Zeige Beiträge 1 bis 10 von 319 »
Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Sieben Wochen ohne - zwei Millionen Menschen hierzulande machen wieder mit bei der Fastenaktion der Evangelischen Kirche in Deutschland. Zwischen Aschermittwoch und Ostern soll eine besondere Haltung geübt werden. Dabei haben die Evangelischen es ja traditionell nicht so mit dem Fasten. Aber bei der evangelischen Fastenaktion gibt es da einen besonderen Dreh: Es geht nicht um den Verzicht auf Schokolade, Alkohol oder ähnlichem. Stattdessen geht es darum, auf etwas zu verzichten, was uns in Fleisch und Blut übergegangen ist und uns mehr bestimmt, als uns lieb ist. In diesem Jahr heißt es deshalb: Sieben Wochen ohne Verzagtheit. Das Wort benutze ich eigentlich kaum noch. Aber ich weiß trotzdem sofort, was gemeint ist. Wenn ich verzagt bin, dann sage ich: „Ach, ich weiß nicht so richtig – soll ich wirklich?“ Oder: „Alles ist so unübersichtlich und schwierig – bevor ich etwas Falsches tue, lasse ich es lieber gleich ganz bleiben.“
Ja, so oder ähnlich spreche ich, wenn ich verzagt bin. Und damit mache ich die Dinge nicht besser, sondern oft nur noch schlimmer.
Aber wie geht es besser? Wie wird es besser? Die Alternative zur Verzagtheit ist ja nicht, einfach irgendetwas zu tun, Hauptsache handeln. Die Fastenaktion gegen Verzagtheit empfiehlt etwas anderes, Grundlegenderes: wir sollen leuchten! Es geht darum, dem inneren Licht eine Chance zu geben. Es geht darum, das Licht nicht für uns zu behalten. Wen ein heller Schein erreicht hat, der soll ihn weitergeben.
Denn Licht ist zum Leuchten da. Kein Mensch, sagt Jesus, zündet eine Kerze an und stellt sie unter einen Eimer oder einen Scheffel. (Matthäus 5,15) Das wäre völliger Blödsinn, da könnte man die Kerze auch gleich ausblasen.
Ihr seid Leuchttürme, ihr Menschen: Gebt Orientierung! Zeigt anderen einen Weg!
Ihr seid Hoffnungslichter: Eröffnet denen, die verzweifelt sind, eine Zukunft!
Ihr strahlt von innen: Erfreut eure Nächsten, wie eine Kerze an der anderen entzündet wird. Licht ist ansteckend.
Wer das jetzt übt: sieben Wochen leuchten, dem geht spätestens an Ostern bestimmt ein Licht auf.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37198Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Neulich hat ein Freund ein Hörgerät bekommen. Zunächst fand er ja: Dafür bin ich zu jung. Denn er ist noch keine fünfzig Jahre alt. Ein ganzes Jahr hat er sich gequält, immer schlechter gehört. Und wenn viele Menschen in einem Raum gleichzeitig gesprochen haben, dann war es für ihn kaum auszuhalten. Das war nur Kauderwelsch. Dann hat er abgeschaltet, dicht gemacht, war außen vor, auch wenn er mittendrin saß. Das Hörgerät gibt ihm jetzt endlich wieder das Gefühl dazuzugehören. In dem Wort „dazugehören“ steckt nicht von ungefähr das Wort „hören“ drin. Denn wenn man Gemeinschaft hat, wenn man zusammengehört, dann hört man aufeinander.
Kein Wunder, dass die Weltgesundheitsorganisation einen Welttag des Hörens eingeführt hat; der ist heute: Das menschliche Gehör ist mit Abstand der differenzierteste unserer Sinne. Die Augen kann man schließen – die Ohren nicht. Wie schwer ist es zum Beispiel, etwas zu lesen und sich darauf zu konzentrieren, wenn um einen herum eine interessante Unterhaltung stattfindet. Die Ohren können doppelt so viele Sinneseindrücke verarbeiten wie das Auge. Und unsere Hörschnecken können 7.000 Tonhöhen unterscheiden. Starke Leistung von unseren Ohren!
