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Seit sieben Monaten lebe und arbeite ich an einem neuen Dienstort. Die Gemeinde zeigt ein großes diakonisches Engagement und lädt seit mehr als zehn Jahren mit Christen anderer Kirchen zu einem „Mittagstisch für alle“ ein. Vor der Corona-Pandemie fand der Mittagstisch einmal wöchentlich in unseren Gemeinderäumen statt. Ein warmes Essen wurde an die Gäste ausgeteilt. Wer wollte, legte eine Spende in ein Kässchen ein – doch niemand war dazu gezwungen. Viele kamen, pflegten und genossen die Tischgemeinschaft mit anderen und hielten sich dabei in einem warmen Raum auf. Wichtig war den Mitarbeitenden in dieser Zeit nicht nur die „Leibsorge“, sondern auch die „Seelsorge“. So hatten Mitarbeitende Zeit für Gespräche und Begegnungen mit den Gästen, die oft in unbefriedigenden Verhältnissen lebten und bis heute leben. In der Zeit der Corona-Lockdowns wurde der Mittagstisch als „Mitnehm-Variante“, als „Mittagstisch to go“ angeboten. Auch hier kamen die Gäste – aber viele vermissten das gemeinsame Essen, die Gespräche beim Kaffeetrinken oder die Möglichkeit zum Beratungsgespräch.
Doch dieser Mittagstisch prägte und prägt auch unsere gemeindliche Wahrnehmung in der Stadt. Daran musste ich mich bei meinem Neubeginn erst wieder gewöhnen. Oft klingeln Telefon oder Türglocke. Dann meldet sich einer unserer Gäste und erbittet Hilfe: Etwas zu essen oder zum Anziehen oder aber auch nur ein Gespräch. Wenn es klingelt, nehme ich mir Zeit für diese Gäste an meiner Tür. Ich höre zu, versuche zu beraten oder auch ganz praktisch zu helfen. Nur selten lasse ich die Bitten ‚meiner Gäste‘ unerhört. Nach solchen Begegnungen denke ich dann an ein biblisches Motto, das so lautet: „Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag“ (Sprüche 3,27).
Ich erfülle nicht jeden Wunsch. Aber vielleicht kann ich ein wenig die größte Not lindern. Dabei sind das für mich keine „guten Werke“, um mich selbst gut zu fühlen. Sondern mir geht es um Mitmenschlichkeit, die wir einander sehr wohl gönnen dürfen.
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Eine 37jährige Krankenhausseelsorgerin in Berlin sagt: „Das hier ist nicht meine erste Blockade. Ich bin jedes Mal vorher aufgeregt. Am liebsten würde ich es nicht machen. Aber wir rasen auf eine Katastrophe zu – und die Bundesregierung hat keinen Plan, wie wir da rauskommen sollen.“ Die Frau protestiert mit bei der „Letzten Generation“. Ich verstehe die Beweggründe jener Klimaschützer gut, denn auch ich sehe, dass das sogenannte „menschliche Zeitalter“ Welt und Schöpfung nicht guttun. Dennoch stimmt mich ihr Eigenname traurig. Ich finde es schade, dass sich jemand, der mitten im Leben steht, als „Letzte Generation“ betrachtet.
Vor einigen Tagen feierte ich einen Gottesdienst mit, der all diese Fragen, Probleme und Missstände ebenfalls benannt hat. Der Gottesdienst unter dem Motto „Generation Z“ für „Generation Zukunft“, sagte im Untertitel: „Sinnsuche zwischen Angst und Perspektive“. Schülerinnen und Schüler von zwei Schulen des Franziskaner-Ordens gestalteten den Gottesdienst mit und drückten ihre Hoffnung mit dem Satz aus: „damit Leben gelingt“. Als biblische Geschichte stand die Begegnung des auferstandenen Jesus mit jenen Jüngern im Mittelpunkt, die am Ostertag in resignativer Stimmung auf dem Weg nach Emmaus waren – zurück in ihr altes Leben, ihre alte Heimat. Jesus gesellt sich unerkannt zu ihnen und spricht ihnen Mut zu. Doch erst als er mit ihnen zu Tisch sitzt und das Brot bricht, erkennen sie ihn. Dann war er auch schon wieder verschwunden. Die Jünger erhielten neue Lebenskraft und neuen Lebensmut. Sie rannten zurück nach Jerusalem, um ihren ehemaligen Jüngerkollegen zu sagen, dass „Jesus lebt – und ihr Leben auf dieser Erde, in dieser Welt von nun an gelingen kann“. Daraufhin entwickelt sich bei ihnen eine hoffnungsvolle Lebensperspektive.
