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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

26SEP2023
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„Das Evangelium der Aale“ -dieses Buch von Patrick Svensson habe ich im Urlaub gelesen.  Und ich war erstaunt, was man so alles über und von Aalen lernen kann. Wie sehr sich das Leben, der allgemeine Lauf der Dinge, im Lebenszyklus der Aale abbildet. Bis hin zur Auferstehung toter oder tot geglaubter Aale.

Wahnsinn. Welch ein Werden und Entstehen und Vergehen… Aale treffen sich, wenn sie geschlechtsreif sind, in der Saragossasee, einem Meeresgebiet östlich von Florida. Dort laichen sie ab, vermehren sich unter uns noch unbekannten Bedingungen und sterben.

Aale können sehr lange ohne Wasser leben, manchmal findet man sie wie tot an Land. Wieder ins Wasser gelegt, treiben sie zuerst mit dem Bauch nach oben im Wasser, bevor dann oft wieder Leben in den Aalkörper einzieht. Beeindruckend und geheimnisvoll. Aber Warum hat der Autor sein Buch „Evangelium“, also gute Nachricht genannt?

Vermutlich nicht nur wegen der „Auferstehung“ der Aale. Für mich gibt es noch eine weitere gute Nachricht in diesem Buch: Seit Jahrtausenden werden die Aale erforscht – schon Aristoteles war Aalforscher – aber ihr Geheimnis konnte man nie ganz lüften und dennoch gibt es Aale auf der Welt.

Insofern haben Aale für mich viel mit uns Menschen gemeinsam. Wir forschen und suchen und entschlüsseln so manches unserer Geheimnisse – allein in der Medizin haben wir im Laufe der Zeit soviel Neues über uns gelernt. Und das Gott sei Dank.

Und trotzdem bleibt der Mensch, bleibt jeder einzelne Mensch immer auch ein Stück ein Geheimnis. Ein Wunder. Die Entstehung und Geburt ist ein Wunder, manches Leben wundervoll oder wundersam und der Tod oft ein Schrecken, aber immer ein Geheimnis. Und die gute Nachricht – das Evangelium - ist:
Wir müssen nicht alles wissen und verstehen und können trotzdem – wunderbar - gut und sinnvoll leben. Wie die Aale, die vermutlich wenig wissen über sich und dennoch sogar auferstehen können.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

25SEP2023
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Auch diesen Sommer war es wieder soweit – wir waren im Urlaub. Die ganze Familie, inklusive aller Kinder – auch wenn die Fliehkräfte wachsen. Die ersten Tage waren - wie immer - Trainingstage für das Miteinander. So nah und so viel Zeit für- und miteinander hat man doch im Alltag selten. Das ist das Schöne am Urlaub – aber auch das Anstrengende. Und trotzdem schwelge ich gerne in den Erinnerungen an unsere gemeinsamen Urlaube. Die Gedanken an die intensive, gemeinsame Zeit wärmen mich.

Mittlerweile bin ich ja längst wieder im Alltag angekommen. Und dabei merke ich, dass die Erinnerungen noch einmal ein ganz besonderes Verbundenheitsgefühl auslösen. Gerade auch dann, wenns mal wieder Ärger in der Familie gibt. Dann denke ich erst: Mensch, geht mir das auf den Geist. Aber schon im zweiten Moment wird das Genervt sein abgelöst durch Erinnerungen an gemeinsame, wohltuende Erlebnisse, durch ein Gefühl von Verbundenheit und Nähe, das noch gesteigert wird, wenn wir zusammensitzen und uns gemeinsam erinnern.

Deshalb sind mir diese Zeiten, gemeinsame Urlaube oder auch nur gemeinsame Abende so wichtig: Ich genieße nicht nur die aktuelle gemeinsame Zeit, nein ich schaffe mir damit einen Vorrat an Verbundenheit für schwierige Zeiten.

