Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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17NOV2023
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Ich bin etwas genervt, weil ein Zug Verspätung hat und ich ziemlich lange auf den nächsten warten muss. Wenigstens habe ich einen Platz auf einer Bank im Wartebereich ergattert und kann sitzen. Während ich noch auf mein Handy schaue, muss sich eine Mutter mit einem Kind neben mich gesetzt haben. Ich nehme sie erst wahr, als ich mich etwas beruhigt habe. Aber dann bin ich einfach nur fasziniert. Die Mutter hält ihre schlafende Tochter auf ihrem Schoß. Ein Arm stützt den Kopf des Kindes, ein anderer den Rücken. Die Augen der Mutter ruhen auf ihrem Kind. Das Kind atmet ruhig und schläft tief und fest. Rundherum ist jede Menge Trubel. Leute, die hektisch zu den verschiedenen Gleisen laufen. Durch den Lautsprecher der Bahn dröhnt die Ansage von der Einfahrt der nächsten Züge.

Und neben mir dieses schlafende Kind im Schoß der Mutter. So friedlich, entspannt und geborgen. „Wie gut es ihr Kind hat!“, sage ich, als die Mutter bemerkt, dass ich die beiden beobachte. Sie lächelt und nickt. Und antwortet mir in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Aber das ist egal. Ich kann ahnen, was sie meint.

In den ganz alten hebräischen Texten der Bibel steht das Wort Mutterschoß immer dort, wo in der deutschen Übersetzung das Wort Barmherzigkeit steht. Mich berühren diese beiden Worte und die Deutung, die ich darin entdecke: Ohne den Mutterschoß gibt es kein Leben. Und auch ohne Barmherzigkeit gibt es kein Leben.

Am Anfang jedes Menschenlebens steht die Barmherzigkeit. Wie ein Geschenk, das wir im Leben weitergeben können. Den Gedanken nehme ich heute gerne mit in den Tag. Und das friedliche Bild des Kindes auf dem Schoß der Mutter auch.

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