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17MAI2024
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Wann waren Sie zum letzten Mal so richtig begeistert? Ich glaube, bei mir war das bei einem großen Konzert auf dem Canstatter Wasen in Stuttgart. 90.000 Menschen, eine Band, die Musik, ein warmer Sommerabend. Und die Begeisterung der vielen Menschen um mich herum war einfach ansteckend.

So ansteckend begeistert müssen auch die Freunde von Jesus gewesen sein, wenn sie von ihm erzählt haben. So ansteckend, wie die tollste Stimmung bei einem Fest oder wie schöne Musik, die einen einfach mitreißt. Zumindest steht das so in der Bibel. In der Geschichte über Pfingsten – das feiern wir am Sonntag.

Dabei waren die Freunde von Jesus am Anfang alles andere als begeistert. Sie waren sogar total verängstigt und mussten durch eine regelreichte Achterbahn der Gefühle. Erst wurde Jesus gekreuzigt und ist gestorben. Dann war er plötzlich wieder bei ihnen. Von den Toten auferstanden. Und sie haben sich mit ihm noch ein paar Mal getroffen. Eigentlich hatten sie dann gehofft, dass das so bleibt. Aber dann ist er endgültig zurück zu Gott gegangen – Himmelfahrt. Da waren seine Freunde wieder allein.  Dieses Mal aber scheinbar endgültig.

Da waren sie also nun: traurig, ängstlich und allein. Wie sollten sie den Auftrag von Jesus erfüllen? Wie von Gott erzählen? Die Menschen davon überzeugen, eine Gemeinschaft zu werden und zusammenzuhalten? Wie sollten sie das schaffen – ohne Jesus?  Er war es doch immer, der gepredigt hat. Der Leute geheilt hat und Streitgespräche geführt hat. Und dann kam eben Pfingsten.

Als die Freunde sich so ängstlich in einem Haus getroffen haben, da hat es sie plötzlich gepackt. Wie bei einem Sturm. Der hat sie wachgerüttelt. Es kam ihnen vor, als wären Feuerzungen vom Himmel gefallen und hätten sich auf sie gesetzt, so steht es in der Bibel. Sie wurden erfüllt von Gottes Geist. Die Ratlosigkeit war weg und die Angst. Sie waren ganz wortwörtlich begeistert. So begeistert, dass ihre Begeisterung ansteckend war. Sie sind raus auf die Straße gegangen, haben erzählt und gepredigt und die Menschen um sich herum mitgerissen – wie bei einem Fest oder wie gute Musik. 

Von manchen ihrer Zuhörer wurden sie auch verspottet. Aber das konnte die Freunde jetzt nicht mehr aufhalten.

Und das kenne ich auch. Wenn mich was richtig begeistert, dann traue ich mich plötzlich, anderen davon zu erzählen. Und manchmal springt der Funke über und dann breitet die Begeisterung sich aus.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein begeisterndes, langes Pfingstwochenende.

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16MAI2024
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„An Kindern sieht man, wie die Zeit vergeht“ – das ist so ein Satz, den meine Großeltern immer gesagt haben. Ich habe das früher nie so richtig verstanden. Mittlerweile merke ich aber selber, wie es ist, wenn die Kinder groß werden. Wir haben bei uns daheim an der Tür zum Wohnzimmer so ein Metermaß, wo man die Größe der Kinder sehen kann und dann einen Strich machen kann. Aber dafür sind sie mittlerweile auch zu groß geworden. Der geht halt nur bis 1,5 m.

Manchmal macht es mich einfach sprachlos, wie schnell sie groß geworden sind.

Ich denke, dass geht allen Eltern so:  Gerade erst sind die Kleinen zur Welt gekommen, da ziehen sie auch schon aus und gehen eigene Wege. Es geht alles so schnell, denn meine Kinder verändern sich ständig, während ich einfach nur älter werde.

„Gott, Lass uns begreifen, welche Zeit wir zum Leben haben – damit wir klug werden und es vernünftig gestalten.“  Das ist ein Satz aus einem alten Gebet in der Bibel. An den muss ich dabei immer wieder denken.

