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SWR1 3vor8
Einfach traumhaft schön. Nach Weihnachten fahre ich oft in die Berge. Und besonders genieße ich da immer wieder den abendlichen Blick in den Himmel. Die Sterne glitzern und funkeln. Es scheinen unendlich viele zu sein.
Der Theologe Friedrich Schleiermacher entdeckte beim Blick in die Weiten des Universums sogar sein religiöses Gefühl. Für Schleiermacher, der um 1800 gelebt und gewirkt hat, war Religion nicht mit Vernunft zu fassen oder durch moralisches Handeln begründbar. Er hat Religion als ein Gefühl verstanden, das sich einstellt, wenn einem bewusst wird, wie abhängig wir von dem sind, was uns umgibt. Und der Blick in die Weiten des Universums hat ihm das verdeutlicht. Religion war für Schleiermacher „Sinn und Geschmack fürs Unendliche“.
Wenn ich den nächtlichen Sternenhimmel betrachte, kann ich das gut nachvollziehen. Da steht mir vor Augen, dass es etwas Größeres, Unendliches geben muss, das ich mit meinem begrenzten Verstand und meinen menschlichen Worten nie ganz erfassen kann. Aber es ist da, ich kann es fühlen.
So in etwa muss es auch den sogenannten heiligen drei Königen ergangen sein. Über ihre Reise zu dem neugeborenen Jesus wird heute in viele Kirchen gepredigt. Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war, (Mt 2,9).
Die Könige reisen um die halbe Welt, folgen dem Stern und der führt sie direkt zu Jesus. Sie haben beim Betrachten des Sterns offensichtlich gefühlt: Da ist etwas Besonderes passiert. Und der Stern führt sie direkt zu Gott. Allerdings nicht in die Weiten des Universums, sondern in den Stall zu einem neugeborenen Kind.
Denn in Jesus ist Gott, der Unendliche, Mensch geworden und auf die Erde gekommen. Er bringt so etwas von seiner Göttlichkeit zu uns. Das Göttliche hat sich mit dem Menschlichen in Jesus verbunden.
Deshalb fühle ich mich nachts unter dem Sternenhimmel, zwar manchmal klein und unbedeutend, aber nicht einsam und verlassen. Denn Gott ist in seiner Unendlichkeit nicht unerreichbar. Er ist uns durch Jesus ganz nahegekommen. Er hat sich in Jesus gezeigt. Und beim Blick in die Sterne kann ich etwas von seiner unendlich guten Macht fühlen. Einfach ein göttlicher Anblick.
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Fahr weniger Auto! Das hilft der Umwelt. Iss weniger Fleisch! Denn die Fleischproduktion verbraucht viele Ressourcen, die anders besser genutzt werden könnten. Es gibt viele Beispiele, wie Menschen versuchen gesünder, nachhaltiger, solidarischer zu leben. Auch ich finde verantwortliches Handeln gegenüber der Natur und anderen Menschen wichtig.
Jede und jeder sollte berücksichtigen, welche Auswirkungen sein Handeln hat. Beziehungsweise… Kann ich das wirklich von anderen verlangen? Kann ich bestimmte Verhaltensweisen von ihnen fordern? Wer gibt mir das Recht dazu?
Dass ich zumindest mit meinem moralischen Urteil gegenüber anderen vorsichtig sein sollte, daran erinnert mich eine Stelle aus dem Römerbrief in der Bibel, über die heute in vielen evangelischen Kirchen gepredigt wird.
„Du Mensch, was bringt dich nur dazu deinen Bruder oder deine Schwester zu verurteilen“, heißt es da.
Ja, was bringt mich dazu, andere zu verurteilen? Gute Frage… Denn manchmal mache ich das schon. Ich störe mich am Verhalten anderer und urteile über sie. Sie handeln aus meiner Sicht nicht verantwortlich gegenüber Mensch und Natur. Kannst du dich nicht ein bisschen zusammenreißen und das Auto stehen lassen? Moralische Urteile wie diese fälle ich immer wieder. Nur – bin ich wirklich besser?
Denn ich stelle auch immer wieder fest: Selbst gelingt mir das nur bedingt. Das Auto mal stehen lassen… Manchmal bin ich einfach zu bequem dafür. Auf Fleisch verzichten… Es schmeckt mir halt, da bin ich dann schon auch mal egoistisch. Ja, eigentlich habe ich wirklich keinen Grund überheblich zu sein.
