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Seit ein paar Wochen interessiert sich meine Tochter für ihren Stammbaum. Die Namen meiner Großeltern, die hatte ich sofort parat. Aber meine Uroma, mein Uropa? Da musste ich passen. Und hab mich gewundert, als meine Tochter mir die Namen genannt hat. Nein, hatte ich tatsächlich noch nicht gehört. Von wem stamme ich ab? Wer gehört zu mir? Mal sehen, wieviel Generationen meine Tochter zurückverfolgen kann.
Im Neuen Testament gibt es auch einen Stammbaum. Es beginnt sogar damit. Der Evangelist Matthäus zählt die wichtigsten Vorfahren von Jesus auf. Das klingt ziemlich langatmig. Von Abraham bis zum König David. Und von David durch die Geschichte der Bibel hindurch bis zu Josef, dem Mann Marias, der Mutter von Jesus. 42 Generationen werden da genannt. Die biblische Erzählung fängt also nicht mit der Geburt Jesu an oder mit der Taufe. Nein, mit dem Stammbaum. Und diesen Stammbaum hat der Evangelist Matthäus nicht über Standesämter oder Kirchenbücher herausgefunden, sondern er hat ihn zusammengestellt, um bedeutsame Beziehungen herzustellen. Die Aufzählung zeigt: Gott hat eine lange Geschichte mit den Menschen. Eine Geschichte mit Segen und Unglück. Mit Niederlagen und Erfolgen. Und in diese lange Geschichte reiht sich Jesus ein und setzt einen neuen Anfang.
Als ich den Stammbaum meiner Tochter gesehen habe, da wurde mir trotz der Lücken, die er noch hat, klar: Auch ich bin hineinverwoben in Gottes Geschichte mit uns Menschen und trage dieses Erbe mit mir. Manches macht mich sehr dankbar. Anderes ist mir vielleicht unangenehm. Aber vieles prägt mich. Ja, in jedem Menschen zeigt Gott sich in dieser Welt. Auch in mir, meinen Vorfahren und Kindern. Und mit jedem neuen Tag und jedem neuen Jahr kann ich die Geschichte Gottes in dieser Welt weiterschreiben und mitgestalten.
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Zwischen den Jahren. So nennen viele die Tage nach Weihnachten bis Silvester. Das alte Jahr ist fast vorbei und das Neue steht in den Startlöchern. Die Zeit fühlt sich wie so ein „dazwischen“ an. Für mich sind das ganz wertvolle Tage. Oft erledige ich noch, was liegen geblieben oder zu kurz gekommen ist. Papiere abheften. Liebe Menschen anrufen. Frische Luft tanken. Und besonders gern blättere ich durch meinen Kalender. Und lass das alte Jahr ein wenig in Gedanken an mir vorbeiziehen. Jedes Jahr staune ich von Neuem, was alles los war. Was ich auf meinem Weg durch das Jahr geschafft habe. Worüber ich mich gefreut und was ich gefeiert habe. Und auch was schwer war. Ich denke an Menschen, die ich neu kennengelernt habe und erinnere mich an jene, die gestorben sind. Viele unterschiedliche Blitzlichter aus dem vergangenen Jahr tauchen vor meinen Augen und in meinen Gedanken auf.
Dabei komme ich mir manchmal vor wie die Sterndeuter aus der Weihnachtserzählung. Die sind auch auf dem Weg. Sie suchen Gottes Spuren - und finden sie an einem ganz außergewöhnlichen Ort. Nicht bei Herodes im Palast. Nicht im Tempel oder einer Synagoge. Sie finden sie bei einem Kind in einer Krippe. Ganz unscheinbar. Armselig. Ganz anders als gedacht.
Und wenn ich auf mein Jahr schaue? Dann kann ich überlegen: Wo habe ich gespürt, dass mich etwas tief berührt, überrascht, zum Staunen gebracht hat? Wo war mir Gott ganz nah?
Vielleicht als wir ein großes Fest gefeiert haben. Vielleicht als plötzlich eine Lösung für ein Problem da war. Vielleicht als ich eine alte Freundin wieder getroffen habe. Vielleicht als ich weinen musste. Vielleicht … Ja, ich glaube auch heute kann ich wie die Sterndeuter Gottes Spuren finden. Wenn ich überall dort suche, wo mich etwas tief innen anrührt. Wo etwas aufleuchtet. Hell wie Sterne.
