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SWR1 3vor8

14APR2024
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Am liebsten möchte man ihn weglassen, den Bibeltext, der heute in der katholischen Liturgie vorgesehen ist. Er ist wie ein Wespennest, in das man hineinsticht, und dann am besten das Weite sucht, um der Gefahr aus dem Weg zu gehen. Dort heißt es, dass Petrus zum Volk, also zu den anwesenden Juden, das Folgende gesagt hat:

Der Gott Abrahams, Ísaaks und Jakobs, der Gott unserer Väter, hat seinen Knecht Jesus verherrlicht, den ihr ausgeliefert und vor Pilatus verleugnet habt …[1] Petrus attackiert hier scharf seine eigenen Leute, seine Herkunft, von der er sich nun deutlich distanziert. Er wirft ihnen vor: Ihr seid schuld, dass Jesus tot ist. Ihr habt es so weit kommen lassen. Ihr seid – nein, das sagt er nicht, aber das wird man auch wegen dieser Bibelstelle später den Juden vorwerfen – ihr seid die Gottesmörder! Zwar mussten das Töten damals die Römer übernehmen, weil sie als Besatzer die Gerichtsbarkeit hatten. Aber Schuld daran waren eben die Juden. Wie häufig geht man mit seinen eigenen Leuten am härtesten ins Gericht. Petrus ist dafür ein gutes Beispiel. Er ist selbst Jude, jetzt aber auf dem neuen Weg unterwegs. Und der grenzt sich strikt gegenüber dem ab, was vorher war. Deshalb überzieht Petrus, wenn er sagt: Den Urheber des Lebens habt ihr getötet, aber Gott hat ihn von den Toten auferweckt[2]. Das hatte furchtbaren Konsequenzen, die er zwar nicht vorhersehen konnte, aber die trotzdem bis heute wirken und eine Spur des Grauens mit sich ziehen. Menschen jüdischen Glaubens wurden und werden angefeindet, ausgegrenzt, beleidigt und in ihrer Existenz bedroht. Obwohl viele, die das tun, gar nicht gläubig sind, geschweige denn über diese religiösen Feinheiten Bescheid wissen, liegt eine Wurzel eben hier. Dass die Christen sich so schroff gegen die Juden abgegrenzt haben. Und ich als Christ trage heute Verantwortung, dass die lange Tradition der christlich motivierten Judenfeindschaft aufhört. Zumal das Judentum eine meiner Wurzeln ist. Woran Petrus ja keinen Zweifel lässt, wenn er sagt: Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ist der Gott unserer Väter. Ja, das sind die Juden, Mütter und Väter im Glauben. Und Jesus ist ein Sohn meiner jüdischen Herkunftsfamilie.

Viele werden es nicht wahrnehmen, wenn sie heute den Bibeltext hören. Aber dieser Text ist gefährlich. Er kann missverstanden und missbraucht werden. Er muss gedeutet und klug interpretiert werden. Damit er nicht noch mehr Unheil anrichtet.

 

[1] Apostelgeschichte 3,13

[2] Apostelgeschichte 3,15

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06APR2024
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Der Europarat[1] hat festgestellt: In Deutschland klafft die Spanne zwischen arm und reich immer mehr auseinander. Und das soll in Deutschland der Fall sein? Wo wir doch die stärkste Wirtschaftskraft in Europa sind und einen gut funktionierenden Sozialstaat haben? Dabei ist es gerade deshalb so: Weil wir so ein reiches Land sind, fällt es um so mehr ins Gewicht, dass ein Teil der Menschen in unserem Land schlecht dasteht. Und weil es in der biblischen Tradition eine klare Option für die Armen gibt, greife ich das Thema heute auf. Als Christ kann mich Ungerechtigkeit nicht unbeeindruckt lassen.

Der Europarat nennt drei Bereiche, bei denen Deutschland dringend etwas tun muss.

Erstens Armut. Betroffen sind besonders behinderte Menschen und Senioren, vor allem aber Kinder. Konkret geht es darum, die Rechte von Kindern zu stärken, damit ihre Bedürfnisse bei politischen Entscheidungen nicht vergessen werden.