Verurteile niemand anderen! Denn das steht dir nicht zu. Daran erinnert der Römerbrief. Im Umkehrschluss heißt das auch, dass andere mich nicht verurteilen sollen. Das finde ich ziemlich entlastend.
Ich muss Dinge nicht tun, weil andere bestimmte Verhaltensweisen von mir verlangen oder weil ich besser sein will als andere. Und trotzdem glaube ich, dass ich eine Verantwortung habe: vor der Natur, vor anderen Menschen, vor Gott. Das wird auch im Römerbrief deutlich. Es ist nicht egal, was ich tue. Über andere richten oder sie verurteilen sollte ich aber nicht. Und auch das finde ich ehrlicherweise entlastend.
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Religion spielt im us-amerikanischen Wahlkampf eine große Rolle. Wenn ich das so beobachte, erschrecken mich immer wieder die radikalen Aussagen von fundamentalistischen Christen. Zum Bespiel zum Thema Homosexualität. Da wird immer wieder behauptet, homosexuelle Liebe sei gemäß der Bibel Sünde und verboten. Aussagen hierzu seien eindeutig. Und ja, es stimmt:
Es gibt Bibelverse, die den Geschlechtsverkehr zwischen Männern scheinbar kritisieren oder gar verbieten. (z. B. Lev 18,22)
Auffällig finde ich aber: Zu einem Sexualakt zwischen zwei Frauen wird in der Bibel nichts gesagt. Eine solche Differenzierung habe ich aber von Menschen, die homosexuelle Liebe abwerten, noch nie gehört. Da wird Homosexualität per se mit biblischer Begründung abgelehnt.
Ich leugne natürlich nicht, dass es diese wenigen ablehnenden Stellen zum Thema Sex zwischen Männern gibt. Aber ich denke, man muss sie heute anders einordnen. Dass die Bibel nicht wörtlich zu verstehen ist und sie ein Zeugnis der Zeit ist, in der sie entstanden ist, ist ja eigentlich auch keine große Neuigkeit mehr. Man muss biblische Texte analysieren und sie auf Basis dessen interpretieren. Und einzelne Aussagen können nicht einfach zusammenhanglos auf heute übertragen werden.
Wichtig dabei finde ich auch nach innerbiblischen Gewichtungen Ausschau zu halten.
Jesus wird einmal gefragt, was für ihn das wichtigste Gebot ist. Er antwortet mit dem sogenannten Doppelgebot der Liebe: Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele mit all deiner Kraft. Und: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Da steckt ganz viel drin. Dreifache Liebe. Die Liebe zu Gott, zu den Mitmenschen und zu sich selbst. Das ist nach Jesus das Wichtigste. Er konkretisiert das immer wieder in Aussagen und Erzählungen. Und ich glaube zum Beispiel, wer seine eigene Sexualität nicht ausleben kann oder darf, dem fällt es auch schwer sich selbst zu lieben. Dieses Doppelgebot der Liebe wiegt für mich viel schwerer als einzelne ablehnende Aussagen zu einem Sexualakt zwischen zwei Männern.
Wer liebt orientiert sich an der Bibel.[1] Diesen Satz habe ich mal gelesen und ich finde, er bringt es auf den Punkt. Wer jemand anderen liebt und Verantwortung in einer Partnerschaft übernimmt, orientiert sich an der Bibel: Egal welches Geschlecht er oder sie hat.
[1]https://fragen.evangelisch.de/frage/5226/was-sagt-die-bibel-zur-liebe-zwischen-zwei-frauen
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Was hat Martin Luther eigentlich mit einem Kürbis zu tun? Auf den ersten Blick eigentlich nichts. Außer natürlich, dass der Reformationstag, an dem an Luthers Thesenanschlag erinnert wird, und Halloween, wie jedes Jahr, auf denselben Tag fallen. Aber eines gibt es doch, dass Luther und den Kürbis verbinden: Beide haben es mit der Angst zu tun.
Die Lichter im Kürbis sollen böse Geister vertreiben: Dämonen, den Teufel – wie auch immer man das bedrohlich Dunkle bezeichnen will. Menschen sind mit dem Anzünden der Kerze im Kürbis ihrer eigenen Angst begegnet, so ist zumindest der Brauch entstanden. Sie wollten ihrer Angs quasi ins Gesicht schauen und sie gleichzeitig vertreiben.