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Auch wenn in unserer Gemeinde an Heiligabend vieles modern und neu sein darf, eines muss sein wie immer: Am Ende der Christmette soll das Licht ausgehen und das Lied „Stille Nacht“ erklingen. Ob jung oder alt. Das gehört einfach für die allermeisten dazu. Dann ist Weihnachten. In diesem Jahr ist mir das Lied schon ein paar Monate vorher eingefallen. Und zwar die dritte Strophe, wo es heißt: „da uns schlägt die rettende Stund“.
Ich war an der Nordsee und konnte eine Zeitlang den Rettungsschwimmern bei ihrer Arbeit zuschauen. Die sitzen in ihrem Stelzenbau am Strand und beobachten die See. Beobachten, was geschieht. Warnen, wenn es gefährlich wird und greifen ein, wenn es nötig wird. Dann zählt jede Minute. Dann setzen sie alles daran, andere zu retten. Ich konnte das von meinem sicheren Platz am Strand aus verfolgen. Ein älterer Mann ist weit raus geschwommen und hatte seine Kräfte wohl überschätzt. Doch dank der Rettungsschwimmer erlebte er im wahrsten Sinne des Wortes eine „rettende Stund“.
Im Lied „Stille Nacht“ wird als rettende Stund die Geburt Jesu beschrieben. Und Jesus, als unser Retter genannt. Daran musste ich denken. Wenn wir an Weihnachten das Lied singen, dann feiern wir, dass mit Jesu Geburt Gott Mensch wird. Einer von uns. Einer, der mir ganz nah sein möchte und bei mir sein will in allem, was mir als Mensch zu schaffen macht, was mich bewegt und berührt. Gott wird Mensch. Einer, der da ist. Gerade dann, wenn ich hilflos bin. Wenn ich auf andere angewiesen bin. Wenn es bedrohlich wird.
Die rettende Stund kann ich mit all dem verbinden, was mich trägt und hält in dieser Welt. Was mich lieben und leben lässt. Wo ich das Göttliche in meinem Leben erahne. Kann sein – an Weihnachten. Genauso gut aber auch am Strand.
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Ich musste zum Arzt. Nichts Schlimmes, nur ein kurzer Kontrolltermin. Und ich dachte, da bin ich schnell wieder draußen. Doch: Pustekuchen. Das Wartezimmer war rappelvoll. Und ich musste ewig warten. Da war Geduld gefragt. Nach einem tiefen Seufzer hab ich dann mal meinen Blick durch die Runde kreisen lassen: Da war die Mutter mit ihrem kleinen Kind, das quengelt. Der ältere Herr, der die Zeitung liest. Die junge Frau, die mit dem Fuß ununterbrochen wackelt. Die ältere Frau, die regelmäßig tief stöhnt und den Kopf schüttelt. Und einige, die sich die Zeit mit ihrem Handy vertreiben.
Das ist das, was ich sehe. Aber was geht sonst so in ihnen vor? Ich kann es nur ahnen. Aber ich stelle mir vor: Da sitzt die Angst neben der Gelassenheit. Die Erleichterung gegenüber der Unsicherheit. Die Wut hinter der Hoffnung. Die Aggression neben der Trauer.
Ja, denke ich, das Wartezimmer steckt voller Emotionen. Hier sitzt niemand aus Langeweile. Alle sind hier, weil sie etwas beunruhigt. Weil irgendetwas nicht in Ordnung ist.
Ich muss dabei an die Nachricht denken, die ich vor ein paar Tagen gelesen habe. Dass die Gewalt in den Arztpraxen ständig zunimmt. Dass Personal bedroht wird und Situationen eskalieren. Wie furchtbar! An diesem Morgen beobachte ich dagegen mit sehr viel Respekt, wie freundlich und verständnisvoll die Arzthelferinnen das Ganze managen und verhindern, dass die Gefühle hochkochen.
Mir ist jedenfalls mal wieder sehr deutlich geworden, dass mein Anliegen nur eines unter sehr vielen ist. Und vielleicht nicht mal das dringendste. Das lässt mich dann auch geduldig warten.
