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SWR4 Abendgedanken

06FEB2024
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Ich war neulich im Fitness-Studio – auf dem Laufband. Das muss man ja heutzutage fast schon: Im Fitnessstudio sein Cardiotraining machen. Also laufe ich auf dem Laufband und laufe, komme aber irgendwie nicht so richtig voran. Klar – das ist ja auch der Sinn eines Laufbands. Und trotzdem frage ich mich das jedes Mal: „Was mache ich da eigentlich?“

Als ich da auf dem Laufband unterwegs war, habe ich mir überlegt: In meinem Leben ist es manchmal ganz genauso. Ich bin unterwegs und laufe so durchs Leben und habe trotzdem nicht das Gefühl, dass ich vorwärtskomme. Und falls doch, dann weiß ich manchmal auch nicht, wo es denn eigentlich hingeht – aber komme ich vom Fleck? Wann komme ich denn in meinem Leben an? Und vor allem wo?

„Unser Leben dauert etwa 70 Jahre“ heißt es einmal in der Bibel, „und wenn wir bei Kräften sind, auch 80 Jahre. Das Meiste daran ist nur Arbeit und vergebliche Mühe. Schnell ist es vorüber, im Flug sind wir dahin.“ 

Dieser Satz aus einem alten Gebet bringt es für mich ziemlich genau auf den Punkt. Wie oft habe ich das Gefühl, dass ich mich abmühen muss. Bis ich weiß, was aus mir mal werden soll. Bis ich dann meinen Beruf gefunden und erlernt habe. Bis ich weiß, ob ich eine Familie möchte. Und, wenn ich eine habe, bis dann da alles gut funktioniert.

Wohin geht es weiter? Wird die Partnerschaft weiter gut laufen? Sind die Kinder glücklich und werden sie ihren Weg gehen können? Und plötzlich – so erzählen es mir ältere Menschen oft – ist man alt und fragt sich, wo die Zeit geblieben ist. Es ist wie auf dem Laufband: Die Zeit hält nicht an.

Während man läuft nicht. Und auch nicht, wenn man mal stehenbleibt, um zu verschnaufen. Um sich neu zu orientieren, bevor es weitergeht.

„Schnell ist die Zeit vorüber und im Fluge sind wir dahin.“ So steht es in diesem Gebet. Ich glaube aber nicht, dass mich das entmutigen soll. Weil ich eh nirgends ankommen werde. Ich denke, es geht darum, nicht ständig nach der Richtung zu fragen, in die ich laufe. Es kommt nicht so sehr auf das Ziel an, sondern dass ich auf dem Weg bin. Ich kann meinen Weg in einem gewissen Rahmen gestalten, mal mehr und mal weniger. Aber der Lauf der Zeit hält niemals an.

Und wenn ich am Ende zurückblicke - nach 70 oder 80 Jahren, oder 90 oder 100. Wenn ich zurückschaue, wo die Zeit hingekommen ist, dann sehe ich auch all das wertvolle auf meinem Weg. Der Weg ist also das Ziel, selbst wenn ich mal wieder auf dem Laufband schwitze.

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SWR4 Abendgedanken

05FEB2024
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Wie bin ich eigentlich der Mensch geworden, der ich heute bin? Spannende Frage, oder? Darüber haben wir uns neulich im Gottesdienst unterhalten. Wir sollten uns einfach ein paar Minuten mit den Menschen austauschen, die da so um uns rumsaßen.

Spannend fand ich, dass es ganz viele Begegnungen waren, von denen mir die Leute erzählt haben. Also nicht einfach irgendwas aus der Schulzeit, sondern die Begegnung mit einem bestimmten Lehrer. Oder auch nicht einfach von der Ausbildung, sondern von der einen Kollegin, die einem bei der Arbeit begegnet ist.

Und es stimmt. Wenn ich überlege, was mich so geprägt hat, dann sind das auch vor allem Begegnungen: mit meinen Eltern, Lehrern. Meiner Schwester und meinen Freunden. Manchmal sind es auch ganz zufällige Begegnungen mit fremden Leuten, mit denen ich gar nicht gerechnet habe. Und es gibt im Leben auch Begegnungen, die verändern einen von Grund auf.