Ich glaube, dass die Zeit vergeht, das ist ganz normal. Dass wir alle älter werden, ist ganz normal. Die Frage ist einfach: Machen wir Menschen uns das auch klar – oder tun wir lieber so, als würden wir ewig weitermachen können? Oder als könnten wir die Zeit festhalten?

„Gott, Lass uns begreifen, welche Zeit wir zum Leben haben – damit wir klug werden und es vernünftig gestalten.“ Was stelle ich mit der Zeit an, die ich habe? Wie gestalte ich mein Leben? Was ist mir wichtig? Ich glaube, dass das mit „klug werden“ an dieser Stelle damit gemeint ist. Es ist eigentlich eine Haltungsfrage. Ich kann die Zeit nicht festhalten. Ich werde nun einmal älter und irgendwann alt. Manchmal möchte ich mich darüber beklagen und denke, wie schön es „früher“ war, als ich noch jung war. Aber dabei kann ich nun mal nicht stehen bleiben. Auch ich bin aus dieser Zeit „herausgewachsen“.

Ich möchte „klug werden“, wie es in dem Gebet heißt und versuchen zu akzeptieren, dass es so ist. Mich darüber freuen, was ich in meinem Leben alles schon Tolles erlebt habe. Dankbar dafür sein, was aus unseren Kindern geworden ist. Und auch, dass es mir jetzt gerade gut geht. Was noch kommen wird und wo ich vielleicht noch hineinwachsen werde, das weiß ich nicht. Aber der Maßstab meines Lebens ist zum Glück nach oben hin offen. Weil Gottes Maßstab keine Grenzen hat. Weil er mich in meinem Leben immer begleitet und mitwächst.

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15MAI2024
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Manchmal wird mir überdeutlich bewusst, wie nah Freude und Leid sich sein können. Zum Beispiel, wenn ich samstags im Garten bin und da halt das mache, was man samstags halt so im Garten macht. Rasenmähen. Unkraut jäten. Oder auch einfach mit den Kindern Tischtennis spielen. In einem Moment fühle ich mich sicher hinterm Gartenzaun – Und dann kommt der Anruf, dass jemand gestorben ist und ob ich gleich kommen könnte.

Also raus aus den Gartensachen und los. In einem Moment Kleingartenfreude und im nächsten Moment Trauerbegleitung und eine Aussegnung.

Als Pfarrer bin ich sehr nah dran an den Wendepunkten im Leben der Menschen: Ich sehe glückliche Eltern, die ihr Kind taufen lassen. Und sehe sie eine Woche später wieder auf der Beerdigung des Opas. Ich begleite Jugendliche bis zum Fest ihrer Konfirmation und erlebe, wie einer von ihnen ein paar Jahre später schwer verunglückt.  Freude und Leid können wirklich sehr nah beieinanderliegen. Es gibt ein Buch in der Bibel, dass das ziemlich genau auf den Punkt bringt:

„Für alles gibt es eine bestimmte Stunde. Und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Zeit: Eine Zeit für die Geburt und eine Zeit für das Sterben. Eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Ausreißen des Gepflanzten. Eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen. Eine Zeit zum Klagen und eine Zeit zum Tanzen.“

Dieses Buch bringt immer die Gegensätze zueinander. So wie Freude und Leid, die manchmal nah beieinander liegen. Und es macht klar: Gegensätze gehören zum Leben. Auch die, die wir nicht verstehen.

Ist das nun Reichtum? Oder Vielfalt? Oder ist das Leben manchmal vielleicht einfach nur nicht zu begreifen? Ganz sicher ist es anstrengend. Was aber all die Gegensätze verbindet, ist die Zeit selbst. Ich stelle mir das wie den buchstäblichen roten Faden vor, der alles ganz fein miteinander verbindet.

