« Zeige Beiträge 21 bis 30 von 5633 »
Vor einigen Tagen habe ich ein Buch aus dem Regal geholt und wieder eine Rede gelesen, die ich mit sechzehn Jahren verschlungen habe. Am 28. August 1963 hält Martin Luther King vor 250 000 Menschen seine berühmte Rede:
„Ich habe einen Traum, dass alle Menschen gleich erschaffen sind.“
„Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird.“
Die Rede hat Kultstatus. Sie hat eben auf den Punkt gebracht, um was es im Zusammenleben einer Gesellschaft, im Zusammenleben von Menschen, Völkern und Ethnien auf der Welt geht: Verachtung, Ausgrenzung und Diskriminierung führen zu nichts.
Und in der Tat: Viel ist seitdem geschehen. Aufhebung der Rassentrennung, Verbesserung von Bildungs- und Berufschancen, Besetzung von Spitzenpositionen. Bis dahin, dass die USA inzwischen einen ersten schwarzen Präsidenten gehabt haben. Aber es gilt auch: Amerika ist von der Erfüllung dieses Traums immer noch weit entfernt.
Dabei hat Martin Luther King in seiner Rede auch diesen Satz gesagt: „Soll Amerika eine große Nation werden, dann muss dies wahr werden.“
Größe wird aber, nicht nur in den USA, auch bei uns, derzeit von vielen erkennbar anders definiert. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Zusammenleben in einer Gesellschaft durch Spaltung nicht gelingen wird. Sondern im Gegenteil nur durch Zusammenhalt auf der Grundlage gleicher Rechte, Würde und Achtung für alle Menschen. Das sind die Werte und Kräfte, die zu wahrer Größe führen. Für den Pfarrer Martin Luther King war dies nicht nur eine Frage der Menschenrechte, sondern auch seines christlichen Glaubens.
Auch bei uns in Europa, in Deutschland, gibt es Menschen, Parteien, die Größe mit Überheblichkeit verwechseln, die Hautfarben Charaktermerkmale zuschreiben und die Gleichheit über eine wie auch immer zu bestimmende Gruppenzugehörigkeit definieren. Ihr Traum ist rechtsextremistisch. Und er malt vom Zusammenleben ein völlig anderes Bild. Morgen ist Bundestagswahl.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41502Über theologische Fragen hat sich Karl Barth intensiv mit seiner Assistentin Charlotte von Kirschbaum ausgetauscht. Im Gespräch über ein Leben nach dem Tod soll sie einmal gesagt haben: „Dann sehen wir alle unsere Lieben dort wieder.“ Worauf Karl Barth geantwortet hat: „Ja, und alle anderen auch!“
Es ist eine dieser typischen Karl Barth Antworten: In trockenem Ton bringt er die Dinge ganz kurz und sachlich auf den Punkt. Und zeigt gleichzeitig die Dimensionen eines Sachverhalts in seiner ganzen Tiefe.
Klar: Wenn ich mir das ewige Leben ausmale, dann denke auch ich zunächst an liebe Menschen, die ich verloren habe, an meine Großeltern, meine Schwägerin, meinen Vater, einen guten Freund. Sie zu verlieren, hat sehr weh getan und auch jetzt noch drückt mich der Schmerz über ihren Verlust. Aber wenn ich mir vorstelle, dass wir uns alle einmal wieder sehen, ist das ein Trost, der mir hilft.
Mein Glaube öffnet die Möglichkeit neuer Begegnungen. Beziehungen können wieder aufgenommen werden. Der Tod ist nicht das Ende. Die Bibel spricht von einem Leben ohne Leid und Schmerz. Ganz geborgen in der Ewigkeit Gottes.
Und dann kommt da einer her, grätscht mir in diesen Traum und behauptet, das sei leider nur die eine Hälfte der Wahrheit. Der anderen muss ich mich aber auch stellen: In der Ewigkeit treffe ich auch die wieder, mit denen ich so gar nicht konnte, und die ich eigentlich nie mehr wiedersehen will. Und vielleicht dennoch sehen werde.
Weil nicht ich darüber bestimme. Und weil bei Gott mal wieder alles ganz anders ist, als ich mir das so denke oder wünsche. Das ist schon eine harte Züchtigung meiner so schön ausgemalten Glaubensvorstellung in der Welt da drüben. Dass mir da so mancher begegnen wird, den ich nur als Rüpel, Egoisten und Narzissten, als rücksichtslosen Spalter oder Schnorrer wahrgenommen habe, dem aber Gott, aus welchen Gründen auch immer, die Türe öffnet.
