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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

10FEB2024
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„Heiterkeit des Herzens ist Leben für den Menschen…Frohsinn verlängert die Tage…“ (Sir 30,22.24b)

Das ist kein Motto für eine Fastnachtssitzung. Ich habe die Sätze in der Bibel gefunden. Ja, die Bibel lädt ein, das Leben mit Humor und Heiterkeit zu nehmen. Doch einfach ist das oft nicht. Die Nachrichten sind voll von schrecklichen Katastrophen, die das Herz schwer machen und alles andere als Frohsinn verbreiten. Und im eigenen Umfeld reißen die Sorgen auch nicht ab.

Ich frage mich da schon, wie das gehen soll mit der Heiterkeit des Herzens. Und frage auch: Darf ich mich überhaupt freuen, darf ich Fastnacht feiern? Wo doch so viel Leid passiert? Ich finde, wenn es ums Leben geht, um gutes und glückliches Leben, dann ist es nicht die Frage, ob ich das darf. Dann ist klar, dass ich trotz allem, trotz Krieg und Unrecht, trotz Sorgen und Trauer mich auch freuen darf; Ängste und Traurigkeit mal eine Zeit lang vergessen kann. Weil es einfach guttut, mich aufbaut und stärkt. Wenn ich mit Freundinnen und Freunden zusammen bin. Die Lebendigkeit und die Freude um mich herum genieße. Das heißt ja nicht, zu lachen, wo es nichts zu lachen gibt. Es bedeutet nicht, etwas schönzureden, wegzuschauen oder Unrecht zu ignorieren, sondern ganz bewusst das Andere, das Schöne zu sehen und mich daran zu freuen. Vielleicht ist es die Perspektive, die den Unterschied macht: Worauf schaue ich besonders? Was rücke ich in den Vordergrund? Von welchem Standpunkt aus betrachte ich das Leben und die Umstände? 

In diesen Tagen kann ich ausprobieren, die Welt mal aus einer anderen Perspektive zu sehen. Wenn mir danach ist, vielleicht sogar mit einem Clownshut oder einer Narrenkappe auf dem Kopf. Die Wirklichkeit mal mit anderen Augen anzusehen, kann so manche Sorge für einen Moment an den Rand schieben. Und vielleicht spüre ich dann ja: „Heiterkeit des Herzens ist Leben für den Menschen.“

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

09FEB2024
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Die letzten Tage ging es ganz schön hektisch und stressig zu in unserem Büro. Vieles sollte fertig und vorbereitet werden. Und da kommt es auch schon mal vor, dass der Umgangston ein wenig ruppiger und rauer wird.

Mir hilft da, dass auf meinem Schreibtisch eine Karte mit einem Spruch steht. Sie bremst mich, die ein oder andere spitze Bemerkung loszuwerden: „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.“ Der Dichter Joachim Ringelnatz bringt die Weisheit auf den Punkt.

Und recht hat er. Schon oft habe ich erlebt, dass Streit und Ärger verhindert werden können, wenn nur einer aus der Runde mit Humor reagiert. Zum Beispiel, wenn im Büro mal wieder alles Mögliche im Weg rumsteht. Darüber kann ich meckern und vor mich hin schmollen. Aber manchmal fällt mir auch eine lustige Bemerkung dazu ein. Davon räumt noch niemand im Büro auf. Aber Humor hilft, dass mir nicht der Kragen platzt und die Stimmung auf den Nullpunkt sinkt.

Das Wort Humor kommt von „Humus“. Mit Humus versorgen die Gärtner gerne die Pflanzen. Humus ist nahrhaft, feucht und locker. Das lässt die Pflanzen gut gedeihen und wachsen. Ganz ähnlich wirkt da der Humor. Es tut einfach gut, wenn Humor im Spiel ist, die Stimmung aufhellt und alles etwas lockerer und leichter von der Hand geht. Und auch mal Kritisches mit einem Augenzwinkern gesagt werden kann.  