Das tröstet mich, wenn mich mal wieder ein Ereignis aus meiner „Gartenzeit“ reißt. Denn ich weiß, alles andere gehört auch dazu. Und das kann meinen Blick verändern. Ich sehe dann nicht nur den traurigen Moment, sondern auch die Momente, für die ich gerade dankbar bin. Und noch wichtiger: Gott begleitet mich bei alle dem. Und trägt das alles mit. Er hilft bei mir, den vielen Fäden in meinem Leben den Überblick nicht zu verlieren.

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14MAI2024
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Neulich hätte ich mir meine ganze Vorbereitung für den Gottesdienst komplett sparen können. Warum? Wegen eines kleinen Störenfrieds. Einem, der mir total die Show gestohlen hat.

Angefangen hat der Gottesdienst noch ganz normal. Auf einmal habe ich aber gemerkt, dass etwas Unruhe aufkommt. Ein kleiner Schmetterling hatte sich in die Kirche verirrt. Am Anfang ist er nur um das Fenster herumgeflattert. Später hat er dann die ganze Kirche erkundet. Von rechts nach links von unten und oben. Und zwischendurch hat er dann noch eine kleine Snack-Pause auf den Blumen des Altarschmucks gemacht.

Ab dem Moment habe ich gemerkt, dass er die volle Aufmerksamkeit hat. Von allen. Auch ich habe immer wieder geschaut, was er macht und wo er wohl als nächstes hinflattert.

Anfangs hat mich das fast ein bisschen geärgert. Aber je länger ich ihn beobachtet habe, desto schöner fand ich das. Ursprünglich wollte ich den Menschen von Jesus erzählen, wie er gesagt hat: „Seht euch die Vögel an! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln keine Vorräte in Scheunen. Trotzdem ernährt sie euer Vater im Himmel.  Stattdessen hat der Schmetterling die Predigt übernommen. Er hat sich auf die Altarblumen gesetzt und uns allen bewiesen, dass Gott für ihn sorgt – sogar in dieser Kirche. Gott ist da. Und er kann uns jederzeit ganz unerwartet begegnen. Auch in ganz kleinen Dingen.

In dem Lächeln eines Menschen. In einem Freund, der gerade dann anruft, wenn ich es so dringend brauche. Oder in einer Kollegin, die mir ganz unverhofft etwas Arbeit abnimmt. Wir müssen für diese kleinen Gottesgeschenke nur aufmerksam sein. Wie bei dem Schmetterling, dem alle fasziniert zugeschaut haben.

Ich wollte den Menschen ja etwas von der Nähe Gottes erzählen. Und habe deshalb versucht, den kleinen Schmetterling in den Gottesdienst mit einzubauen. Keine Ahnung, ob mir das geglückt ist. Denn: Auch wenn uns Gott oft ganz unerwartet begegnet, ob wir ihn in dem Moment auch wahrnehmen, liegt immer an einem selber. Deshalb lohnt es sich aufmerksam zu bleiben, finde ich. Mich hat der Schmetterling die ganze Woche begleitet, obwohl wir ihn nach dem Gottesdienst noch gerettet haben. In Gedanken bin ich immer wieder an dieser Begegnung vorbeigekommen.

Ich merke, dass es mir guttut, nach diesen kleinen Begegnungen zu suchen. Das in meinem Alltag zu finden, wo mir Gott begegnet. Mich nicht nur runterziehen zu lassen. Sondern mich an den vielen kleinen Sachen zu freuen, die es – Gott sei Dank – auch gibt.

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13MAI2024
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Gestern war ich in der Kirche bei einem Konfirmationsgottesdienst eingeladen. Und die jungen Leute, die konfirmiert wurden, haben ihre Konfirmationssprüche vorgestellt. Also die Bibelsprüche, die sie sich selbst ausgesucht hatten. Und die sie ab jetzt wie ein „Lebensmotto“ begleiten sollen. Ein Konfirmand hatte sich einen Vers aus einem alten Gebet in der Bibel ausgesucht: „Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“

Dieser 14-jährige hat dann ganz offen erzählt, warum er sich diesen Vers ausgesucht hatte: dass er sich manchmal ziemlich verloren vorkommt. Bei den ganzen üblen Nachrichten jeden Tag. Dass es in der Schule nicht immer klappt und er Fehler macht. Und dass es ihm manchmal einfach Angst macht, wenn er das alles alleine schaffen müsste. Deshalb habe er sich diesen Spruch ausgesucht. Und ich – ich konnte das absolut nachvollziehen.