Zu dieser „hoffnungsvollen Generation Zukunft“ gehören bis heute alle Glaubenden. Deshalb können glaubende Menschen alles dafür tun, dass das „Leben hier auf Erden gelingt“. Wir müssen keine von Menschen gemachte „schöne, neue Welt“ auf Mond oder Mars errichten. Sondern Christen hoffen, dass Gott diese Welt weiterhin erhält und eines Tages „ein Reich aufrichtet, das nimmermehr zerstört wird“ (Daniel 2,44) – auch von uns Menschen nicht.
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Wie wäre es wohl, wenn Menschen es hin und wieder einmal schaffen würden, aus dem Kreislauf von „Aktion – Reaktion“ auszubrechen oder ihn zumindest einmal zu unterbrechen? Vielleicht erinnern Sie sich an jenen bewegenden Musikfilm, in dem folgende Redewendung eine problematische Rolle spielte: „action – réaction“. Die beiden Worte werden in dem Film „Les Choristes“, bei uns besser bekannt unter „Die Kinder des Monsieur Matthieu“ oft gebraucht. Der Satz wurde dann angewandt, wenn etwas „aus dem Ruder“ oder „schiefgelaufen“ war. Dann folgte einer etwas problematischen Aktion eine noch heftigere Re-Aktion. Doch dies Handlungsschema funktioniert scheinbar nicht nur in diesem Film. Es scheint auch unser gesellschaftliches Mit-Einander, oder sollte ich eher „Gegen-Einander“ sagen, zu prägen. Natürlich ist „Aktion – Reaktion“ ein wichtiges Element im Leben. Doch manchmal erscheint es mir wie ein unangenehmer Kreislauf, der das menschliche Miteinander eher stört oder zerstört, als ihm in guter Weise weiterzuhelfen.
Da finde ich es hochinteressant, dass biblische Texte diejenigen, die sie lesen und die danach leben möchten, zu einem ganz anderen Verhalten einladen. Bereits in der Hebräischen Bibel werden die Menschen zu folgendem Tun eingeladen: „Hungert deinen Feind, so speise ihn mit Brot; dürstet ihn, so tränke ihn mit Wasser“ (Sprüche 25,21). Jesus formuliert es sogar noch etwas herausfordernder: „Liebt eure Feinde und tut Gutes und leiht, ohne etwas dafür zu erhalten… denn Gott ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen“ (Lukas 6,35). Auch hier findet sich das Motto „Action – Réaction“ im Hintergrund – aber eben nicht als Eskalation von Gewalt, sondern als herausfordernde Mitmenschlichkeit. Ich weiß: Es ist nicht einfach, einem hungernden Feind Brot zu geben oder einem dürstenden Feind ein Glas Wasser zu reichen. Mir geht das mit gleichen Mitteln ‚heimzahlende Re-Agieren‘ auch oft leichter von der Hand. Aber ich will mich von diesen biblischen Anregungen gern in meinem Alltag herausfordern lassen. Vielleicht gelingt es mir ja ansatzweise, einem Menschen, der mir nicht unbedingt wohlgesonnen ist, Gutes zu tun. Das mag ein gewisses Maß an Selbst-Überwindung kosten. Aber solches Verhalten durchbricht zumindest die ungute Spirale von „Action – Réaction“ – probieren Sie es doch mal aus!
