Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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05APR2024
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"Darf ein geistliches Wort am Beginn des Tages kritisch sein?[1]“ Mit dieser Frage beginnt der Aufsatz eines Mannes, den ich im März beerdigt habe. Joachim Köhler, ehemals Professor für Kirchengeschichte, bei dem auch ich studiert hatte. Interessant, dass er sich mit so einer Frage beschäftigt hat: Ob Kirchenleute wie ich im Radio Probleme ansprechen dürfen. Oder ob ich nur dazu da bin, um zur Besinnung einzuladen und möglichst heitere Geschichten zu erzählen. Mit meinem Lehrer Köhler sage ich ausdrücklich dazu: Nein. Ich will auch beunruhigen, weil unsere Welt nicht heil ist, und weil ich auch keine heile Welt vortäuschen will. Wenn ich bei der Wahrheit bleibe und ehrlich sein will, geht es gar nicht anders. Dann muss ich hier auch sagen, dass wir für den Klimawandel verantwortlich sind und im Begriff, unseren Planeten zu zerstören. Weil das die Wahrheit ist und nur unseriöse Quellen es leugnen. Ich muss nicht wegschauen, sondern darf klare Kante zeigen, wo Grenzen überschritten werden. Wem es vor allem um den eigenen Vorteil geht, wer nicht zum Teilen bereit ist, dem sage ich: Du kannst nicht Gott dienen und dem Mammon[2].

Es gibt also noch einen weiteren Grund, weshalb ich als Kirchenmann im Radio kritisch sein muss. Ich tue es auch, weil ich dem Evangelium Jesu Christi verpflichtet bin. Und was dort steht, ist eben nicht harmlos oder gleichgültig, sondern es steht für eine klare Haltung. Wo es ungerecht zugeht, kann ich als Christ nicht schweigen, sondern habe von Jesus den Auftrag, dem abzuhelfen – durch Worte, aber noch mehr, indem ich entsprechend handle. Wo die Würde von Menschen mit Füßen getreten wird, kann ich nicht wegsehen, sondern muss den Finger in die Wunde legen. Wer seine Heimat verloren hat und bei uns Hilfe sucht, ist kein Mensch zweiter Klasse. Jesus hat sich nicht für den Pass interessiert, nicht für das Geschlecht oder ob einer in der Gesellschaft angesehen ist. Jeder Mensch ist vor Gott gleich. Das ernst zunehmen hat enorme Konsequenzen. Und es verlangt, den Mund aufzumachen, wenn es unmenschlich zugeht. So wie es die Propheten schon vor Jesus getan haben. Sie haben sich darauf verlassen, dass Gottes Geist in ihnen wirkt und sie das Richtige sagen lässt. Dieser prophetischen Rede fühle ich mich als Hörfunkpfarrer verpflichtet – auch wenn das manchmal und für manche unbequem ist.

[1] Joachim Köhler, Das Thema: Prophetie. Wider das Verdrängen und Vergessen. Über den Mut, den Alltag prophetisch zu deuten, in: Der Prediger und Katechet 145, 2006, Heft 6, S. 839-844.

[2] Vgl. Matthäus 6,24

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39653
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