Dass wir aber gar nicht so verloren sind – dass Gott seinen Engel befiehlt, auf uns aufzupassen und uns auf Händen zu tragen – das ist ein starkes Bild, finde ich! Eine Vorstellung, die mir auch in meinem Leben Kraft gibt.

„Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“

Ich glaube nicht, dass dieser junge Konfirmand hofft, dass ihm mit diesem Konfi-Spruch nichts Schlimmes mehr passieren kann? In Zukunft. Und auch ich glaube nicht, dass mein Leben ganz geradlinig verlaufen wird. Oder dass ich nie wieder in eine Krise geraten werde oder nie wieder etwas Schlimmes passieren kann. Ich kann trotzdem einen Unfall haben oder einmal ratlos sein. Und das alles wird nicht spurlos an mir vorbei gehen. Und auch für den jungen Konfirmanden werden die üblen Nachrichten jeden Tag nicht einfach verschwinden. Und sie sind weiter beängstigend.

Aber – und das ist der Punkt, warum er sich diesen Bibelvers ausgesucht hat – er weiß, dass er nicht alleine auf seinem Lebensweg ist. Engel stehen in der Bibel immer für die Nähe Gottes. Und auch mir gefällt die Vorstellung, dass ich nicht alleine bin. Ganz im Gegenteil. Ich werde sogar getragen, wenn mir selbst die Kraft fehlt, eine Krise durchzustehen.

Ich bin also nie ganz alleine auf meinem Lebensweg. Das ist dieser junge Mensch von der Konfirmation nicht. Und Sie sind das auch nicht.

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10MAI2024
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„Lügen haben kurze Beine!“ Diese Redewendung habe ich als Kind oft von Erwachsenen zu hören bekommen.

Und als ich klein war, habe ich das wort-wörtlich verstanden. Ich habe also tatsächlich gedacht, dass meine Beine beim Lügen etwas kürzer werden. So ähnlich habe ich das aus der Geschichte über Pinocchio gekannt, dessen Nase beim Lügen immer länger wird. Für mich war es deshalb auch kein Wunder, dass meine Eltern so schnell gemerkt haben, wenn ich am Flunkern war. Ich habe gedacht, die sehen das mir und meinen kurzen Beinen einfach an.

Natürlich habe ich recht bald herausgefunden, dass man Menschen meistens überhaupt nicht ansieht, wenn sie lügen. Wenn wir wollen, können wir uns deshalb untereinander ziemlich gut täuschen. Sei es mit einer kleinen Notlüge oder auch durch einen richtig großen Betrug.

Richtig erschreckend finde ich aber, wie gut man sich dadurch auch selbst belügen kann. Wenn ich zum Beispiel jemanden verletzt habe, kann ich mir danach ganz leicht einreden: „Ach, das war ja gar nicht sooo schlimm“. Obwohl das eine handfeste Lüge ist, sehe ich im Spiegel unverändert aus. Es bräuchte einen besonderen Spiegel, in dem ich sehen kann, was ich richtig und was ich falsch gemacht habe. Und so einen Spiegel gibt es: Es ist mein Gewissen.

Mein Gewissen zeigt mir ziemlich deutlich, wenn etwas nicht gut gelaufen ist.

Dann fange ich oft an, nach Gegenargumenten zu suchen: Meine Nachbarin hätte sich über einen Besuch von mir bestimmt gefreut, aber ich hatte so viel zu tun und alles andere war grade wichtiger. Gestern morgen habe ich meine schlechte Laune an meiner Familie ausgelassen. Später hat mir das leidgetan und das könnte ich ihnen auch sagen. Aber ist es so unangenehm, sich und anderen sein blödes Verhalten einzugestehen und damit auch in Erinnerung zu rufen.