Genau so eine Begegnung hatte ein Mann namens Zachäus  – In der Bibel steht eine Geschichte über ihn: Zachäus war ein Gauner – Als Zollbeamter hat er den Leuten immer zu viel Geld abgeknöpft. Zachäus war also nicht gerade beliebt bei den Leuten.

Als Jesus dann die Stadt besucht hat, ist er aber doch neugierig geworden. Weil Zachäus ziemlich klein war, ist er kurzerhand auf einen Baum am Wegrand geklettert. Hier hatte er freie Sicht aus sicherer Entfernung.  Aber Jesus ist direkt auf seinen Baum zugelaufen, hat Zachäus ganz direkt angesprochen und hat sich bei ihm zum Abendessen angemeldet.

Dieses Essen und diese Begegnung haben Zachäus verändert. Er hat alles zurückbezahlt, von dem, was er zu viel verlangt hatte. Er war ein anderer Mensch geworden.

Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass Jesus ihm keine Vorwürfe gemacht hat. Ich glaube viel eher, dass er in ihm den Wunsch nach einem anderen Leben geweckt hat. Zachäus ist Jesus begegnet. Und diese Begegnung hat ihm die Augen geöffnet, wie er sein könnte. Was ihn zu einem glücklicheren Menschen machen kann.

Genau deshalb war Jesus bei uns. Um uns – wie bei Zachäus – zu zeigen, wie wir die beste Version von uns selber sein könnten.

Vielleicht ist es das, was ich aus der Zachäus-Geschichte mitnehmen möchte. In all den Begegnungen, die ich jeden Tag habe. Immer nach dem zu suchen, was auch Jesus in uns sieht. Wie wir sein könnten. Wie wir miteinander umgehen könnten. Für mich Grund genug Begegnungen wertzuschätzen, weil sie mich auch zu dem machen, was ich heute bin.

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SWR4 Abendgedanken

17NOV2023
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Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich bei uns Fuchs und Hase gute Nacht sagen – wirklich. Denn direkt hinter unserem Garten beginnt der Wald. Und mehr als einmal stand auch wirklich ein Fuchs schon bei uns im Garten.

Abends ist es bei uns einfach still und ruhig. Nur hier und da brennt noch Licht in den Wohnzimmern. Man sieht, wo ein Fernseher läuft und wer vielleicht gerade noch den Müll vor die Türe bringt.

Wenn ich abends noch eine letzte Runde mit dem Hund drehe, ist mir dabei schon oft die Zeile von einem Abendlied eingefallen: „Abend ward, bald kommt die Nacht. Schlafen geht die Welt …“  Ja genau so fühlt es sich hier an. Als ob die Welt schlafen gehen würde. Und sich Fuchs und Hase noch schnell eine gute Nacht sagen würden. 

Ich weiß natürlich, dass es in der Stadt um diese Zeit oft erst richtig los geht. Und dass nachts auch viel gearbeitet wird. In den Krankenhäusern, bei der Feuerwehr, den Notdiensten, auf den Autobahnen und an vielen Schreibtischen. Unsere Gesellschaft hat sich daran gewöhnt, dass die wichtigsten Posten ständig besetzt sind. Irgendjemand ist immer wach. Trotzdem hoffe ich, dass auch die später Ruhe finden, die jetzt noch unterwegs sind oder arbeiten müssen.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass es eine Zeit gibt, in der ich loslassen kann. In der alles ruht, was mich tagsüber so beschäftigt hat. Und mich eben auch die Welt mal in Ruhe lässt. Da wird nicht mehr an meiner Haustür geklingelt, das Telefon hat mal Pause und ich muss keine Termine einhalten. Und selbst die ganzen Konflikte und Kriege auf unserer schönen Welt, kann ich für den Moment zumindest loslassen.

Abend ward, bald kommt die Nacht. Und In dem Lied heißt es weiter: „Einer wacht und trägt allein unsre Müh und Plag, der lässt keinen einsam sein, weder Nacht noch Tag.“

Ich vertraue darauf, dass Gott für alle Menschen sorgt. Für die, die schon im Bett sind. Für die, die nicht schlafen können, weil sie ihr Alltag nicht loslässt. Und für die, die noch arbeiten müssen. Das alte Lied sagt mir. Ich darf abends einfach loslassen, denn jemand anderes sorgt sich. Ich darf Kraft schöpfen für den nächsten Tag.