Kein Wunder auch, dass in der Bibel das Hören wichtiger ist als das Sehen. Denn Gott hat eine Schwäche für leise Töne. Das Geschrei ist seine Sache nicht. Deshalb achtet er auch ganz besonders auf die, die sonst kein Gehör finden.
Meinem Freund haben seine Probleme mit dem Hören klar gemacht, wie wichtig das Hören ist. Nicht nur aus akustischen Gründen. Und deshalb setzt er sich seitdem besonders dafür ein, dass Menschen einander zuhören. Er ist zum Anwalt des Aufeinander-Hörens geworden. Mittlerweile sagt er immer wieder, wenn es in Diskussionen ein Durcheinander gibt, wenn einer den anderen nicht ausreden lässt:
„Ich verstehe kein Wort. Bitte langsam und einer nach dem anderen.“ Das tut allen gut. Und es stärkt die Zusammengehörigkeit.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37197Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Einmal im Jahr wird rund um den Globus mit den gleichen Worten gebetet. Das gibt es sonst nur dann, wenn das Vater unser gesprochen wird. Am ersten Freitag im März ist Weltgebetstag, in diesem Jahr vorbereitet von Christinnen aus Taiwan. Das ist sozusagen die größte regelmäßige ökumenische Veranstaltung. Allein in Deutschland beteiligen sich viele Hunderttausend Menschen.
Über das Beten denken die Frauen immer wieder nach: Wer beten will, der braucht Informationen. Der muss konkret über die Situation Bescheid wissen, die im Gebet vorkommt. Und dann soll er auch so handeln, wie er gebetet hat. Denn im stillen Kämmerlein das Herz ausschütten und dann draußen, wenn es drauf ankommt leisetreten – das ist nicht drin. Das ist ein ganz schön anspruchsvolles Programm, finde ich.
In diesem Jahr ist die Aufgabe des Weltgebetstages wieder einmal besonders knifflig. Taiwan - das ist jene Insel im Pazifik, die sich als eigener, demokratischer Staat versteht; doch die Volksrepublik China sieht in ihm einen Teil Chinas und droht immer wieder mit einer Invasion. Frauen weltweit stellen sich im Gottesdienst an die Seite der Christinnen in Taiwan, die ihren Glauben in einer Demokratie leben wollen. Da wird selbst eine scheinbar allgemeine Bitte um Freiheit und Gerechtigkeit zu einem politischen Gebet. Da geht es darum, auch dann standhaft zu bleiben, wenn sich Diktatoren angegriffen fühlen und mit Sanktionen drohen.
Der Grundgedanke des Weltgebetstags ist schlicht und zugleich ergreifend: Alle haben etwas zu geben und alle können etwas empfangen. Keine und keiner ist den anderen voraus – keiner und keine glaubt besser oder schlechter. Und niemand soll zurückgelassen werden. So funktioniert Gemeinschaft. So sollte Christentum funktionieren.
Wer wissen will, wie das gehen kann: Morgen Abend in ganz vielen Kirchen überall im Land.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37196Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Heute ist Frühlingsanfang! Denn der Frühling fängt gleich zweimal an: einmal, wenn Tag und Nacht gleich lang sind. Und dann heute, drei Wochen vorher. Sagen die Meteorologen. Sie erforschen die Vorgänge in der Erdatmosphäre, also auch das Klima und das Wetter. Für sie ist im ganzen März schon Frühjahr. Dem kann ich nur von Herzen zustimmen und rufen: Es wird aber auch Zeit. Noch länger Kälte und Dunkelheit, das hält ja keiner aus.
Die Sonne scheint mehr und länger, das verändert den Hormonmix im Körper: Das Schlafhormon Melatonin wird weniger, Serotonin und Dopamin mehr. Wir fühlen uns glücklicher, vitaler, unser Körper wird nach der Winterpause hochgefahren.
