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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

12DEZ2022
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„Und was machen Sie sonst so, wenn Sie nicht gerade zu einem Geburtstag eingeladen sind?“ Mein Tischnachbar ist neugierig und ich erkläre ihm, dass ich katholischer Theologe bin und hin und wieder auch im Radio von Gott und der Welt erzähle. „Ach, dann sind Sie also gläubig?“ sagt er und guckt mich prüfend an. „Stimmt“ antworte ich ihm, „mal mehr und mal weniger.“ Damit habe ich ihn anscheinend irgendwie überrascht. Dabei war ich doch einfach nur ehrlich. Seine Überraschung kam vielleicht daher, dass ich das so einfach zugeben konnte. Ja, so ist das mit meinem Glauben: mal glaube ich mehr, mal weniger. Salopp gesagt ist das tagesformabhängig, hängt auch damit zusammen, was ich gerade so an Themen und Problemen mit mir herum schleppe. Im Urlaub fällt das Glauben einfacher als nach dem Besuch bei einem Schwerkranken oder nach einer halben Stunde Tagesthemen oder Heute Journal. Aber gerade dann sollte sich doch „der Glaube“ bewähren, wenn das Leben nicht einfach und leicht, sondern mühsam und schwer wird. Bei mir ist das nicht so leicht auseinander zu halten. Gerade jetzt, wo so vieles unbegreiflich ist, ob Krieg in der Ukraine, ob Weltklimapolitik, ob nordkoreanische Raketentests und und und. Da kann ich an diesem Gott verzweifeln. Denn mein Stoßgebet „Herr, schmeiß Hirn vom Himmel“, scheint ungehört zu bleiben. Dann kann es durchaus sein, dass ich mal weniger glaube oder auch ganz wenig. Nur verloren habe ich meinen Glauben noch nie. Und fragen Sie jetzt bitte nicht, wie und warum! In der Bibel, im Markusevangelium, gibt es die Geschichte vom verzweifelten Vater, der Jesus um Hilfe bittet. Er soll seinen schwer kranken Sohn heilen. „Wenn du kannst“ sagt der Vater. Und Jesus sagt ganz einfach: “Alles kann, wer glaubt!“ Eigentlich unerträglich, dieser Satz. Und von der Realität weit entfernt. Denn natürlich werden auch gläubige Menschen schwer krank. Zum Glück hat der Vater die richtige Antwort. Er sagt: „Ich glaube. Hilf meinem Unglauben!“ Diese fünf einfachen Worte, sind das ehrlichste Gebet, das ich kenne.

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Anstöße sonn- und feiertags

11DEZ2022
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Die dritte Kerze am Adventskranz mache ich heute mal ganz bewusst für alle Kinder dieser Welt an. Und auch das 11te Türchen im Adventskalender mach ich für sie auf. Denn der 11. Dezember ist der Gründungstag von UNICEF. 1946 wurde das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen gegründet. UNICEF hilft in Afrika, Kinder vor Krankheiten zu schützen und Mädchen und Jungen den Schulbesuch zu ermöglichen. In Europa ist der Einsatz für Flüchtlingskinder ein Schwerpunkt – gerade dann sind Kinder besonders verletzlich. Und Kinderarmut gibt es selbst in unseren reichen Ländern mehr als genug. Viele Prominente auf der ganzen Welt unterstützen UNICEF und werden „Botschafter“ und „Botschafterinnen“ für die Anliegen der Organisation. Einer davon war Sir Peter Ustinov. Der weltbekannte Schauspieler und Schriftsteller ist 2004 gestorben und war bis zu seinem Tod dem Kinderhilfswerk eng verbunden. Von ihm stammt der Satz: „Leider ist UNICEF eine Notwendigkeit. Warum? Weil die Großen so dumm sind und oft so kriminell.“ Es gibt Filmaufnahmen von ihm, da kniet er irgendwo in Asien vor einer Gruppe von Kindern auf dem Rasen. Immer auf Augenhöhe, vor allem dann, wenn die anderen klein sind. Das war ihm wichtig. Ustinov sprach ganz viele Sprachen. Und wenn das trotzdem nicht reichte zur Verständigung, dann fand er eine andere Lösung: "In Thailand habe ich bellen gelernt", kommentierte er die Aufnahmen. Da spielt er einen Hund. Und die Kinder kreischen vor Vergnügen. Bei einer anderen Gelegenheit sagt er: "Es ist nicht zu leugnen, dass große Staatsmänner, Politiker, religiöse und militärische Würdenträger oder unsere Kriminellen alle unterschiedlich sind. Aber im Alter von vier Wochen machen sie ihren Müttern dieselben Sorgen. So kann man sagen: Die Kindheit ist das beste Symbol unserer Gleichheit und unserer Hoffnung." Recht hat er, der Peter Ustinov. Und wenn Sie heute mit Ihren Kindern oder Enkeln den Adventskranz anzünden oder ein Türchen am Adventskalender öffnen, dann denken Sie daran, welchen Schatz Sie da gerade an der Hand oder in den Armen halten.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