In der Familie. Aber auch bei Freundschaften. Gemeinsam erlebte Zeit, Erlebnisse, an die man sich zusammen erinnern kann schaffen ein Gemeinschaftsgefühl – noch weit über den Moment hinaus. Das wärmt und das tut einfach gut.

Je mehr man von solchen Erinnerungen hat, desto mehr kann man auch später noch daraus Kraft schöpfen. Deshalb mache ich das jetzt öfter mal ganz bewusst: Gemeinsame Erinnerungen schaffen.

Mit Freunden und Familie – aber auch mit Kollegen, sei es indem wir zusammen essen oder auch wandern gehen. Und ich freue mich jetzt schon darauf, dass wir uns dann irgendwann gemeinsam erinnern können.

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Anstöße sonn- und feiertags

24SEP2023
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„Jetzt es ist endlich soweit.“ Und: „Oh mein Gott es ist schon so weit“"
Zwei Blickwinkel auf den gleichen Sachverhalt. Wobei Sachverhalt stimmt nicht ganz, denn es spielen auch Gefühle dabei eine große Rolle: Unser ältester Sohn zieht aus. Ja, ich weiß, das haben schon Millionen von Eltern erlebt und auch wir werden es überleben. Und doch ist es ein großer Schritt – für beide Seiten.

Für ihn ein Schritt in die Eigenverantwortung: Wohnung suchen, Verträge abschließen usw. – unglaublich – für ihn – was es an Verträgen abzuschließen gibt. Für uns ein Schritt des Loslassens und Vertrauens: Wird er alleine zurechtkommen, Freunde finden, sich in der anderen Stadt wohlfühlen?

Wir sehen das zukünftig meist leere Zimmer vor unseren Augen – er die Freiheit der ersten kleinen eigenen Wohnung.

Wir fragen uns, was wir jetzt alles weniger einkaufen müssen und wie das zu Hause sein wird, wenn er nicht mehr mit am Esstisch sitzen wird. Er fragt sich, warum es nicht schon immer jeden Tag Spaghetti mit Soße geben konnte.

Wir helfen beim Umzug, planen und denken mit, sammeln Geschirr und Besteck zusammen und er denkt sich – wird schon werden. Es ist nicht leicht für uns und für ihn vielleicht auch nicht, Aber doch fühlt es sich wohl für beide Seiten ganz anders an – vermute ich.

Für ihn ist es ein Anfang. Für uns ein Abschied. Hier ein nach dem Auszug leerer Raum, dort mit dem Einzug ein Raum, der mit neuem, anderem Leben gefüllt ist.

Das ist wohl der Lauf der Dinge. Zumindest raunen wir uns das als Eltern zu, wenn wir mit unserem ältesten Sohn zusammensitzen, wenn wir einen Augenblick inne halten und schauen, was gerade passiert. Und das sind die Augenblicke, da haben wir eine gemeinsame Sicht auf die Dinge, wenn wir z.B. nach dem Umzugstag nochmal zusammensitzen und sich die Sichtweisen überlappen und verschränken.

Dann können wir alle ein wenig spüren und nachvollziehen von dem, was den anderen gerade bewegt. Das tut gut. Denn uns wird bewusst, was uns verbindet, auch wenn wir unterschiedliche Blickwinkel haben.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

08JUL2023
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Manchmal gehe ich auf ihnen spazieren – meist ist es ruhig, gepflegt, mit viel Natur. Und meistens ist nicht so viel los – es sei denn es liegen Prominente auf diesem Friedhof.

Da besuchen Oma und Enkelin das Grab des Opas und während die ältere Frau die Blumen gießt und das Unkraut zupft, spielt das Kind fröhlich zwischen den Gräbern. Da sind auf uralten Grabsteinen so viele Namen und Daten geschrieben, dass auf den ersten Blick klar wird, dass hier mehrere Generationen einer Familie liegen.  

Da sind Gräber, denen man ansieht, dass sich niemand mehr um sie kümmert – wahrscheinlich, weil sich niemand mehr kümmern kann.