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Beweglich, flexibel zu sein ist eine gute menschliche Eigenschaft. Ich mag bewegliche Menschen – vor allem im Blick aufs Denken oder Verhalten. Das Gegenteil von Beweglichkeit ist in der Regel „Betonkopf-Mentalität“. Da prägen sich im Laufe eines Lebens Einstellungen und Lebenshaltungen aus, die fast unveränderbar sind. Oft erscheint solches Beharren auf alten Überzeugungen als merkwürdig, schrullig oder einfach ‚aus der Zeit gefallen‘. Aber manchmal sind solche Verhaltensweisen auch richtig gefährlich. So empfinde ich die gegenwärtige Klimadiskussion als echt problematisch. Ich will Ihnen auch sagen warum: Wir wissen seit vierzig Jahren, dass sich das Klima verändert und wir mit unserer Welt schonender umgehen müssen. Darum wäre es wahrlich gut, ALLES zu tun, um den dramatischen Klimawandel einzubremsen. Was das bedeuten kann? Ich gleite auf Autobahnen mit 130 km/h dahin und höre meinen Lieblingssender im Radio; ich kaufe plastikfreier ein; ich verzichte auf den Coffee-to-go im Einwegbecher – und genieße ihn stattdessen im Café; ich spende einen Teil meines Geldes für Umweltschutzprojekte. Ich höre die Einwände: Dass es kaum einen Unterschied macht, ob ich dies tue, oder nicht. Das stimmt. Aber wenn es viele – aus Überzeugung und einer veränderten Einstellung heraus – tun, könnte es wirken.
Wichtige Voraussetzung dabei ist jedoch, dass mein Denken und Verhalten flexibel sind. Ich muss nicht auf meinen eingefahrenen Gleisen bleiben, sondern könnte mich beweglich auf das Alt-Neue einlassen, das momentan hilfreich ist. So flexibel zu leben ist übrigens – wenn man es so sehen will – fast schon eine göttliche Eigenschaft. Als Mose von Gott wissen wollte, wer Er sei, antwortete Gott ihm mit folgendem Satz: „Ich werde sein, der ich sein werde (Exodus 3,14)“. Das bedeutet: Der biblische Gott ist kein unwandelbarer, unbeweglicher „Betonkopf-Gott“. Sondern wir haben es mit einem höchst lebendigen, beweglichen Gott zu tun – der sich nur in einer Sache treu bleibt: Er möchte unsere guten Lebensbedingungen in der von Ihm erschaffenen Welt erhalten. Da wäre es schön, wenn wir wenigstens das uns Mögliche dazu beitrügen.
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„Am Ende wird alles gut – und wenn es noch nicht gut ist, kann es noch nicht das Ende sein“. Diesen Satz vertonte der Deutsch-Rapper Casper in einem seiner Songs. „Am Ende wird alles gut“ – ist eine hoffnungsvolle, geradezu hoffnungsgeladene Aussage. Hier möchte jemand die Erlebnisse und Ereignisse seines Lebens – auch die schwierigen – positiv in sein Leben integrieren. Ein starker Optimismus kommt zur Sprache.
Dieser Satz fordert mich auch heraus, denn er ist nicht einfach zu verstehen. Ich kann ihm nicht einfach nickend zustimmen. Denn was bedeutet es, dass „am Ende alles gut werden soll“? Muss ich dann auch die schwierigsten Dinge meines Lebens „schönreden“? Oder blende ich das Unangenehme einfach aus und betrüge mich selbst?
Und was ist mit jenen, die sich genau das wünschen – „am Ende wird alles gut“ – und es ihr Leben lang nicht erleben? Was ist mit jenen, die an ihrer Hoffnung, dass „alles gut wird“ scheitern? Weil ihnen entsprechende Erfahrungen nicht zuteilwerden oder weil ihnen die seelische Stärke fehlt? Mancher Mensch erlebt: Ich bin seelisch nicht so stark, dass „am Ende alles gut wird“.