07SEP2022
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Kennen Sie Honzrath, oder waren Sie sogar schon mal da? Kleiner Scherz von mir am frühen Morgen. Das Dorf liegt im Saarland nahe der französischen Grenze. Man findet es, wenn überhaupt, wohl nur in ganz speziellen Reiseführern. Denn es gibt hier tatsächlich eine pittoreske Sehenswürdigkeit. Anstatt Häuser mit aufwändigen Kellern zu bauen, haben die Menschen vor vielen Jahren einfach kleine Höhlen in die Sandsteinfelsen des angrenzenden Waldes getrieben, eine Tür davor gesetzt, ein Schloss angebracht und fertig war der ideale Vorratskeller. Ungefähr 100 solcher Keller gibt es noch. Und einer davon erzählt als Schauraum der Gemeinde die Geschichte, wie die Keller einmal Leben gerettet haben.

Das war 1944, im Krieg. Bomben und Granaten fallen auf das Dorf. Viele Einwohner sind evakuiert. Die noch da sind, verkriechen sich in den Felsenkellern. Und kommen erst wieder heraus, als der Spuk vorbei ist. Sie haben überlebt und sind in Sicherheit. Sich verkriechen – das kann Leben retten. Ja denke ich, manchmal habe ich auch die Nase voll. Dann würde ich mich am Liebsten verkriechen, die Tür hinter mir zu machen. Und auch erst wieder rauskommen, wenn der Spuk vorbei ist. Corona, der Krieg in der Ukraine, die Gaskrise, der Klimawandel und all die kleinen Probleme und Aufgaben, die mich tagein tagaus quälen.

Das hat nichts mit dem Ausblenden und nicht wahrhaben wollen der Realität zu tun. Mal auf STOP zu drücken, wenn es für Körper und Seele zu viel wird ist wichtig. Bevor die von sich aus STOP sagen, oft mit schlimmen Folgen. Dann lieber vorher mal die Reißleine ziehen und sich verkriechen – es muss ja nicht in einem dunklen, feuchten Keller sein. Und dann einfach mal NICHTS tun. So gut wie es geht.

Schlafen, ausspannen, Augen und Ohren zu, ganz egal. Nur nicht an das denken, was mich nervt. Und dann in Ruhe überlegen, wie ich mit meinen Sorgen und Problemen umgehen kann.

Ich übe, das „Zulassen“ zu lernen. Zulassen, dass nicht alles 100%ig sein muss. Zulassen, dass mein Leben auch Niederlagen bieten wird. Zulassen, dass ich nicht alles erklären kann. Ob und wie ich das hin bekomme, darüber kann ich mir Gedanken machen, wenn ich mich mal verkrieche.

Übrigens: direkt neben den Felsenkellern in Honzrath steht -rein zufällig natürlich- eine Kapelle. In die kann ich mich durchaus auch mal verkriechen. Ein paar Minuten nur. Ob es nützt? Das muss jeder selbst herausfinden. Ausprobieren kostet ja nichts.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