Am nächsten Morgen ist mein Alltag wieder da. Aber erst einmal kann ich ausruhen. Soll ich ausruhen. Zu Ruhe kommen. Gott nimmt mir die Mühe und die Plage ab. Und morgen wird er mir Kraft geben für den neuen Tag.

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SWR4 Abendgedanken

16NOV2023
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„Ich schalte lieber schnell um …“ bei dem Gedanken erwische ich mich gerade ziemlich oft – wenn ich mit meinen Kindern unterwegs bin oder Fern sehe. Und Nachrichten kommen. Es sind mir zu viele Tote. Zu viele Opfer. Zu viele Kriege und Konflikte. Und zu viel Gewalt.

Ich weiß, dass ich meine Kinder davor nicht ganz schützen kann. Aber das würde ich so gerne. Alles von ihnen fernhalten, was mir selbst so weh tut.  Weil ich es einfach nicht verstehe. Und weil es mich so hilflos macht. Ich verstehe nicht, warum man Kriege führen muss. Und das dann auch noch mit dem Glauben rechtfertigen will. Ich verstehe nicht, warum manche immer noch mehr haben müssen. Immer Recht haben müssen. Und sich nicht einfach daran freuen können, was sie haben. Zumindest ein Stück weit. Am Ende leiden immer die am meisten, die eigentlich am wenigsten dafür können.

Unterm Strich bin ich mir sicher, dass die meisten Menschen doch eigentlich in Frieden leben wollen. Für ihre Kinder ein Leben in Frieden wollen – so wie ich auch. Und trotzdem geht unsere Welt in Gewalt geradezu unter. Und das macht mich so hilflos.

Ich bete. Ja. Aber selbst das erscheint mir im Moment zu wenig.

Vielleicht ist das aber auch etwas, das es so schon immer gegeben hat. In einem alten Gebet in der Bibel lese ich: „Rette mich, Gott! Das Wasser steht mir bis zum Hals. Ich bin versunken in tiefem Schlamm und finde keinen festen Grund. In tiefes Wasser bin ich geraten. Eine Flutwelle spülte mich fort. Erschöpft bin ich von meinem Schreien. Meine Kehle ist schon heiser.“

Ich habe keine Ahnung, was dieser Mensch erlebt hat. Aber scheinbar hat er sich auch so hilflos gefühlt. Ohne Halt. Vielleicht auch ohne Hoffnung. Und – Er betet trotzdem. Das scheint für ihn absolut klar und logisch zu sein. Egal, was passiert ist. Und egal, wie weit weg Gott in dem Moment zu sein scheint. Er ist und bleibt ansprechbar.

Ja, ich kann im Moment vielleicht wenig tun. Und Ja, das macht mich ein Stück weit hilflos. Und trotzdem will ich nicht damit aufhören. Für Frieden zu beten. Über Frieden zu sprechen. Frieden zu wollen und an ihn zu glauben.

Wir leben in keiner perfekten Welt. Das erleben wir jeden Tag. Das muss ich auch meinen Kindern zumuten. Ich kann nicht immer die Nachrichten wegschalten. Und trotzdem will ich für mich und für sie weiter beten, glauben und hoffen.

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SWR4 Abendgedanken

15NOV2023
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„Die meisten Leute suchen sich das Motiv aus, das ihnen am wichtigsten ist. Es geht schließlich unter die Haut …“. Das hat mir neulich eine junge Frau aus der Gemeinde erzählt. Denn genau das macht sie. Sie arbeitet in einem Tattoo-Studio und zeichnet Menschen Bilder unter die Haut. Tattoos, oder Tätowierungen sieht man in den letzten Jahren ja immer häufiger. Und man kann davon halten was man will. Aber ich habe mir das noch nie so klar gemacht: Dass Menschen sich ein Motiv tätowieren lassen, damit es ihnen buchstäblich unter die Haut geht. Weil es ihnen so wichtig ist und Spuren hinterlassen soll. Sichtbare Spuren, die etwas erzählen. Vielleicht hoffen sie, dass jemand die Spuren auf ihrer Haut sieht und nachfühlen kann, was sie erlebt haben.

