SWR4 Abendgedanken

18JUL2024
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„Glaubst Du wirklich an Gott?“ Diese Frage wird mir immer wieder gestellt. Wahrscheinlich, weil ich bei der Kirche arbeite. Aber ich kann sie nicht so einfach beantworten. Zumindest nicht mit einem schlichten „Ja“ oder mit einem „Nein“. Ich finde die Frage „Glaubst Du an Gott?“ die eignet sich nicht, wenn es darum geht, über meinen Glauben zu sprechen. Denn das steckt ja dahinter, wenn jemand wissen will, wie ich es mit Gott halte.

Wenn ich von Gott spreche oder beschreiben will, was für mich glauben heißt, dann erzähle ich viel lieber, was mich berührt, wonach ich mich sehne oder worüber ich staune. Weil ich meine: darin steckt etwas von dem, das für mich heilig ist, und so eben mit Gott zu tun hat.

Dann erzähle ich zum Beispiel von dem Moment, als ich einen großen inneren Frieden gespürt habe. Das war nachts im Zelt, in der Weite von Kanada. Es war Winter und eiskalt, die ganze Landschaft war mit Schnee bedeckt. Über uns Millionen von Sternen am dunklen Himmel. Und das einzige Geräusch in dieser Stille war das leise Knacken eines zugefrorenen Sees. Da habe ich eine große Ehrfurcht vor der Schöpfung empfunden und Dankbarkeit, dass ich ein Teil davon sein darf.

Wenn ich mit meinen mehr oder weniger erwachsenen Kindern von Gott spreche, dann landen wir meistens bei Jesus. Der ist für sie näher und konkreter als Gott. Wir diskutieren darüber, ob wir gut finden, wie Jesus gelebt hat und was er getan hat. Und dann reden wir über unsere Gesellschaft, was schiefläuft, wie es passieren konnte, dass viele nicht genug Geld haben, um sich eine Wohnung zu leisten oder einfach nur gutes Essen. Und warum so viele junge Leute rechte Parteien wählen. Dass Jesus sich damals für Leute am Rand der Gesellschaft stark gemacht hat, dass es sein Weg war, sozialen Frieden zu stiften, das ist etwas, das uns gemeinsam imponiert und uns antreibt.

Ich denke, wenn ich erzählen kann, worüber ich staune oder wo ich Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft sehe, dann steckt da mehr von Gott drin, als wenn ich auf die Frage „Glaubst Du wirklich an Gott?“ mit Ja oder Nein antworte.

Mehr noch: Ich würde diese Frage lieber umdrehen und als Antwort formulieren: Ich glaube, dass Gott an mich glaubt. Dass er mir zutraut, dass ich wahrnehme, wie schön und staunenswert die Welt ist. Und mich kümmere und einsetze, wenn genau das bedroht ist.

Das bedeutet es für mich, an Gott zu glauben. Und ja, deshalb glaube ich.

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