06SEP2022
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„Es muss doch irgendeinen Weg hier raus geben", sagte der Narr zum Dieb.
"Es gibt so viel Durcheinander und ich kann keine Hilfe finden“. Das sind die ersten Zeilen von „All along the watchtower“, einem Song von Bob Dylan aus dem Jahr 1967. Da war Amerika gerade im Chaos des Vietnamkrieges versunken und Dylan musste die körperlichen und seelischen Folgen eines Motorradunfalls verarbeiten. Dementsprechend düster sind die Texte, die er in dieser Zeit schreibt. Und „All along the watchtower“ ist einer davon. Da treffen sich zwei Außenseiter der Gesellschaft, der Narr und der Dieb und reden über den Weltuntergang. Und Bob Dylan spart im Text nicht mit düsteren Anspielungen. Am Ende des Songs reiten zwei geheimnisvolle Männer auf uns zu und der Wind beginnt zu heulen. Sind das apokalyptische Reiter, die das Ende ankündigen? Zarte Gemüter können da schon Gänsehaut bekommen. Und ich finde es ehrlich gesagt schon ein wenig unheimlich, wie aktuell die Zeilen seines Liedes heute, 55 Jahre nach ihrer Entstehung, immer noch oder schon wieder sind.

„Geschäftemacher trinken meinen Wein, Totengräber pflügen meinen Grund.
Und niemand weiß, was wirklich wichtig ist, in dem weiten Erdenrund.“ So geht der Text weiter. Und der Dieb meint nur: „Wir zwei sind durch damit. Lass uns aufhören mit dem ganzen Geschwätz. Es ist schon spät.“ Ist das Resignation? Wundern würde mich das nicht. Denn ehrlich gesagt, es würde schon passen. Ich selber war noch nie so ratlos wie heute, wenn ich den Zustand der Welt betrachte. Aber resignieren, die Schultern hängen lassen? Nicht wirklich! Eine Sache, die mir immer wieder dabei hilft, die Arme hoch zu reißen und den Kopf nicht hängen zu lassen, ist die Musik. Auch die von „All along the watchtower“. Aber nicht in der sparsamen, düsteren Version von Bob Dylan. Jimi Hendrix hat den Song gecovert und weltberühmt gemacht. Bis heute. Gerade jetzt habe ich eine ganz tolle Liveaufnahme meiner aktuellen Lieblingsband, der Tedeschi/Trucks Band gehört. Diese Musik und die Art, wie das Publikum mitgeht, sind der lebendige Beweis dafür, dass Musik ein Geschenk des Himmels ist. Ein Geschenk das meinem Leben Kraft und Würze gibt. Von Jimi Hendrix stammt übrigens auch der Satz: „Wenn auf dieser Welt irgendwas verändert werden muss, dann kann das nur mit Hilfe der Musik möglich sein.“ Da ist wirklich was dran, gerade in düsteren Zeiten. 

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

05SEP2022
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Ich bin zu Besuch in Wadgassen im Saarland und werfe auch einen Blick in die katholische Pfarrkirche dort. Die hat vor einigen Jahren neue Fenster bekommen mit den Portraits moderner Heiliger. Auf einem davon ist Edith Stein abgebildet. 1998 ist sie von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen worden. Edith Stein war eine kluge Frau, eine Intellektuelle. Immer auf der Suche nach dem „Warum“. Deshalb hat sie auch Philosophie studiert. Sie suchte die Wahrheit, egal was dabei heraus kommen sollte. Später sagt sie einmal: „ Wer die Wahrheit sucht, sucht Gott. Ob es ihm klar ist oder nicht“. Da hatte sie ihre Wahrheit längst gefunden. Und die lag in der Botschaft des gekreuzigten Jesus. Das Kirchenfenster zeigt eine Frau in Ordenstracht, denn die Lehrerin und Wissenschaftlerin Edith Stein wird eine katholische Ordensschwester. Das Fenster zeigt aber auch einen siebenarmigen Leuchter, eine jüdische Menora. Denn Edith Stein war in eine jüdische Familie geboren worden, 1891. Und das Fenster zeigt ein Kreuz, denn das Kreuz wurde das Zentrum ihres Denkens und Handelns. Das ist schwer zu verstehen. Edith Stein hat dazu einen passenden Satz: „Es gibt Dinge, in denen man sich besser ohne Worte versteht“. Es ist schon seltsam, dass eine Frau, die sich ganz vom Kreuz leiten lässt, am Ende einen echten Kreuzweg gehen muss. Und so zeigt das Kirchenfenster auch die Baracken eines Konzentrationslagers. Edith Stein wird am 9. August 1942 in den Gaskammern von Auschwitz ermordet.