Auch Martin Luther hatte mit vielen Ängsten zu kämpfen. Er hat innerlich mit dem Teufel gerungen und sich vor der Hölle gefürchtet. Er hatte Angst vor Gottes Strafen. Luther lebte da ganz im Weltbild des Mittelalters mit seinen schaurigen Darstellungen von Hölle und Fegefeuer. In einem Brief an Erasmus von Rotterdam schreibt er: Ich „bin mehr als einmal bis in die Tiefe und in den Abgrund der Verzweiflung hinabgestoßen worden, sodass ich wünschte, ich wäre nie als Mensch erschaffen worden.“[1] Der evangelische Reformator wollte alles richtig machen und ist daran gescheitert.
Aber er hat gelernt, mit seiner Angst umzugehen. Er hat sich ihr gestellt. Geholfen hat ihm dabei das Lesen in der Bibel. In biblischen Gebeten, in den Psalmen, hat Luther zum Beispiel Ausdrucksformen für seine eigenen Ängste gefunden. Für was er selbst keine Worte gefunden hat, konnte er mit Hilfe der Worte anderer zur Sprache bringen. Und vor allem hat er entdeckt, dass Gott nicht straft, wenn er etwas falsch macht, sondern dass Gottes Wesen barmherzig ist. Luther hat in der Bibel einen Gott gefunden, der vergibt und verzeiht.
Luther sei Dank sind viele Menschen nach ihm mit dem Bild eines barmherzigen Gottes aufgewachsen. Ich fürchte mich heute nicht vor der Hölle oder Gottes Strafen. Sicher ein Gewinn an Lebensqualität. Angstfrei lebe ich trotzdem nicht. Ich finde, man kann sich von Luther abschauen, dass man versuchen soll, sich nicht von seinen Ängsten übermannen zu lassen. Nicht vor der Angst erstarren. Sondern sich ihr zu stellen, versuchen sie auszudrücken. Auf welchem Weg auch immer. Es kann der Beginn sein, Ängste zu überwinden.
[1] Gefunden auf: https://mut-und-angst.de/aengste-und-glaube/luthers-wichtigster-kampf.html.
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Jubel schwappt durch das Stade de France. Und das, obwohl die Siegerin schon seit über zwei Minuten im Ziel war. Ich war beim olympischen 10.000-Meter-Lauf der Frauen im Stadion. Die letzte Läuferin kam mit über einer Minute Rückstand auf die Vorletzte ins Ziel. Auf ihrer letzten Runde wurde sie vom frenetischen Applaus der 90.000 Zuschauer begleitet. Sie wurde ins Ziel getragen, sagt man da gerne. Im Ziel hat sie dann die Arme in die Luft gereckt und sich riesig gefreut. Die Anerkennung hat ihr gutgetan.
Mir kam in dem Moment ein Satz von Jesus in den Sinn: Viele, die jetzt zu den Ersten gehören, werden dann die Letzten sein. Und viele, die jetzt zu den Letzten gehören, werden dann die Ersten sein.
Natürlich hatte Jesus dabei keinen Sportwettkampf im Sinn. Ihm geht es um etwas anderes: Die Menschen, die es heute schwierig haben, die unterprivilegiert sind, die wenig Anerkennung bekommen, die stehen bei Gott ganz hoch im Kurs. Er interessiert und kümmert sich um sie ganz besonders. Bei Gott, im Reich Gottes, werden die Verhältnisse umgekehrt. Da bekommen diejenigen Anerkennung, die sonst oft übersehen werden, um die sich keiner kümmert.
Ich finde das eine schöne Vorstellung: Diejenigen, die es hier schwer haben, sind bei Gott ganz oben auf der Liste.
Nur – was nützt das denen, die heute gesellschaftlich auf der Verliererseite stehen? Interessant ist: Jesus belässt es nicht bei diesem einen Satz. Er erzählt direkt im Anschluss eine Geschichte von Arbeitern in einem Weinberg. Der Kern dieser Erzählung ist: Alle sollen genug zum Leben haben. Keiner soll privilegiert werden. Soziale Ungleichheit soll abgebaut werden. Alle bekommen die gleiche Anerkennung, unabhängig von dem, was sie leisten.
Diese Textfolge ist sicher kein Zufall. Dass „die Letzten“ bei Gott die Ersten sein werden, heißt, dass sich ihre Situation schon hier und jetzt verbessern soll. Es heißt, dass wir uns als Menschen diese Perspektive Gottes zu eigen machen und sie in die Tat umsetzen sollen.