Wir haben Anteil am Wechsel der Jahreszeiten. Ein Rhythmus, der auch an den Menschen nicht vorbeigeht, sondern der sie packt und verändert. Dass wir von den Veränderungen in der Schöpfung abhängig sind, ist nur natürlich. Und es fühlt sich gut und richtig an.
Herz, was willst du mehr? Das ist gut so, wie es ist; das hat Gott prima eingerichtet! Selbst wenn ich es äußerlich noch nicht richtig merke und es noch nicht ganz bei mir angekommen ist: Es wird Frühling! Das belebt nicht nur den Körper, sondern auch die Sprache. Selbst die Bibel wird da ganz poetisch:
Siehe, der Winter ist vergangen,
der Regen ist vorbei und dahin.
Die Blumen sind hervorgekommen im Lande,
der Lenz ist herbeigekommen
und die Turteltaube lässt sich hören in unserm Lande.
Der Feigenbaum lässt Früchte reifen,
und die Weinstöcke blühen und duften. (Hoheslied 2,11ff)
Diese Worte gefallen mir gut. Sie erinnern mich daran, dass Gott alles geschaffen hat und überall zu Hause ist. Das ist ein Gedanke, der darf und soll noch weiter wachsen und blühen:
Wie eine Tüte Blumensamen für meinen Winterkörper.
Wie die erste Prise Frühlingsluft in der Nase.
Wie das erste Lied, das ich draußen vor mich hinsinge.
Wie die erste dünne Jacke, die ich statt des Wintermantels anziehe.
Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
„Wir haben das Geheimnis des Lebens gefunden.“ Diese Worte haben Francis Crick und James Watson heute vor siebzig Jahren beim Mittagessen in einem Lokal in Cambridge gerufen.
Die beiden haben damit ihr Modell der Doppelhelix gemeint, ein doppeltes Band von in sich gedrehten Molekülen, aus denen unser Erbgut besteht - bitte fragen Sie mich nicht nach Details! Sie hatten so lange an Modellen aus Metall oder Pappe gebastelt, bis alle Informationen zusammenpassten.
Besonders tief in die Materie eingestiegen waren die beiden nicht. Sie nutzten die Vorarbeiten und Ergebnisse anderer, besonders von Rosalind Franklin, einer Forscherin, deren Resultate sie ungefragt verwendeten. Und dann probierten sie immer wieder, wie die Moleküle im wahrsten Sinn des Wortes zusammenhängen könnten.
Wir heute verstehen viel besser als früher, wie Leben weitergegeben wird. Forscher würden sagen: Wie es reproduziert wird. Wissenschaftlich ist das ein Quantensprung. Zugleich ist das sehr technisch. Denn es geht nur darum, wie biologisch Leben aus Leben entsteht.
Ob es wirklich das ist, was die Welt im Innersten zusammenhält?
Das Leben ist jedenfalls kein bisschen weniger geheimnisvoll als früher. Wer könnte alle Wendungen, alle Irrungen und Wirrungen, die wir Menschen im Laufe eines Lebens gehen, ergründen? Wer könnte die Frage nach dem Sinn des Lebens ganz und gar beantworten? Das alles ist mindestens so kompliziert wie eine Doppelhelix und keiner kann sagen, dass er das restlos für sein Leben entschlüsselt hat.
Der Apostel Paulus schreibt in der Bibel dazu: Jetzt sehen wir alles nur wie in einem Spiegel und wie in rätselhaften Bildern… Wenn ich jetzt etwas erkenne, erkenne ich immer nur einen Teil des Ganzen. (1. Korinther 13,12)
Ob jemals der Tag kommt, an dem ein Mensch zum Mittagessen ins Restaurant stürmt und begeistert ausrufen wird: Ich habe das Geheimnis meines Lebens erkannt? Ich glaube, wir leben davon, dass dieses Geheimnis in Gottes Liebe gut aufgehoben ist.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37194Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
„Bub, jetzt sind wir mal ganz ruhig und beten für die, die in dem Feuer drin sind.“
In diesem Satz steckt eine ganz intensive Erinnerung meines Vaters, die ihn nie wieder losgelassen hat.
