Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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18JAN2024
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Weihnachten ist vorüber, die allermeisten Christbäume sind entsorgt, Geschenke unter die sonstigen Habseligkeiten einsortiert. Nur meine Krippe steht noch. Und damit meine ich wirklich nur die Krippe selbst, also den Futtertrog. Es könnte auch eine Viehtränke gemeint sein. Alle lebenden Akteure der Weihnachtsgeschichte sind schon wieder anderswo: Die Engel sind zum Jubilieren zurück in den Himmel geflogen. Die Hirten, die an Heiligabend vorbeigeschaut hatten, sind nach ihrer kurzen Stippvisite längst wieder bei der Arbeit. Schafe, die vielleicht mitgelaufen waren, sind auch zurück auf der Weide. Die Weisen aus dem Morgenland reisen wieder nach Osten, erleichtert um die Geschenke, die sie dagelassen haben. Von Maria und Josef und ihrem Baby weiß man nicht ganz genau, wo sie sind: Entweder sind sie zurück nach Nazareth gegangen oder auf der Flucht nach Ägypten wegen des bösen Königs Herodes.

Die Krippe damals war wohl aus Stein gehauen oder gebaut. Bequem und weich hat es das Jesuskind da nicht gehabt. Meine Krippe ist noch nicht weggeräumt, weil sie das einzige Überraschende bei der Geburt Jesu ist: Ein Neugeborenes sieht aus, wie es aussieht. Von einem übernatürlichen Strahlen ist nicht die Rede. Die Windeln waren ganz normale Windeln, wie man sie damals hatte. Aber in einem Futtertrog liegen Babys normalerweise nie.

Das ist schon ein seltsames Zeichen, an dem man den Retter der Welt erkennen soll: Krippe-Futtertrog-Viehtränke. Mehr Alltag geht kaum. Mehr Elend geht kaum. Meine Krippe ist noch nicht weggeräumt, weil sie mich daran erinnert, dass Gott mit Jesus und uns nichts Übernatürliches im Sinn hat. Notdürftig wird er irgendwo hingelegt. Und da sollen wir hinschauen. Und da schaut auch Gott hin: wo nichts, aber auch gar nichts den Blick verstellt auf ein Menschenkind. Wenn ich es mir recht überlege: Vielleicht lasse ich die Krippe auch gleich bis nächstes Weihnachten stehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39148
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