Motorrad fahren, jeder sollte sich nur mit sich selbst beschäftigen. Das ist gar nicht so leicht, denn es gibt einfach diesen Drang, sich selbst zu beschäftigen, statt sich mit sich selbst zu beschäftigen. Außenreize statt Innensicht. Denn wenn man in sich selbst reinschaut, kommen oft unterdrückte Probleme hoch und auch Fragen, die unangenehm sein können. Aber die meisten von uns sind in einen richtigen Schweige-Flow geraten. Abends haben wir uns von unserem Tag erzählt, und die meisten waren sich einig: so eine intensive Zeit hatten sie schon lange nicht mehr.

Am folgenden Tag ging's dann quer durch die Ardennen bis nach Valkenburg, einem richtig umtriebigen Touristenort in den Niederlanden. Die Hauptstraße voller Menschen, Stände, Cafés und Kneipen. Als Kontrastprogramm waren wir in einem schönen Hotel untergebracht, und abends gab's ein Dreigänge-Menü unter Kronleuchtern. Als ich an meinem Tisch in die Runde geschaut habe, hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Vielen war es zu laut, zu viele Reize, zu hektisch. Regina hat gesagt: „Ich fand's trotz allem gestern im Trappistenkloster irgendwie schöner.“ Und unter allgemeinem Nicken hat Olli hinterher geschoben: „Da sieht man mal wieder: Meistens ist halt weniger mehr.“

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29JUN2024
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Ich sitze an meinem Schreibtisch im Arbeitszimmer. Er ist voll mit Aktenordnern, Mappen, Schreibkram und Dingen, die eigentlich ganz woanders hingehören. Wie zum Beispiel die drei Kaffeetassen und der Teller mit den Obstresten. Auch im Zimmer liegt viel zu viel herum. Im Eck steht noch eine Kiste mit Werkzeug vom Aufbau eines neuen Bücherregals. Und gleich daneben ist ein Karton mit Kabel und Zubehör für PC und Drucker, die ich kürzlich ausgetauscht habe. Kurz gesagt: Ich müsste dringend mal aufräumen! Das Problem ist nur: Ich habe überhaupt keine Lust dazu!

Und dann fällt mir ein, was mir meine Mutter einmal erzählt hat: „Wenn ich als Kind so überhaupt keine Lust zu etwas gehabt habe, dann hat deine Großmutter zu mir immer ganz einfach gesagt: Dann mach’s halt ohne Lust!“

Ist das nicht ein großartiger Ausspruch? Da kommt doch die ganze Lebenserfahrung von Jahrzehnten/eines Menschen zum Ausdruck. Gebündelt und kurz zusammengefasst in einem einzigen Satz, deutlich, klar und ohne Schnörkel: Dann mach’s halt ohne Lust!

Meine Großmutter hat deutlich zum Ausdruck gebracht, wie es manchmal im Leben eben ist. Da gibt es Dinge, die sind einfach zu machen. Ob nun mit oder ohne Lust. Das spielt keine Rolle. Es muss gemacht werden. Das betrifft das Aufräumen und den Haushalt, die Steuererklärung, die Hausaufgaben und ebenso manche Dinge im Beruf. Und auch viel Zwischenmenschliches, bei dem man Verpflichtungen eingegangen ist.

Vielleicht fällt es einem heute auch deswegen manchmal so schwer, weil die Lust und das Lust haben in unserer Gesellschaft eine so große Rolle spielen. In der Werbung z. B. sehe ich unglaublich entspannte Menschen mit dem Laptop in der Hängematte am Strand arbeiten. Und Influencer posten täglich einen lustvollen Lebensstil, der mit einer normalen Lebensrealität oft nicht viel zu tun hat.

Es ist schön, wenn das Leben lustvoll ist. Das würde meine Großmutter, wenn sie noch leben würde, sicher auch bestätigen. Und es ist gut, wenn man heute viel häufiger nach dem Lustprinzip entscheiden kann, weil es viel mehr Möglichkeiten gibt.

Dennoch gilt: Die Grundlage für ein gelingendes Leben ist nicht immer nur die Lust. Sondern die Fähigkeit, im Zweifelsfall auch einmal zu sich selbst sagen zu können: naja, dann mach's halt ohne Lust!