So oder ähnlich dreht sich oft mein Gedankenkarussell. Dabei ist das Muster immer gleich: Während ich selbst mit ziemlich lahmen Gegenargumenten komme, um mir das Leben leichter zu machen, zeigt mir mein Gewissen ganz schonungslos, in welche Richtung es eigentlich gehen muss.

Ohne mein Gewissen, könnte ich mir selbst vermutlich ständig in die Tasche lügen. So weiß zumindest ich, wie kurz meine Beine wirklich sind. Und ich habe mit jedem neuen Tag eine neue Chance, es wieder gut und beim nächsten Mal besser zu machen.

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08MAI2024
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Morgen wird in den Kirchen ein etwas merkwürdiges Fest gefeiert: Christi Himmelfahrt. Die Christen feiern, dass Jesus 40 Tage nach seiner Auferstehung zurück in den Himmel gekehrt ist.

Die Bibel beschreibt das so: Bei den Jüngern herrscht Gefühlschaos. Erst mussten sie mitansehen, wie Jesus am Kreuz gestorben ist und dann taucht Jesus nach drei Tagen plötzlich wieder auf. Obwohl er tot war, können die Jünger ihn jetzt immer wieder live erleben und mit ihm sprechen. Mehr als einen Monat geht das so. Am Tag der Himmelfahrt treffen sie sich mit Jesus auf einem Berg. Und obwohl sie ihn dort stehen sehen, können sie wieder nicht begreifen, dass Jesus wirklich auferstanden ist.

Jesus spürt das und macht seinen Freunden ein Versprechen, dass sich nach diesen aufwühlenden Tagen wie Balsam für die Seele anfühlen muss. Er sagt: „Macht euch keine Sorgen. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“

Klingt nach einem Happy End. Erst das Leiden und Sterben, dann die Auferstehung. Und am Ende sind alle für immer glücklich miteinander vereint.

Doch genau in diesem Augenblick macht Jesus einen Abgang. Eben noch hat er versprochen, für immer bei seinen Freunden zu bleiben und zack, weg ist er. In der Bibel heißt es: Jesus verschwindet in den Wolken. Nur: Wenn Jesus weg geht, wie will er dann für immer bei den Jüngern sein? 

Ich verstehe das so: Jesus ist damals zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmen Ort Mensch geworden. Die Himmelfahrt öffnet seine Geschichte noch einmal. Denn nun will Jesus nicht nur bei seinen Jüngern, sondern bei allen Menschen sein. Und das kann er erst, wenn er wieder bei Gott, bei seinem Vater, ist. Dann kann er tatsächlich zu jeder Zeit in den Herzen aller Menschen sein.

Wie Jesus bei allen gleichzeitig sein kann, das erkläre ich mir durch einen Vergleich. Ich denke, das ist in etwa so wie mit der Liebe. Wir alle lieben ganz unterschiedliche Menschen, aber jeder weiß, was Liebe ist. Und ich glaube, so wie diese eine Idee der Liebe in den unterschiedlichsten Menschen präsent ist, so kann Jesus bis heute bei ganz unterschiedlichen Menschen sein.

Morgen an Christi Himmelfahrt wird dieses ganz besondere Versprechen gefeiert. Es gilt für immer und für alle: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ 

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07MAI2024
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Ein Sommer vor einigen Jahren: Ich bin auf Familienurlaub in Österreich. Meine kleine Nichte und ich machen einen Spaziergang. Emelie ist drei Jahre alt und einfach nur niedlich. Irgendwann stehen wir vor einer kleinen Dorfkirche. Emelie fragt: „Was ist das?“ Ich überlege kurz und antworte: „Da wohnt der liebe Gott.“ Sie schaut mich kritisch an und fragt: „Kennst du den?“

„Wen?“, frage ich, „Gott?“ Emelie nickt.

Ich muss lachen. Und dann fange ich an zu überlegen. Klar, wenn man weiß, wo jemand wohnt, dann muss man denjenigen ja wohl irgendwoher kennen. Das hat meine Nichte schon richtig verstanden.