Nun kann es aber durchaus sein, dass ich von anderen, und vielleicht nicht nur in manchen Momenten, umgekehrt eben auch genauso wahrgenommen werde. Was dann? - Dann könnte dieser Gott allen Vorbehalten von anderen zum Trotz auch mir die Türe öffnen. Und ich wäre dabei. Wie alle anderen auch: Erlöst. Begnadigt. Von Gott gesehen. Aufgerichtet. Geheilt. Geborgen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41501Eine Weile sind wir schweigend nebeneinander hergelaufen. Vom Grab im Friedwald zurück zum Parkplatz. Ich kenne den Mann nicht. Die Segensworte klingen noch nach, die ich bei der Bestattung gesprochen habe. Dann unterbricht er die Stille und stellt mir diese Frage: „Glauben Sie an ein ewiges Leben nach dem Tod?“ Ich bin ein bisschen überrumpelt und antworte schnell:
„Ja“, und: „Natürlich weiß ich nicht, wie es dann sein wird. Aber der zentrale Gedanke für mich ist, dass das Leben weiter geht, es ein neues, anderes Leben gibt, wie auch immer, und zwar in der unmittelbaren Gemeinschaft mit Gott.“
Ich merke, meine Antwort ist genauso holprig, wie der Weg, den wir gerade gehen. Und prompt kommt die Nachfrage: „Damit kann ich noch nicht so viel anfangen. Wie ist das zu verstehen?“ fragt mich mein Wegbegleiter.
„Zunächst einmal“, sage ich, „heißt das für mich, dass mit dem Tod nicht alles aus ist. Und dass der Tod nicht die letzte Macht ist. Ja, wir Menschen müssen sterben. Aber Gott ist auch über den Tod auf dieser Erde hinaus für uns da. Und das Leben bei ihm ist voller Geborgenheit, kein Leid, keine Sorgen, es herrscht Frieden und alle sehen sich eines Tages bei ihm wieder. Die großen, biblischen Bilder erzählen genau davon: dass Gott dann alle Tränen abwischen wird, dass alle Völker, alle Menschen gemeinsam im Frieden vereint am Tisch sitzen und miteinander Mahl halten.“ Ob ihn die kleine Ansprache überzeugt? Oder wenigstens das Gespräch nicht abreißen lässt?
Er meint, das komme ihm wie eine Vertröstung ins Jenseits vor und dass das alles doch keine wirkliche Relevanz habe.
„Ich weiß nicht“, meine ich, „für mich sind das starke Bilder, die mir Hoffnung geben, in meinem Leben jetzt, und auch im Blick auf all das, was in dieser Welt ungelöst, leidvoll, konfliktträchtig bleibt. Sie motivieren mich auch, etwas zu verändern. Weil mein Glaube und meine Hoffnung über diese Welt hinausgehen.“
So sind wir miteinander unterwegs gewesen. Den kurzen Weg vom Grab zurück ins Leben. Am Parkplatz angekommen, hat er sich bei mir bedankt und gesagt, dass er bis jetzt mit niemand so richtig darüber habe sprechen können. Das habe ihm gutgetan. Ob er das auch so glauben kann, weiß er nicht. Aber dass es möglich sein könnte, das nehme er für sich mit, und wolle weiter darüber nachdenken.
Auch ich sinne immer wieder darüber nach. Die Fragen bleiben. Auch für mich. Aber der Glaube und die Hoffnung auch.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41500Klar und ruhig ist ihre Stimme. Eindringlich ihre Worte. Sie sagt: Ich bitte Sie, Mr. President, um Barmherzigkeit und Menschlichkeit. Ich bitte Sie für all die Menschen in unserem Land, die Angst haben. Weil sie Migranten sind, weil sie Minderheitengruppen angehören. Weil sie sozial schwach sind oder aus anderen Gründen verletzlich sind und Schutz brauchen.