Zweitens Wohnungsnot. Noch immer steigt Jahr für Jahr die Zahl von Menschen, die bei uns ohne festen Wohnsitz sind. Um daran langfristig und umfassend etwas zu ändern, muss sich auch das Mietrecht ändern, weil es Eigentümer zu wenig in die Pflicht nimmt.

Drittens Ausgrenzung. Wachsende Ungleichheit führt dazu, dass Menschen regelrecht aufeinander losgehen, indem sie den anderen verachten und beschimpfen. Rassismus und auch Judenfeindlichkeit sind die Folgen. Dagegen muss die Politik mehr unternehmen. 

Am Ende lautet das Fazit des Europarats: Das hohe Maß an Armut und sozialer Benachteiligung steht in keinem Verhältnis zum Reichtum des Landes[2]. Deutschland muss die soziale Gerechtigkeit fördern und die Lebensbedingungen für alle verbessern.

Dieses „für alle“ ist für mich der Schlüssel. Weil hier ins Spiel kommt, wie ich als Christ auf andere schaue. Vor Gott sind alle Menschen gleich. Alle haben die gleichen Rechte und Pflichten. Ungleichheit lässt sich aber nicht vermeiden. Deshalb steht der, der mehr hat, in der Pflicht zu teilen. Und teilen kann ich ganz schön viel. Ich kann andere an dem teilhaben lassen, was ich weiß, wo ich Einfluss und Beziehungen habe. Zu teilen heißt auch, ein offenes Haus zu haben und gastfreundlich zu sein. Und natürlich kann man einfach von dem abgeben, was man hat. Bei den meisten ist es ohnehin zu viel, und die die weniger haben, wären froh. Es genügt nicht, das Problem auf die Politik abzuladen. Wo ich lebe und arbeite, kann ich etwas tun – gegen die Schere von arm und reich.

[1] Der Europarat wurde 1949 zum Schutz von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat in Europa gegründet. Er ist von der Europäischen Union unabhängig. Ihm gehören 46 europäische Staaten an. Die Experten besuchten Deutschland im November vergangenen Jahres.

[2]https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/Politik__Inland_/article250638849/Europarat-Deutschland-bekaempft-Armut-zu-wenig.html

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05APR2024
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"Darf ein geistliches Wort am Beginn des Tages kritisch sein?[1]“ Mit dieser Frage beginnt der Aufsatz eines Mannes, den ich im März beerdigt habe. Joachim Köhler, ehemals Professor für Kirchengeschichte, bei dem auch ich studiert hatte. Interessant, dass er sich mit so einer Frage beschäftigt hat: Ob Kirchenleute wie ich im Radio Probleme ansprechen dürfen. Oder ob ich nur dazu da bin, um zur Besinnung einzuladen und möglichst heitere Geschichten zu erzählen. Mit meinem Lehrer Köhler sage ich ausdrücklich dazu: Nein. Ich will auch beunruhigen, weil unsere Welt nicht heil ist, und weil ich auch keine heile Welt vortäuschen will. Wenn ich bei der Wahrheit bleibe und ehrlich sein will, geht es gar nicht anders. Dann muss ich hier auch sagen, dass wir für den Klimawandel verantwortlich sind und im Begriff, unseren Planeten zu zerstören. Weil das die Wahrheit ist und nur unseriöse Quellen es leugnen. Ich muss nicht wegschauen, sondern darf klare Kante zeigen, wo Grenzen überschritten werden. Wem es vor allem um den eigenen Vorteil geht, wer nicht zum Teilen bereit ist, dem sage ich: Du kannst nicht Gott dienen und dem Mammon[2].