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28JUN2024
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Wenn ich als Kind früher in den Sternenhimmel geschaut habe, war ich voller Staunen. Über so viel Licht in der Dunkelheit, über die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Sterne, über die unfassbare Entfernung dieser Sterne zur Erde und über die ungeheure Weite des Himmels.

Und dann hat sich manchmal ein Fragen in meine Gedanken geschlichen: Wo, bitteschön, soll da denn Gott sein? In dieser Weite? In dieser Unvorstellbarkeit von Weltall, Sternen, Planeten und unserer kleinen Erde, mit uns noch kleineren Menschlein mitten drin? Wo ist da Gott? Zwischen all den Sternen, in der Weite des Alls? Gibt es ihn überhaupt?

Diese Frage ist geblieben. Auch später noch, als großer Junge bzw. erwachsener Mann habe ich mich gefragt, wo Gott ist, wenn ich in den Sternenhimmel geschaut habe. Und ob es ihn überhaupt gibt.

Meistens ist dann etwas Merkwürdiges geschehen: Je länger ich geschaut habe, desto mehr sind die Fragen in den Hintergrund getreten und es hat sich ein Gefühl von Ruhe und Geborgenheit in mir breit gemacht. Als ob mich der Himmel in all seiner Weite und mit all seinen Sternen umfängt und umhüllt.

Und dabei ist das Fragen nach Gott einer Ahnung gewichen: Eben weil dieser Sternenhimmel in seiner Weite und Größe und Schönheit so unfassbar ist, muss es doch einen Gott geben. Das alles kann doch kein Zufall sein. Da muss doch etwas, jemand dahinter sein. Wer sonst könnte so etwas Schönes und Großartiges entstehen lassen?

Ich weiß, die Naturwissenschaft liefert viele schlüssige Erklärungen und Belege zur Entstehung des Planeten Erde. Und auch dafür, wie sich Leben in unserer Welt entwickeln konnte. Ich stelle die Theorien des Urknalls und der Evolution auch gar nicht in Frage. Aber sie helfen mir nicht bei der Beantwortung der Frage nach dem letzten Sinn, der hinter allem steht. Die Antwort auf diese Frage finde ich im Glauben. Deswegen stehen Glaube und Naturwissenschaft auch nicht unbedingt in einem Widerspruch zueinander. Darum haben auch große Naturwissenschaftler wie Carl Friedrich von Weizsäcker an Gott geglaubt.

Und deswegen bleibt trotz aller wissenschaftlichen Erklärungen für mich das Staunen, wenn ich in den Sternenhimmel schaue. Über eine solch unfassbare Weite und Schönheit. Und einen Gott, der das alles hat werden lassen.

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27JUN2024
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„Gestern hat mein Mann beim Abendessen gesagt: War das heute aber mal wieder ein schöner Tag!“.

Ich sitze im Café und warte auf meine Bestellung. Am Tisch neben mir sitzen zwei Frauen. Unwillkürlich werde ich zum Zuhörer ihres Gespräches und höre, wie die andere zurückfragt: „Und das hat er einfach so gesagt?“ „Ja“, antwortet die erste. „Einfach so! So ist er halt! Besonders jetzt, wo er in Rente ist. Morgens geht er oft schon gleich nach dem Kaffee raus in den Garten. Und bleibt am liebsten den ganzen Tag dort. Freut sich an den Blumen, der Natur, genießt es, wenn die Sonne scheint. Und erzählt mir dann am Abend, was für ein schöner Tag das war.“ „Wirklich bewundernswert!“, sagt die andere Frau.

„Wirklich bewundernswert!“, das denke ich auch, als der Kellner kommt und mir meinen Kaffee bringt. Ich nehme den ersten Schluck, während die Damen nebenan zahlen und dann gehen. Ich rühre in meinem Kaffee und denke über das Gehörte nach. Und ich spüre eine Sehnsucht: Ich würde abends auch gerne öfter sagen: Das war heute ein schöner Tag! Was hindert mich eigentlich daran? Es stimmt: Oft fehlt mir der Blick für das Schöne – und vermeintlich auch die Zeit. Ich stehe morgens auf, gehe meiner Arbeit nach, am Schreibtisch oder außer Haus, nehme Termine wahr, führe Gespräche, erledige dies und das, und nehme gar nicht wahr, wie viel Schönes ich immer wieder dabei erlebe und erfahre. Deshalb nehme ich mir für diesen Tag vor, einmal genau hinzuhören und hinzusehen.