Diese Worte spricht die Bischöfin von Washington D.C. Mariann Budde in ihrer Predigt nach der Amtseinführung von Donald Trump im anschließenden Festgottesdienst. Viel ist darüber in den letzten Wochen berichtet worden. Der Präsident beschwert sich danach und fordert von ihr eine Entschuldigung. Sie sei eine linksradikale Hardlinerin und Trump-Hasserin. Die Bischöfin und ihre Familie erhalten seitdem Morddrohungen und Anfeindung aber auch Zuspruch und Solidarität. Sie selbst sagt, dass sie sich nicht dafür entschuldigen wird, für andere um Barmherzigkeit gebeten zu haben.
Was die wenigsten über die Bischöfin wissen: Sie hat den Präsidenten auch schon in seiner ersten Amtszeit ermahnt, menschlich und barmherzig zu sein, trotz oder gerade wegen seines hohen Amts. Und vor sieben Jahren hat sie gemeinsam mit Bischof Gene Robinson in einem emotionalen Gedenkgottesdienst die sterblichen Überreste von Matthew Shepard in die Krypta der Kathedrale von Washington umbetten lassen.
Matthew Shepard war ein junger schwuler Student, der 1998 von zwei Männern niedergeschlagen und schwer verletzt an einen Zaun gefesselt worden war. Dort ist er Tage danach qualvoll gestorben. Dieser Mord hat weltweit Entsetzen ausgelöst und die Debatte um Hasskriminalität verstärkt. Aufgrund der wiederholten Schändung einer Gedenkstätte für Matthew Shepard hat die Bischöfin den Eltern des Verstorbenen eine Interim-Ruhestätte für die Urne in der Kathedrale in Washington angeboten. Im Jahr 2018 hat die Urne dort auch ihr permanentes Zuhause in der Krypta der Kathedrale gefunden. Mitmenschlichkeit, Empathie und Barmherzigkeit fordert die Bischöfin nicht nur von anderen, sondern sie handelt selbst danach.
„Selig sind die, die barmherzig sind, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen!“ (Mt 5,7)
Das sagt Jesus in den Seligpreisungen.
Und ich ergänze: Selig sind diejenigen, die wie die Bischöfin in Washington D.C. Menschlichkeit und Zivilcourage zeigen und nicht vor den Mächtigen dieser Welt einknicken.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41614Medizinstudierende haben ihr Wissen nicht nur aus Büchern. Im anatomischen Seminar kommen sie auch mit Menschen in Kontakt. Und zwar mit toten Menschen, die ihren Körper genau zu diesem Zweck schon zu Lebzeiten der Universität vermacht haben. Körperspende heißt das. In diesem Kurs geht es nicht nur um die Beschaffenheit von Muskeln, Sehnen, Knochen und inneren Organen. Es geht auch darum, sich mit einem Menschen vertraut zu machen, auch wenn er schon verstorben ist. Johanna, eine Medizinstudentin im 4. Semester, hat mir davon erzählt. Sie sagt:
„Es ist erstaunlich, wie Körper eine Lebensgeschichte erzählen. Körper tragen die Spuren von Liebe und Arbeit, von Lachen und Tränen, von Krankheit und Endlichkeit. Und wenn sich ein Mensch entscheidet, seinen Körper nach dem Tod der Wissenschaft zu überlassen, dann schenkt er nicht nur sich selbst, er schenkt damit den Studierenden die Geschichte eines ganzen Lebens. Mit allen Höhen und Tiefen, mit Freude und Leid, mit Krankheiten und Schmerzen. Es ist für uns Medizinstudierende von unschätzbarem Wert, dass die Körperspender dies getan haben. Sie haben sich in den Dienst der Medizin und der Menschheit gestellt, damit wir den Aufbau und das Funktionieren des Körpers verstehen lernen.“
Es beeindruckt mich sehr, wie Johanna das erlebt hat. Kennengelernt habe ich sie bei den Vorbereitungen zum ökumenischen Gedenkgottesdienst im Mainzer Dom. Er findet einmal im Jahr statt. Über 300 Studierende und Lehrende der Unimedizin sind dabei. Im Mittelpunkt steht das Gedenken und der Dank. Den Verstorbenen wird posthum für ihre Bereitschaft gedankt, ihren Körper als Körperspende zur Verfügung zu stellen. Für jede verstorbene Person wird im Gottesdienst eine Kerze angezündet. Es werden Briefe der Studierenden an die Spenderinnen und Spender vorgelesen. Und den Angehörigen wird gedankt, dass sie manchmal Jahre lang auf die Beerdigung ihrer Verstorbenen warten müssen. Eine Zeit, in der sie an kein Grab gehen können, um ihren Verstorbenen nah zu sein. Für viele ein großer Schmerz.
