SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

08FEB2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Endstation – so muss es sich für die Frau anfühlen. Sie ist Mitte 70. Ihr Mann im Pflegeheim und schwer dement. Ich begleite die Familie gerade in meiner Gemeinde.

Jetzt hat sie das Haus verkauft und zieht in eine kleinere Wohnung. Eigentlich wollte sie das noch mit ihm zusammen. Aber zu Hause ging es einfach nicht mehr. Jetzt der Umzug. Aber Endstation?

Ich meine, die Situation an sich ist schon bitter. Er hat bis 70 gearbeitet. War selbstständig. Ist dann krank geworden. Demenz. Was für eine Diagnose. Und es ist so schnell so viel schlimmer geworden, dass er jetzt ins Pflegeheim musste. Für die Familie war das ein Abschied auf Raten und doch auch eigentlich keiner. Er ist ja noch da.

Dass das Leben und alles, was dazugehört irgendwann einmal zu Ende ist, scheint die Menschen schon früher beschäftigt zu haben. In einem Gebet in der Bibel heißt es: „Der Mensch ist so vergänglich wie das Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Feld. Wenn der Wind über sie hinwegfegt, ist sie dahin. Wo sie gestanden hat, bleibt keine Spur von ihr.“

Es stimmt: Unser Leben kann sehr zerbrechlich sein. Für diese Familie bricht da buchstäblich ganz vieles von heute auf morgen weg. Und trotzdem: Jeder Mensch hinterlässt Spuren im Leben, auch, wenn der Mann sich nicht mehr daran erinnern kann. Gemeinsame Erinnerungen, Urlaube, Planungen, vielleicht eine Familie. Deshalb ordnet dieses Gebet auch das Leben in ein großes Ganzes ein. Und erinnert daran, dass das Leben ein großes Geschenk von Gott an uns Menschen ist. Und, dass es gut ist, das nicht zu vergessen. „[…] und vergiss nicht, was er Dir Gutes getan hat“, so heißt es auch in diesem Gebet.  

Ja, die Situation der Frau ist bitter. So hat sie sich das sicher nicht vorgestellt, und ich hätte es ihnen auch anders gewünscht. Und trotzdem ist es alles andere als eine Endstation. Es ist eine weitere Station auf dem Weg des Lebens. An der jetzt eben vielleicht dran ist, das nicht zu vergessen, was alles gut war in diesem Leben. Dankbar dafür zu sein, was sie alles gemeinsam geschafft und erlebt haben.

Schmerzvoll ja, aber nicht hoffnungslos. Der Weg hat sich verändert, ist anders verlaufen als gedacht. Das ist sicher nicht einfach. Aber wer weiß, vielleicht kann so auch dieser Abschnitt noch was ganz Besonderes werden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37041
weiterlesen...