Tja, kenne ich Gott? Gesehen habe ich ihn noch nie, aber wie man ihn kennenlernt, weiß ich glaube ich schon: Wenn man, wie meine kleine Nichte anfängt, nach ihm zu fragen.

Man kann Gott bestimmt durch viele Dinge kennen lernen: durch die Bibel zum Beispiel oder andere Leute, die an Gott glauben. Aber ganz am Anfang, wenn ich jemanden kennenlernen will, muss ich selbst Fragen stellen: Wer ist Gott, wie ist der so und wo wohnt der eigentlich?

So habe ich vor kurzem auch eine neue Freundin kennengelernt. Eben durch die typischen Smalltalkfragen. Das war nichts Großartiges. Aber diese ersten Fragen waren wichtig und irgendwann sind unsere Gespräche länger geworden.

Wie würde wohl so ein erster Smalltalk mit Gott aussehen? Das kann ich mir schwer vorstellen. Zum Glück gibt es aber jemanden, der dafür wie geschaffen ist: Jesus. Denn Jesus ist auf die Welt gekommen, um den Menschen zu zeigen, wie Gott ist. Also frage ich ihn und stelle mir vor, wie er antwortet: „Jesus, wer ist Gott?“ – „Gott ist die Liebe.“ „Und wie ist Gott so?“ „Wie ein guter Vater, mitfühlend, barmherzig und gerecht.“ „Ok, aber wo wohnt Gott eigentlich?“ „Gott wohnt in dieser kleinen Dorfkirche, und in jedem Menschen. Und ganz bestimmt kannst du Gott in deinem Herzen finden. Du musst dich nur auf die Suche machen.“

Wenn ich mir diese Unterhaltung vorstelle, dann merke ich: Wer Gott kennen lernen will, der muss in die Tiefe gehen und kommt nie an ein Ende. Weil da immer noch mehr ist als man zu kennen glaubt.

In der Bibel gibt Jesus mir Hoffnung, dass es sich trotzdem lohnt, immer wieder nach Gott zu suchen und zu fragen. Er verspricht mir: „Wer bei Gott anklopft, der wird nicht abgewiesen. Dem wird aufgetan. Wer Gott sucht, der wird ihn finden.“

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06MAI2024
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In der Bibel lesen ist für mich wie reisen: Beides mache ich gerne und beides ist manchmal echt keine Kaffeefahrt!

Ich stand einmal völlig verloren am Stadtrand von Hanoi in Vietnam und wusste nicht mehr weiter. Ich wollte zu einem großen Busbahnhof, aber weit und breit war kein einziger Bus zu sehen. Oder in Malaysia: Da hatte ich mit Freundinnen eine Regenwaldwanderung geplant. Auf einem Hochstand übernachten und Dschungeltiere beobachten – so hatten wir uns das vorgestellt. Gesehen haben wir zwei Tage nichts außer Tausende von Blutegeln.  

Wenn ich in der Bibel lese, stoße ich auch immer wieder auf Schwierigkeiten. Bei den Psalmen im Alten Testament zum Beispiel. Diese alten Lieder und Gebete sind oft wunderschön geschrieben, wie beispielsweise der Psalm 139, wo es heißt: „Wie schwierig sind für mich, o Gott, deine Gedanken, / wie gewaltig ist ihre Zahl! / Wollte ich sie zählen, es wären mehr als der Sand. / Käme ich bis zum Ende, wäre ich noch immer bei dir.“ So schön, dieser Text.

Aber schon im nächsten Psalm stolpere ich plötzlich über ziemlich drastischen Rachefanasien. Dort steht: „Gott lasse glühende Kohlen auf die Feinde regnen. Er stürze sie hinab in den Abgrund, sodass sie nie wieder aufstehn."