„Wer die Wahrheit sucht, sucht Gott. Ob es ihm klar ist oder nicht“. Ich glaube, jeder von uns sucht ja im Leben das, was sie oder ihn glücklich macht. Etwas, über das ich sagen kann: Dafür macht es Sinn zu leben und vielleicht sogar zu sterben. Edith Stein hatte es gefunden. Deshalb kann sie bis heute ein Vorbild sein für Menschen, die auf der Suche sind.

Und jetzt verrate ich Ihnen noch was: Menschen, die wirklich gefunden haben, was sie im Leben gesucht haben, die kann man manchmal erkennen, wenn man genau hinschaut. Die leuchten nämlich von innen. So wie die Hl. Edith Stein auf dem Kirchenfenster. Gerade als ich darunter stehe, scheint die Sonne durch sie hindurch.

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Anstöße sonn- und feiertags

04SEP2022
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Alles fing damit an, als wir ein möbliertes Haus geerbt hatten. Damit übernahmen wir auch Kruzifixe. Die hingen in jedem Zimmer, mal groß, mal klein, mal mit, mal ohne Jesus daran. Ich muss zugeben, ich weiß bis heute nicht, was wir mit so vielen Kreuzen tun sollen. Aber eines könnte ich auf gar keinen Fall: sie einfach wegwerfen oder, -wenn aus Holz - im Ofen verbrennen. Dafür hängt –im wahrsten Sinne des Wortes- viel zu viel dran.

Der große Maler und Bildhauer Michelangelo hat sich in seinem langen Künstlerleben immer wieder am Kreuz und dem gekreuzigten Jesus versucht. Ganz wunderbare und ergreifende Bilder sind da entstanden. Und man merkt: der Blick zum Gekreuzigten war ihm ein wichtiger Halt in seinem langen, reichen Künstlerleben. Michelangelo selbst sagt es in einem Gedicht, in dem er auf sein Leben blickt, einmal so:

Beendet ist nun meines Lebens Bahn
Nach Meeresstürmen und auf schwankem Boot
In jenem Port, wo wir, nach unserm Tod,
Für alles einstehn, was wir je getan.“….

Denn ein Tod ist ganz sicher mir bereitet.
Nicht Malen und nicht Meißeln hilft hier mehr,
Die Seele will in Gottes Liebe ruhn,
Die weit am Kreuz für uns die Arme breitet.“

(Josef Nolte, Savonarola-Michelangelo-Luther, Berlin 2018, S.100)

Das ist es, was Michelangelo im Kreuz und dem Gekreuzigten erkennt: eben nicht nur ein Folterwerkzeug, nicht nur das Bild eines leidenden Menschen, sondern in erster Linie Gottes Liebe, „die weit am Kreuz für uns die Arme breitet“. Ich weiß, das ist schwer verdauliche Kost, aber genau das ist der Grund, warum ich kein Kreuz aus unserem Haus einfach so wegwerfen könnte.

Heute, am Sonntag hört man im katholischen Gottesdienst den kantigen Satz: „Wer nicht sein Kreuz trägt und hinter mir hergeht, der kann nicht mein Jünger sein“ (Lk14,27). Da kann einen schon der Mut verlassen. Deshalb möchte ich daran erinnern, dass Jesus zwar am Kreuz gestorben ist, aber daraus unendlich viel mehr entstanden ist. Nämlich das, was Michelangelo so ausgedrückt hat: Was auch immer geschieht, einer hat über allem Glanz und Elend dieser Welt für uns die Arme ausgebreitet.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

29JUN2022
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Die Pfarrgemeinde St. Peter und Paul in Maubeuge in Frankreich hat heute Namenstag. Denn ihre Kirche ist zwei Männern aus dem Gründerkreis des Christentums gewidmet, den beiden Aposteln Petrus und Paulus. Das erkennt man leicht. Denn zwei große Mosaike schmücken den Eingangsbereich. Links ein riesiges Fischernetz voller bunter Fische und darunter die Inschrift: „Komm, folge mir, von nun an sollst du Menschenfischer sein“. Rechts eine riesige strahlende Sonne, darunter ein feuriges Schwert und die Botschaft: „Saulus, Saulus, ich bin Jesus, den du verfolgst.“ Petrus, der soll von jetzt an Menschen aus dem Wasser ziehen, soll die „auf-fischen“, denen das Wasser bis zum Hals steht. Und Paulus? Der soll sprichwörtlich „Feuer und Flamme“ sein für die Botschaft Jesu, und er soll in seinen Mitmenschen den Funken zum Glauben entzünden.