Da sind aber auch die, die nach buntem Leben aussehen - Kindergräber, geschmückt mit Stofftieren und Windrädern. Gerade diese Kindergräber, sie sind eine Herausforderung für mich. Aber dennoch: Meist tut es mir gut, Friedhöfe zu besuchen.

Und es hilft mir dabei, mich auf das Wesentliche zu besinnen, das Bewusstsein der Endlichkeit und Vergänglichkeit zu spüren. Und oft hilft es mir das, was ich habe, noch mehr zu schätzen.

Vor kurzem ist mir bei einem Spaziergang auf einem Friedhof - kurz vorm Ausgang - ein Grabstein ins Auge gefallen mit einer besonderen Inschrift.  Sie war ganz besonders eindrücklich.

Dort stand unter dem Namen und den Lebensdaten: „Auf Wiedersehen“. Nur diese zwei Worte „Auf Wiedersehen“ – Wow- was für eine Aussage hier an diesem Ort. „Auf Wiedersehen“ – oft einfach so dahingesagt.

Hier auf dem Friedhof ist es aber keine Abschiedsfloskel, sondern ein Bekenntnis, Ausdruck von Hoffnung und Zuversicht. Ich hatte Gänsehaut.

Seit diesem Erlebnis auf dem Friedhof verabschiede ich mich viel bewusster mit einem „Auf Wiedersehen“ von Menschen und hoffe immer wieder, dass auch ich möglichst immer so hoffnungsstark sein werde, wie der Mensch, auf dessen Grab stand: „Auf Wiedersehen“.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

07JUL2023
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„Du, ich hab da mal eine Frage von einem Freund…“ – ich finde, das ist eine tolle Einladung zu einem Gespräch. Denn damit ist auch klar:  es geht um etwas Wichtiges, vielleicht auch Intimes. Der, der das fragt, tut das natürlich nicht für einen Freund. Er tut das für sich selbst.

Aber es ist ihm vielleicht peinlich oder er denkt: Das kann man doch nicht fragen!
Vor kurzem hat mein Trainingspartner Moritz ganz unvermittelt angefangen mit „Du, ich hab da mal eine Frage von einem Freund…“ Nein, es ging nicht um Eheprobleme oder Sex.

Er hatte eine Frage zur Auferstehung: „Glaubst du da wirklich dran? An Auferstehung und ein Leben nach dem Tod?“

Ich war überrumpelt. Na toll, dachte ich, so ein Thema, mal nebenbei und leicht verdaulich - das wird schwer. Und noch dazu ohne Theologendeutsch - das heißt ohne Fremdworte und lebensnah! Ich habe zwar schon viel darüber nachgedacht, aber die Auferstehung ist für mich bis heute ein schwieriges Thema. Ich habe ihm schließlich geantwortet und meine bisherigen Gedanken erzählt: „Ich hoffe und glaube, dass wir uns wiedersehen, dass wir unsere Freunde und Familie wiedersehen werden. Das ist für mich Auferstehung.  Ein Leben nach dem Tod bei Gott. Von ihm gehalten, in ihm geborgen -Gewandelt – verändert.

Ich glaube, dass ich nach dem Tod mein zurückliegendes Leben, meine Handlungen mit Gottes Augen sehen werde. Offen und ehrlich, ohne mir selbst etwas vorzumachen.

Das stelle ich mir nicht leicht vor. Aber der Gedanke, dass auch bei diesem Rückblick auf mein Leben Gott an meiner Seite ist, stärkt mich und macht mich hoffnungsfroh.

Denn damit ist es für mich nicht zu Ende. Denn danach, das glaube ich, sind wir verwandelt. Und ganz bei Gott.“ Er hat dann gesagt: „Auferstehung – Leben nach dem Tod bei Gott – echt jetzt?!“ „Ich werde es dem Freund, für den ich gefragt habe, mal erzählen“.