Ich glaube das können sehr schöne Sachen sein, aber auch ganz schlimme. Und trotz Tattoo kann niemand in die Haut eines anderen schlüpfen und nachfühlen, was der erlebt hat – sei es nun etwas Schönes oder etwas Schreckliches. Kein Mensch kennt das Leben eines anderen Menschen so genau. So genau kennt es nur Gott. Denn ihm war es wichtig, es ganz genau zu wissen.

Deshalb ist Gott irgendwann in unsere Haut geschlüpft. Als er als Mensch zur Welt kam. Direkter geht gar nicht. Er hat es an der eigenen Haut erlebt, das Menschsein. Und ich bin Gott dankbar dafür. Er kennt mich. Und er weiß wie sehr mir gerade all die Konflikte auf dieser Welt und das viele Leid unter die Haut gehen. Er weiß aber auch, dass es mich immer wieder sehr bewegt, wenn meine Kinder mich umarmen.

Und genau das hat er selber erlebt. Genau das ist es, was Menschsein bedeutet. Dass wir hier auf unserer schönen Erde leben. Und dass wir mit all dem irgendwie klarkommen müssen, was wir jeden Tag so erleben.

Damit lässt das auch Gott nicht alles kalt, was mich beschäftigt. Und das ist vielleicht auch ganz gut so. Denn dadurch trägt er alles mit. Und er versteht, dass mir manches eben unter die Haut geht. Er freut sich mit mir, wenn ich mich freue. Er ist mit mir traurig, wenn ich traurig bin. Und er ist mit mir wütend, wenn ich wütend bin. Nur so verstehe ich es, dass mir manche Sachen so nahe gehen. Und sie mir eben so nicht nur unter die Haut gehen. Sondern noch viel tiefer.

Gott weiß alles von mir, weil er nicht nur in unsere Haut geschlüpft ist, sondern weil jede Zelle meines Körpers von ihm durchdrungen ist.

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SWR4 Abendgedanken

14NOV2023
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„Die schenke ich Ihnen.“ Mit diesen Worten hat mir neulich ein Mann zwei Haselnüsse in die Hand gedrückt. Und sich dann verabschiedet. Ich war mit dem Zug unterwegs und er hatte sich mit seinem Rollator neben mich gesetzt. Und hat angefangen zu reden. Dass er oft mit dem Zug fährt, dass er es so schön findet, wenn er hier und da aussteigen kann, um spazieren zu gehen. Und wo es die schönsten Parkbänke zum Ausruhen gibt.

Er hatte in dem Netz von seinem Rollator ein paar Blätter gesammelt. Ein besonders schönes hat er mir dann auch gezeigt und erklärt, dass das ein Gingko-Blatt sei. Wo er es her hat, wie man diese Bäume am besten pflegen muss und was sie für Standorte mögen. Vom Gingko kam er dann noch zu den Haselnusssträuchern. Ich weiß jetzt vermutlich alles, was man so über Haselnüsse wissen kann. Deshalb hat er mir dann zum Abschied die Haselnüsse geschenkt.

Meine Begegnung mit dem Mann war eine absolut zufällige Situation. Und jeder andere, der zufällig neben ihm gelandet wäre, hätte sich vermutlich denselben Vortrag anhören dürfen. Trotzdem hat mich diese Begegnung noch lange begleitet. Und ich habe mich gefragt, warum?

Vielleicht, weil ich die zwei Haselnüsse jetzt in meiner Hosentasche gespürt habe? Vielleicht, weil es für den Mann so normal war, mir das alles zu erzählen? Vielleicht, weil uns die Zeit nebeneinander für diesen einen Moment miteinander verbunden hat?

Vermutlich ein bisschen was von allem. Der Mann hat mich im besten Sinne beeindruckt. Wir sind uns wirklich begegnet – und nicht einfach nur nebeneinandergesessen. Der Mann hat mir das mitgegeben, was er weiß und was er gut kann. Einfach, weil ich in dem Moment zufällig da war. Und weil ich bereit war, zuzuhören. Jetzt weiß ich alles über Haselsträucher, und wer weiß, was ich damit noch anfangen werde.