An Fastnacht können wir das üben: Wenn die Büttenredner die Politik und die kleinen und großen Ungerechtigkeiten des Lebens auf`s Korn nehmen. Wenn liebevoll geschmückte Motivwagen durch die Straßen rollen und einladen, über die Skandale der letzten Monate einfach herzhaft zu lachen. Oder die Kostüme aus dem Keller geholt werden und wir uns in einen anderen verwandeln. So ist auch mal ein Scherz möglich, ohne dass es uns jemand krummnimmt. Ich finde, Fastnacht ist eine prima Übung, das Leben humorvoll ernst zu nehmen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

08FEB2024
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Fastnacht. Für die einen heißt das, mal richtig über die Stränge schlagen. Für andere tanzen bis die Füße weh tun. Und wieder andere wollen von Fastnacht am liebsten gar nichts mitbekommen und nutzen die Zeit lieber zum Skifahren oder gönnen sich ein paar erholsame Tage im Wellnesshotel.

Einfach ein bisschen Zeit mit Leichtigkeit und Freude zulassen und genießen. Sorgen und Ängste mal hinter mir lassen. Mir tut das gut. Gerade, weil vieles nicht leicht und unbeschwert daherkommt, brauche ich auch das, was das Leben so schön und liebenswert macht. Was mich lebendig macht.

Mir kommt dabei ein Comic der Peanuts in den Sinn: Charlie Brown und sein Hund Snoopy sitzen auf einem Bootssteg. Sie schauen auf einen See und unterhalten sich: „Eines Tages werden wir sterben, Snoopy“, sagt Charlie Brown. „Ja, das stimmt, Charlie, aber an allen anderen Tagen nicht“, antwortet ihm sein weiser Hund. Die Antwort sitzt. Ich finde den Comic klasse. Er strahlt so viel Gelassenheit, so eine Leichtigkeit aus und ich muss einfach lächeln, wenn ich das Bild dazu sehe. Niemand von uns weiß, an welchem Tag er diese Welt verlassen wird. Und das ist auch gut so. Aber jeder kann selbst was dafür tun, dass alle anderen Tage wunderbar lebendig werden.

Ja, es gibt Gründe, todtraurig zu sein und vieles düster und schwarz zu sehen. Aber es gibt auch jede Menge Gründe, das Leben zu feiern und mich zu freuen. Weil ich gesund bin. Weil mir nette Menschen begegnen. Weil ich frei habe. Weil vielleicht endlich ein paar Sonnenstrahlen zum Vorschein kommen. Oder eben, weil die Fastnachtstage vor der Tür stehen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

18NOV2023
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In diesen Novembertagen besuchen viele die Gräber von Menschen, die sie vermissen: Die Ehefrau, den Vater, den Freund oder die Oma. Und an den Gräbern erinnern sich viele an die Verstorbenen: Wie sie so waren. Was sie mit ihnen erlebt haben. Was sie ihnen heute gern noch erzählen würden.

Und viele Fragen gehen durch den Kopf. Über das Sterben und den Tod. Keiner von uns weiß ja, wie das einmal sein wird am Ende unseres irdischen Lebens.

Bei der letzten Trauerfeier, die ich geleitet habe, war das ganz ähnlich. Ich habe die Verstorbene gekannt. Eine sehr nette Frau, immer adrett gekleidet, äußerst höflich und an allem und jedem interessiert. Zusammen mit ihren Angehörigen konnte ich auf ein langes Leben zurückblicken. Und an eine Frau denken, die immer ein gutes Wort auf den Lippen hatte, gerne gelacht hat und einen tiefen Glauben in sich trug. Davon hat sie gerne erzählt. Und das drückte auch das Lied aus, das sie selbst noch zu Lebzeiten für die Trauerfeier ausgewählt hatte: „Wir sind nur Gast auf Erden“. Alle konnten von der Hoffnung hören und selbst davon singen, was die Verstorbene in ihrem Leben erfüllt hat. Trotz aller Beschwerden hat sie darauf vertraut, dass sie am Ende ihres Lebens zu Gott findet. Dass sie heimfindet, wie es im Lied heißt.

Die alte Frau hat gerne gefeiert. Und ich hatte den Eindruck, sie wollte, dass auch ihre Verwandten und Freunde in der Trauer feiern. Dass unser irdisches Leben nicht alles ist. Dass es nach dem Tod weitergeht. Anders sicher, als wir es kennen. Aber ganz nah bei Gott. Wie der christliche Glaube es verheißt.