Tröstlich ist für sie, dass die Körperspende Spuren hinterlässt – Spuren in der Ausbildung zukünftiger Ärzte und Ärztinnen und Spuren bei all den Menschen, die durch dieses Wissen in Zukunft hoffentlich einmal Hilfe erfahren werden. So wirkt das Leben nach dem Tod weiter. Es wird verwandelt in neues Wissen, in Respekt und Hingabe. Jede einzelne Kerze, die für einen Verstorbenen leuchtet, erzählt eine Geschichte davon.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41613Ein Konzert der Univoices in der ESG-Kirche in Mainz. Über 300 Studierende, Eltern, Angehörige und Interessierte sind im Raum. Auf dem Programm stehen Songs, in denen Liebe versteckt ist, so heißt es. Ich sitze in der 3. Reihe und habe eine gute Sicht auf die Gesichter der Sänger und Sängerinnen.
Die Wangen sind rot und die Augen weit offen. Die jungen Leute singen konzentriert und sind voll fokussiert. Und sie haben ein so beseeltes Lächeln im Gesicht, das vielleicht nur Musik zaubern kann. Der ganze Körper schwingt im Rhythmus der Songs, und aus mehr als 80 einzelnen Personen wird ein riesengroßer Klangkörper.
Ein paar Studierende kenne ich aus der Beratung. Die junge Frau mit den dunklen Locken im Sopran hat Probleme mit ihrem Freund, der große Tenor in der letzten Reihe kommt mit Prüfungsdruck nicht klar. Ein dritter hat Stress mit den Eltern. Egal, was sie umtreibt, sie alle stehen auf der Bühne und singen sich die Seele aus dem Leib. Und vielleicht ihre Probleme gleich mit. Das hoffe ich jedenfalls. Denn viele Statistiken zeigen es: Chormusik hat eine therapeutische Wirkung, sie verbindet Menschen, macht viele stolz und glücklich.
Eine Studentin sagt nach dem Konzert: „Wer mit anderen zusammen singt, kann Welten überbrücken, und das Himmelreich singt mit!“
Sekt und Orangensaft werden gerade verteilt, als ich nach dem Konzert mit ihr spreche, und alle stoßen miteinander an. Zugehörigkeit und Gemeinschaft sind spürbar. Ich schaue in die stolzen Gesichter und denke mir: Musik ist ein Geschenk, das zu Herzen geht und Herzen bewegt. So wie in biblischer Zeit einst der Hirtenjunge David den König Saul mit seiner Lautenmusik aus einer tiefen Schwermut herausgelockt und ihn verzaubert hat. Immer wieder wurde er gerufen, wenn der König einen depressiven Schub hatte. Immer wieder hatten sein Spiel und sein Gesang eine heilsame Wirkung auf die verwundete Seele.
Ich kenne es auch von mir selbst: Wenn ich singe, kann ich Gedanken, die mich quälen, auf Abstand halten. Wenn ich mit anderen zusammen singe, katapultiert mich das in eine ganz andere Welt. Es verschafft mir eine Pause von Alltagskram und Sorgen.
Es unterbricht mein Hamsterrad aus To-do-Listen und Terminen.
Ich hoffe sehr, dass gerade in diesen turbulenten Zeiten viele junge und ältere Menschen weiterhin singen und musizieren. Sie bauen damit Brücken über Gräben, die mit Worten kaum noch zu überbrücken sind.
Geburtstage, runde zumal sind ein Einschnitt. Sie erinnern daran: Die Geburt hat einen Anfang gesetzt, und irgendwann wird es auch ein Ende geben.
Nachdenken über Anfang und Ende und alles dazwischen, das ist auch ein Thema der biblischen Psalmen. Sie sind Songs über Gott und die Welt. Im neunzigsten Psalm heißt es in der Übersetzung des Dichters Arnold Stadler: „Unser Leben dauert vielleicht siebzig Jahre, wenn es hoch kommt, sind es achtzig. Das Leben ist kurz und schmerzlich. Einmal das Dorf hinauf und hinunter: so sind wir unterwegs.“
Das Bild berührt mich: Leben, das ist wie einmal die Dorfstraße rauf- und runtergehen. Ich hab dabei direkt einen kleinen Film im Kopf. Kleine Häuser rechts und links. Blumen am Straßenrand. Ich höre Tierlaute. Einen Traktor.