Dieser olympische Moment, der Applaus für die Läuferin war schön. Auch im „echten“ Leben ist Applaus schön. Aber das reicht nicht aus. Engagiertes Eintreten für die sozial weniger Privilegierten – darauf käme es an.
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Macht die Arbeit denn Spaß? Na, dann viel Spaß heute Abend!
Spaß, Spaß, Spaß… Der spielt in meinem Wortgebrauch und in meinem Leben eine ganz wichtige Rolle. Spaß soll es machen. Darauf kommt es an. In den 90er Jahren kam mal der Begriff der Spaßgesellschaft auf. Damit sollte ein angeblich zu sehr am eigenen Lustempfinden orientierter Lebensstil kritisiert wurde. Aber ist es denn verwerflich, Spaß haben zu wollen?
Nein, ganz im Gegenteil: Spaß, Lust, Glück sind wichtige Parameter – aber es geht dabei nicht um mein Empfinden, sondern um das Empfinden der Allgemeinheit.
Das meint jedenfalls die philosophische Richtung des Utilitarismus. Dieses ethische Prinzip wurde um 1800 entwickelt und ausformuliert. Das Grundprinzip ist eigentlich recht simpel: Moralisch richtig ist die Handlung, deren Folgen nützlich sind für das Wohlergehen aller Betroffenen. Es geht also um das größtmögliche Glück für eine größtmögliche Anzahl an Menschen.
Grundsätzlich hört sich das für mich erstmal gut an. Das Prinzip ist gemeinwohlorientiert. Und alle Menschen sind gleich viel Wert.
Und gleichzeitig muss ich sagen: Eigentlich ist der Einzelne dabei gar nichts wert. Denn die Vorstellung geht sogar soweit, dass ein Einzelner für das Wohlergehen vieler geopfert werden könnte. Im Utilitarismus hat der Mensch keine Grundrechte, keine unverletzliche Würde. Es geht immer nur um die Allgemeinheit.
Mit dieser Sicht tue ich mir aus christlicher Perspektive schwer. Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, heißt es in der Bibel. Daraus ableiten lässt sich zum Beispiel, dass jeder Mensch eine Würde hat, so wie es auch Einzug in unser Grundgesetz gefunden hat: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Jeder Mensch ist unendlich viel wert. Ich kann ein Leben nicht gegen ein anderes aufrechnen.
Trotzdem finde ich es auch wichtig, immer danach zu schauen, was für die Allgemeinheit gut ist.
Und ich selbst will auch Spaß haben. Ich freue mich auch, wenn viele andere glücklich sind mit ihrem Leben. Aber das sollte eben keinesfalls auf Kosten andere gehen.
Ja, woran, an wem sollte ich mich bei meinen Handlungen orientieren? Die Antwort darauf ist gar nicht so leicht. Ich finde, man muss auf jeden Fall immer unterschiedliche Perspektiven berücksichtigen.
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Für zweieinhalb Wochen ist die Welt stehen geblieben. Es war magisch. So hat es sinngemäß der Chef des Organisationskomitees der Olympischen Spiele bei der Abschlussfeier formuliert. Ich war selbst auch für ein paar Tage in Paris. Und ich muss sagen: genauso habe ich es auch empfunden: Als ob die Zeit stehengeblieben wäre. Der Alltag, was war und was kommt, war in diesen Tagen von Paris unwichtig. Die Olympischen Spiele haben mich in ihren Bann gezogen. Und viele andere haben mir das auch erzählt.
Natürlich weiß ich, dass es an der Ausrichtung der Olympischen Spiele auch vieles zu kritisieren gibt: hohe Kosten, Doping, Profitgier…
Aber selbst das konnte mir die Zeit in Paris nicht vermiesen. Denn die Stimmung war einfach super. Ich bin dort nur netten Menschen begegnet: freundlichen Polizisten, fröhlichen Zuschauerinnen aus der ganzen Welt, hilfsbereiten Volunteers. Ein Reporter der Süddeutschen Zeitung hat es, finde ich, sehr zutreffend zusammengefasst: „Bei Olympia konnte man – sämtliche Störgeräusche wie immer im Sinn – das Gefühl haben, dass die Menschen trotz allem auch dafür geschaffen sind, sich friedlich zu versammeln.“
Fast schon eine biblische Einlassung. Denn das ist der Kern des christlichen Menschenbildes: Dass die Menschen für ein friedliches Miteinander geschaffen sind, zur Gemeinschaft mit anderen und zur Gemeinschaft mit Gott.