Es gibt also noch einen weiteren Grund, weshalb ich als Kirchenmann im Radio kritisch sein muss. Ich tue es auch, weil ich dem Evangelium Jesu Christi verpflichtet bin. Und was dort steht, ist eben nicht harmlos oder gleichgültig, sondern es steht für eine klare Haltung. Wo es ungerecht zugeht, kann ich als Christ nicht schweigen, sondern habe von Jesus den Auftrag, dem abzuhelfen – durch Worte, aber noch mehr, indem ich entsprechend handle. Wo die Würde von Menschen mit Füßen getreten wird, kann ich nicht wegsehen, sondern muss den Finger in die Wunde legen. Wer seine Heimat verloren hat und bei uns Hilfe sucht, ist kein Mensch zweiter Klasse. Jesus hat sich nicht für den Pass interessiert, nicht für das Geschlecht oder ob einer in der Gesellschaft angesehen ist. Jeder Mensch ist vor Gott gleich. Das ernst zunehmen hat enorme Konsequenzen. Und es verlangt, den Mund aufzumachen, wenn es unmenschlich zugeht. So wie es die Propheten schon vor Jesus getan haben. Sie haben sich darauf verlassen, dass Gottes Geist in ihnen wirkt und sie das Richtige sagen lässt. Dieser prophetischen Rede fühle ich mich als Hörfunkpfarrer verpflichtet – auch wenn das manchmal und für manche unbequem ist.

[1] Joachim Köhler, Das Thema: Prophetie. Wider das Verdrängen und Vergessen. Über den Mut, den Alltag prophetisch zu deuten, in: Der Prediger und Katechet 145, 2006, Heft 6, S. 839-844.

[2] Vgl. Matthäus 6,24

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04APR2024
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Viele Geschichten im Neuen Testament sind österliche Geschichten – auch wenn von der Auferstehung gar nicht direkt die Rede ist. So auch die, in der ein kleiner Junge die Hauptrolle spielt. Obwohl er nur nebenbei erwähnt wird. Es heißt von ihm lediglich, er habe fünf Brote und zwei Fische. Was allerdings nicht reicht, wenn man mit 5.000 Leuten unterwegs ist, die alle Hunger haben. Jesus ist auch dabei und will sie satt bekommen. Mit den fünf Broten und zwei Fischen des Jungen. Mehr lässt sich auf die Schnelle nicht auftreiben. Dass es am Ende gelingt, ist als das „Wunder von der Brotvermehrung“[1] in die Geschichte des christlichen Glaubens eingegangen. Aber kaum einer – auch damals nicht – hat angenommen, dass es dabei um den Hunger geht, der sich im Magen bemerkbar macht. Sondern um einen, den jeder Mensch kennt, und manchmal hart zu spüren bekommt.

Ich stelle mir deshalb Folgendes vor: Da ist in der Menge ein Mann, der seine Enkel nicht sehen kann. Er hat sich so mit seiner Tochter zerstritten, dass sie nicht mehr miteinander reden. Wenn er allein ist, kommen Bilder von früher in seinen Kopf. Als sie auf die Welt kamen und wie sie zum ersten Mal „Opa“ zu ihm gesagt haben. Dann tut es besonders weh, wenn er merkt, wie weit weg die Kleinen inzwischen von ihm sind. Dass er selbst auch Schuld daran hat; und wie sehr er sich danach sehnt, sie in den Arm zu nehmen. Wer bloß kann ihm dabei helfen, wer weiß Rat?

Viele Menschen haben Hunger nach dem, was man zum Leben braucht. Der Clou bei der Brotvermehrung ist: Die Grundlage, um den Hunger zu stillen, kommt von einem Kind. Der Junge hat mit seinen Broten und Fischen offenbar alles, was satt macht. Es braucht dann nur noch einen, der es geschickt genug anstellt, damit die Nahrung auch verteilt wird, so dass es am Ende für alle reicht. Jesus hatte offensichtlich diese Gabe.

Und der kleine Junge? Er hat am Ende seine fünf Brote und zwei Fische nicht mehr. Aber er hat mit angesehen, was passiert ist, als sie verteilt wurden. Wie der Großvater auf einmal getröstet ist, weil er weiß, dass es seinen Enkeln gut geht, und er Mut gefasst hat, wieder einen Schritt auf seine Tochter zuzugehen. Weil ein Lächeln über manche Gesichter ging und ein Gefühl der Gemeinschaft entstanden ist. Der kleine Junge weiß, dass er daran Anteil hat, dass es ohne ihn nicht funktioniert hätte.