Die Lieder und die Texte einer Trauer-Feier beantworten nicht alle Fragen, die am Grab eines lieben Menschen aufkommen, aber sie können Hoffnung verbreiten. Eine Hoffnung, die trösten kann.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

17NOV2023
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Ich bin etwas genervt, weil ein Zug Verspätung hat und ich ziemlich lange auf den nächsten warten muss. Wenigstens habe ich einen Platz auf einer Bank im Wartebereich ergattert und kann sitzen. Während ich noch auf mein Handy schaue, muss sich eine Mutter mit einem Kind neben mich gesetzt haben. Ich nehme sie erst wahr, als ich mich etwas beruhigt habe. Aber dann bin ich einfach nur fasziniert. Die Mutter hält ihre schlafende Tochter auf ihrem Schoß. Ein Arm stützt den Kopf des Kindes, ein anderer den Rücken. Die Augen der Mutter ruhen auf ihrem Kind. Das Kind atmet ruhig und schläft tief und fest. Rundherum ist jede Menge Trubel. Leute, die hektisch zu den verschiedenen Gleisen laufen. Durch den Lautsprecher der Bahn dröhnt die Ansage von der Einfahrt der nächsten Züge.

Und neben mir dieses schlafende Kind im Schoß der Mutter. So friedlich, entspannt und geborgen. „Wie gut es ihr Kind hat!“, sage ich, als die Mutter bemerkt, dass ich die beiden beobachte. Sie lächelt und nickt. Und antwortet mir in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Aber das ist egal. Ich kann ahnen, was sie meint.

In den ganz alten hebräischen Texten der Bibel steht das Wort Mutterschoß immer dort, wo in der deutschen Übersetzung das Wort Barmherzigkeit steht. Mich berühren diese beiden Worte und die Deutung, die ich darin entdecke: Ohne den Mutterschoß gibt es kein Leben. Und auch ohne Barmherzigkeit gibt es kein Leben.

Am Anfang jedes Menschenlebens steht die Barmherzigkeit. Wie ein Geschenk, das wir im Leben weitergeben können. Den Gedanken nehme ich heute gerne mit in den Tag. Und das friedliche Bild des Kindes auf dem Schoß der Mutter auch.

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16NOV2023
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Es vergeht eigentlich kaum ein Tag, an dem ich nicht gefragt werde: „Und - alles klar bei dir?“ Meistens antworte ich: „Ja, passt schon.“ Oder „Ja, und selbst?“ Aber in letzter Zeit gefällt mir meine knappe Antwort nicht mehr. Denn wenn ich ehrlich bin, ist ja längst nicht alles klar. Und vieles passt mir auch nicht. Von den täglichen schrecklichen Nachrichten angefangen, den Terminen, die überhandnehmen, bis hin zu den Krankheiten, die es in der Familie und im Freundeskreis gibt. Nein. Es ist nicht alles klar. Aber ich mag auch nicht bei jedem Gespräch davon anfangen und meine Sorgen ausbreiten.

So ist mir vor Kurzem auf die Frage: „Und - alles klar?“ zur Antwort „vieles“ über die Lippen gekommen. Ich war selbst überrascht. Und meine Bekannte irgendwie auch. Aber daraufhin hat sich ein nettes Gespräch ergeben. Und wir konnten uns tatsächlich austauschen über das, was klar und auch schön ist. Dass es auch das Andere gibt, das unklar und schwierig bleibt, schwingt bei der Antwort mit. Aber gesprochen haben wir dann doch über das, was mich trotz allem immer wieder freut und mir Mut macht:

Dass ich endlich mal wieder schwimmen war und eine gemeinsame Bekannte getroffen habe.

Dass überraschend Besuch gekommen ist und wir uns viel Zeit für ein gutes Gespräch nehmen konnten.

Dass der Installateur die Heizung wieder zum Laufen gebracht hat.

Ja, vieles ist klar und vieles ist einfach nur schön, sogar an trüben November-tagen. Darauf zu achten und ganz bewusst davon zu erzählen, ist wichtig. Damit auch das Schöne eine Stimme bekommt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

06MAI2023
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Sie sind vier von Vielen, ohne die es nicht läuft:

Mia leitet jede Woche eine Gruppenstunde mit acht Messdienerinnen unserer Kirchengemeinde. Sie studiert inzwischen in Koblenz und manchmal kommt sie extra deswegen nach Budenheim.