Petrus und Paulus, zwei sehr unterschiedliche Männer.
Der eine, Petrus, ein einfacher Fischer, wird von Jesus damals weg von seinem See gerufen. Er hätte alles für seinen Meister getan und trotzdem wirkt er immer mal wieder arg überfordert, wie jeder, der versucht  ehrlich zu glauben.

Und Paulus, der Intellektuelle, hat den Mund voll Sprüche und das Herz voll Hass. Er ist erst derjenige, der die neuen Christen verfolgt. Ohne Kompromisse. Die Legende erzählt, dass Gott ihn buchstäblich vom hohen Ross wirft, in den Staub. Erst ganz unten erkennt er, was wahr ist und stellt sein Leben völlig auf den Kopf.

Es sind nicht die Perfekten und Abgeklärten, die Gott sucht und sendet. Es sind Menschen, so wie wir alle Menschen sind. Und Menschen streiten auch miteinander. Zwischen Petrus und Paulus hat es so gekracht, dass die Bibel darüber berichtet.  Gestritten haben sie, wie es weitergehen soll mit der Sache Jesu, mit der jungen Kirche, damals im 1. Jahrhundert. Irgendwie haben sie sich dann aber doch zusammengerauft. Ob sie jemals Freunde waren, der Fischer Petrus mit dem Netz und der feurige Paulus? Keine Ahnung. Beide gingen getrennte Wege, aber sie machten gemeinsame Sache – nämlich andere für Christus zu begeistern und denen zu helfen, die unterzugehen drohen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

28JUN2022
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Ich bin 19 Jahre alt und sitze vor dem Ausschuss, der darüber zu entscheiden hat, ob ich als Wehrdienstverweigerer anerkannt werde. Ein halbes Jahr vorher war ich direkt nach dem Abitur zur Bundeswehr eingezogen worden. Damals galt ja noch die Wehrpflicht. 

Reiß die 15 Monate ab, hab ich mir gedacht, geh den Weg des geringsten Widerstandes. Schnell habe ich dann gemerkt, dass das so nicht gehen kann.  Von wegen „geringster Widerstand“. Das ständige Krieg spielen in der Einheit, der ich zugeteilt war, hat mich fertig gemacht. Irgendwann war die innere Not so groß, dass ich als Soldat den Wehrdienst verweigert habe. Nie vergesse ich die eine Frage in der hochoffiziellen Verhandlung, der man sich damals stellen musste: „Sie sind doch Pfadfinder und haben da Verantwortung für die Kinder, die Ihnen anvertraut sind. Was machen Sie denn, wenn die bei einer Wanderung im Wald von irgendeinem Übeltäter mit einer Waffe bedroht werden?“ Fangfrage, dachte ich mir und habe dann ganz einfach und ehrlich geantwortet: Ich würde natürlich die Kinder verteidigen und wenn nötig, dem anderen auch eins über die Rübe hauen.

O Je, habe ich dann gedacht. Jetzt werde ich wohl abgelehnt. Zu meinem Glück kam es aber doch anders. Ich erzähle diese Geschichte, weil ich seit dem Ausbruch des Ukrainekrieges manchmal daran denken muss. Daran, dass es wohl keine klaren, eindeutigen Antworten auf die Gewaltfrage gibt. Daran, dass jeder Einzelne aber auch ganze Gesellschaften gerade darüber immer wieder in Gewissenkonflikte geraten. Aber an der Vorstellung einer Gesellschaft ohne Gewalt, in der Menschen sich lieben und respektieren, möchte ich einfach festhalten. Trotz alledem. Und mit den einfachen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, weiter daran arbeiten. Ohne Abstriche. Und mich immer wieder an die Worte der Bergpredigt aus der Bibel erinnern. Man kann sie nicht oft genug wiederholen: „Alles was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen. Darin besteht das Gesetz und die Propheten“. (Mt7,12)

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

27JUN2022
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Eine ganz scharfe Zunge hat er gehabt, der Hamburger Kabarettist und Autor Hans Scheibner. Vor ein paar Wochen ist er mit 85 Jahren gestorben. Neben vielen anderen hat er auch denen eins übergebraten, die wie ich heute Morgen als Kirchenmensch im Radio sprechen. Da bewundert er, wie wir den so genannten "heiligen Bogen" schlagen. Das heißt: wie es der Mensch im Radio schafft, von irgendeinem weltlichen Anlass irgendwie auf die himmlischen Verhält­nisse zu sprechen zu kommen."