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Stark, mutig, streitbar, selbstbewusst. Alles Worte, mit denen die heilige Hildegard beschrieben wird. Heute ist ihr Gedenktag. Und in ihrem Namen steckt schon sehr viel von dem, was sie ausgezeichnet hat. „Hilde“ bedeutet im Althochdeutschen „Kampf“. Und „gard“ kann mit „Schutz“ umschrieben werden. Das passt. Denn Hildegard von Bingen war eine Kämpferin. Und genau das hat sie zur Heiligen werden lassen. Gekämpft hat sie nicht mit Waffen oder Gewalt. Gekämpft hat sie mit ihrem Wissen, mit ihren Erfahrungen, mit vielen Worten und sicher auch Wortgefechten.
Sie lebte vor über 850 Jahren als Nonne in der Nähe von Bingen am Rhein. Als Frau der Kirche hat sie sich keineswegs brav und fromm in ihr Kloster zurückgezogen. Ganz im Gegenteil: Sie war Künstlerin und Wissenschaftlerin, Theologin und Ärztin, Schriftstellerin und eine mächtige Äbtissin. Gegenüber den geistlichen und weltlichen Mächtigen ihrer Zeit hat Hildegard kein Blatt vor den Mund genommen. Mit den Kirchenmännern, die das Sagen hatten, hat sie heftig gestritten, zum Beispiel um strenge Ordensregeln zu lockern. Auch hat sie für ein eigenes Kloster in der Nähe von Bingen gekämpft, in das Frauen aus allen Schichten eintreten konnten. Eine starke Frau!
So einen Mut und solche Stärke wünsche ich auch den Frauen und Männern, die in zwei Wochen in Rom zusammenkommen. Da findet eine weitere Versammlung der Weltsynode der katholischen Kirche statt. Papst Franziskus hat diese Synode einberufen. Kurz gesagt geht es um Wege, wie die Kirche auch im dritten Jahrtausend Gottes Botschaft an unsere Welt vermitteln kann. Damit spürbar bleibt, dass Gottes Zuwendung alle Menschen begleitet.
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In diesem Sommer habe ich mir einen Füller gekauft. Und ich hoffe, dass ich mit dem Füller einfach wieder schöner und lesbarer schreibe. In den letzten Jahren ist meine Schrift immer krakeliger geworden. Und da dachte ich, ein Füller könnte mir helfen, dass sich das wieder ändert.
Ganz altmodisch mit der Hand zu schreiben, ist ja bis heute in der Schule wichtig. Buchstabe für Buchstabe wird geübt und genau in die Zeilen platziert. Und nach und nach entwickelt sich die ganz eigene Handschrift heraus. Graphologen können aus der Handschrift einiges ableiten. Neigung, Größe, Abstände und Druck verraten dem Fachmann einige Persönlichkeitsmerkmale. Ich kann das nicht. Ich weiß nur, die Handschrift ist so einzigartig wie der Mensch, zu dem sie gehört.
Mir ist das erst letztlich wieder bewusstgeworden. Als mir ein Stapel alter Briefe in die Hände gefallen ist. Noch bevor ich den jeweiligen Absender gesehen habe, wusste ich, von wem der Brief war. Ich kenne die Schrift meiner Mutter. Meines Mannes. Meiner Töchter. Die Schrift der früheren Schulfreundin. Und dann war da dieser Brief, den mir meine Familie vor vielen Jahren nach Frankreich während eines Schüleraustausches geschrieben hat. Auf dem Umschlag waren Wünsche an mich formuliert. Und die jeweiligen Handschriften haben mir verraten, wer mir was wünscht. Ich konnte die Sätze auch nach all den Jahren noch den Menschen zuordnen.
Für mich ist das ein Grund mehr, meine Handschrift zu pflegen. Zum Beispiel mit einem neuen Füller, um das, was meine Schrift so unverwechselbar macht, zu bewahren.
Aber auch sonst lohnt es sich, immer wieder mal zu überlegen, was macht mich einzigartig? Woran bin ich erkennbar? Was möchte ich auch davon zeigen und bewahren?
Vielleicht meine eigene Art, mit anderen in Kontakt zu kommen. Oder mit Schwierigkeiten umzugehen. Vielleicht ein besonderer Kleidungsstil. Oder der Humor, der gute Laune verbreitet. Was macht mich unverwechselbar? Und was Sie?