Anja organisiert und leitet Sitzungen. Diskutiert und berät, damit Probleme gelöst, Veränderungen akzeptiert werden und Veranstaltungen reibungslos laufen.

Christine besucht alte Menschen zu ihrem Geburtstag. Bringt ein kleines Geschenk vorbei, gratuliert und hält ein kurzes Schwätzchen.

Dorothee lädt junge Familien, die ein Baby bekommen haben, zu einem Spaziergang ein. So können sie untereinander Kontakte knüpfen, sich austauschen über das, was mit dem Familiennachwuchs neu, chaotisch, herrlich und auch anstrengend ist.

Ohne Menschen wie Mia, Anja, Christine oder Dorothee sähe unsere Gemeinde und auch unsere Welt viel trostloser und ärmer aus. Vieles wäre überhaupt nicht möglich. In unseren Kirchengemeinden nicht und in den Vereinen und Kommunen auch nicht. Etwa 31 Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland in einem Ehrenamt. Das sind echt viele. Sie opfern ihre Freizeit, um freiwillig in den unterschiedlichsten Bereichen tätig zu werden. Sie setzen sich für das Gemeinwohl und den Zusammenhalt der Gesellschaft ein – mit ihrem Talent, ihrem Können und ihrer Zeit. Ohne die vielen ehrenamtlichen Männer und Frauen würde in unserem Land ganz Wesentliches zusammenbrechen.

Das wissen auch die Ehrenamtlichen aus unserer Gemeinde. Denn sie engagieren sich, weil sie spüren, wie gut es jenen tut, für die sie sich einsetzen. Die Gruppenstunden, der Besuch, die Treffen. Sie schenken Gemeinschaft und verbreiten Freude. Aber sie engagieren sich nicht nur für andere. Auch ihnen tut es gut. Denn wer sich selbst ehrenamtlich betätigt, ist glücklicher. Das bestätigt auch Mia. „Es macht einfach Spaß.“ Und Dorothee fügt hinzu: „Ich bin froh, wenn weitergeht, was mir selbst viel gegeben hat.“  Na dann: Glücklich, wer ein Ehrenamt hat!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

05MAI2023
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Zusammensitzen und erzählen. Das ist so einfach und kann gleichzeitig so guttun. Nach der Beerdigung meines Vaters konnte ich das tief spüren. Auf dem Friedhof blies ein kalter Wind. Und nicht nur Regen lag in der Luft, auch ganz viel Traurigkeit. Aber die Verwandten und Freunde unserer Familie sind danach noch zusammengeblieben und haben sich bei Kaffee und Kuchen aufgewärmt.

Und dann wurde erzählt. Ganz viele Erlebnisse mit meinem Vater. Gemeinsame Unternehmungen. Probleme, die gewälzt, Feste, die gefeiert wurden. Die Eigenheiten, die ihn so einmalig und unverwechselbar gemacht haben. Nach der Beerdigung haben wir uns vom Leben erzählt. Und mit der Zeit wurden nicht nur die Füße wieder warm. Mit der Zeit wurde auch das Todtraurige und Schwere ein bisschen leichter und erträglicher. Und hier und da wurde sogar gelacht, weil auch viel Lustiges aus dem Leben meines Vaters zur Sprache kam.

In meinem Heimatdorf im Westerwald heißt dieser Trauerkaffee nach einer Beerdigung auch „Trösterich“. Ich mag dieses Wort. Denn dieser Kaffee, das Zusammensein und Erzählen, das tröstet wirklich. Weil da ganz viel Zusammenhalt, viel Verbundenheit spürbar ist. Weil das Zusammenrücken zeigt: Wir sind nicht allein.

„Wir sollten uns auch mal ohne traurigen Anlass treffen.“ Der Satz macht häufig nach Beerdigungen die Runde. Ja, das ist ein guter Vorsatz. Denn auch im ganz Alltäglichen tut mir das gut. Ohne konkreten Anlass. Erzählen, was los ist. Was das Herz bedrückt, das Leben schwer macht, aber auch, worauf ich mich freue. Zusammensitzen und erzählen. Und wenn nötig, auch einander trösten.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

04MAI2023
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In der Schule ging es letzte Woche im Reliunterricht um Bartimäus. Den blinden Bettler aus der Bibel.