Bei Jesus muss das damals auch so gewesen sein. Er hat die Menschen wohl auch beeindruckt. Mit dem, was er ihnen erzählt hat. Mit dem, wie er gelebt hat. Er hat Geschichten davon erzählt, wie das Leben auch sein könnte. In Bildern erklärt: Wie schön es wäre, wenn wir miteinander leben würden und nicht gegeneinander. Oder alle nicht nur nach sich selber schauen würden. Von Samenkörnern, die gepflanzt werden und aufgehen.

Im Vergleich dazu waren die Geschichten des Mannes neben mir im Zug vielleicht nicht so wichtig. Aber– wer weiß: die zwei Haselnüsse habe ich bei uns daheim im Garten in die Erde gesteckt – vielleicht geht ja was auf.

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SWR4 Abendgedanken

13NOV2023
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Ich liebe den Herbst. Die bunten Blätter sind mittlerweile fast alle unten. Und ich finde es einfach immer wieder toll, wenn unser Hund fast in einem Blätterhaufen verschwindet. Weil alles so spannend riecht.

Schade – denke ich deshalb manchmal – dass der Herbst in Sprichwörtern nicht so richtig gut wegkommt, wenn es um das Leben geht. Wenn vom „Herbst des Lebens“ die Rede ist, klingt das immer so nach alt sein. Nach sich verabschieden. Nach Endlichkeit und sogar nach Sterben. Ich meine ja, es stimmt schon. Die Bäume verlieren ihre Blätter und manche Menschen verlieren ihre Haare. Die Blätter werden vorher bunt. Die Haare grau oder weiß.

„Ich bleibe euch treu, bis ihr alt seid. Ich trage euch, bis ihr graue Haare habt. Das habe ich getan und werde es weiter tun. Ich bin es, der euch trägt und rettet!“

Das sagt Gott, wenn es um den Herbst des Lebens geht. In der Bibel finden sich die Geschichten dazu, wie Gott die Menschen trägt: bis ins Alter und selbst dann noch immer weiter. Mose z.B. war schon nicht mehr der Jüngste, als er eine ganze Nation aus der Sklaverei führen sollte. Und auch die die ganzen 40 Jahre in der Wüste, hat Gott ihn begleitet. Und auch darüber hinaus. Oder wie Abraham und Sarah – beide hochbetagt – am Ende doch noch Eltern werden.

Vielleicht ist es ja genau das, was mit dem „Herbst des Lebens“ gemeint ist. Nicht, dass das Leben schon vorbei ist, sondern eher, dass da vielleicht nochmal was Spannendes passieren könnte. Dass ich auch nochmal was machen oder lernen kann, was ich bisher noch nie gemacht habe. Dass es bunt wird, voller Farbe.

Dass ich aber vielleicht selber die Farben anders wahrnehme als in früheren Zeiten in meinem Leben. Wann das sein wird, weiß ich auch nicht so genau – meinen Haaren nach zu urteilen, könnte das bei mir schon anfangen …

Deshalb verstehe ich das Bild vom Herbst des Lebens mittlerweile so, dass ich einfach schon einige Jahre auf unserer schönen Welt lebe. Dass ich vieles ausprobiert habe. Ganz viel Schönes erlebt habe und so manches, auf das ich auch hätte gerne verzichten können. Das alles hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Und: es bedeutet für mich, dass ich eben nicht nochmal von ganz vorne anfangen kann. Ich kann kein Kind mehr sein. Und kein Teenager. Das will ich eigentlich aber auch gar nicht mehr. Und: Ja. Irgendwie heißt das auch, dass ich mir klar machen muss. Irgendwann ist mein Leben Mal zu Ende. Aber dazwischen liegt eine Zeit, die man Herbst des Lebens nennt. Bunt und farbenreich. Und auch in dieser Zeit gilt Gottes Versprechen für mich: „Ich bleibe euch treu, bis ihr alt seid.“ Gott begleitet uns zu jeder Jahreszeit – auch im Herbst und noch darüber hinaus.