Ich habe auch nur fünf Brote und ein anderer zwei Fische. Oft reicht das für mehr, als man denkt.

[1] Vgl. Johannes 6,1-15

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

03APR2024
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Ab der kommenden Woche fahre ich ein E-Auto. Vollelektrisch und mit Strom von meinem Hausdach, wenn die Sonne scheint. Das ist ein gutes Gefühl, auf das ich mich schon seit einer Weile freue. Klar, dass ich im Vorfeld immer wieder mit anderen gesprochen habe, die schon so ein E-Auto fahren. Was das für ein Fahrgefühl ist, welche Erfahrungen sie damit gemacht haben. Alle sagen, das sei schon eine Umstellung. Und manche erzählen mir von einem Phänomen, das typisch fürs elektrische Autofahren sei. Es heißt: „Reichweitenangst“. Damit ist gemeint, dass man mit einem E-Auto nicht so weit kommt, wie mit einem Benziner oder Diesel und es nicht überall eine Ladesäule gibt, um den Speicher wieder aufzufüllen. Man muss deshalb eine weite Reise genau planen, um unterwegs nicht liegen zu bleiben. Werde ich das gut hinkriegen?

Übertrieben ängstlich bin ich eigentlich nicht. Aber ich behalte schon gerne die Kontrolle und mache Pläne, damit ich ohne größere Probleme durch den Alltag komme. Von den Nudeln, die ich bevorrate und der Menge an Sprudel und Saft könnte eine Familie gut und gerne einen Monat lang leben. Manchmal frage ich mich deshalb, ob mein Vertrauen groß genug ist, ob ich mich im Gleichgewicht befinde. In einer Balance zwischen dem, wo es klug ist loszulassen, und dem anderen, wo es besser ist festzuhalten. Dabei geht es nicht nur um den Vorrat an Lebensmitteln, sondern auch darum, ob ich bei jedem Wehwehchen gleich ans Schlimmste denke. Ob ich es mir erlaube, mein Leben zu genießen neben dem, was Arbeit ist. Es geht auch um die große Angst vor dem Tod. Ich glaube, diese Balance ist wichtig, damit es mir gut geht, um nicht allzu unbekümmert in den Tag hinein zu leben, aber auch nicht von Sorgen aufgefressen zu werden. Wo muss ich mich kümmern, wo lasse ich etwas auf mich zukommen? Oft steht eine Angst ja eher unbewusst im Raum. Ich werde nicht verhungern, kann Nudeln nachkaufen. Ich bin auch was wert, wenn ich keine 100% abliefere.

Der Speicher in meinem neuen Auto soll mindestens für 400 Kilometer reichen. Mal sehen, ob stimmt, was der Hersteller behauptet. Damit werde ich in der ersten Zeit meine Erfahrungen sammeln. Auch mal austesten, wie weit ich komme, ohne dass ich allzu nervös auf dem Fahrersitz werde. Und dann bestimmt auch lächeln - über die sprichwörtliche „Reichweitenangst“.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

02APR2024
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Ich besitze zu viel. Mehr als genug. Und ich bin nicht der Einzige. Es ist offensichtlich, dass viele von uns zu viel haben. Nur scheint es sich immer noch zu steigern, das Wegwerfen und das Besitzen-Wollen, also das Konsumieren. Und es lässt sich mit Zahlen belegen. Das Statistische Bundesamt hat festgestellt, dass ein deutscher Haushalt im Durchschnitt 10.000 Gegenstände besitzt. Vor hundert Jahren waren es noch 180. Wenn ich mich bei mir zu Hause umschaue, fürchte ich: Das stimmt. Und noch mehr befürchte ich, dass es bei mir sogar noch mehr ist, was sich da im Laufe der Zeit angesammelt hat. Bücher, Tupperdosen, Krawatten, elektronische Geräte. Undsoweiter. Keine Frage, dass ich das nicht alles brauche.

