SWR4 Abendgedanken
Peter hat einen Job, der Jesus gefallen würde. Peter ist katholischer Diakon. Und zwar an einem besonderen Ort. Sein Arbeitsplatz sind die Baustellen rund um Stuttgart21. Allerdings erkennt man Peter nicht gleich als Mann von der Kirche. Denn er trägt Arbeiterklamotten, Sicherheitsschuhe und einen Helm – wie alle anderen auf der Baustelle. Und er ist, was Jesus von sich selbst immer gesagt hat – er ist ein Diakon; eine Übersetzung für Diakon lautet: Diener. In der Bibel ist das so formuliert: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen“. (Markus Ev. 10,45)
Konkret heißt das bei Peter: Er teilt seine Zeit mit den Tunnel- oder Betonbauern. Die meisten kommen aus dem Ausland. Er ist da, arbeitet mit, hört zu, fragt, vermittelt wenn es Probleme zwischen den Arbeitern oder mit den Chefs gibt. Und er kümmert sich um die Arbeiter auch nach ihrem Tag auf der Baustelle. Er hat zum Beispiel ein Auge drauf, dass sie ordentliche Unterkünfte haben und dass es dort WLAN gibt. Damit der Kontakt nach Hause einfacher ist.
Als ich Peter vor zehn Jahren zum ersten Mal auf der Baustelle besucht habe, habe ich auch Christian getroffen, einen Tunnelbauer aus Österreich. Ich kann mich noch gut an Christians Worte erinnern: „Den Peter, den geben wir nicht mehr her. Das sind wir von der katholischen Kirche nicht gewohnt. Die ist sonst eher auf Distanz. Aber der Peter, der gehört dazu, mit dem kann man reden, zu dem können wir mit jedem Problem kommen. Der versteht uns, der hört zu und das ist super.“
Peter hat in den letzten zwölf Jahren mehrere Tausend Arbeiter auf den Baustellen von Stuttgart21 erlebt und sagt: „Der Preis, den die Arbeiter zahlen ist hoch“. Der Job ist hart, körperlich geht das an die Grenzen – und Peter weiß, wovon er spricht, er ist selbst Handwerker, gelernter Heizungsbauer. Es gibt noch ein großes Problem: Die Arbeiter kommen oft nur für ein paar Tage im Monat heim, manche monatelang gar nicht. Da gehen viele Beziehungen kaputt. Peter unterstützt auch da, wo es möglich ist, und nimmt Kontakt auf zu den Frauen zuhause. Manchmal fährt er sogar mit den Arbeitern in ihre Heimat; da gibt es schöne Anlässe – er hat das Kind eines Tunnelbauers in Österreich getauft – und es gibt traurige, wenn er verstorbene Arbeiter dort beerdigt.
Seelsorger sein unter Bauarbeitern, das ist wirklich die passendste Ausführung, die ich mir für das Wort Diakon vorstellen kann. Denn eine zweite mögliche Übersetzung für die griechischen Begriffe „dia“ und „konis“ bedeutet: durch den Staub gehend. Und diesen Staub, den tragen Peters Arbeitsschuhe jeden Abend.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40275