Was er aus unserem Gespräch oder besser gesagt meinen Ausführungen mitgenommen hat? Ich weiß es nicht, denn wir haben bis heute nicht mehr darüber geredet.  Aber ich hoffe, dass wir spätestens bei Gott zusammen einer Meinung sind.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

06JUL2023
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Kopf oder Bauch – auf wen soll man hören. Ich denke – es kommt drauf an.

Geht es um Haltung gegen Neid und Gier, dann auf den Bauch. Geht es aber z.B. um meine Beziehung zu anderen Menschen ist der Bauch allein nicht der richtige Ratgeber, zumindest ist es nicht immer so.

Denn oft gibt mein Kopf meinem Bauch dann sozusagen Geschichtsunterricht. Er erinnert ihn an Erlebnisse aus der Vergangenheit und das hilft ihm.
Manchmal ist es beim Umgang mit Tieren so, da möchte mein Bauch den Hund streicheln und es gibt Diskussion in meinem Körper. Und das immer mal wieder mit unterschiedlichem Ausgang. Ich bin auch schon gebissen worden…

Auch bei Menschen bin ich emotional eher leichtgläubig. Ich vertraue einfach gerne. Es macht das Leben ja auch leichter und fühlt sich gut an, finde ich. Mein Bauch ist dann wohlig, fühlt sich angenehm und warm an. Aber gerade bei Menschen und Beziehungen passt das nicht immer so. Da möchte mein Bauch vertrauen, aber mein Kopf sagt zum Glück – Halt, Stop!

Und dann geht es los – fast wie ein Ehestreit: „Du bist immer so leichtgläubig - Denk dran, wie es das letzte Mal war, da hat er doch alles rumerzählt, was du ihm anvertraut hast“. Dann antwortet der Bauch:

„Ja, aber Menschen können sich ändern und er hat mir doch gesagt, dass ich ihm vertrauen kann.“
Dann der Kopf wieder: „Ja, Menschen können sich ändern – dann schau aber erstmal, ob er sich geändert hat! Wieviel erzählt er dir denn von anderen? Na, dämmerst?“

Ich für mich bin froh, dass ich beide habe – den Bauch, der mich vertrauen läßt und den Kopf, mein Archiv, der auch mal über die einzelne Situation hinausdenkt und so meinen Bauch auch mal korrigiert.

Wie ist das eigentlich bei Ihnen? Bauch oder Kopf? Auf wen hören Sie eher?

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

05JUL2023
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Kopf und Bauch – zwei, die sich immer mal wieder melden. Kopf und Bauch – zwei, die dabei aber nicht immer einer Meinung sind.

Viele Menschen sagen: „Da hatte ich ein schlechtes Bauchgefühl, da hat mein Bauch nein gesagt.“ Meist schließt das mit ein, dass der Kopf ja gesagt hat.

Der Bauch gilt eher als Sitz des Gefühls. Entscheidungen, die dort getroffen werden, sind daher vielleicht ein bisschen irrational - auf jeden Fall nicht so durchdacht und nicht reflektiert. Der Kopf ist das Gegenteil. Hier wohnt der Verstand. So zumindest die verbreitete Ansicht. Bei mir ist es aber manchmal gerade umgekehrt.

Ich sehe zum Beispiel ein tolles Auto und erwische meinen Kopf dabei, dass er denkt: Das hätte ich gerne! Oder ich höre einen Politiker und mein Kopf denkt, dass könnte ich aber locker auch – sogar besser und erst Recht für das Geld. Mein Bauch sendet dann zum Glück meist Störsignale.
Ich frage meinen Kopf dann nach dem Warum? Warum willst du das Auto oder warum lieber Politiker sein? Als Antwort bekomme ich dann meist ein Grummeln. Und dann kommt der Kopf auch auf den Trichter.

Denn seine erste Reaktion war von Gier oder Neid geprägt. Nicht durchdacht, reflektiert und geerdet. Dafür habe ich dann eher den Bauch. Der ist dann der Sitz meines Gewissens. Er lässt es mich spüren, wenn mein Kopf wieder von negativen Motiven getrieben wird.