Ehrlich gesagt: Diese Passagen in der Bibel irritieren mich total. Aber wie beim Reisen machen grade die Schwierigkeiten das Bibellesen für mich erst zum Abenteuer. Damals in Hanoi, als ich auf der Suche nach dem verschwundenen Busbahnhof war, hat mir am Ende eine einheimische Familie geholfen. Und nach dem stundenlangen Kampf gegen die Blutegel im Malaysia wusste ich erst, was ich alles schaffen kann.

Wenn ich unterwegs bin, stellt sich die Welt immer wieder dem, was ich erwarte, in den Weg. So ähnlich macht die Bibel es auch, wenn ich in ihr lese.

Und genau das macht es so spannend. Denn wenn es schwierig wird, gibt es vermutlich genau dort etwas zu entdecken, durch das ich etwas Neues über mich und Gott erfahren kann.

Die biblischen Psalmen fordern mich zum Nachdenken heraus, vor allen an den Stellen, wo sie so deutliche Worte finden. Es gibt in der Welt so viel, von dem ich mir leidenschaftlich wünsche, dass es verschwindet. Gewalt z.B. oder Egoismus. Und wenn mir Unrecht und Grausamkeit begegnen, bitte ich Gott dann nicht in ähnlicher Weise, dass diese feindlichen Kräfte „nie wieder aufstehn“?

Vielleicht kann ich die schwierigen Verse in den Psalmen so verstehen. Aber ehrlich gesagt: Zu einer fertigen Antwort bin ich noch nicht gekommen. Auf meiner Reise durch die Bibel ist für mich noch lange kein Ende in Sicht.

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03MAI2024
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Ich weiß nicht, wie es einmal bei Gott im Himmel sein wird. Aber eines weiß ich: Bei Gott im Himmel steht ein großer Krug. Und in diesem Krug sammelt Gott alle Tränen, die ich im Laufe des Lebens geweint habe. Wie ich auf so eine Idee komme? Das steht in der Bibel, im Psalm 56. Dort betet ein Mensch zu Gott: „Du sammelst meine Tränen in deinen Krug, ohne Zweifel, du zählst sie“ (Ps.56,9)

Das muss jemand geschrieben haben, der oft im Leben geweint hat. Vielleicht hat dieser Mensch, der den Psalm 56 geschrieben hat, viel Leid erlebt. Vielleicht hat er Krieg erfahren und gesehen, wie Menschen um ihn herum getötet wurden. Vielleicht musste er viel zu oft an einem Grab stehen und einen Menschen beerdigen, den er geliebt hat. Vielleicht hat er große Angst gehabt um sein Leben oder das Leben anderer. Oder er hat Missbrauch und Gewalt erlebt. Vielleicht war er einfach tief einsam, weil da niemand war, der ihn verstanden hat und ihn geliebt hat. Und so hat er weinen müssen. Am Tag und vor allem nachts. Weil die Seele vor Schmerz schrie. – Jetzt aber schreibt er so einen Satz über Gott: „Du sammelst meine Tränen in deinen Krug, ohne Zweifel, du zählst sie“. Vielleicht hat er an manchen Tagen an Gott gezweifelt, aber er hatte eine große Hoffnung: Keine einzige Träne ist jemals umsonst geweint. Keine Träne geht verloren und wird vergessen. Gott selbst sammelt alle Tränen in seinem Krug. Man sammelt ja meistens das, was einem wertvoll ist. Briefmarken, Porzellan, kostbare Gemälde. Unsere Tränen sind Gott wertvoll. Wie Gold oder Perlen. Ich finde diesen Gedanken unheimlich tröstlich. Ich verstehe manchmal ja nicht, warum mir Gott ein Leiden oder einen Schmerz zumutet. Aber auch wenn ich das nicht verstehe, dann sind meine Tränen trotzdem Gott nicht egal. Im Gegenteil. Sie sind ihm wertvoll. Er sammelt sie. Er zählt sie. Er hütet sie. Und er wird mir am Ende alle meine Tränen abwischen. Auch das steht in der Bibel.

Wenn ich also einmal in den Himmel komme, dann will ich zu dem Krug gehen, in dem Gott meine Tränen gesammelt hat und Gott danke sagen, dass er auch im Schmerz bei mir war.

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