Aber das Bild vom Dorf geht über die Dorfromantik weit hinaus. Das Dorf macht die Verhältnisse deutlich. Zwischen mir und der Welt. Mein Leben ist kurz, beschränkt, ein winziger Ausschnitt aus dieser Welt. So klein und staubig wie eine Straße, die sich durch ein verschlafenes Dorf windet.
Ich finde, das ist ein tröstliches Bild. Es befreit mich von allzu hochfliegenden Träumen oder Ideen, befreit mich vom Anspruch, besonders wichtig oder einzigartig zu sein. Das setzt Kräfte frei. Ja, ich bin begrenzt, ja, ich muss nicht die ganze Welt verändern, ja, mein Leben muss nicht bedeutsam sein, wie die Großstadt nebenan. Das Leben stellt mich vor allem vor die Aufgabe, meinen kurzen Weg durch das Dorf gut zu gehen. Und das Dorf hat die Pflicht, mein Leben zu achten.
Das Bild vom Dorf kann mich frei machen. Gerade in den Geburtstagssituationen. Gerade, wenn ich mein Leben ansehe und deutlich vor Augen geführt bekomme: Ich werde älter, mein Leben ist endlich. Denn ganz egal, wie viel Zeit mir noch bleibt: der Weg durch das Dorf ist mein Weg.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41565Erst mal die schlechte Nachricht, heute, am Valentinstag. Den Valentin, der für Verliebte und Blumengeschenke zuständig ist, den hat es vermutlich gar nicht gegeben. Gut, es sind mindestens drei Heilige Valentins bekannt: Von Valentin von Rom und von Valentin von Terni wird erzählt, dass sie im dritten Jahrhundert als Christen hingerichtet werden. Ein dritter Valentin lebt und stirbt in dieser Zeit in Nordafrika. Allerdings ähneln sich die Geschichten der drei so sehr, dass sie ziemlich sicher keine historischen Gestalten sind.
Jetzt die gute Nachricht: Die legendarischen Geschichten der drei Valentins sind bis heute vielsagend. In ihnen wird zum Beispiel von Asterius erzählt. Seine zweijährige Tochter ist blind. Da kommt Valentin, betet mit Asterius und seiner Familie. Und das Mädchen kann wieder sehen. Ganz ähnlich ergeht es dem Sohn des römischen Philosophen Craton. Der leidet an einer Deformation des Rückgrats. Auch hier: Valentin betet und der Junge kann wieder aufrecht gehen.
Kein Wunder, dass die Valentins als Gesundmacher verehrt werden. Valentin von Terni soll etwa gegen Epilepsie helfen. Der Name »Valentin« unterstützt das. Er leitet sich vom lateinischen valere ab: gesund sein, stark sein.
Klar, heute wenden wir uns an Ärztinnen und setzen auf die Kraft der Medizin. Mit gutem Recht. Viele Therapien und Medikamente helfen und heilen. Aber ich erfahre auch, wenn ich krank bin: Liebe heilt. Es tut gut, wenn jemand für mich da ist, mir die Hand hält, Zeit mit mir verbringt. Wenn die Valentins beten, dann tun sie genau das: Sie konzentrieren sich liebevoll auf den kranken Menschen, bitten Gott um Hilfe und Beistand.
Liebe kann gesund machen. Sie sagt zum anderen: Ich bin für dich da. Du kannst dich auf mich verlassen. Ich will, dass es dir gut geht. Da liegt es nahe, die Valentins zu Boten der Liebe zu machen. Und auch wenn die Liebe nicht alle Krankheiten besiegt: Mit Liebe lassen sich Schmerz und Kummer, Krankheit und Leid einfach besser ertragen. Heute am Valentinstag lässt sich auch daran denken.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41564Heute machen sich tausende von Menschen auf. Schließen sich in Dresden zu einer Menschenkette zusammen. Bilden rings um die Innenstadt einen Erinnerungswall: Die Menschenkette erinnert an die Bombardierung der wunderbaren Stadt an der Elbe vor genau 80 Jahren.
Dresden ist überall. Auch in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wird in den nächsten Tagen und Wochen an die Bombardierungen gedacht. Im Februar und März 1945 verloren in Mainz und Worms, in Ludwigshafen oder Stuttgart Tausende von Menschen ihr Leben.