Darum weist mich dieser Satz darauf hin, dass dies eher eine Glaubenserfahrung sein könnte. Viele biblische Texte erzählen davon: Menschen, Gottvertrauende erleben schwierige Zeiten. Sie werden angefeindet, verleumdet, gehasst, unterdrückt, verfolgt – und das, obwohl sie niemanden geschädigt haben. Dennoch werden sie zu sozialen Außenseitern gemacht. Sie spüren: Von allein wird das „nie gut“. Deshalb wenden sie sich an Gott und klagen Ihm ihre Situation. David, der große israelitische König und begnadete Liederdichter drückte diese Erfahrung, dass „am Ende alles gut wurde“ so aus: „Herr, mein Gott, da ich schrie zu dir, machtest du mich gesund“ (Ps 30,3). Das Spannende an den Psalmenliedern ist: Sie klagen Gott ihre schwierige Gegenwart. Aber sie vertrauen Gott, dass er ihre Klage hört und deshalb „am Ende alles gut wird“.
Dies Vertrauen möchte ich von diesen alten Texten immer wieder neu lernen: „Am Ende macht Gott alles gut“, denn Er hat das „letzte, gute Wort“.
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Manchmal erhält man unvermittelt und unvermutet bedrängende Mitteilungen. Manche davon können so schwer zu verdauen sein, dass man in eine Schockstarre verfällt. Oder es scheint sich der Boden unter einem zu öffnen. Dann gerät mit dieser einen Nachricht das gesamte Leben ins Wanken. Solche Mitteilungen bezeichnet man oft als „Hiobsbotschaft“.
Dies Wort bezieht sich auf eine biblische Person, die vor vielen tausend Jahren wahrlich Herausfordernd-Spannendes erleiden und erdulden musste. Hiob war eigentlich ein gemachter Mann – erfolgreich im beruflichen und familiären Leben. Doch dann wurde ihm nach und nach all das genommen, was sein Leben ausmachte. Er verlor seinen gesamten Besitz durch Diebstahl und Feuer. Dann starben all seine Kinder bei einem schrecklichen Unglück. Zuletzt wurde auch er gesundheitlich schwer krank. Eiternde, juckende Geschwüre bedeckten seinen Körper und trieben ihn fast in den Wahnsinn. Als jemand, der unter einer Neurodermitis leidet, weiß ich, wie sehr Juckreiz einen Menschen plagen kann. Hiob weiß sich nicht anders zu helfen, als sich in einen Aschehaufen zu setzen und mit einer Scherbe die Geschwüre aufzukratzen.
Trotz dieser furchtbaren Erlebnisse hielt er an seinem Glauben fest. Selbst als ihm geraten wurde, den Glauben an Gott dranzugeben, antwortet er mit dem Satz: „Wenn Gott uns Gutes schenkt, nehmen wir es gern an. Warum sollen wir dann nicht auch das Böse aus seiner Hand annehmen?“ Diese Dinge berichtet die Bibel in sehr knapper Form. Hiob erscheint völlig allein, auf sich gestellt.
Doch einige seiner Freunde hatten von seinem Ergehen gehört und besuchen ihn. Sie verhalten sich ebenfalls sehr ungewöhnlich, denn sie kommen – und schweigen. Eine ganze Woche sitzen sie mit Hiob zusammen und sagen kein Wort. Erst danach entspinnen sich lange Gespräche mit Klagen, Fragen und vermeintlichen Antworten. Hiob jedoch lässt sich durch ihr Nachfragen nicht verunsichern. Er ist sich keiner Schuld, keiner Vergehen bewusst. Immer wieder teilt er seinen Freunden mit, wie groß sein Gottvertrauen ist.
So ist auch der folgende Satz für mich ein herausforderndes Glaubensbekenntnis: „Das Leben gabst du mir und deine Liebe, dein Schutz bewahrte meinen Lebensgeist“ (Hiob 10,12). Ein solches Gottvertrauen gerade dann, wenn es fast unerträglich wird, fordert mich heraus und ermutigt mich sehr. Ich werde mir bewusst, dass ich mein ganzes Leben aus Gottes Hand empfange – im Guten wie im weniger Guten.