Aber wieso hab ich’s dann und kaufe weiter? Ich vermute, dafür gibt es etliche Gründe. Sie haben mit geschickter Werbung zu tun und damit, gerne was Neues besitzen zu wollen, weil ich das Alte nicht mehr sehen kann. Aber ein Argument gegen übermäßigen Besitz macht mir besonders zu schaffen. Weil es sich an mich als einen richtet, der an Gott glaubt. Das Argument stammt von Jesus und steht in einer Predigt von ihm, in der er das zusammengefasst hat, was ihm besonders wichtig war. Dort sagt er: Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon[1]. Das aramäische Wort Mammon meint den schnöden Besitz, das Materielle, dem Jesus ganz bewusst Gott gegenüberstellt. Er provoziert damit eine Entscheidung. Wer an Gott glaubt, wer Gott für wichtig hält, der muss darauf achtgeben, ob ihm anderes dabei nicht in die Quere kommt. Und das Haben-Wollen, das Anhäufen von Besitz sei dabei besonders gefährlich.

Mein Auto zum Beispiel. Ich habe es nicht, um damit zu protzen und andere damit in den Schatten zu stellen. Auch nicht, um jede Macke so ernst zu nehmen, als wäre es nicht einfach nur ein Fortbewegungsmittel. Sich zu vergleichen und mehr zu haben als andere, macht auf die Dauer unglücklich, sagt Jesus in der besagten Predigt. Wörtlich: Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz[2]. Und empfiehlt mir die Schätze im Himmel. Was er wohl damit meint? Gut zu anderen sein. Mir die Sorgen anhören, wenn mir jemand sein Herz ausschüttet. Frieden stiften, wo einer auf den anderen losgeht. Und eben auch … das Materielle nicht so wichtig zu nehmen.

[1] Matthäus 6,24

[2] Matthäus 6,21

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Anstöße sonn- und feiertags

01APR2024
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Monte Scherbelino. So heißt im Volksmund ein Hügel in Stuttgart. Eigentlich heißt er Birkenkopf. Aber weil es ein Schuttberg aus Trümmern des Zweiten Weltkriegs ist, nennen die Leute ihn so: Monte Scherbelino. In Stuttgart wie in vielen anderen deutschen Städten konnte man sehen, wo man nach einem Krieg steht: Vor einem Scherbenhaufen. So viele kaputte Häuser, so viele Tote, so viele zerstörte Lebenspläne.

Eine Gruppe von Christen in Stuttgart trifft sich heute Nachmittag um 15 Uhr auf dem Monte Scherbelino, um sich daran zu erinnern. Und sich darin zu bestärken, dass Krieg das Schlimmste ist, was Menschen einander antun. „Nie wieder Krieg!, ist deshalb ihre gemeinsame Parole. Gleichzeitig wissen sie, dass es wieder Krieg gibt auf unserer Welt. In der Ukraine schlagen jeden Tag russische Bomben ein; und das ist näher, als wir glauben. Israel wurde von der Hamas heimtückisch attackiert. Und als Deutsche liegt uns besonders daran, Israel und seine Menschen zu unterstützen.

Ostermontag auf dem Monte Scherbelino. Oben auf dem Hügel steht ein Kreuz. Seit Karfreitag hängen dort vier Dornenkronen. So eine, wie Jesus sie auf seinem Kopf hatte, um ihm Schmerz zuzufügen, ihn leiden zu sehen. So böse kann der Mensch sein, so grausam, so gewalttätig. Das gehört auch zu Ostern, weil die Auferstehung keine andere Welt schafft, sondern mitten im Leben geschieht. Damals wie heute. Bevor Gott seinen Sohn auferweckt hat, musste der Leid und Tod durchmachen. So scheint das geregelt zu sein auf dieser Welt. Und wer klug ist, täuscht sich nicht über diese harte Realität. Auf dem Scherbelino stehen die vier Dornenkronen für vier Aspekte, die dem Frieden dienen, wenn wir sie beachten. Nicht zu vergessen, was war, und aus der Erinnerung lernen. Sich nicht dem Krieg hinzugeben, ihm nicht das letzte Wort zu überlassen. Zu akzeptieren, dass es keine Welt ohne Leid gibt, es aber gilt, das Leiden erträglich zu machen. Die vierte Dornenkrone steht für meine persönliche Schuld, die Schattenseiten, mit denen ich anderen das Leben schwer mache.