Leider lässt uns das, was auf der Welt passiert, ja oft daran zweifeln. Und ganz gewiss sollte man die Bedeutung der Olympischen Spiele an dieser Stelle auch nicht überhöhen. Sie beenden keine Kriege und sorgen nicht dafür, dass plötzlich alles gut ist auf der Welt.
Auch mich hat der Alltag in der Zwischenzeit wieder. Vieles, was mich seit langem nervt, hat sich nicht einfach in Wohlgefallen aufgelöst.
Und trotzdem, finde ich, bleibt etwas von Olympia. Nämlich genau diese Erfahrung, die Menschen vor Ort, aber auch aus der Ferne gemacht haben: Dass ein friedliches Miteinander von Menschen, Religionen und Nationen möglich ist. Auch wenn sich dadurch nicht gleich alles zum Guten wendet, tut es einfach gut, einmal zu erfahren, wie es sein könnte. Dass ein völlig unbeschwertes Leben möglich ist. Dass sich ganz Verschiedene friedlich versammeln können. In mir zumindest hat es die Hoffnung gestärkt, dass sich Dinge zum Guten verändern lassen.
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„Herr Jericke, beten Sie?“ Eine Schülerin hat mich das im Religionsunterricht gefragt? „Nun ja, ich bin Pfarrer, natürlich bete ich“, habe ich ihr geantwortet. Im Nachhinein finde ich diese Antwort etwas irreführend. Denn bete ich nur, weil es zu meinem Beruf dazugehört?
Ehrlicherweise fällt es mir manchmal schwer zu Beten. Insbesondere dann, wenn ich nicht mit meinen eigenen Worten bete, sondern vorgefertigte Gebete nutze. So wie zum Beispiel das Vaterunser. Oder die Psalmen in der Bibel. Drücken diese Worte anderer wirklich das aus, was ich sagen will? Über einen Psalm wird heute in vielen evangelischen Kirchen gepredigt. Da heißt es:
Gott steht mir immer vor Augen. Mit ihm an meiner Seite falle ich nicht hin. Darum ist mein Herz so fröhlich und meine Seele jubelt vor Freude.
Ich finde, das sind schöne, hoffnungsvolle Worte. Und ich finde es beeindruckend, wenn jemand so ein unerschütterliches Gottvertrauen hat. Und aus diesem Vertrauen heraus betet.
Aber passt das zu mir? Denn ja: ich glaube an Gott, aber er steht mir nicht immer vor Augen. Manchmal habe ich auch das Gefühl, er ist weit weg. Dann zweifle ich an Gott.
Und ja, der Glaube an Gott macht mich sicher auch manchmal fröhlich. Ich glaube, mein Leben wird dadurch in vielen Bereichen leichter. Aber dass meine Seele vor Freude jubelt? Selbst würde ich das so nicht sagen.
Und trotzdem merke ich: Es tut mir gut, mit diesen alten Worten zu beten. Weil Glaube für mich auch immer mit Gemeinschaft zu tun hat. Alleine Glauben, das gibt es für mich nicht. Da hilft es mir zu wissen, dass es auch vor vielen Jahren schon Menschen gab, die auf Gott vertraut haben.
Manchmal bin ich selbst auch sprachlos oder finde keine oder nicht die richtigen Worte finde. Dann helfen mir diese alten Gebete, eine Sprache für das zu finden, was ich denke oder fühle. Und auch der bedingungslose, der zweifelsfreie Glaube, der in diesem Psalm zur Sprache kommt, hilft mir. Weil ich glaube, dass Vertrauen abfärbt. Wenn jemand anderes glaubt und vertraut, hilft das mir zu vertrauen. Und deshalb bete ich heute mit, wenn es in der Kirche heißt: Mit Gott an meiner Seite falle ich nicht hin!
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Früher war alles besser… dieser Stoßseufzer ist wahrscheinlich den meisten schon mal durch den Kopf gegangen. Auch heute höre ich das immer wieder. Zum Beispiel, wenn es um die Spaltung der Gesellschaft geht. Früher da war alles besser, da haben die Menschen wenigstens noch zusammengehalten…
Ein Abschnitt aus dem Epheserbrief in der Bibel, über den heute in vielen evangelischen Kirchen gepredigt wird, dreht die Perspektive.