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Falls wir in den nächsten Tagen einigen Wetterkapriolen ausgesetzt sind, ist das „natürlich“. Tagsüber könnte es schon sommerlich-warm, nächtens jedoch empfindlich kühl, vielleicht sogar frostig werden. Ist dies der Fall, dann wissen wir: Uns „besuchen“ die „Eisheiligen“. Die bekanntesten von ihnen heißen Pankratius, Servatius und Bonifatius. Die Menschen früherer Zeiten lebten intensiver von und mit der Natur, der Schöpfung. Ihnen fiel auf, dass es Mitte Mai immer wieder Temperaturstürze gab. Da diese Menschen nicht nur das „Wetter“ direkter erlebten als wir, sondern auch den kirchlichen Heiligenkalender kannten, kennzeichnete man diese Tage schlicht mit eben jenen Namen. So lautet die Bauernregel an Pankratius: „Wenn’s an Pankratius gefriert, wird im Garten viel ruiniert. Ist Sankt Pankratius schön, wird guten Wein man sehn.“ Je nachdem also, wie das Wetter ist, freuen sich Gärtner, Winzer, Landwirte auf eine gute Ernte oder sie beobachten gespannt die weitere Entwicklung von Wachsen und Gedeihen.
Weil sich das Wetter an eben diesen Tagen sehr unterschiedlich zeigen kann, wurden diese kirchlichen Heiligen zu den „Eisheiligen“. Im Blick auf ihr christliches Leben waren sie weder „frostig“ noch „eisig“. Im Gegenteil: Sie lebten ihren Glauben in großer Überzeugung – und das oft schon in sehr jungen Jahren. Pankratius – sein Name bedeutet „der ganz Starke“ oder „der alles Beherrschende“ – wurde um 290 nChr in Kleinasien geboren und kam als Waisenkind zu seinem Onkel nach Rom. Dort jedoch war ihm kein langes Leben beschieden. Die Christen standen zu jener Zeit unter der strengen Beobachtung durch die weltlich-politischen Behörden und durchlitten damals einige Verfolgungen. Auch Pankratius geriet in eine solche. Er wurde um 304 nChr, mit vierzehn Jahren aufgrund seines Glaubens inhaftiert und kurze Zeit danach enthauptet.
Dieser „Eisheilige“ steht also nicht nur für besondere Wetterphänomene im Frühjahr. Vielmehr beeindruckt er mich damit, dass er schon in so jungen Jahren mit seinem christlichen Glauben ernst gemacht hat. Diesen „ganz starken“ Jugendlichen prägte sein Glaube so sehr, dass er ihn, wo immer es möglich war, bezeugte und sich auch von politischen Autoritäten nicht einschüchtern ließ. Von wegen „frostiger“ Eisheiliger – für mich kann seine Entschiedenheit zu einem echten Vorbild für mein eigenes christliches Bekenntnis in dieser Zeit werden.
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Die Passionszeit ist eine besondere Zeit. Viele Christen gestalten sie unter dem Motto „Sieben Wochen ohne…“ Andere verzichten auf Fleischkonsum, Alkohol, Nikotin oder Fernsehen. Wieder andere betrachten sie als richtige Fastenzeit: um abzunehmen oder um den Körper zu entgiften. Manche Zeitgenossen wollen gesunder, schöner, schlanker Frühling und Sommer genießen. Dabei werden dann die aufgestellten Regeln entweder genau beachtet oder auch laxer gehandhabt. Wie dem auch sei: Man könnte sich wunderbar über das Fasten und seine Nebenwirkungen streiten – und zwar nicht erst seit heute. Das war auch schon früher so.