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SWR4 Abendgedanken

06OKT2023
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„Die größte Herausforderung war für mich die Himmelsleiter“ – das hat mir ein Mann vom Nachbartisch erzählt. Vermutlich habe ich ihn ein bisschen verwundert angeschaut. Deshalb hat er nachgeschoben, dass das in einem Klettersteig war. Wir waren im Urlaub in Österreich wandern und da sind wir ein bisschen ins Gespräch gekommen. Ich habe das dann gegoogelt und beschlossen, dass ich da nicht rauf muss. Aber – ich muss ja zugeben: als Pfarrer habe ich bei „Himmelsleiter“ direkt an die Bibelgeschichte von Jakob  denken müssen – vielleicht war ich auch deshalb so verwundert.

Jakob hatte sich mit seinem Bruder überworfen und der war zurecht sauer auf ihn. Er hatte ihn um sein Erbe betrogen und war deshalb geflohen. Nachts schlief er im Freien und träumte eben – genau von einer Himmelsleiter. Von einer Leiter, die auf dem Boden steht und die bis in den Himmel reicht. Soweit, dass auf dieser Leiter Engel hoch- und runtergeklettert sind.

Für Jakob war dieser Traum etwas ganz Besonderes. Weil er dadurch verstanden hat, dass Gott ihn nicht aufgegeben hat. Und das, obwohl er seinen eigenen Bruder betrogen hatte. Das hat ihm die Kraft gegeben weiterzugehen. Mit seinen Fehlern im Gepäck – und am Ende haben sich die Brüder auch wieder versöhnt.

Für mich ist diese Himmelsleiter auch etwas ganz Besonderes. Weil sie ein schönes Bild für die direkte Verbindung zwischen Gott und der Welt ist. Ich habe natürlich auch noch nie so eine Leiter gesehen. Und da bin ich eigentlich auch echt froh drüber – Mit Höhe habe ich es nicht so.

Aber dieses Bild steht genau dafür. Dass es eine Verbindung gibt zwischen uns Menschen und Gott. Dass es kein unüberwindliches Hindernis ist, das zwischen uns steht. Auch wenn wir eben ganz Menschen sind.

Und noch ein zweites: Die Himmelsleiter ist in beide Richtungen begehbar. Die Engel gehen als Boten auf und ab. Es ist also keine Einbahnstraße.

Ich kann mit Gott reden. Beten. Ihm erzählen, was mich alles so beschäftigt. Worüber ich mich freue und was mir das Leben manchmal schwer macht. Ich muss nicht raufsteigen. Das machen meine Gedanken, meine Gebete und Wünsche für mich. Und ich merke, dass dann auch was zurückkommt. Dass ich einfach spüre, dass ich nicht allein bin mit meinen Gedanken. Ein Stückchen Himmel, wenn man so will. Ganz oben von der Leiter.

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SWR4 Abendgedanken

05OKT2023
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Jetzt ist es tatsächlich soweit. Seit sieben Jahren bin ich nicht mehr umgezogen. Wir sind seit 2006 vier Mal umgezogen. Und wohnen jetzt eben seit sieben Jahren am Rande der Schwäbischen Alb. Und damit so fest an einem Ort, wie schon lange nicht mehr.

Dabei ist es mir trotz der vielen Ortswechsel eigentlich nie schwergefallen, den neuen Wohnort als mein Zuhause zu bezeichnen. Im Gegenteil. Ich habe schon oft schmunzelnd erzählt, dass ich von zu Hause nach Hause gefahren bin – weil ich zu meinen Eltern gefahren bin, oder so.

Für mich ist „zu Hause“ eigentlich mehr ein Gefühl, als ein Ort.

Die Bibel geht da sogar noch einen Schritt weiter.  Immer wieder ist in Geschichten und Gebeten davon die Rede, dass wir noch ein Zuhause haben. Ein Zuhause bei Gott.

Das finde ich eine tolle Vorstellung. Vor allem deshalb, weil es in der Bibel ganz viele Geschichten gibt, in denen Gott die Menschen begleitet. Dieses Zuhause bei Gott hat auch nicht immer den gleichen festen Ort. Und es ist auch eher ein Gefühl von Geborgenheit und Begleitung. Es ist ein Versprechen, dass Gott immer da ist. Gott schenkt uns Menschen also sowas wie ein „zuhause to go“.