Bartimäus sitzt am Rand. Ausgegrenzt und gemieden. Als er mitbekommt, dass Jesus in der Nähe ist, beginnt er zu rufen. Auch wenn ihn die anderen auffordern, still zu sein. Er ruft so lange, bis Jesus stehen bleibt und den Bettler zu sich holt. Und dann heißt es: „Da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu.“ (Mk 10, 50)

Bartimäus wirft seinen Mantel weg. An der Stelle bleibe ich immer wieder hängen. Dass so ein Detail überhaupt erwähnt wird. Die Schüler im Unterricht haben das sofort kapiert. Für sie ist klar: So eine dicke Jacke, die nervt. Die ist viel zu schwer, wenn man laufen und sich bewegen will. Da sprechen sie aus Erfahrung. Die Kinder sind sich einig: Der Mantel muss weg. Der steht für das alte Leben von Bartimäus. Das blinde, das dunkle Leben. In Bewegung kommt Bartimäus nur ungeschützt. Wenn er hinter sich lässt, was ihn festhält und einengt.

Meinen warmen Wintermantel werde ich jetzt auch erst mal wegpacken. Langsam, aber sicher wird es ja endlich wärmer. Und mit jedem Frühling beginnt auch etwas Neues. Neues Leben. Neue Hoffnung. Und so werde ich mich dabei fragen, was ich mit dem Mantel alles noch wegpacken möchte, um wieder freier zu werden. Vielleicht den Ärger über das, was ich eh nicht ändern kann. Oder die Bedenken, die mir im Weg stehen, etwas Neues zu lernen. Eben das, was mich bisher hindert, das ein oder andere neu zu sehen und anzupacken.  

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25FEB2023
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Ein Tipp der Physiotherapeutin hat bei uns zuhause etwas durcheinandergebracht. Sie hat meinem Mann und mir empfohlen, die Plätze am Esstisch zu tauschen. Sie meint, gegen die Verspannung im Nacken könnte helfen, einfach mal die ein oder andere Drehung zu verändern. So steht meine Kaffeetasse nicht mehr an meinem gewohnten Platz und ich dreh meinen Kopf nicht nach rechts, sondern eben nach links, wenn ich mit meinem Mann spreche. Nun hoffe ich, dass der gewünschte Effekt eintrifft.

Die Blickrichtung zu verändern, kann die ein oder andere Verspannung lockern, nicht nur im Nacken. Mir fällt das in Diskussionen auf. Wenn verschiedene Meinungen sich gegenseitig blockieren. Auch bei einem Konflikt kann es helfen, die eigene Sichtweise zu überprüfen. Verschiedene Haltungen zu akzeptieren und dann abzuwägen, was weiterführt. Zugegeben, das ist wesentlich anstrengender als einfach mal den Sitzplatz am Esstisch zu tauschen.

Denn dazu gehört auch, dass ich kritisch prüfe, ob meine Blickrichtung tatsächlich so klar und zielführend ist. Vielleicht kann ich verstehen, warum der Kollege die Dinge anders anpackt als ich mir das wünsche, wenn ich das Ganze aus seiner Perspektive heraus betrachte. Oder ich kann auch besser nachvollziehen, warum die Nachbarin sich über Sträucher ärgert, die von meinem Garten über den Zaun wachsen. So manches Problem könnte sich dadurch verändern.

Wenn ich die Blickrichtung einfach mal ändere, quasi die Dinge von einem anderen Platz aus betrachte, kann ich eine neue Perspektive gewinnen. Entdecken, wo meine Ansicht vielleicht einseitig ist oder wo ich zu sehr meine Gewohnheit und meinen Vorteil im Blick habe. Manchmal braucht es dazu einfach einen anderen, der mir klar sagt: Tausch mal deinen Platz! Versuch das Ganze mal aus einer anderen Perspektive zu sehen! Das ist unbequem. Es kann aber die ein oder andere Blockade lösen.

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