Zu diesem Thema fand ich bei John Wesley (1703-1791), dem Gründer der methodistischen Bewegung, also bei „meinem aufgeklärten Kirchenvater“, einige interessante Gedanken. Dieser Menschenfreund, der sogar für die Abschaffung der Sklaverei eintrat, hatte für sein theologisches Denken vier Leitfragen. Er fragte: Was sagt die Bibel? Wie dachten die früheren Theologen? Was ist vernünftig? Was erfahre, erlebe ich selbst? Bibel, christliche Tradition, Vernunft und Erfahrung bestimmten sein Denken und Reden. Das war damals außergewöhnlich.
In exakt dieser Linie dachte John Wesley auch über das Fasten nach. Er schreibt: Bei keiner Sache „haben sich die Menschen mehr in Extreme verrannt als bei dem religiösen Fasten, von dem Jesus Christus gesprochen hat. Einige haben das Fasten weit höher bewertet, als es von Schrift und Vernunft her geboten ist. Andere dagegen haben es völlig missachtet und – als müssten sie Rache nehmen – es ebenso unterbewertet, wie die anderen es überbewertet haben. Die einen haben vom Fasten gesprochen, als wäre es das alles Entscheidende – wenn nicht das Ziel selbst, so doch unaufgebbar damit verknüpft. Die anderen meinten, das Fasten habe keinerlei Bedeutung und es sei eine fruchtlose Mühe, die überhaupt keine Beziehung zum Ziel des Glaubens habe. Die Wahrheit liegt sicher dazwischen: Das Fasten ist nicht alles, aber auch nicht nichts. Es ist nicht das Ziel selbst, aber ein kostbares Mittel, das dorthin führt; ein Mittel, das Gott selbst eingesetzt hat, durch das er uns gewiss seinen Segen geben will, wenn es richtig gebraucht wird“.
Sollten Sie also noch überlegen, ob Sie in diesem Frühjahr fasten wollen oder nicht, dann entscheiden Sie sich ruhig und vernünftig. Denn ein vernünftig durchgeführtes Fasten tut dem Körper ebenso wie dem Geist, der Psyche gut – gerade in diesen aufregend-bewegten Zeiten.
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Über allem die Liebe. Ein John-Wesley-Brevier, Stuttgart 2000, zum 17. März
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Der 15. März ist ein besonderer Tag! Nicht deshalb, weil sich nach der gestrigen Landtagswahl, heute die Sieger freuen und die Wahlverlierer ihre „Wunden lecken“. Sondern: 2019, vor zwei Jahren, fand zum ersten Mal der weltweit organisierte Klimastreik unter dem Motto „Friday’s for Future“ statt.
Nach dem Vorbild der Initiatorin Greta Thunberg gehen Schülerinnen und Schüler freitags während der Unterrichtszeit auf die Straßen. Sie protestieren dafür, dass wir endlich die Folgen des selbstgemachten Klimawandels ernst nehmen. So nahmen am 15. März 2019 weltweit fast zwei Millionen Menschen an den Demonstrationen teil. Nun bremste der Corona-Virus im Jahr 2020 diese Demos ziemlich ein. Dennoch: Der Klimawandel ließ sich ebenso wenig wie der Virus aufhalten – mit dem kleinen Unterschied, dass wir momentan impfend mit aller Macht gegen die Ausbreitung des Virus ankämpfen. Gegen den Klimawandel jedoch gibt es keine Impfstrategie. Hier sind vielmehr alle Menschen mit Einsicht und Vernunft gefragt, die globale Erwärmung durch das eigene Verhalten zumindest etwas aufzuhalten.
Was mich an der Bewegung „Friday’s for Future“ vor allem anspricht, ist die Begeisterung vieler junger und einiger älterer Menschen. Dennoch wundere ich mich auch: Gerade meine Generation der 60jährigen, die sogenannten Babyboomer, müsste sich nur an die eigene Jugend erinnern. Wir lasen damals voller Schrecken die Studie „Global 2000 – Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome. Wir schmeckten sauren Regen, fürchteten absterbende Wälder. Ozonloch und Friedensfrage, die Atomkrise nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl ebenso wie zu hoher Fleischkonsum bewegten uns. Aber wir taten nur wenig dafür, dass sich die Welt nicht weiter aufheizt und somit unsere Lebensbedingungen total verändert werden. Wir hatten die Konzepte für einen „einfacheren Lebensstil“ längst entwickelt – aber setzten sie nicht um.