Warum aber überhaupt erinnern? Ich versuche eine Antwort aus dem christlichen Glauben heraus. Ein Mensch, Jesus, stirbt, und bis heute erinnere ich mich daran – wie viele andere Menschen auch. Die Erinnerung hält wach, was für ein Mensch dieser Jesus war. Was er gesagt und getan hat, wie er gelebt hat und wofür er gestorben ist. Die Erinnerung an Jesu grausamen Tod am Kreuz ist für viele Menschen ein Ansporn: Sie engagieren sich gegen Gewalt und Leid. Christinnen und Christen setzen sich auf der ganzen Welt dafür ein, dass Menschen leben können. Aus der Erinnerung an geschehenes Unrecht arbeiten sie für Gerechtigkeit.
Auch die Bombardierung Dresdens war mit unendlichem Leid verbunden. Sie ist nicht zu trennen vom Zweiten Weltkrieg und seinen Ursachen: Faschismus und Rassenwahn. Wenn sich heute Menschen zu einer Kette zusammenschließen, dann erinnern sie an beides: An Bombennächte und die Gräueltaten der Nazis. Die Menschenkette steht symbolisch für die Bedeutung jedes Menschen und seiner Würde. Und sie kann inspirieren. Sich dafür einzusetzen, dass alle Menschen in Frieden leben dürfen: Unabhängig davon, wo sie herkommen, wie sie aussehen, welchen Glauben sie haben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41563Wir sind so ein reiches Land. Der Satz ist mir schon oft und in den verschiedensten Zusammenhängen begegnet. Meistens geht es dabei um unseren Wohlstand, eben ums Geld. Und meistens fällt der Satz in Situationen, in denen es an Geld mangelt. Wenn ich mit jemandem über die schon lange kaputte Straße in der Nachbarschaft rede. Wenn eine Mutter darüber klagt, wie marode die Schultoiletten sind. Wenn wieder der Zuschuss für ein soziales Projekt gekürzt wurde. Immer dann kommt der Satz: „Wir sind doch so ein reiches Land. Wir könnten doch vielmehr tun.“
Es ist manchmal durchaus fraglich nach welchen Prioritäten das Geld verteilt wird, dem stimme ich zu. Und ich bin auch der Meinung, dass wir ein reiches Land sind. Allerdings möchte ich den Reichtum etwas weiter fassen. Denn wahrer Reichtum geht, wie ich finde, über das zählbare und messbare hinaus.
Da wir gerade wirtschaftlich immer mehr auf der Stelle treten und in einer Krise stecken und zugleich Wahlkampf ist, finde ich es wichtig, das zu betonen. Denn es läuft nicht mehr so richtig rund im Lande und es ist gut möglich, dass wir in Zukunft mit weniger auskommen müssen. Die, die ohnehin schon weniger haben, spüren das schon länger. Gerade in Zeiten, in denen es finanziell schwieriger wird, sind viele Menschen leichter dazu bereit auch die anderen Aspekte des Reichtums aufzugeben. Denn wahrer Reichtum ist nicht nur die Tatsache, dass ich viele Dinge habe oder mir viel leisten kann. Sondern es gehört auch eine freie Gesellschaft dazu. Dass wir frei Denken und Sprechen können, dass wir unsere Religion wählen dürfen, dass wir uns frei bewegen können, dass wir einen funktionierenden Rechtsstaat haben und ein noch immer ganz gutes soziales Netz. Dass wir freie und geheime Wahlen haben. Das alles ist so unglaublich wertvoll. Darum beneiden uns viele Menschen auf der Welt, die in ganz anderen Verhältnissen leben. Vielleicht viel mehr als um unsere wirtschaftliche Kraft. Aber mir scheint, all diese Errungenschaften sind oft zu selbstverständlich geworden. In Teilen kann ich das auch verstehen. Wer nicht weiß, wie er die nächste Monatsmiete zahlen soll, der hat andere Probleme als sich Gedanken über die Redefreiheit zu machen. Dennoch ist es wichtig. Wir müssen aufpassen, dass das, was uns selbstverständlich geworden ist, nicht vergessen wird. Natürlich müssen Wege aus der wirtschaftlichen Misere gefunden werden. Aber dabei dürfen wir nicht unsere Freiheit und unser Streben nach Gerechtigkeit über Bord werfen. Zumindest nicht, wenn wir ein wirklich reiches Land bleiben wollen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41532