Heute vor 78 Jahren wurde Mainz im Zweiten Weltkrieg von 435 Bombenflugzeugen angegriffen. In sechzehn Minuten warfen sie 1.500 Tonnen Bomben auf die Stadt. Danach brannte die ganze Stadt lichterloh und 1.209 Menschen starben.
Mein Vater war damals bei seinem Großvater. Die beiden sahen den Angriff von der anderen Rheinseite aus. Mein Vater war neun Jahre alt und ganz aufgeregt, weil er versuchte, die Flugzeugtypen zu identifizieren. Sein Großvater hat ihn dabei unterbrochen. Nicht unfreundlich, aber bestimmt: Auf der anderen Seite tobte ein Feuersturm durch die zerbombte Stadt. Der alte Mann war ein frommer Mann und tat mit dem Enkel das Einzige, was man noch tun konnte in dieser Situation – sonst war nichts übriggeblieben in diesem Schrecken:
„Bub, jetzt sind wir mal ganz ruhig und beten für die, die in dem Feuer drin sind.“
Für meinen Vater war das eine ernste Lektion, die er da gelernt hat. Die ihm vom Großvater durch dessen eigenes Verhalten vorgelebt wurde: Schau nicht über das Leid anderer Menschen hinweg.
In Mainz denken die Menschen heute in der Ruine der damals zerstörten Kirche St. Christoph an das, was 1945 bei dem Bombenangriff geschah. Aber wir können uns gar nicht daran erinnern, ohne an das zu denken, was Menschen an Leid und Schmerz bis heute widerfährt. Wir können nicht an die Opfer damals denken, ohne zu sehen, was seitdem immer wieder und wieder geschieht: Krieg in der Ukraine und an vielen anderen Orten der Welt. Mehr als zwei Dutzend gewaltsame Konflikte gibt es derzeit auf unserer Erde.
Ich weiß nicht, was Großvater und Enkel damals gebetet haben. Nachher in St. Christoph werden wir die Worte Jesu hören: Selig sind die Friedensstifter, denn sie werden Gottes Kinder heißen. Und wir werden darum beten: Gott, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37193Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Hildegards Leben beginnt sehr rheinland-pfälzisch: sie wird in Bermersheim vor der Höhe oder in Niederhosenbach, so genau weiß man es nicht, geboren. Das zehnte Kind ihrer Eltern. Mit acht wird sie deshalb von ihren Eltern weggegeben und auf ein Leben als Nonne vorbereitet, mit vierzehn kommt sie ins Kloster auf den Disibodenberg. Dort soll sie eigentlich bleiben. Es ist nicht vorgesehen, dass sie dieses Kloster jemals wieder verlässt. Hier soll sie beten und arbeiten.
Bis zu diesem Punkt scheint alles klar und vorgezeichnet. Besondere Vorkommnisse sind nicht eingeplant. Besondere Bedürfnisse und besondere Fähigkeiten auch nicht. Doch Hildegard hat Ausstrahlung und ist klug. Und sie hat Visionen, also Offenbarungen Gottes. Damit wird man in ihrer Zeit nicht zum Arzt geschickt, sondern als von Gott ausgezeichnet betrachtet. Nach und nach, Stück für Stück erkämpft sich Hildegard ein Leben, das zu ihrer Zeit außergewöhnlich ist – wir schreiben schließlich das zwölfte Jahrhundert, müssen also achthundertfünfzig Jahre zurück. Zu ihren Visionen kommt etwas ganz Entscheidendes dazu: Der Wille einen eigenen Weg im Leben zu gehen:
Hildegard gründet ihr eigenes Kloster und zieht vom Disibodenberg nach Bingen um. Und Klosterorganisation ist nicht ohne! Sie sammelt das naturkundliche Wissen ihrer Zeit. Sie beginnt zu schreiben, aber da ihr Latein nicht so gut ist, beschäftigt sie einen Ghostwriter. Sie beginnt zu komponieren. Sie ist eine ausgewiesene Netzwerkerin, korrespondiert mit Kaiser und Papst. Und, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, bricht sie von Bingen aus in alle vier Himmelsrichtungen zu Predigtreisen auf. Als Frau. Und die Menschen strömen zu ihr und hören ihr zu.