Wer Ostern feiert, glaubt daran, dass es einmal anders sein wird als bisher. Kein Leid mehr, kein Krieg. Alles, was ist, lebt in Harmonie – mit sich, mit anderen, und mit Gott. Er beendet den Kreislauf des Todes, wo ein Geschöpf dem anderen nach dem Leben trachtet. Die Stuttgarter Christen laden heute auf den Scherbelino ein. Um das nicht zu vergessen. Nie!

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Anstöße sonn- und feiertags

31MRZ2024
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Christus ist auferstanden! Jesus lebt. Das ist die Botschaft am Ostermorgen. So grüßen sich Christen heute auf der ganzen Welt. Und ich grüße Sie von Herzen auch so. Aber was, wenn sie kein Christ sind und nicht an die Auferstehung glauben? Ich bin überzeugt, dass Ostern für alle da ist und jeder davon profitieren kann.

Weil Jesus von den Toten auferstanden ist und Christen glauben, dass deshalb kein Mensch, überhaupt kein Leben auf dieser Erde endet, ist das für mich keine exklusive Angelegenheit. Es ist nicht für die Christen reserviert. Im Gegenteil: Ostern ist ein universales, ein alles umfassendes Ereignis. Johannes hat das in seinem Evangelium genau so aufgeschrieben, wenn er Jesus sagen lässt: Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen[1]. Alle werden von Jesus mitgenommen in den Himmel. Alle werden davon befreit sein, was sie auf der Erde bedrückt und unglücklich gemacht hat. Alle werden neu leben. Das ist das Versprechen, an das ich als Christ glaube. Aber wie profitieren alle schon heute von Ostern?

Eine Schülerin sagt mir, dass ja sowieso jeder sterbe müsse, früher oder später. Und dass es keine so große Rolle spiele, wann das geschieht. Ob mit fünfzehn oder fünfzig oder fünfundneunzig. Da hat sie schon recht, wenn sie dann sagt: Es bringt nichts, wenn ich mein bisschen Leben für allzu wichtig, gar unverzichtbar halte. Wer sein Leben nach Tagen berechnet, muss unglücklich werden. Ich halte der Schülerin entgegen: Mein Leben ist doch nicht egal. Es ist nicht bedeutungslos, wie ich lebe, wer ich bin. Für mich bedeutet es einen großen Unterschied, ob ich darauf hoffe, dass ich nicht umsonst hier bin. Ich hoffe auch darauf, nicht ins Nichts zu fallen, wenn ich sterbe. Und diese Hoffnung hat Konsequenzen. Ich schaue dann mit größtem Respekt auf alles, was lebt – auf Menschen, Tiere, Pflanzen. Ich kämpfe um jeden Menschen, wenn ich etwas für ihn tun kann. Ich investiere so viel wie möglich in die Liebe. Weil das die Botschaft des Kreuzes ist, an dem Jesus starb. Dort oben, erhöht am Kreuz, umarmt er jeden von uns und bindet ihn an sich. Es ist dieses Vorzeichen der Liebe über den Tod hinaus, von dem alle nur profitieren können.

[1] Johannes 12,32

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SWR1 3vor8

17MRZ2024
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Einander treu bleiben, bis in den Tod. Viele Paare versprechen sich das. Wohl auch deshalb, weil sie davon überzeugt sind: Treue steht für Liebe. Dem anderen, treu zu sein, das drückt am besten aus, dass man ihn oder sie liebt. Wer heiratet, der verspricht das seinem Partner ausdrücklich bei der Trauung. In der Kirche sowieso, aber auch auf dem Standesamt geht es um ein Versprechen, das auf Lebenszeit geschlossen wird. Treue ist offenbar ein Ideal, an dem wir gerne festhalten. Sie steht für eine Verbindung, die uns kostbar ist, heilig.

