SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

02JUL2023
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„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“ – diese Worte stammen von dem Dichter Hermann Hesse. Sie stehen auf Postkarten, Türschildern oder in Kalendern. Ich muss gestehen: Ich habe immer ein zwiespältiges Verhältnis zu diesen Worten gehabt. Vielleicht, weil ich auch schon Anfänge erlebt habe, die mir aufgezwungen worden sind, die ich nicht freiwillig gemacht habe.

Oder Anfänge, bei denen der Abschiedsschmerz die Anfangsfreude überdeckt hat.
Aber vor Kurzem habe ich wieder eine Idee von dem Zauber des Anfangs bekommen. Wegen Anne, wir kennen uns seit Schulzeiten. Sie hatte vor kurzem die Arbeitsstelle gewechselt und gerade ihren ersten Tag hinter sich. Gleich am Morgen war sie in ihrer Abteilung durch die Büros geführt worden.

Klar, viele Namen konnte sie sich nicht merken, aber sie hat in viele freundliche Gesichter gesehen. Zum ersten Feierabend wurde ihr dann auch noch ein großer Blumenstrauß überreicht und Anne hat ganz verzaubert ausgesehen, als sie mir davon erzählt hat. Sie hat den Blumenstrauß angeschaut, gelächelt und Hermann Hesse zitiert: „Ach weißt du, jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“.

Annes Anfang war offensichtlich gelungen.
Einige Wochen später haben wir uns wieder getroffen. Auf meine Frage nach der neuen Arbeit hat sie gelächelt und wieder mit Hermann Hesse geantwortet: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben“. So geht der Satz nämlich weiter.

„Klar, es ist nicht mehr so wie am Anfang, aber der erste Tag war ein Zeichen“, hat Anne gesagt. „Ich habe mich willkommen gefühlt und das hat mich durch die nächsten Tage und Wochen getragen.“

Damit war klar: Auch Annes neue Arbeit hat gute und weniger gute Seiten, aber der Zauber des Anfangs trägt sie und das war wundervoll zu sehen und zu spüren. Ihr geht es gut, auch in den Niederungen des Arbeitsalltages.

Einen Anfang zu wagen und dabei getragen zu werden – dieser Zauber ist für mich ein Geschenk Gottes. Wenn dann noch Andere versuchen, den Anfang gut zu gestalten, dann kann es eigentlich kaum besser sein.

Ich jedenfalls will versuchen, anderen ihre Anfänge zu erleichtern, um den Zauber nicht zu behindern, der im Aufbruch und Anfang liegt.

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