Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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12DEZ2022
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„Und was machen Sie sonst so, wenn Sie nicht gerade zu einem Geburtstag eingeladen sind?“ Mein Tischnachbar ist neugierig und ich erkläre ihm, dass ich katholischer Theologe bin und hin und wieder auch im Radio von Gott und der Welt erzähle. „Ach, dann sind Sie also gläubig?“ sagt er und guckt mich prüfend an. „Stimmt“ antworte ich ihm, „mal mehr und mal weniger.“ Damit habe ich ihn anscheinend irgendwie überrascht. Dabei war ich doch einfach nur ehrlich. Seine Überraschung kam vielleicht daher, dass ich das so einfach zugeben konnte. Ja, so ist das mit meinem Glauben: mal glaube ich mehr, mal weniger. Salopp gesagt ist das tagesformabhängig, hängt auch damit zusammen, was ich gerade so an Themen und Problemen mit mir herum schleppe. Im Urlaub fällt das Glauben einfacher als nach dem Besuch bei einem Schwerkranken oder nach einer halben Stunde Tagesthemen oder Heute Journal. Aber gerade dann sollte sich doch „der Glaube“ bewähren, wenn das Leben nicht einfach und leicht, sondern mühsam und schwer wird. Bei mir ist das nicht so leicht auseinander zu halten. Gerade jetzt, wo so vieles unbegreiflich ist, ob Krieg in der Ukraine, ob Weltklimapolitik, ob nordkoreanische Raketentests und und und. Da kann ich an diesem Gott verzweifeln. Denn mein Stoßgebet „Herr, schmeiß Hirn vom Himmel“, scheint ungehört zu bleiben. Dann kann es durchaus sein, dass ich mal weniger glaube oder auch ganz wenig. Nur verloren habe ich meinen Glauben noch nie. Und fragen Sie jetzt bitte nicht, wie und warum! In der Bibel, im Markusevangelium, gibt es die Geschichte vom verzweifelten Vater, der Jesus um Hilfe bittet. Er soll seinen schwer kranken Sohn heilen. „Wenn du kannst“ sagt der Vater. Und Jesus sagt ganz einfach: “Alles kann, wer glaubt!“ Eigentlich unerträglich, dieser Satz. Und von der Realität weit entfernt. Denn natürlich werden auch gläubige Menschen schwer krank. Zum Glück hat der Vater die richtige Antwort. Er sagt: „Ich glaube. Hilf meinem Unglauben!“ Diese fünf einfachen Worte, sind das ehrlichste Gebet, das ich kenne.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36721
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