Deshalb wird in der Bibel auch die Verbindung zwischen Gott und seinem Volk so charakterisiert. Gott schließt mit denen, die an ihn glauben einen Bund. Einen Bund fürs Leben. Und weil Treue nicht selbstverständlich ist, weil es nicht jeden Tag gleich gut klappt damit, erinnert Gott von Zeit zu Zeit daran, dass es dieses Band der Treue und der Liebe gibt. Die Vorbereitungszeit auf Ostern ist so eine Zeit, in der Christen prüfen, wie es um ihre Treue zu Gott und seinem Bund bestellt ist. Deshalb wird heute in den katholischen Gottesdiensten der folgende Text aus dem Buch des Propheten Jeremia gelesen und bedacht: Ich schließe mit dem Haus Israel (…) einen neuen Bund. Er ist nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe. (…) Diesen meinen Bund haben sie gebrochen, obwohl ich ihr Gebieter war. (…) Sondern so wird der Bund sein (…): Ich habe meine Weisung in ihre Mitte gegeben und werde sie auf ihr Herz schreiben.[1]

Mir gefällt daran besonders, dass ein Bund mit Gott nichts Starres ist, das ein für alle Mal gleich bleibt. Wie ich lebe und dabei Gott treu bleibe, das wandelt sich. Es ist abhängig davon, wo ich lebe, von den Ereignissen, die auf der Welt passieren, vom Kulturkreis, zu dem ich gehöre, usw. Wenn ich Gott treu bleiben will, muss ich mich der Frage stellen, was Gott von mir erwartet. „Thomas, was musst Du tun, um Gott treu zu sein, um den Bund zu erfüllen?“ Jeremia sagt unmissverständlich, wie das funktioniert. Ich muss eine Ahnung davon bekommen, wie Gott sich das Leben auf dieser Erde gedacht hat. Seine Gedanken, seine Weisung in meinem Herzen prüfen. Und dann das tun, was richtig und nötig ist.

Im Moment bedeutet das für mich vor allem Zweierlei: Mich nicht von den Todesfällen niederdrücken zu lassen, mit denen ich zu tun habe, sondern meinen Freunden, die trauern, dabei zu helfen, dass sie wieder ins Leben finden. Weil ich an einen Gott der Lebenden glaube. Und: Mein Herz nicht hart werden zu lassen, wenn ich angegriffen werde. Weil nur ein weiches Herz verstehen kann, was Gott von mir will.

 

[1] Vgl. Jeremia 31,31-33

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SWR4 Sonntagsgedanken

10MRZ2024
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Zu viel Kirche, zu wenig Jesus. So nehmen viele Menschen wahr, was ihnen in der Öffentlichkeit begegnet, wenn von Kirche und Christentum in Deutschland die Rede ist. Die Kirche ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Sie liefert unentwegt schlechte Nachrichten, auf die die Medien einsteigen können. Viele, die frustriert aus der Kirche austreten. Frauen, die nicht gleichberechtigt sind.

Ein Paradebeispiel für diese falsche Prioritätensetzung hat sich zuletzt auf der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe ereignet. Die Konferenz hat ein beachtenswertes Papier verabschiedet, in dem sie sich ungewöhnlich scharf gegen rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien und für ein demokratisches Miteinander ausspricht. Völkisches Gedankengut ist nicht mit dem Christentum vereinbar, schreiben sie. Der Vorsitzende der Konferenz, Bischof Bätzing aus Limburg, geht sogar noch einen Schritt weiter, wenn er sagt, dass weder Ämter noch Ehrenämter in der katholischen Kirche mit einer Mitgliedschaft in der AfD vereinbar sind. Wer Menschen nach ihrer vermeintlichen Rasse einteilt, wer alles angeblich Undeutsche aus Deutschland vertreiben will, der kann sich nicht gleichzeitig auf das Evangelium berufen. Im Papier der Bischofskonferenz steckt also viel Jesus drin. Aber leider wurde dieses positive und klare Signal von einer Meldung überlagert, die in den Medien mehr hermacht, die schneller war und bewusst vorher platziert wurde. Aus Rom kam der Befehl: kein synodaler Rat in der deutschen Kirche. Keine verbindliche Mitsprache von Laien bei den wesentlichen Entscheidungen. Und sofort sind wir wieder bei der Kirche und ihren Strukturen - und nicht bei dem, worauf es ankommt: bei Jesus und seinen Weisungen für ein gelingendes Leben.