Da heißt es: früher was alles schlechter! Der Briefschreiber erinnert die Menschen daran, dass ihnen in ihrem Leben ein Licht aufgegangen ist: Christus ist in euer Leben gekommen. Er hat es heller gemacht. Ihr seid Kinder des Lichts. Der Glaube an Gott, zu dem die Menschen durch Christus gekommen sind, war für sie lebensverändernd. Eine Wende zum Guten.
Ich finde, diese Kraft kann Glaube heute immer noch entfalten. Weil er auch in manchmal komplizierten Zeiten, Hoffnung schenkt. Es gibt etwas Größeres als mich. Einen Zuspruch. Gott meint es gut mit mir. Mit uns allen. Für mich ist das etwas, das meine Leben heller macht. Und meinen Blick hin zum Guten wendet.
Früher war alles besser? Es gab mehr Zusammenhalt? Mag sein, dass das stimmt. Andererseits habe ich auch den Eindruck: Früher musste man sich viel mehr anpassen. Es gab bestimmte Werte, die galten. Wer damit nicht konform ging, wurde mindestens schief angeschaut. Vieles wurde gar nicht erst thematisiert. Menschen mussten zum Beispiel ihre Liebe im Verborgenen leben.
Sie mussten sich verstecken, nur weil ihre Beziehung nicht zur Norm passte oder kein Trauschein vorhanden war. Was als unnormal galt, wurde verschwiegen oder ins Dunkel geschobenen.
Aber ihr seid Kinder des Lichts. Heute sind wir offener. Für vieles, was früher unmöglich gewesen wäre, gibt es jetzt eine breite gesellschaftliche Akzeptanz. Mancherorts, wo es vorher dunkel war, leuchtet heute ein Licht. Insgesamt leben wir freier. Ja, früher war vielleicht manches besser, aber ich finde vieles auch schlechter. Jesus Christus wollte Licht für die Welt sein. Die Erinnerung daran hilft mir, das Gute nicht aus dem Blick zu verlieren. Und es macht mir Mut, dass es immer noch ein Stückchen besser wird.
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Willst du etwa, dass man dich tritt? Nein? Also dann lass es bitte! Immer wieder beobachte ich bei mir, dass ich solche Sätze zu meiner Tochter sage. Eine erzieherische Maßnahme, wenn ich will, dass sie irgendetwas nicht macht. Getreu dem Motto: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Ist ja auch kein schlechter Grundsatz…
So ähnlich formuliert es Jesus in der Bergpredigt. Diese Rede ist so etwas wie eine Zusammenfassung der Lehre Jesus. Sie enthält wichtige ethische Prinzipien und noch vieles mehr, zum Beispiel das Vaterunser. Einen prominenten Platz in der Bergpredigt hat die sogenannte Goldene Regel. Die lautet:
Alles, was ihr wollt, das euch die Leute tun, das tut auch ihnen. (Mt 7,12)
Anders als bei dem Erziehungsmotto spricht Jesus nicht davon, etwas zu unterlassen, weil man es selbst nicht möchte. Er möchte vielmehr, dass wir etwas tun. Nämlich das, was wir uns selbst wünschen.
Das ist ein wichtiger Unterschied. Er zwingt mich zum Nachdenken: Was wünsche ich mir eigentlich?
Ich möchte zum Beispiel von anderen respektvoll behandelt werden. Freundlich, wenn ich eine Frage habe. Geduldig, wenn ich etwas nicht verstehe. Ich möchte in Ruhe gelassen werden, wenn ich das signalisiere. Nicht vollgetextet werden, wenn ich das gerade nicht brauchen kann. Ich wünsche mir auch, dass mir anderen verzeihen, wenn ich einen Fehler gemacht habe.
Im Sinne der Goldenen Regel heißt das für mich: die anderen genauso zu behandeln: Freundlich, behutsam, vergebend. Und das nicht in dem Sinne: wie du mir, so ich dir. Jesus knüpft seine Goldene Regel nicht an Bedingungen. Ich soll in Vorleistung gehen; andere so behandeln, wie ich behandelt werden will. Und nicht darauf warten, dass mein Gegenüber damit anfängt.
Mir gefällt dieses Motto Jesu besser, als das, was ich meine Tochter immer predige. Weil es nicht auf Verhinderung ausgelegt ist, sondern aktiv auf ein gutes Miteinander abzielt.
Deshalb sollte ich wohl auch meine pädagogische Herangehensweise modifizieren. Nicht mehr: Tritt niemand anderen, weil du das nicht willst. Sondern vielmehr: Sei nett zu anderen, weil du dir das doch auch wünschst.
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