Mein Bauch rebelliert sozusagen, wenn ich gegen meine Werte, gegen meine Überzeugungen, gegen meinen Glauben handeln will. Deshalb höre auch ich gerne auf mein Bauchgefühl - gerade, wenn es um meine Haltung, um meine Werte geht.

Aber: Keiner ist perfekt - auch mein Bauch nicht. Aber davon erzähle ich Ihnen morgen. Um kurz vor Sechs und kurz vor Sieben. Also, bis dann!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

04JUL2023
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Bernd und ich sind gute Bekannte. Wir treffen uns einmal im Monat in einer Gruppe von Männern und unternehmen zusammen etwas. Mal geht es gemeinsam wandern, oder Essen oder wir gestalten eine Ausstellung oder einen Gottesdienst zusammen. Wir haben also schon alle zusammen ein Stück Weg hinter uns gebracht und wir kennen die Lebensphilosophie des Anderen.

Bei unserem letzten Treffen habe ich Bernds miesepetriges Gesicht gesehen, eine Augenbraue hochgezogen und daraufhin hat Bernd auch gleich losgelegt und gesagt:  „Ja, ja ich weiß,“ und mich dabei herausfordernd angeschaut. „Ich weiß, dass Du immer sagst, man muss Ja sagen zu dem, was ist. Und das habe ich alles versucht – aber entweder hat dein Gott seinen Geist nicht gesandt oder ich finde es einfach belastend, wie es zur Zeit ist.“

Wir hatten nämlich erst zuletzt über meine Lebenseinstellung gesprochen. Ich habe mir vorgenommen, jeden Tag als Chance, Aufbruch, Anfang und Entscheidung zu leben und bewusst Ja dazu zu sagen, so wie ich lebe.

Das hat Bernd scheinbar in seiner momentanen Situation herausgefordert. Er hat wohl gedacht, es läge an Ihm allein und dass er doch schauen soll, wie er sein Leben besser in den Griff bekommt.

Deshalb habe ich Bernd geantwortet: „Ok, du hast recht! Klar, wenn Dein Leben ein Trott ist und du unglücklich bist, dann hilft auch kein Schönreden. Dann musst du dich ehrlich fragen: was soll anders sein? Wo wünsche ich mir einen neuen Anfang? Und was muss ich tun, um so einen neuen Anfang zu machen. Gerade wenn ich nicht bewusst Ja sagen kann zu meinem Leben.“

Bernd hatte aufmerksam zugehört. Seine Gesichtsmuskeln haben sich sichtlich entspannt und dann hat er gezwinkert und gesagt: „Aber woher weiß ich, was richtig ist. Dass ich wirklich neuanfangen muss und was ich tun muss, um neu anzufangen?“

Jetzt habe ich geschmunzelt und gesagt: „Frag doch mal Gott um Rat!“

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

03JUL2023
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„Jeder neue Morgen ist ein neuer Anfang.“ Für manche mag er abgedroschen klingen. Mir allerdings bedeutet dieser Satz des Theologen Dietrich Bonhoeffers etwas. Und er erinnert mich immer wieder daran, dass ich mir vorgenommen habe „anfänglich“ zu leben. Anfänglich im Sinne von anfangen und auch aufbrechen.

Jeder neue Tag bietet die Möglichkeit dazu. Aufzubrechen aus alten Mustern, schwierigen Strukturen oder neu anzufangen nach belastenden Beziehungen.
Ich kenne das Gefühl gut: Ich stehe morgens auf und wünsche mir, es wäre schon wieder Abend. Oder ich sitze in der Bahn, jeden Tag die gleichen bekannten Gesichter und ich sehne mich nach Neuem. Der alltägliche Alltag – gerne würde ich ihm so manches Mal entfliehen.