Nun kommt wieder eine begeisterte, weltweit bestens vernetzte Generation und will, dass sich unsere Lebensverhältnisse nachhaltig ändern. Sie sind besorgt und begeistert. Sie wollen uns überzeugen und mit ihrer Begeisterung mitnehmen. Das ist gut – und vielleicht passt auf sie jener kleine Bibeltext, den die „Herrnhuter Losungen“ dem heutigen Tag als Geleitwort zugelost haben: Die Jugendlichen „können’s ja nicht lassen, von dem zu reden, was sie gesehen und gehört haben“ (frei nach Apg 4,20). Jene umweltbewegten jungen Zeitgenossen wissen: Es ist höchste Zeit zum Handeln, denn es gibt „keinen Planeten B“.
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Am Aschermittwoch begann die Passionszeit. Sie dauert bis Ostern. Das sind sieben Wochen, in denen manche Menschen aus christlicher Überzeugung kein Fleisch essen. Oder sie verzehren mit Vorliebe „Maultaschen“, weil deren Nudelteig die Fleischfüllung so gut versteckt. Wie dem auch sei: Sieben Fastenwochen können lang werden. Deshalb setzen die Liturgen zur Hälfte der Passionszeit einen besonderen Akzent: Sie laden zu einem kleinen vorösterlichen Fest ein.
Dies Fest trägt den schönen lateinischen Namen Laetare, auf Deutsch: „freue dich“. Manchmal heißt der Sonntag auch Freuden- oder Rosensonntag. Aufgrund dieser österlichen Vorfreude wird heute eine besondere liturgische Farbe verwendet. Das strenge, dunkle „violett“ der Passionszeit wird mit dem „Weiß“ des Osterfestes vermischt. Was daraus entsteht? Die Farbe „rosa“. Deshalb trage ich als freikirchlicher Pastor im heutigen Gottesdienst eine rosafarbene Krawatte.
Dennoch denke ich an diesem Freudensonntag auch an Jesu Leiden. Aber ich tue es in Vorfreude auf Seine Auferstehung, die mir von Ostern her bereits entgegenleuchtet. Dazu passt das biblische Leitmotiv dieses Sonntags. Jesus sagte seinen Jüngern vor seinem Leiden und Sterben folgenden Satz: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht“ (Joh 12,24). Das ist das Geheimnis des Lebens: Aus dem Sterben entsteht neues Leben.
Dass wenige Samenkörner oft eine gute, manchmal überwältigende Ernte ergeben, werde ich in einigen Monaten beim Sonntagsspaziergang „über die Felder“ feststellen. Momentan wird zwar erst das Saatgut in die Felder ausgebracht. Doch mit der Aussaat beginnt das Geheimnis von Wachstum und neuem Leben. Im Sommer sehe ich dann erntereif-wogende Felder mit vollen Kornähren.
So weckt auch der heutige Sonntag als Mitte der Passionszeit Hoffnung auf Fülle und Lebensfreude. Jesus sagt mir mit seinem Satz vom „Sterben des Weizenkorns“, dass auch aus Seinem Sterben neues Leben entstehen wird. Die Hoffnung auf neues Leben ist in diesen Wochen des Jahres 2021 so präsent wie selten zuvor. Wir hoffen, dass die Zahlen der Menschen, die sich mit dem Corona-Virus infizieren weniger werden. Wir möchten wieder schrittweise aus dem Lockdown ins quasi „normale Leben“ zurückkommen. Das wäre dann wahrlich ein Vorfreuden-Fest auf die Auferstehung; ein Fest, das sich vorsichtig aus dem Dunkel ins Licht, ins neue Leben hineintastet.
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