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Die Zeit anhalten. Das würde ich manchmal echt gerne tun. Wenn es rundum schön ist und ich glücklich bin. Aber das geht halt nicht. Oder vielleicht doch?
Ich war mit meinem Mann an der Ostsee unterwegs. An einem Abend hatten wir es uns auf einer Bank gemütlich gemacht. In Sichtweite war ein Restaurant und die Terrasse voll mit Gästen besetzt. Der Kellner hatte alle Hände voll zu tun, die Wünsche zu erfüllen und alle Tische zu bedienen. Und dann sehe ich, wie der Kellner plötzlich inmitten aller Gäste alles stehen und liegen lässt und aus heiterem Himmel anfängt zu singen. Das Lied des Vogelfängers aus der Oper „Die Zauberflöte“. Die Leute schauen auf, sind total überrascht und erstaunt. Und dann lächeln sie. So wie ich. Weil der Kellner echt gut singen kann und sich alle über diese spontane und fröhliche Gesangseinlage freuen. Zum Schluss bekommt er Applaus. Und so rasch wie er alles stehen und liegen gelassen hat, greift er wieder nach seinem Tablett und verschwindet in der Küche.
Ich fand das Ganze einfach klasse und mir ist die Szene in der letzten Zeit noch ein paar Mal in den Sinn gekommen. Der Kellner hat zwar nicht die Zeit angehalten, aber für ein paar Minuten die Arbeit. Er ist stehen geblieben, hat haltgemacht, sich kurz gesammelt und voll Inbrunst dieses Lied in den Abend hinein geschmettert. Bei mir ist dabei hängen geblieben: Die Routine unterbrechen, gerade dann, wenn jede Menge ansteht. Einfach mal tun, was mir spontan in den Sinn kommt und worauf ich Lust habe,- gerne auch mal was Verrücktes. Und sei es nur für einen kurzen Moment. Die Zeit anhalten, wenn es so schön ist, - das klappt halt nicht. Aber die Arbeit und den Alltag mal kurz zu unterbrechen, mutig das tun, was mich freut und mich wieder in Schwung bringt, das geht. Nicht nur sonntags.
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Meine Freundin Sabine ist seit 25 Jahren verheiratet. Und das möchte sie gerne feiern. Weil sie für die gemeinsamen Jahre sehr dankbar und die Silberhochzeit ja längst nicht selbstverständlich ist. Im Bekanntenkreis erlebt sie das: Der Schwager, der viel zu früh verstorben ist. Die Ehe der Freundin, die in die Brüche gegangen ist. Sabine ist froh, dass sie auf gute Jahre zurückblicken kann. Einfach war es nicht immer. Manches kam ganz anders als geplant. Aber auch, was schwer war, konnten sie miteinander tragen. Ja, sie hatten auch viel Glück und schauen nun zufrieden auf die gemeinsame Zeit. Aus einer am Anfang ganz zarten Beziehung ist eine lange Ehe geworden.
In der Bibel erzählt Jesus einmal von einem Senfkorn. Winzig klein. Aber wenn es ausgesät wird, kann es groß werden. Es wird zu einem Baum, in dem die Vögel sich niederlassen und nisten können. Jesus sagt: „So ist das mit dem Reich Gottes.“ Wie die Samen ist es erst winzig und klein. Aber es kann wachsen und groß und sogar anderen zur Heimat werden.
Das kleine Senfkorn ist für mich auch ein Bild für die Beziehungen, die klein und zart anfangen. Mit einem Blick, einem netten Wort, einer zarten Berührung. Aus einem kleinen Anfang kann eine Liebe wachsen, die sich durch ein ganzes Leben trägt. Jesus vergleicht das Wachsen des Senfkornes mit dem Reich Gottes. Und ich finde, auch die Paare, die ein gemeinsames Leben miteinander wagen, sich trauen, das Leben miteinander zu teilen, können etwas von diesem Reich Gottes zeigen. Sie versprechen sich, dass sie füreinander da sein, sich gegenseitig Halt schenken und miteinander wachsen möchten.