Zum Beispiel, als mir eine Mitarbeiterin erzählt, dass ihre Tochter ein Kind zur Welt gebracht hat. Dass die Geburt gut verlaufen ist und Mutter und Kind wohlauf sind und wie dankbar sie dafür ist. Wie schön, sage ich, und freue mich mit ihr.
In der Mittagspause setze ich mich in den Garten bei uns im Landeskirchenrat und auf einmal hoppelt ein kleiner Hase durch die Rosen und leistet mir munter Gesellschaft.
Und abends rufe ich meine alten Eltern an. Sie wohnen nicht in der Nähe, daher können wir uns nicht so oft sehen, aber telefonieren können wir. Und das fast jeden Abend. Und das ist schön.

Ja, manchmal tut es gut, auf das zu schauen, was gut ist. Und schön. Trotz allem Schwierigen und Schweren. Im Leben. Und in dieser Zeit.
So wünsche ich Ihnen von Herzen für den heutigen Tag Erfahrungen und Erlebnisse, die Sie heute Abend hoffentlich sagen lassen können: War das heute aber mal wieder ein schöner Tag!

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26JUN2024
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Willst du etwa, dass man dich tritt? Nein? Also dann lass es bitte! Immer wieder beobachte ich bei mir, dass ich solche Sätze zu meiner Tochter sage. Eine erzieherische Maßnahme, wenn ich will, dass sie irgendetwas nicht macht. Getreu dem Motto: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Ist ja auch kein schlechter Grundsatz…

So ähnlich formuliert es Jesus in der Bergpredigt. Diese Rede ist so etwas wie eine Zusammenfassung der Lehre Jesus. Sie enthält wichtige ethische Prinzipien und noch vieles mehr, zum Beispiel das Vaterunser. Einen prominenten Platz in der Bergpredigt hat die sogenannte Goldene Regel. Die lautet:

Alles, was ihr wollt, das euch die Leute tun, das tut auch ihnen. (Mt 7,12)

Anders als bei dem Erziehungsmotto spricht Jesus nicht davon, etwas zu unterlassen, weil man es selbst nicht möchte. Er möchte vielmehr, dass wir etwas tun. Nämlich das, was wir uns selbst wünschen.
Das ist ein wichtiger Unterschied. Er zwingt mich zum Nachdenken: Was wünsche ich mir eigentlich?

Ich möchte zum Beispiel von anderen respektvoll behandelt werden. Freundlich, wenn ich eine Frage habe. Geduldig, wenn ich etwas nicht verstehe. Ich möchte in Ruhe gelassen werden, wenn ich das signalisiere. Nicht vollgetextet werden, wenn ich das gerade nicht brauchen kann. Ich wünsche mir auch, dass mir anderen verzeihen, wenn ich einen Fehler gemacht habe.

Im Sinne der Goldenen Regel heißt das für mich: die anderen genauso zu behandeln: Freundlich, behutsam, vergebend. Und das nicht in dem Sinne: wie du mir, so ich dir. Jesus knüpft seine Goldene Regel nicht an Bedingungen. Ich soll in Vorleistung gehen; andere so behandeln, wie ich behandelt werden will. Und nicht darauf warten, dass mein Gegenüber damit anfängt.

Mir gefällt dieses Motto Jesu besser, als das, was ich meine Tochter immer predige. Weil es nicht auf Verhinderung ausgelegt ist, sondern aktiv auf ein gutes Miteinander abzielt.    

Deshalb sollte ich wohl auch meine pädagogische Herangehensweise modifizieren. Nicht mehr: Tritt niemand anderen, weil du das nicht willst. Sondern vielmehr: Sei nett zu anderen, weil du dir das doch auch wünschst.

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25JUN2024
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Ich bin neulich in Berlin am House of One vorbeigekommen. Oder besser gesagt: Dort, wo es einmal stehen soll. Denn noch ist es eine Baustelle. Und damit irgendwie auch ein Symbol für das Verhältnis der Religionen untereinander. Denn vielerorts gibt es noch und wieder viel aufzubauen.

Im house of one sollen einmal eine Synagoge, eine Mosche und eine Kirche unter einem Dach vereint sein. Jede Religion bekommt einen eigenen Sakralraum. Aber auch einen Raum der Begegnung soll es geben. Die Idee ist, einen Ort zu schaffen, an dem Menschen lernen, gemeinsam in dem „einen Welthaus“ zu leben. Ein Ort des Friedens und der Verständigung.