Manchmal, wenn ich Glück habe oder vielleicht besser, wenn Gott es will und mir seinen Geist gibt, dann gelingt es mir, dem nachspüren, was ich gerne anders hätte, was ich eigentlich will.
Und dann sitze ich manchmal morgens auf der Bettkante und frage mich: Was muss heute passieren, damit du dir nicht schon direkt nach dem Aufstehen den Abend herbeisehnst. Oder auf dem Weg zur Arbeit, in der Bahn: Was stört mich denn daran, so oft die gleichen Gesichter zu sehen?

Das Erstaunliche ist, dass ich mir meist gar keine großen Veränderungen wünsche. Es sind eher die vermeintlich kleinen Dinge, nach denen ich mich sehne:  Mehr Zeit mit meinen Kindern. Oder einen guten Espresso in der Sonne.

Und bei den „bekannten Gesichtern“, seien es Arbeitskollegen oder eben flüchtige Bekannte aus der Bahn, stelle ich bei näherer Betrachtung fast immer fest, dass ich ganz zufrieden bin, so wie es ist. Dann nicke ich innerlich und freue mich.

Damit wird aus dem alltäglichen Trott eine Entscheidung - eine Entscheidung zur Arbeit zu fahren, die Menschen in der Bahn zu sehen und dann den Kolleginnen Hallo zu sagen.

Und das ist anfänglich Leben für mich. Ein „Ja“ zu dem, was ist und wie ich lebe. Und das fühlt sich an, wie ein neuer Anfang.

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Anstöße sonn- und feiertags

02JUL2023
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„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“ – diese Worte stammen von dem Dichter Hermann Hesse. Sie stehen auf Postkarten, Türschildern oder in Kalendern. Ich muss gestehen: Ich habe immer ein zwiespältiges Verhältnis zu diesen Worten gehabt. Vielleicht, weil ich auch schon Anfänge erlebt habe, die mir aufgezwungen worden sind, die ich nicht freiwillig gemacht habe.

Oder Anfänge, bei denen der Abschiedsschmerz die Anfangsfreude überdeckt hat.
Aber vor Kurzem habe ich wieder eine Idee von dem Zauber des Anfangs bekommen. Wegen Anne, wir kennen uns seit Schulzeiten. Sie hatte vor kurzem die Arbeitsstelle gewechselt und gerade ihren ersten Tag hinter sich. Gleich am Morgen war sie in ihrer Abteilung durch die Büros geführt worden.

Klar, viele Namen konnte sie sich nicht merken, aber sie hat in viele freundliche Gesichter gesehen. Zum ersten Feierabend wurde ihr dann auch noch ein großer Blumenstrauß überreicht und Anne hat ganz verzaubert ausgesehen, als sie mir davon erzählt hat. Sie hat den Blumenstrauß angeschaut, gelächelt und Hermann Hesse zitiert: „Ach weißt du, jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“.

Annes Anfang war offensichtlich gelungen.
Einige Wochen später haben wir uns wieder getroffen. Auf meine Frage nach der neuen Arbeit hat sie gelächelt und wieder mit Hermann Hesse geantwortet: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben“. So geht der Satz nämlich weiter.

„Klar, es ist nicht mehr so wie am Anfang, aber der erste Tag war ein Zeichen“, hat Anne gesagt. „Ich habe mich willkommen gefühlt und das hat mich durch die nächsten Tage und Wochen getragen.“

Damit war klar: Auch Annes neue Arbeit hat gute und weniger gute Seiten, aber der Zauber des Anfangs trägt sie und das war wundervoll zu sehen und zu spüren. Ihr geht es gut, auch in den Niederungen des Arbeitsalltages.

Einen Anfang zu wagen und dabei getragen zu werden – dieser Zauber ist für mich ein Geschenk Gottes. Wenn dann noch Andere versuchen, den Anfang gut zu gestalten, dann kann es eigentlich kaum besser sein.

Ich jedenfalls will versuchen, anderen ihre Anfänge zu erleichtern, um den Zauber nicht zu behindern, der im Aufbruch und Anfang liegt.

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