Was für eine schöne Vorstellung! Vor allem für die Menschen, die gar kein Zuhause haben, oder ihr Zuhause verlassen mussten. Da gibt es einen Ort, der ihnen Sicherheit gibt – und mir. Da gibt es einen Platz bei Gott, weil wir ihm wichtig sind. Und genau deshalb ist dieser Platz da, wo ich bin. Den gibt es nicht irgendwann einmal. Der ist auch nicht irgendwo versteckt oder nur für ganz bestimmte Leute da. Bei Gott ist Platz für mich. Und für alle, die sich danach sehnen, ein Zuhause zu haben. Und gleichzeitig bedeutet dieses Zuhause bei Gott nicht Stillstand.

Denn: Ein Zuhause zu haben schließt immer auch einen Weg mit ein. Ein Stück Leben, das manchmal auch Umwege beinhaltet. Und ein Zuhause lässt mich auch immer wieder aufbrechen. Auf neuen Wegen, weil ich weiß, dass Gott immer mitgeht. Es tut mir gut zu wissen, dass ich diesen Platz bei Gott habe. Wo ich einfach sein kann. Wo ich dazu gehöre. So, wie ich bin. Wo ich akzeptiert werde und mich nicht rechtfertigen muss. Nicht erklären, warum ich da bin. Wo ich mich sicher und geborgen fühle. Und wo ich einfach spüre: hier bin ich zu Hause

Wo auch immer sie gerade sind. Kommen sie heute gut zu Hause an.

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SWR4 Abendgedanken

04OKT2023
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I han eich no was ibrichglasse – also: „Ich habe euch noch was übrig gelassen …“

… damit hat sich neulich morgens beim Bäcker ein Kunde verabschiedet. Alle anderen mussten natürlich schmunzeln. Im ersten Moment dachte ich: „Was für ein blöder Spruch“. Die Regale der Bäckerei waren ja noch voll mit frischen Brezeln, Brötchen und frisch gebackenen Broten. Je länger ich aber darüber nachgedacht habe, desto sympathischer wurde er mir. Vor allem, weil es der Mann mit diesem einen Satz geschafft hat, uns alle aus unserer morgendlichen Schlafzimmerstimmung zu holen.

Das kennen Sie bestimmt, wenn Sie morgens beim Bäcker sind. Alle schauen einfach nur müde vor sich hin. Und warten nur darauf mit den gefüllten Brötchentüten zu ihrem Kaffee nach Hause zu kommen.

Mittlerweile denke ich, dass es mehr so Menschen geben müsste. Die einfach Mal einen ganzen Laden zum Schmunzeln bringen. Die es schaffen, dass alle für einen kurzen Moment einfach nur lächeln müssen. Kinder können das auch. Ich weiß noch gut: Als unser Sohn noch klein war, und wir in Stuttgart in der U-Bahn unterwegs waren, genügte sein Lächeln und alle haben mitgelächelt.

Als Jesus einmal in der Nähe eines Dorfes war, da kamen auch Kinder angelaufen. Viele der Erwachsenen fanden das aber gar nicht gut. Sie wollten sie wieder wegschicken. Aber das hat Jesus nicht zugelassen. Im Gegenteil. Er hat seine Arme ausgebreitet und gesagt: „Lasst doch die Kinder zu mir kommen, hindert sie nicht daran! […] Wer sich das Reich Gottes nicht wie ein Kind schenken lässt, wird nie hineinkommen.  Dann hat er sie auch noch gesegnet. Ich kann mir gut vorstellen, dass das dem ein oder anderen auch ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat.

Vielleicht sogar denen, die vorher geschimpft hatten.

Manchmal braucht es einen Impuls von außen. So einen Lächel-Anstupser. Unser Alltag ist doch ernst genug. Dass ich über den Moment hinausdenken kann. Und es mich vielleicht aus einer bestimmten Stimmung rausholt – zumindest, wenn ich das in dem Moment zulassen will.

Genau das hat der Mann morgens beim Bäcker geschafft. Aus diesem müden jede und jeder für sich, ist ein gut gelauntes wir geworden. Das habe ich an dem Morgen mit nach Hause genommen. Und mir vorgenommen, dass ich genau da drauf mal achten möchte in nächster Zeit. Wo kann ich vielleicht meinen Teil dazu beitragen? In diesem Sinne: Lassen sie mir was übrig …

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