Ich hoffe, es wird bald fertiggestellt. Der Krieg im Gaza-Streifen, offen zu Schau gestellter Antisemitismus auf deutschen Straßen… Die Liste von Konflikten, in denen Religion eine Rolle spielt, ließe sich fortsetzen.

Religionen gelten deswegen häufig als Hort der Intoleranz. Sie entfachen und befeuern Konflikte. Dabei bin ich sicher: Religionen können und sollten zu einem toleranten Umgang zwischen verschiedenen Menschen beitragen. Zumindest für das Christentum kann ich das behaupten. Und viele jüdische und muslimisch Stimmen sehen das genauso.    

In der Schöpfungserzählung der Bibel wird der Mensch als freies Wesen mit einer gottgeschenkten Würde beschrieben. Und das gilt nicht exklusiv für mich oder meine Religion, sondern für alle Menschen.

Der Begriff Toleranz stammt aus dem Lateinisch und heißt so viel wie dulden. Wer tolerant ist, erduldet, dass ein anderer anders denkt oder glaubt. Natürlich halten alle gläubigen Menschen ihre eigene Religion für wahr. Mir ist die Bibel heilig, nicht der Koran. Aber als Christ sehe ich den anderen auch immer als Ebenbild Gottes. Als Mensch, der frei ist, an das zu glauben, was er für wahr hält.

Als Menschen mit einer gottgeschenkten Würde. Wenn ich so auf den anderen schaue, dann kann ich es gut tolerieren, dass er etwas anderes glaubt als ich. Meinem Glauben nimmt das nichts weg.

Deswegen denke ich: alle die im Namen ihrer Religion Intoleranz forcieren und predigen instrumentalisieren Religion nur. Ich finde es wichtig, dem etwas entgegenzusetzen. Zum Beispiel in dem man Orte schafft wie das house of one, an denen sich Religionen bewusst begegnen und friedlich zusammenleben.

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24JUN2024
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Heute ist Weihnachten. Also offensichtlich nicht das im Dezember. Sondern Sommerweihnachten. So zumindest hat man den heutigen Johannistag früher genannt. Der hat seinen Namen von Johannes dem Täufer. Angeblich war der genau sechs Monate älter als Jesus. Deswegen wird heute, am 24. Juni, sein Geburtstag gefeiert.

Die bekannteste Tat von Johannes ist – wenig überraschend – eine Taufe. Nämlich die Taufe Jesu. Jesus lässt sich als erwachsener Mann, zu Beginn seines öffentlichen Auftretens, von Johannes taufen. So erzählen es die Evangelien. Johannes will das zuerst gar nicht. Denn er weiß, wie besonders Jesus ist.

„Ich müsste doch eigentlich von dir getauft werden“, wendet Johannes ein. Er erkennt als einer der ersten, dass Jesus der Messias ist, auf den alle warten.

Aber Jesus lässt nicht locker und Johannes erfüllt seinen Wunsch schließlich und tauft ihn. Wenn ich heute mit Eltern spreche, die ihr Kind taufen lassen möchten, höre ich oft denselben Wunsch: Sie möchten, dass ihr Kind beschützt wird. Dass es erfährt, dass es in seinem Leben – auch in dunklen Momenten – nicht alleine ist. Ich kann mir vorstellen, dass sich Jesus genau das am Anfang seines Wirkens auch gewünscht hat. Dass er das Gefühl hatte: Ich brauche jetzt Beistand. Ich habe eine große Aufgabe vor mir. Allein ist das nicht zu schaffen. Auch Jesus hat Zuspruch gebraucht. Denn er war voll und ganz Mensch. Kein Halbgott, der über uns Menschen steht. Sondern ein Mensch, der zweifelt und Angst hat. Der fühlt und Bedürfnisse hat. Das Besondere an diesem Menschen Jesus ist: Er hat uns etwas davon gezeigt und erzählt, wie Gott ist. Er hat eine Beziehung zwischen Gott und Menschen hergestellt. Die ihm begegnet sind, haben in ihm den Sohn Gottes gesehen. In dem Menschen Jesus ist ihnen Gott begegnet. Auch Johannes hat das Besondere in Jesus gesehen. Er hat ihn unterstützt. Er hat ihm geholfen und gestärkt für die Aufgabe, die vor ihm lag.

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