Für mich scheint da etwas vom Reich Gottes durch: Dass ich mich geborgen und angenommen fühle. Dass die guten und schweren Tage des Lebens gemeinsam getragen werden. Dass ich aufgehoben bin. Und in all dem ahne ich, dass dieser Gott mit mir geht, mich uneingeschränkt liebt und mein Leben begleitet. Wenn das kein Grund zu feiern ist!
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Heute Abend geht es also los mit der Fußballeuropameisterschaft im eigenen Land. Das ein oder andere Spiel werde ich mir sicherlich anschauen. Werde mitfiebern, fluchen und hoffentlich auch jubeln. Mal seh’n! Da treffen die Mannschaften Europas aufeinander. Messen ihre Kräfte und Talente, kämpfen leidenschaftlich gegeneinander, aber spätestens nach dem Schlusspfiff wird für mich auch klar sein: Das Ganze ist ein Spiel. Nicht mehr und nicht weniger. Denn für mich geht es bei der Europameisterschaft nicht nur um Fußball. Für mich geht es auch um Europa. Die vielen Nationen, die das Fußballturnier bestreiten, die zeigen mir, wie eng wir miteinander verbunden sind. Auch über alles hinweg, was uns unterscheidet und Probleme macht. Und ich hoffe, dass es bei dieser EM froh und friedlich zugeht. Dass in den Stadien und auf den Straßen auch gefeiert werden kann, wie verbunden wir untereinander in Europa sind.
Gefeiert wird sicher auch in meiner Nachbarschaft, je nach Spieltag eben: Die polnische Familie von nebenan. Der Austauschschüler aus Frankreich, der für zwei Wochen in unserer Straße wohnt. Die Pflegekraft aus Kroatien, die jeden Morgen vorbeikommt, damit meine Nachbarin solange es geht, in ihrer gewohnten Umgebung bleiben kann. Über diese Vielfalt ganz in meiner Nähe freue ich mich. Wie gut, dass so vieles ganz selbstverständlich und unproblematisch läuft und den Alltag bereichert.
Ich finde, diese EM ist eine prima Gelegenheit, Europa zu feiern. In den Stadien oder auf den Straßen. Hauptsache friedlich und in Freundschaft.
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Ein schön gedeckter Tisch mitten im Garten: Weiße Tischdecke, feines Porzellan, bunte Blumen, herrlicher Sonnenschein. Über die Einladung zum Kaffeeklatsch mit den Freundinnen freue ich mich. Schon länger haben wir uns nicht mehr gesehen. Da gibt es viel zu erzählen. Die Gastgeberin will uns verwöhnen und hat sogar einen Kuchen gebacken. Alles soll perfekt sein!
Doch dann das: Der Kuchen rutscht von der Tortenplatte als meine Freundin ihn in den Garten trägt. Nach einem ersten Schreck müssen alle herzhaft lachen.
Der Kuchen ist nicht mehr zu retten. Dafür liegt im Küchenschrank noch eine Packung Kekse. Die muss an dem Nachmittag reichen. Und das tut sie auch. Denn das Beste ist was ganz Anderes: Aus unserer Runde fängt eine nach der anderen an, von allen möglichen Missgeschicken zu erzählen. Da kann jede was beisteuern: Die Kaffeetasse, die umfällt und die weiße Bluse voll kleckert. Die Namen, die verwechselt wurden. Die aufgeplatzte Hosennaht.
Unser Kaffeeklatsch war klasse, auch ohne selbstgebackenen Kuchen. Und ich bin mir sicher: Es war so toll, weil alle ganz offen und ehrlich erzählt haben. Nicht von den tollsten Urlauben, den besten Rezepten und den begabtesten Kindern. Erzählt wurde von dem, was danebengegangen, misslungen, was peinlich war. An diesem Nachmittag konnten alle spüren: Ich muss nicht perfekt sein. Andere sind es auch nicht. Das entlastet. Und das tut richtig gut.
Wichtig ist, ob wir uns ehrlich begegnen. Ob wir nur erzählen können von dem, was schön und perfekt gelaufen ist oder eben auch von dem, was gerade richtig schiefläuft.
Auf die nächste Kaffeerunde in meinem Garten blicke ich nun jedenfalls total entspannt. Die Freundinnen kommen, auch wenn oder besser: Gerade weil nicht alles perfekt sein muss.
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