Das war ihr nicht an der Wiege gesungen worden. Was vermeintlich festgelegt und vorgegeben scheint, das erweist sich mit einem Mal als zu eng. Als viel zu kurz gedacht. Aus einer Jungfrau hinter Klostermauern wird eine selbstbewusste Frau, die die Öffentlichkeit sucht. Eine frühe Rheinland-Pfälzerin, die bis heute weltweit verehrt wird.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=36148Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Johannes der Täufer ist ein richtiger, echter Prophet. Genau so, wie man sich das vorstellt. Seine Worte haben Saft und Kraft. Otterngezücht nennt er seine Zuhörerinnen und Zuhörer. Er ist überzeugt: Sie werden einem zukünftigen Strafgericht nicht entkommen. Johannes fasst es sozusagen nur noch einmal zusammen, damit es auch jeder versteht. Und er stellt fest: Das habt ihr euch selbst zuzuschreiben. Ich habe es euch doch gesagt. Wer nicht hören will, muss fühlen.
Doch dann geschieht etwas Überraschendes: die Menschen, die ihm zuhören, lässt seine Botschaft alles andere als kalt. Wenn das so ist, wie Johannes es prophezeit – was sollen wir denn dann tun? Und zwar jetzt, wenn wir etwas ändern wollen.
Da muss nun Johannes der Täufer erst einmal nachdenken. Es ist eine Sache, den Menschen immer wieder konsequent mit dem Zorn Gottes und ihrem Untergang zu drohen. Eine andere Sache ist es zu überlegen, wie sich der Untergang abwenden lässt: Was muss sich denn überhaupt ändern? Geht das überhaupt und passt das zusammen, wenn jeder und jede eigene falsche Wege korrigiert, wo doch das eigentliche Problem bei der ganzen Menschheit liegt?
Doch, das geht, ist sich Johannes schließlich sicher. Jeder einzelne kann einen Beitrag zu einem guten, verantwortlichen Miteinander leisten. Und das Schöne dabei ist: es muss gar nicht spektakulär zugehen. Keiner muss in der Wüste leben wie Johannes selbst und in Kamelfell gekleidet nur noch Heuschrecken essen. Seine Vorschläge für einen Neuanfang klingen alle ziemlich machbar:
Kleidung und Nahrung teilen.
Ehrlich sein im Beruf und niemanden über’s Ohr hauen.
Bescheiden bleiben und definitiv keine Gewalt.