Beispiel: Ein Apfelgehäuse auf der Straße. Unscheinbar und missachtet. Und doch: In diesem Gehäuse ist der Kern die Kraft für einen neuen Baum. So ist es auch mit dem Menschen und dem Höchsten dort droben..." Schwupp hat er die Kurve gekriegt! Und Scheibner kennt noch andere Beispiele: Die Glühbirne z.B. – „nur wenn der Vater sie einschaltet, strahlt sie und wandelt das Dunkel in Licht.“

Ich muss zugeben, ich fühle mich ein bisschen ertappt. Und lache trotzdem. Dabei will ich doch nur glaubhaft und ehrlich davon erzählen, wo und wie ich – vielleicht - Gott im Alltag begegnen kann. Der Hl. Ignatius von Loyola hat schon im 16. Jahrhundert seinen Ordensbrüdern diesen Auftrag gegeben: „Sucht und findet Gott in allen Dingen“. Im Sprechen, im Gehen, Sehen, Schmecken, Hören, Denken und überhaupt in allem - so beschreibt er diesen geistlichen Weg der Gottsuche. Ob Hans Scheibner das gewusst hat? Und was daran so wichtig ist? Diese Haltung verlangt nämlich, dass ich die Welt ganz ohne Vorurteile wahrnehme. Sie verlangt, dass ich in der ganzen Schöpfung Gottes, überall, sogar in mir selbst nach Gottes Spuren suche. Wenn wir das alle täten, dann sähe die Welt bestimmt anders aus. Ob ich heute Morgen den Hl. Bogen geschafft habe ohne aus der Kurve zu fliegen, das dürfen Sie jetzt entscheiden. Ich jedenfalls sage Hans Scheibner posthum „Danke“ für die Idee…..

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

09APR2022
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Das Bild ist einfach nur klasse: der Papst im Fiat 500, flankiert von riesigen SUV’s der Sicherheitsleute. So sah das aus, beim Besuch in den USA. Schon ein paar Jahre her, aber ich kann immer noch darüber schmunzeln. Eine ganz einfache Geste nur, aber die Wirkung, die hat schon was. „Zeig mir dein Auto und ich sage dir, wer du bist“. Nein, danke. Schaut her, signalisiert der Papst: bei mir zählt das nicht. Ich sage dir: es gibt eine Welt, die anders ist als die, an der du dich orientierst. Eine Welt, in der andere Dinge zählen als Reichtum, Macht und Einfluss. Und ein dickes Auto.

Das Bild von Papst Franziskus im Kleinwagen passt zum Palmsonntag morgen. Da wird in den Gottesdiensten die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem vorgelesen. Die Menschen laufen zusammen und jubeln ihm zu, wird da erzählt. Hurra, da kommt die Lösung unserer Probleme. Er wird uns die Römer vom Hals schaffen. Und alles wird gut werden.

Aber so einfach ist es nicht. Sie hätten es merken können. Wenn sie auf den Esel geschaut hätten. Auf einem Esel nämlich reitet Jesus nach Jerusalem hinein. Da spätestens hätten sie erkennen können, dass dieser Jesus denkbar ungeeignet ist, um die Römer aus der Stadt zu treiben. Denn, das zeigt der Esel, seine Macht ist nicht von dieser Welt. So wird er es später seinen Henkern auch sagen.

Und ich stehe heute, im Jahr 2022 da und sehe, wie die Macht dieser Welt in der Ukraine zuschlägt und alles platt macht, was sich ihr entgegen stellt. Und ich bin ratlos und hilflos. Ich weiß nur, dass Machthaber wie Wladimir Putin keinen Erfolg haben dürfen. Und dass das ohne Gegengewalt leider nicht geht. So abstoßend und destruktiv ich es auch finde. 

Ich weiß aber auch: Ohne die andere Macht, die nicht von dieser Welt ist, wird auch alles andere scheitern. Die Welt braucht die Sanftmütigen und die, die lieben, die Machtlosen und die, die helfen, die Fröhlichen und die, die beten. Ohne die, die fest an die andere Welt glauben, kann die, in der wir jetzt leben, nicht sein.

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