Ich weiß, dass dieser Gegensatz pauschal ist, zu pauschal vermutlich. Die Kirche hat immer auch etwas mit Jesus zu tun. Was aber bleibt, ist der Anschein: Der Kirche geht es darum, ihre Macht zu erhalten, und es wird viel um Feinheiten gestritten, die kein Mensch mehr versteht. Jesus dagegen ging es vor allem um das Glück des Einzelnen und das Heil der ganzen Welt. Das gerät in Vergessenheit. Eine berühmte Stelle im Johannesevangelium formuliert das so: Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab (…). Er hat ihn gesandt, (…) damit die Welt durch ihn gerettet wird (vgl. Johannes 3,16f.).

Die Botschaft ist klar. Unsere Welt braucht keine selbsternannten Führer, keine politischen Messiasse. Sie braucht: mehr Jesus. 

Für meine Verhältnisse kommt das, was Jesus wichtig war, viel zu kurz in der Kirche, weil sie sich um sich selbst dreht und ihren eigentlichen Auftrag oft vernachlässigt. Dabei hat Jesus den Menschen so viel zu geben. Ich weiß noch sehr gut, was am Ende meiner Schulzeit den Ausschlag gegeben hat, dass ich Pfarrer werden wollte: Ich wollte – sozusagen mit Jesus und seinen Gedanken im Gepäck – die Welt ein bisschen besser machen. Wie frei er mit allem umging, was Menschen unnötig belastet hat. Die starren Vorschriften der Religion hat er einfach ignoriert. Was den Menschen glücklich macht, was ihn aufatmen lässt, stand für ihn an erster Stelle. Das ist beispielhaft frei, wenn ich daran denke, wie die Kirche bis heute Menschen einteilt wegen ihres Geschlechts, ihrer Sexualität, ihrem Lebenswandel. Wenn jemand zu ihm kam, der eine große Last mit sich herumgetragen hat, weil er sich schuldig gemacht hatte – das soll bis heute vorkommen. So einen hat er getröstet, ihm verziehen und Tipps gegeben, wie er neu anfangen kann. Es geht eben nicht um die, die schon das meiste haben, sondern um die, denen was fehlt. Um die muss die Kirche sich kümmern: Und das tut sie ja auch, aber es bleibt oft unbemerkt, weil es keine Schlagzeilen produziert. Jesus steht für eine großartige Botschaft, weil sie so menschenfreundlich ist, so großherzig und zärtlich. Das braucht unsere Welt. Davon kann das Miteinander in unserer Gesellschaft bloß profitieren.

Und noch etwas: Christen glauben, dass Jesus am Kreuz gestorben ist. Aus Liebe. Er wollte damit zeigen, wie weit einer gehen kann, wenn er an der Liebe festhält. Dass die Liebe Grenzen überwindet. Am Ende sogar den Tod. Spätestens dann landen wir bei der Frage, was denn unser Leben ausgemacht hat, was wichtig war und was bleibt. Es täte mir als Teil der Kirche gut, mich immer wieder auch mit dieser letzten Konsequenz zu konfrontieren. Was bleibt von allem, was wir tun, wenn es auf das Ende zugeht? Macht und Formen und Farben und Gesetze sind es nicht. Als Jesus gekreuzigt wurde, heißt es, sind zwei übrig geblieben von den vielen, die ihm vorher die Treue geschworen hatten. Nur zwei. Eine davon war Maria, die Mutter Jesu, die auch Mutter der Kirche genannt wird. Sie geht mit Jesus durch dick und dünn. Sie bleibt bei ihm, als es eng wird, weil sie ihn liebt. Ich finde: Darauf kommt es an. Bei mir, in der Kirche, in unserer Welt.

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