Vielleicht ist der Weg vom Otterngezücht zum Mitmenschen gar nicht so weit. Wenn es drunter und drüber geht, wenn der Boden zu wackeln beginnt, wenn unsere Fehler uns einholen, dann ist immer noch Gelegenheit, einfache, gute Dinge zu tun, mit denen man schon längst hätte anfangen können. Irgendwann mag es zu spät sein. Aber noch ist Zeit.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=36147Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
In der Bibel spielen Farben praktisch keine Rolle. Ja, Licht und Finsternis, die kommen vor, es wird hell oder dunkel, aber farbig oder gar bunt – Fehlanzeige. Kein Thema für die Bibel. Klar, damals waren Farben wertvoll und teuer, keine Chance für normale Leute, so etwas zu bekommen; man konnte höchstens einmal in den Häusern der Reichen einen Blick darauf erhaschen. Also alles schwarz-weiß, wie ein ganz früher Film? Ja, fast, aber nicht ganz. Denn eine Geschichte, die fällt heraus aus der Farblosigkeit. Sie ist alles andere als blass, sondern macht es bunt für alle:
Gerade erst hatte eine verheerende Flut das Land unter Wasser gesetzt. In einem großen Kasten, der Arche, ist das Leben von Menschen und Tierwelt gerettet worden. Nun steigt das Wasser nicht weiter, sondern geht zurück. Die Arche strandet auf einem hohen Berg und Gott lädt ihre Besatzung, Noah und seine Familie, zu einer Gipfelkonferenz ein. Dabei vereinbart Gott mit den Menschen, dass die Erde weiterbestehen soll. Frost und Hitze, Saat und Ernte, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Zum Schluss soll die Vereinbarung noch mit einem besonderen Zeichen besiegelt werden, damit sie nicht vergessen geht. Und das ist der Regenbogen. Eine himmlische Garantie, dass uns der Himmel nicht auf den Kopf fallen soll. Der bunteste Bibelvers von allen. Alle Farben des Spektrums sind vertreten. Rot, orange, gelb, grün, blau, violett. Die Garantie für die Erde ist bunt und nicht schwarz-weiß. Der Regenbogen in der Bibel sticht farblich heraus. Mehr geht nicht.
Dabei ist der Regenbogen keine Garantie, dass die Menschheit sich schon am Riemen reißen wird und ab sofort nichts Schlimmes mehr geschehen wird. Aber der Regenbogen ist ein Zeichen der Hoffnung, dass es nicht zum Äußersten kommen wird. In der einzigen Geschichte der Bibel, in der es richtig farbig wird. Damit es Gott am Ende nicht zu bunt wird mit allem, was die Menschen anstellen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=36146Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Wenn wir früher im Schulhof mit einem Kieselstein gekickt haben, wären wir alle liebend gern ein berühmter Fußballer gewesen. Und besonders gern Günter Netzer. Heute hat er Geburtstag und wird 78 Jahre alt. Günter Netzer ist der mit den schulterlangen Haaren, offensiver Mittelfeldspieler, der traumhafte Pässe aus der Tiefe des Raumes schlug, wie es so schön heißt. Aber die schönste Geschichte hat sich in einem Pokal-Endspiel zwischen Mönchengladbach und Köln ereignet.
Es wäre Netzers letztes Spiel für seinen Verein gewesen. Denn er wollte ins Ausland. Sein Trainer aber hat ihn nicht aufgestellt. Er sollte nicht spielen und saß nur auf der Reservebank. Doch als es dann lange 1:1 unentschieden stand, da sollte er dann doch. Aber da wollte Netzer nicht mehr und hat sich geweigert. Beleidigte Leberwurst nennt man das. Das muss zugleich sehr viel Selbstbeherrschung gekostet haben für jemanden, der so gern Fußball spielt; und als das Spiel dann unentschieden in die Verlängerung ging, hat er es nicht mehr ausgehalten. Trainer hin, Trainer her: Günter Netzer hat sich schließlich selbst eingewechselt. Und sprach dazu die Worte: Ich spiel dann jetzt. – Offensichtlich genau im richtigen Augenblick. Drei Minuten später hat er das Siegtor geschossen. Und dann dazu gesagt: Alle Glückszustände der Erde auf eine Sekunde zusammengefasst.
Was mich fasziniert: Dass ein kurzes Glück von wenigen Minuten genauso wichtig und groß sein kann wie viele Spiele. Zeit ist offenbar nicht entscheidend, wenn es um Glück geht.
Und was ich genauso wichtig finde: Da schmollt einer, ist unzufrieden, in Gedanken ganz woanders. Aber dann kommt er raus aus seiner Ecke, springt von der Ersatzbank, ändert seine Meinung und ist ganz da. Wie schön, wenn dafür Raum ist. Dass man es sich auch anders überlegen kann und dabei sein kann, egal, wie man sich vorher angestellt hat. Komm, mach mit, du kannst auch anders – oder in den Worten von Günter Netzer: Ich spiel dann jetzt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=36145Zeige Beiträge 1 bis 10 von 319 »